Was für ein Palaver um drei Tage im Jahr!

„Kaum ein christliches Fest greift so penetrant in den säkularen Alltag ein wie Ostern“, schreibt meine Kollegin Katja Thorwarth in ihrer Oster-Kolumne. „Verlangt die Karwoche im Vorfeld die Haltung in Trauer und Stille nur von den Gläubigen, ist an Karfreitag gesamtgesellschaftlich Schluss mit lustig.“ Da sage ich doch nur: Das hätten die wohl gern! Diese Christen!

Ostern ist das höchste Fest der Christenheit. Wir werden daran erinnert, dass der Erlöser kam, starb und auferstand. Damit ist der Fall natürlich arg verkürzt dargestellt, aber die Geschichte gehört zu unserer Leitkultur, und so darf ich hoffen, dass alle, die dies lesen, genau verstehen, was Ostern bedeutet, auch ohne dass ich die Details hier ausbreite. Denn, liebe Leute, es tut mir nicht mal leid: Ostern interessiert mich nicht. Ich freue mich über ein paar Feiertage, an denen ich frei habe, und ich freue mich, dass Millionen von ChristInnen weltweit sich über die Auferstehung bzw. Auferweckung des Herrn freuen. Ich find’s gut, dass es ihn gegeben haben soll. Die Geschichte, die von ihm erzählt wird, ist schön, traurig und auch brutal. Glauben kann ich sie nicht, aber das wird heutzutage auch nicht mehr verlangt, denn wir leben in Zeiten der Religionsfreiheit, und das heißt für mich: in Zeiten der Freiheit von Religion.

Das sehen viele Menschen natürlich ganz anders, und es stimmt ja auch: Wir reden ziemlich viel über Religion, zum Beispiel über den Islam. Doch man kann für eine gerechtere Welt kämpfen, ohne in Religionsdingen organisiert zu sein. Man muss nicht an eines dieser Konzepte von Gott glauben, um Gutes zu tun. Religion ist heutzutage wieder mehr als noch vor 20 oder 30 Jahren ein Mittel, um sich abzugrenzen: Hier wir, dort die. Sie wird benutzt, um Menschen zu manipulieren: Wir sind die Guten. Sie wirkt wieder häufiger identitätsstiftend, vor allem bei Muslimen. Ich wünschte, wir bräuchten keine Religionen. Ich wünschte, viel mehr Menschen würden die Kraft finden, unsere Werte in der Freiheit zu leben, die unsere Verfassung uns gewährt, und würden sich nicht in erster Linie daran orientieren, was ihnen von anderen als gut und richtig vorgesagt wird.

Balken 4Leserbriefe

Wolf-Dieter Just aus Duisburg:

„Nichts gegen Christentums- oder Kirchenkritik. Das kann dem fragenden Nachdenken, der Überprüfung eigener religiöser Überzeugungen, nur guttun. Aber solche Kritik muss schon von jemandem kommen, der weiß, wovon er/sie spricht. Schade, dass die FR in ihrer Ausgabe zu Karfreitag nicht mehr zu bieten hat, als die theologisch-hermeneutisch unbedarften Kolumnen von Katja Thorwarth – voriges Jahr unter dem Titel „Hashtag Auferstehung“, dieses Jahr unter der Frage: „Ostern? Muss das sein?“ Letztes Jahr spottete sie über den „Jüngling mit der Dornenkrone“ und diejenigen, die „steif und fest“ seit Jahrhunderten behaupten, „der Mann sei ans Kreuz geschlagen und leblos wieder abgehängt worden, um drei Tage später gen Himmel zu fahren, so dass die Menschheit fortan in Glückseligkeit erstrahle.“ Ist das nicht etwas zu schlicht und flapsig? Sind die hinter Kreuz und Auferstehung stehenden existentiellen Fragen nach Gott, nach dem Woher und Wohin unseres Seins, nach Hoffnung über den Tod hinaus, einfach nur irrational, outdated? Thorwarths Problem: sie kennt keine solchen Fragen, sondern nur Antworten, Antworten wie sie – angeblich – das „Zeitalter weltlicher Wissenschaft (Biologie, Physik usw. usf.)“ liefert.
Die diesjährige Karfreitagskolumne schlägt vor, Ostern und überhaupt den Sonntag abzuschaffen. So sollen wir dem „göttlichen Zeigefinger“, „dem Joch eines Sklaventreibers“, dem „Verhaltenszwang“ entkommen. Danke Katja, dass Du mich von diesem Joch befreien willst!
Nach der verheerenden Kritik ihrer vorjährigen Freitagskolumne im Leserforum ist die aktuelle mit Verweisen auf Kant und Goethe geziert. Schade nur, dass der „kategorische Imperativ“, die goldene Regel, ausgerechnet biblische Gedanken aufnimmt (vgl. z.B. Mt 7: 12) und dass das Goethe-Zitat so isoliert wahrlich nicht ausreicht, um Goethes ambivalente Haltung zur christlichen Religion wiederzugeben. So hatte er seine Probleme mit der Vorstellung des Gottessohnes am Kreuz, dem „Martergerüst“, hielt aber- anders als Thorwald – sehr viel von der Auferstehungshoffnung zu Ostern. Der Person Christi hat er immer „anbetende Ehrfurcht“ gezollt. Und schließlich will Thorarth offenbar Seehofers populistische Aussagen zum Islam Christen und Kirchen anlasten – obwohl von denen schärfste Kritik daran kam. Wäre hier nicht etwas mehr Differenzierungsvermögen gefragt? Schade, dass die FR zu Karfreitag und Ostern nicht mehr zu bieten hat.“

Michael Dümpelmann aus Rosdorf:

„Der Beitrag hat mich, diplomatisch formuliert, befremdet, erst recht der Umstand, dass die FR ihn an prominenter Stelle platziert. Wogegen Frau T. anschreibt, weiß ich nicht, aber der affekttriefende Duktus ihrer Worte und die intellektuell flache Argumentation lassen den Schluss zu, dass es umfangreich um persönliche Erfahrungen geht. Die mögen schlimm sein. Aber sie sollten nicht zu Grundlagen allgemeiner Aussagen werden.
Kant gegen Ostern und Karfreitag in Stellung zu bringen, na, vielleicht werde ich das ab dem nächsten Pfingstfest verstehen. Und die säkulare Welt gegen die, ich pointiere ein bisschen, staatlich erzwungene Religionsausübung ins Feld zu führen, lässt eigentlich nur ein erstauntes ‚Hä?“ zu. Unter den Tisch fällt dabei, dass die säkulare Gesellschaftsordnung, in der wir leben, in Ländern besteht, die historisch betrachtet eine überwiegend christlich-jüdische Tradition haben.
Die CSU mit der katholischen Kirche zusammenzubringen, ist ein Klischee, das längst nicht mehr stimmt, wie es z.B. die Auseinandersetzungen in Bayern um die Flüchtlinge zeigte und weiter zeigt. Schlimmer jedoch ist für mich der an einem Goethe-Zitat festgemachte und affirmierte Nicht-Märchenglaube: In größter Naivität wird impliziert, dass Menschen ohne Glauben und Spiritualität auskommen könnten, obwohl genau das bereits einen Glauben darstellt – so wie jede Spielart von Atheismus auch.
Die Dimension des Geistigen, aktuell ‚Mentales“ genannt, lässt sich aber nicht mit der Ansetzung oder der Abschaffung religiös oder anderweitig tradierter Feiertage bewältigen. Die Argumentation von Frau T. kommt hier einem Hardcore-Materialismus und einer ökonomischen Steigerungslogik sehr nahe: Fallen Feiertage flach, kann mehr konsumiert werden. Auch das ist ein Glaube. Ein Karfreitag mit Tanz wäre dafür – auch nolens – ein passender Feiertag.
Kann denn Ostern, kann Karfreitag nicht gefeiert werden, von Glaubenden als religiöser Feiertag, von Nichtglaubenden als historischer?“

Horst Weitzel aus Frankfurt:

„Ich weiß, dass die Kolumne von Katja Thorwarth die Hälfte der Bevölkerung in unserem Land vor den Kopf schlagen wird. Von der anderen Hälfte werden sich viele sagen, ist mir egal. Von dem verbleibenden Anteil, zu dem auch ich mich rechne, werden viele, vielleicht sehr viele sagen: Ja, recht hat sie. Und was mir besonders gefällt ist, dass ein zugegeben heikles Thema so scharf formuliert, ohne populistisch zu werden, den Weg zu der breiten Leserschaft einer großen Tageszeitung findet.
Auch mir hat es als Jugendlicher (heute bin ich Rentner) gestunken, wenn es Tage gab, an denen in unserer Lieblingsdiskothek wegen Tanzverbots der einfachste Weg, cherchez la femme zu betreiben, verstellt war. Aber es ging auch über Kommunikation zu an diesen Tagen gezielt gespielter, kaum tanzbarer Musik. Es ist nicht nur der Karfreitag, auch der Volkstrauertag und der Totensonntag gehören nach wie vor dazu. Heute, vielleicht etwas altersmilder (ich glaub’s aber nicht), sage ich mir: Meine Güte, drei Tage im Jahr! Was soll also das Palaver?
Bereits in der weiterführenden Schule in den frühen Siebzigern war es durchaus angesagt, sich in einer mehrheitlich linksorientierten Schülergeneration über die klerikalen Cliquen und deren ‚Errungenschaften‘ im Namen Gottes wie Religionskriege, Kreuzzüge usw die Köpfe heißzudiskutieren. Unsere überwiegend konfessionsverhaftete Elterngeneration hat es aber geschafft, dass nur wenige Stimmen aus unserer Auflehnung öffentlich werden konnten. Das Kopftuch als vermeintlich religiöses Symbol gab es noch nicht, damals war es der Karikatur der Putzfrau vorbehalten.
Das in der Kolumne zitierte Goethe-Zitat ist meines Erachtens nach wie vor gültig. Das bekannteste dürfte jedoch die Behauptung von Karl Marx sein, dass Religion Opium für das Volk sei. Keinen Aufschrei habe ich allerdings vernommen, nachdem in der ZDF-Kabarettsendung ‚Anstalt‘ der Kabarettist Thomas Reis in seinem Solovortrag verkündete, Religion sei der Alkoholismus unter den Weltanschauungen. All dies muss jetzt aber nicht weiter vertieft werden.
Eins jedoch muss ich den religiösen ‚Vorschriften‘ zu Gute halten. Ich hoffe, dass der Widerstand von dieser wie von politischer Seite, der siebte Tag soll der Ruhe dienen, aufrecht erhalten bleibt gegen den wirtschaftsliberalen Machtapparat einer 24/7-Elite. Verlierer wäre dann auch wieder ausschließlich der ‚kleine Mann‘, zu dessen größter Teilmenge bekanntermaßen Frauen gehören.“

Bernd Wegerhoff aus Düsseldorf:

„Sehr geehrte Frau Thorwarth, vor meinem inneren Auge sehe ich Sie am Rechner sitzen. Die Kolumne ist soeben fertig geworden, aber Sie grübeln noch über der Frage, ob sich nicht hier und da eine Formulierung finden lässt, die noch einen Tacken ätzender, zynischer oder herabsetzender rüberkommt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Aber Sie haben schon recht: Seit das Christentum dank Kant und Goethe endgültig als Mummenschanz entlarvt ist und die kritische Vernunft ihren denkwürdigen Siegeszug angetreten hat, seitdem hat eben diese kritische Vernunft gesorgt für: eine Friedensordnung, die diesen Namen verdient und unter deren vernünftiger Ausgestaltung kein Mensch mehr um Leib und Leben fürchten muss; eine Wirtschaftsordnung, in der kein Mensch mehr um eines kleinen oder großen Profits willen elendig verrecken muss; einen erstaunlichen Aufschwung der Humanität (Belege im Mittelmeer) und  einen nie gekannten Grad der Zivilisierung der Menschheit (Belege an amerikanischen Schulen). So viel zu Ihrer ahistorischen und von keiner erkennbaren Analyse angekränkelten Vernünftelei.
Sollten Sie aber einmal bereit sein, wenigstens kurzfristig von Ihrem hohen Ross herab- und in die Niederungen des christlichen Alltags hinunterzusteigen, lade ich Sie ein, einmal unter meiner Kanzel Platz zu nehmen. Sie werden sich wundern, wie viel Vernünftiges Sie da zu hören bekommen werden – und zwar nicht trotz, sondern wegen sorgfältigen Hörens auf das Wort der Heiligen Schrift.“

 

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36 Kommentare zu “Was für ein Palaver um drei Tage im Jahr!

  1. Nachdem ich nicht mehr als soziales Wesen wahrgenommen worden bin, das stets unveräußerlich im Besitz aller Soziologie ist, erklärte ich vor dem Standesamt schon vor bald dreißig Jahren meinen Austritt aus der evangelischen Kirche. Die Münstergemeinde in Ulm, der ich bis dahin angehörte, schrieb mir zwar noch einen Brief und forderte mich angeblich verirrtes Schaf zur Rückkehr zur Herde auf. Allein die besagte Wortwahl ließ aber eher auf einen verdeckten Rauswurf schließen mit der Aufforderung, dass ich mich dort möglichst nicht mehr blicken lassen soll. Wenn bereits die stumme Kritik an der Unterkomplexität gleich welcher Theologie zu solch geharnischten Reaktionen führt, will ich nicht wissen, wie mich die Damen und Herren Pastoren buchstäblich grillen werden, sobald ich ihnen nicht mehr den Rücken kehre, indem ich um Wiederaufnahme in die Glaubensgemeinschaft bitte. Angesichts dessen erscheint auch mir Ostern in der Tat enorm an Bedeutung zu verlieren.

  2. @ Herren Dümpelmann, Just, Wegerhoff („Meine Kanzel“)

    Glaube und Religion. Ein naives 10-Punkte-Wort

    1. Volle Zustimmung zur thread-Einleitung:“Ich wünschte, viel mehr Menschen würden die Kraft finden, unsere Werte in der Freiheit zu leben, die unsere Verfassung uns gewährt, und würden sich nicht in erster Linie daran orientieren, was ihnen von anderen als gut und richtig vorgesagt wird.“

    2. Die zentralen Termini im thread sind, offensichtlich, Glaube und Religion.

    Gläubig und religiös kann auch jemand sein,die/der einer „Kirche“ oder dergleichen Zeremonialvereinigung nicht angehört.Und dem eben, ja, „unsere Verfassung“, das Grundgesetz, zur Führung eines mit-menschlichen Lebens vollauf genügt.

    3. Glaube nämlich heißt, im Buch der „Christen“ (etwa: der „Herrenanhänger“), pistis, oder pisteia; das gab es schon bei Heraklit. Es heißt nichts anderes, und e i n d e u t i g so, Vertrauen, Treue – ein existentiales Grundverhalten, ausgeübt lange vor den „Kirchen“, die im übrigen ja auch nur eine historische, also empirische, menschliche Erscheinung sind. Was denn sonst? – „Existential“: da bin ich ganz bei Bultmann. Luther übersetzt „pistos“, sehr richtig, mit „getreu“, existential; Off.2,10.

    Und, wichtig: die Schriften des Grundbuchs, entstanden in einer Zeit der Krise und Angst,im Kontext römisch-judäisch-hellenistischer Kultur, sind revolutionär menschlich gedacht – der Verband reiner Männer, die „Kirche“, hat diese Menschlichkeit verdrängt und verschüttet und maßt sich an, ungefähr seit dem 4. Jh. u.Z., seit dem 16. Jh. in doppelter Ausgabe, uns bloßen Menschen zu sagen, was „gut und richtig“ ist.

    4. re-ligio kommt nicht, wie oft verbreitet, von ligere oder legere, sondern von rem ligare, eine Sache binden, aus Rücksicht auf den anderen Menschen: re-ligio ist existentiale Gewissenhaftigkeit, auch schon vor-„christlich“.

    5.Und siehe. Für Glauben und Religon benötige ich duchaus kein Objekt namens „gott“, welches, konstitutiv undefiniert, uns in denkwürdigen Versuchen der Umschreibung („gott existiert, weil er allmächtig ist“ – und umgekehrt) tapfer vorgeführt wird. Nämlich von locker un-paulinisch politischen, jedenfalls eklatant unlutherischen Fürsprechern des Gute-Werke-Tuns und des penetranten Fröhlichseins wie Fr. Käßmann u. H. Bedford-S. Sowie von dem bekannnten Prediger des Erbarmens, der als weißer Engel verkleidet über den Globus zieht,zu Hause aber mit Abtrünnigen kein Erbarmen kennt.- Ich kenne das Grundbuch.

    6. And mind you: ich bin kein A-theist. Ich bin weder Theist noch A-theist. Ich bin gläubig und religiös. Und das ist ein Wink an alle „A-theisten“. Wenn ich mich als A-theist definiere, dann akzeptiere ich den theistischen Standpunkt als den Startpunkt der Definition. Warum sollte ich? Warum gehen die Autoren des – oft ohne Absicht humorvollen – „Wortes zum Sonntag“ (in meiner Lokalzeitung)einmal nicht von meinem Standpunkt des gott-los fragenden Menschen aus? Aber es ist wie der Hase und der Igel: die Theisten sind immer schon da, in ihrer ganzen Vollkommenheit.

    7. Was mich stört, ist diese „theistische“ Überheblichkeit. Ich bin seit frühen Jahren auf der Suche nach meinem Seelenheil.In der „Kirche“ finde ich es nicht. In Jahrzehnten habe ich unzählige, meist zweifelverstärkende Gespräche mit den Repräsentanten des Objekts namens „gott“ geführt.Sie pflegen geheimnisvolle Zeremonien, mit streng gehüteten Zauberformeln. Daran halten sie sich fest. Das unterscheidet sie von armen Menschen, wie ich einer bin. Sie sind erwählt, erlöst, errettet. Das tragen sie, wie auf dem Tablett, vor sich her. Sie haben die Lösung immer parat, sie brauchen gar nicht hinzuhören. Denn das/der/die „gott“ ist mit ihnen. Sie kom-munizieren nicht. Wozu? Ich erlaubte mir einst, in einer christlichen „Gesprächs“(!)-Runde,zu fragen, was das denn sei: das „Glaube“. So eine ungehörige Frage kann nur ich stellen – naiv wie ich bin, wie alle Heilssucher. Jedenfalls – triumphale Antwort eines Christen:“Jesus hat mich erlöst,das ist mein Glaube.“ Noch Fragen?

    8. Neulich hatte ich das Vergnügen, eine talk-show zum Migrantenproblem zu verfolgen; ich bin(noch leicht aktiver) Migrantenhelfer. Eine Teilnehmerin der show, eine Pfarrerin, wurde als „Theologin“ eingeführt und als solche, d.h. als die zuständige Fachfrau, frisch herabgestiegen von der Kanzel, angesprochen. Da kam ich mir,so allein vor dem Fernseher, als bloßer Mensch und Helfer – mit keiner andren Begründung meiner Tätigkeit als mit einem knurrig gott-losen „Ja, gut, da helfe ich eben, was muss ich´n da machen“ -, doch recht klein und mickrig vor.

    9. Sollte denn auch das Migrantenproblem, wie so vieles heutzutage, nur ein Theologenproblem sein? Ich bin Historiker. Also Empiriker. empeiría heißt Erfahrung. Religion ist nichts als menschliche – eben oft von oben verordnete und damit versteinerte – Erfahrung. Ich meine, solange wir nicht der versteinert kirchen-christlichen Bevormundung unserer Gesellschaft entsagen, solange werden wir uns nicht überzeugend, vom Grundgesetz her, gegen beunruhigende Nebeneffekt einer neu zu uns kommenden versteinerten und obrigkeitlich tabuisierten Kultur, genannt „Religion“ („Das ist mein Glaube,und das ist die Vorschrift,Punkt“)wenden können.

    10. Das Wort zum Sonntag – an die Kanzel: «Der liebe Gott ist überall, aber er ist nicht in der Kirche.» Guy de Maupasssant, Ein Leben

  3. Ich finde es absolut richtig, dass immer mal wieder sehr kritische Artikel zur Religion erscheinen. Permanent wird behauptet, unser Land sei „christlich“. Von CSU/CDU Politikern wurde sogar behauptet, wer sich nicht zu diesen Werten bekennt, habe in der BRD nichts verloren. Muß ich als in Wiesbaden geborener Atheist also bald die BRD/Hessen verlassen?
    Aber mal im Ernst: Einerseits wird von den christlichen Kirchen soviel Unsinn als christliches Dogma verkündet, doch das ist mir eigentlich egal. Die Menschen sollen glauben, was sie wollen, an die Jungfrauengeburt Mariens, an die Wiederauferstehung nach der Kreuzigung oder das die Erde eine Scheibe ist, um die sich die Sonne dreht.
    Aber inakzeptabel ist die nach wie vor ungebrochene Dominanz der christlichen Kirchen, obwohl die Zahl der „Gläubigen“ immer weiter abnimmt. Als Folge des mit Hitler geschlossenen Konkordaz ist es immer noch legal, daß Menschen, die aus diesem Verein austreten, anschließend ihren Arbeitsplatz bei Krankenhäusern, Kindergärten, so diese die Kirchen als Träger haben, verlieren. Höchstrichterlich abgesegnet. Selbstverständlich verweigern diese vor Nächstenliebe triefenden Organisationen den Abschluß von Tarifverträgen.
    Diese Darstellung ist unvollständig, viel gäbe es noch zu anderen Tatsachen zu sagen. (Waffensegnungen, Inquisition, Völkermord in Südamerika in Namen der Christianisierung usw.)
    Angesichts der Rolle der christlichen Kirchen in unserer Gesellschaft sind die Worte von Katja Thorwarth mehr als gerechtfertigt.

  4. @ Bronski
    Keineswegs will ich mich an einem weiteren „Palaver“ über Religion und schon gar nicht über das christliche Ostern beteiligen. Einem Satz in Ihrer Einleitung, möchte ich aber doch widersprechen, nicht nur weil ich ihn für eine billige Polemik gegen Religiöse halte. Sie schreiben: „Ich wünschte, viel mehr Menschen würden die Kraft finden, unsere Werte in der Freiheit zu leben, die unsere Verfassung uns gewährt, und würden sich nicht in erster Linie daran orientieren, was ihnen von anderen als gut und richtig vorgesagt wird.“ Meinem Sie wirklich, dass wir Werte wie etwa Solidarität, Mitgefühl, Gemeinsinn, Anstand und Mut zum Widerstand gegen Unrecht ausbilden und leben können, ohne uns daran zu orientieren, was uns in unserer Erziehung und Bildung „von anderen als gut und richtig vorgesagt“ wurde, egal ob sich diese Ethik aus dem Humanismus oder der Religion ableitet? Brauchen wir alle nicht Vorbilder und Vordenker, wie es Martin Luther King, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela oder Vaclav Havel waren?

  5. @JaM
    Humanismus und Religion: „egal“? Beide „ethisch“? Alles dasselbe? Um gotteswillen: nein. Ich, als gläubiger und religiöser und daher kirchenfreier Mensch, protestiere. Es geht um den zentralen Punkt der Diskussion. Humanismus – der Einsatz für die Würde des Menschen, für die Gleicheit von Frau u. Mann, für unveräußerliche Menschenrechte in der Gemeinschaft (Grundgesetz)- ist und war kein Motiv von „Religion“. Das Motiv von „Religion“ ist die durchweg von weltfern „reinen“ Männern (Priestern, Pastoren, Prälaten, Päpsten) forcierte Zeremonialisierung des Lebens im angeblich „höheren“ Interesse einer fraglos hinzunehmenden Figur namens „gott“.Soeben lese ich in der Zeitung über die wahrhaft weltbewegende Diskussion leitender „religiöser“ Herren, über „konfessionsverschiedene Ehen und eine gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie“.(Was immer das sein soll.)

    Wie ist es möglich, dass die hier zutage tretende zynische Lebens-Verneinung,diese auftrumpfende Verweigerung von Humanität, dieser Wider-sinn, nämlich der „religiöse“, heute immer noch obrigkeitsfromm und devot und von a l l e n Parteien (man sehe sich alle Programme an) „Leitbild“-akkreditiert, geäußert werden kann? Wir sind weder eine „christliche“ noch eine „islamische“ Gesellschaft. Die Demokratie musste sich in Jahrhunderten gegen den „christlich“ gestützten und zwanghaft legitimierten Feudalismus durchsetzen.
    Und die Frage gilt auch für andere „Religionen“.

  6. @ A.H. Kunze
    Erstens verwechseln Sie Religion und Kirche, zweitens habe ich nicht behauptet, dass Religionen (genauso wie nicht-religiöse Weltanschauungen) per se ethisch sind, sondern geschrieben, dass sich Ethik sowohl aus nicht-religiösen Weltanschauungen als auch aus Religionen ableiten lässt. Für Martin Luther King und seinen Freund und Mitstreiter in der Bürgerrechtsbewegung Rabbiner Abraham J. Heschel waren die Gleichwertigkeit aller Menschen und die Grundrechte durchaus ein Motto ihrer christlichen bzw. jüdischen Religion, um nur zwei Beispiele zu nennen.

  7. @ JaM

    Die Liste der Vorbilder ist unvollständig. Ich erlaube mir, ein paar Namen hinzuzufügen: Abu Bakr al-Baghdadi, Pierre Vogel, Abu Walaa, Osama bin Laden, George W. Bush, Hedwig von Bevernfoerde … to be continued.

  8. @ Bronski
    Und hier die Gegenliste für „Vorbilder“ der säkularen Weltanschauungen: Hitler, Stalin, Pol Pot … to be continued.
    Wollen wir wirklich auf diesem Niveau diskutieren? Sind wir uns nicht einig, dass Menschen fähig sind, aus allen – religiösen wie nicht-religiösen – Weltanschauungen genauso Gutes wie auch Böses zu machen?

  9. @ JaM

    Bleiben Sie doch bitte beim Thema – und schieben Sie nicht mir die Niveauabsenkung in die Schuhe, die Sie begonnen haben.

    Sind wir uns nicht einig, dass Religion vielfach als Herrschaftsinstrument missbraucht wurde und wird?

  10. Gerade eben las ich im Sonderteil zum Jahr der Frauen, dass Frau Thorwarth, die Verfasserin des von wenig Kenntnis, aber viel Polemik getrübten Beitrags zum Karfreitag, für die Tilgung von Hasskommentaren bei FR online zuständig. So habe ich lange nicht gelacht bei der Lektüre meiner guten, alten FR. 😀

  11. @ Bronski
    Sicher sind wir uns einig, dass „Religion vielfach als Herrschaftsinstrument missbraucht wurde und wird“. Hoffentlich sind wir uns aber genauso einig, dass es innerhalb der Religionen immer auch Menschen und „Bewegungen“ gegeben hat und gibt, die sich gegen diesen Missbrauch gewährt haben und währen, angefangen mit den biblischen Propheten.

    Ich will in keiner Weise gegen Kritik an Religionen polemisieren oder nicht-religiöse Weltanschauungen abwerten. Es geht mir nur darum klarzustellen, dass religiöse Menschen nicht gegenüber nicht-religiösen „defizitär“ sind. Sicherlich sind religiöse Menschen stärker als nichtreligiöse in einer Traditionskette der „Welterklärung“ und der Verhaltensnormen (im positiven und negativen) eingebunden (aber auch nicht-religiöse sind von solchen Vorprägungen und Bindungen nicht frei. Auch Religiöse können (zumindest könnten) durchaus das Tradierte hinterfragen und die Freiheit, die unser Grundgesetz bietet, bejahen und schätzen. Mich macht die Überzeugung frei, dass der Mensch von Gott mit der Fähigkeit ausgestattet wurde, Gutes und Böses zu unterscheiden, und dass der Mensch die Wahlfreiheit bekommen hat, sich zu entscheiden. Dies verpflichtet mich auch zum ethischen Handeln. Eine andere Frage ist, ob ich dieser Verpflichtung auch nachkomme.

    Ich hoffe, dass Sie nun meinen Einwand gegen Ihre Einleitung verstehen, ohne mir „Niveauabsenkung“ vorzuhalten.

  12. Der Beginn dieser Diskussion war doch u.a. die Feststellung von Frau Thorwarth „dass am Karfreitag für Alle Schluss mit lustig ist.“

    Ich verstehe das so, dass ihr von der wohl inzwischen christlichen Minderheit in diesem Land, etwas aufgezwungen wird. Das eine Religion das Recht hat, Menschen egal welchen Glaubens oder keinem Glauben zu sagen, was an diesem Tag erlaubt ist und was nicht. Die Trennung von Kirche und Staat faktisch aufgehoben ist.
    Ach, ich vergaß, christliches Abendland.
    Rechtfertigt das die Dominanz der Kirche?

    Mit der Realität in Deutschland hat das aber nicht mehr viel zu tun.

    Ich persönlich finde die Feiertage schön. Ich liebe es, wenn die Hektik nachlässt und sich jeder dem widmen kann, was er oder sie gerne tut.
    Für die einen wäre es Tanzen und feiern auf ihre Art – wenn denn erlaubt, für die anderen ein gutes Buch und die Gläubigen eben auf ihre Weise den Karfreitag begehen.
    Den Zwang aber sich der Ansicht der Kirche zu unterwerfen lehne ich ab.

  13. Zur Debatte von Bronski und JaM: die Universalisten aller Lager statt der Partikularisten sollten sich zusammen tun ! Interview mit Herrn Joas in der FR vor ein paar Tagen!
    Merkwürdig, wie sich die Debattenstränge immer wieder treffen!
    @ Frau Hartl: auch ich genieße es, an Feiertagen auszuruhen, die Stille statt der Hektik, die Zeit für Freunde und Verwandte. Ich glaube, alle genießen es. Wie können wir diese gemeinsamen Oasen erhalten auch in einer Welt, die total unterschiedliche Glaubens -und Unglaubensmöglichkeiten beinhaltet? Wie das z.B. In den Öffentlich-Rechtlichen besser lösen als bisher?

  14. Es ist wirklich erstaunlich, JaM, dass Sie glauben, mir verständlich machen zu müssen, dass religiöse Menschen nicht zwangsläufig „defizitär“ seien. Ich behaupte etwas anderes: Religiöse Menschen und ihre Strukturen sind häufig übergriffig – und das ist es ja auch, was Katja Thorwarth mit ihrer Kolumne letztlich thematisiert. Ich denke dabei gar nicht mal an Missionierung, auch wenn das ein Beispiel wäre, oder an die Sache mit dem Handschlag, die in einem anderen Thread hier im Blog gerade diskutiert wurde. Ich habe ein anderes Beispiel für Sie: die Knabenbeschneidung. Es gibt da ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das dem Menschen an sich zusteht und auch von der deutschen Verfassung zugestanden wird, das aber von den Religionsgemeinschaften der Juden und der Muslime aus traditionellen und religiösen Gründen attackiert wird. In Deutschland gilt daher seit 2012 ein Gesetz, das Menschenrecht verletzt – ein unhaltbarer Zustand. Ein Grundrecht wurde durch Partikularinteressen außer Kraft gesetzt. Das ist meines Erachtens ein gutes Beispiel dafür, dass der Einfluss religiöser Interessengruppen zurückgedrängt werden muss.

  15. Gäbe es den Karfreitag ohne Religion? Wenn es ihn nur durch die Religion gibt, was meine Meinung ist, verliert er seine Existenzberechtigung wenn man meint es sollte die Religion ausgeblendet werden. Wobei es durchdacht werden sollte ob man die Möglichkeit schafft für nicht Kirchenmitglieder z.B. alternativ arbeiten zu gehen.

  16. Wie will man den Arbeitgebern gegenüber begründen das sie christliche Feiertage bezahlen sollen wenn es keine Christen mehr im Land gibt?

  17. @ hans

    So wie ich Katja Thorwarth verstanden habe, verzichtet sie lieber auf freie Tage, nur um sich ja nichts von der christlichen Tradition aufzwingen zu lassen. Das nenne ich konsequent.
    Auch den Sonntag will sie ja abschaffen und stattdessen jede(n) selbst entscheiden lassen, welchen Tag er/sie für Muße und Einkehr braucht. Und ob sie den 7-Tage-Rhythmus akzeptiert, ist ja auch die Frage, denn der ist ja, oh Schreck, von der Bibel vorgegeben. Im Interesse der Arbeitgeber tut’s ja vielleicht auch ein freier Tag alle 10 Tage.
    Für SchülerInnen und Lehrkräfte wird das lustig, und auch die KollegInnen in anderen Berufen hätten Schwierigkeiten, sich zu Besprechungen und Konferenzen zu treffen. Ganz abgesehen von der Freizeitgestaltung für Familien und Freundesgruppen.
    Oder sollen wir alle den Donnerstag nehmen? Aber der ist ja nach dem germanischen Donnergott benannt. Schon wieder so ’ne Religion, igitt!

  18. zu @ Brigitte Ernst
    Wenn das Katja Thorwarth so macht hat das Respekt verdient. Was mich immer stört sind die Leute die als Trittbrettfahrer unterwegs sind. Ob bei den Kirchen oder den Gewerkschaften ist mir eigentlich egal. Die Kirchen oder die Gewerkschaften kritisieren aber alles was man ohne eigene Leistungen bekommen kann und einem gefällt gerne mitnehmen. Die Kirchen haben in unserer Gesellschaft bezahlte Feiertage durchgesetzt und erwarten das dafür auch bestimmte Regel wie das Tanzverbot an Karfreitag eingehalten werden. Ich finde das nicht unangemessen. Wenn jemand damit aus Prinzip nicht einverstanden ist sollte diese Person auch auf den Feiertag verzichten. Alles andere ist nichts anderes als scheinheilig. Ähnlich sieht es bei den Gewerkschaften aus. Das Bundesurlaubgesetz sagt 3 Wochen Urlaub im Jahr. Jeder der mehr Tage bekommt hat das den Gewerkschaften zu verdanken. Es scheinen aber immer mehr der Meinung zu sein diese Leistungen würden vom Himmel fallen. Wenn es keine Gewerkschaften mehr gibt gibt es auch keine Tarifverträge mehr und dann gilt das Gesetz. Es wäre mal interessant zu erfahren wer von denen die hier mitschreiben mal einen Tag im Arbeitskampf in ihrem Leben waren. Hier wird immer viel von Umverteilung geschrieben. Ein Volk von Trittbrettfahrern wird das nie erreichen weil diese Leute in Wirklichkeit auch nicht anders sind als die Oberschicht.

  19. @ hans

    Ich stimme Ihnen zu. Es gibt da den schönen Spruch vom geschenkten Gaul. Über geschenkte Wohltaten auch noch meckern, geht gar nicht.

    Noch einmal zu Katja Thorwarths alljährlichem Aufreger Ostern:
    „Kaum ein christliches Fest greift so penetrant in den säkularen Alltag ein wie Ostern“, hebt sie vielversprechend an. Um dann die ganze empörende, penetrante Zumutung auf den Tisch zu legen: drei geschenkte freie Tage, einer davon leider mit einem Verbot öffentlicher (nur öffentlicher!) Vergnügungen behaftet – genau wie der staatlich initiierte Volkstrauertag. Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein.
    Liebe Frau Thorwarth, es gäbe vieles an den mehr oder weniger etablierten Religionsgemeinschaften in Deutschland zu kritiseren. In diesem Blog wurde schon viel davon zur Sprache gebracht. Fällt ihnen dazu Jahr um Jahr nichts anderes ein als das Verbot öffentlicher Vergnügungsveranstaltungen am Karfreitag? Erweitern Sie Ihr Spektrum doch mal, sonst wird es langweilig.

  20. zu @ Brigitte Ernst
    Eine Bemerkung zu ihrem Beitrag. Da ist genau nichts „geschenkt“. Weder bei den Kirchen noch bei den Gewerkschaften. Alles was es da gibt musste durchgesetzt werden und wenn der Wille das zu behaupten verschwindet werden auch die Leistungen schwinden. Wenn die Kirchenmitglieder immer mehr in eine Minderheit geraten, wie weiter oben fast triumphierend verkündet, werden die christlichen Feiertage irgendwann nach und nach zur Diskussion stehen. Auch da gilt das Gleiche für das was in Tarifverträgen geregelt wird. Ich habe mal als Betriebsratsmitglied bei Kurzarbeit eine Härtefallreglung für Geringverdiener mit durchgesetzt. Wenn man so etwas mal gemacht hat weiß man wie viel da verschenkt wird. Aber davon ab haben sie recht.

  21. @ Bronski
    Bezüglich der Knabenbeschneidung haben Sie „vergessen“ zu erwähnen, dass dieses Thema, auch hier im Blog, kontrovers diskutiert wurde und wird. Ihre Bewertung ist nicht ein durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigtest Recht, sondern nur eine Rechtsmeinung, der eine andere Rechtsmeinung gegenübersteht.

  22. @ JaM

    Selbstverständlich ist das „nur“ eine Rechtsmeinung. Wieso dieses „nur“? Ist Ihre Meinung denn etwas anderes? Immerhin ist meine Rechtsmeinung nicht durch religiösen Irrsinn getrübt. Hier zeigt sich übrigens tatsächlich das Defizitäre von Religionen und religiösen Menschen: Sie brauchen Jahre, Jahrzehnte, zuweilen sogar Jahrhunderte, um Fortschritte intern umzusetzen.

    Was das Verfassungsgericht oder nachfolgende Gerichte zum gegenwärtigen Rechtstatus der Beschneidung sagen, werden wir erst erfahren, wenn ein Betroffener dagegen klagt. Das wird noch ein paar Jahre dauern, falls es überhaupt dazu kommt. Dass bisher kein Gericht höherer Instanz etwas zum Beschneidungsgesetz gesagt hat, heißt nicht, dass die Sache rechtlich endgültig geklärt wäre. Wo kein Kläger, da auch kein Urteil.

    Und: Ich habe keineswegs „vergessen“ zu erwähnen, dass dieses Thema hier im Blog kontrovers diskutiert wurde. Das spielt in diesem Zusammenhang ganz einfach keine Rolle. Dass dieses Thema kontrovers diskutiert wurde, war nur möglich, weil religiösen Positionen viel Platz eingeräumt wurde. Es wäre vielleicht ein Experiment wert, diese Debatte erneut zu führen und dabei religiöse Positionen konsequent auszuschließen. Ich werde mir das mal überlegen.

    Für alle, die mitlesen und/oder noch nicht so lange im FR-Blog unterwegs sind: Seit dem Kölner Urteil von 2012 ist die Beschneidung von Jungen ein Thema im FR-Blog. Dabei geht es nicht nur um die Beschneidung aus religiösen Gründen, sondern auch um medizinische Indikation. Ärzte schneiden mitunter viel zu schnell was weg, obwohl es Optionen gäbe. Es gab im Lauf der Jahre zu diesem Thema mehrere Blogtalks und Grundsatzdiskussionen hier im FR-Blog.

    Die Blogtalks:

    Blogtalk: Beschneidung in Deutschland nach 2012
    Blogtalk: „Ent-hüllt!“ – Autor Clemens Bergner im Gespräch

    Weitere Threads:

    Verletzung der körperlichen Unversehrtheit
    Am Schneideweg
    Das Primat des Männlichen
    Begleitdiskussion zum Blogtalk “Beschneidung in Deutschland nach 2012″
    Rund um das Thema Beschneidung
    „Ich habe einen Teil meines Körpers verloren“
    Der Antisemitismus-Vorwurf als ideologische Waffe (am Rande)

    Allen Uninteressierten: Verzeihung für diese Liste, aber ich „vergesse“ nicht, was in diesem Blog passiert.

  23. @ Bronski

    Zum „Irrsinn“, der die Hirne von religös festgelegten Menschen trübt:
    Als ich 1955 als Achtjährige zur Erstkommunion ging, galt die Regel, dass man, wollte man am Ende der sonntäglichen Messe die heilige Kommunion empfangen, nüchtern sein musste. In der Jugend meiner Eltern schloss das auch den vorherigen Genuss von Wasser aus, was zu meiner Zeit bereits aufgehoben war.
    Mein Vater bestand darauf, dass die Familie jeden Sonntag das „Hochamt“ besuchte (um 10 Uhr beginnend anderthalb Stunden lang vorwiegend kniend zugebracht). Mir bereitete diese körperliche Belastung auf nüchternen Magen zeitweise Probleme, so dass es mehrfach vorkam, dass mein Kreislauf gegen Ende der Messe schlappmachte und ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
    Im normalen Alltag waren meine Eltern sehr auf meine Gesundheit bedacht und achteten darauf, dass ich nicht ohne vorheriges Frühstück in die Schule ging. Am Sonntag dagegen schien ihre Sorge und Empathie ausgeschaltet. Meine Gesundheit hatte hinter den Anforderungen der Religion zurückzutreten, ebenso wie ihre eigene natürliche Fürsorglichkeit für ihr Kind vom Glauben überdeckt wurde. Ein klassisches Beispiel für dem religös begründeten Irrsinn, von dem Sie sprechen.
    Ähnlich, nur mit noch weiter reichenden Folgen für die Kinder, verhalten sich Eltern, die die Beschneidung ihrer Kinder zulassen bzw. diese zum konsequenten Fasten im Ramadan anhalten.

    Die katholische Kirche hat sich diesbezüglich immerhin als reformfähig erwiesen. Die Zeit der geforderten Nüchternheit vor der Kommunion wurde im Laufe der Jahre verkürzt und ist mittlerweile ganz abgeschafft.

  24. @ Bronski
    Erstens wissen Sie, dass ich in Bezug auf die Knabenbeschneidung anderer Meinung als Sie bin und dass ich dies in den Threads, auf die Sie verweisen, ausführlich begründet habe. Zweitens brauchen säkulare Gesellschaften oft genauso lang wie Religionen, „um Fortschritte intern umzusetzen“. Drittens setzen Sie sich über Ihre eigene Blogregel hinweg, wenn Sie mir unterstellen, meine Meinungen werden „durch religiösen Irrsinn getrübt“. Wenn Minderheitsmeinungen (und die Meinungen religiöser Minderheiten) in Ihrem Blog unerwünscht sind, können Sie gerne weiter ohne die Betroffenen diskutieren. Ich sage dann Adieu.

  25. Laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau ist Galileo Galilei erst in jüngster Vergangenheit von der römisch-katholischen Kirche rehabilitiert worden. Das heißt: Rund vierhundert(!) Jahre dauerte es, bis der Paradigmenwechsel, der seinerzeit mit der kopernikanischen Wende einherging, auch von weiten Teilen der Christenheit offiziell nachvollzogen war. Solange galt die längst nicht mehr zu widerlegende Erkenntnis, dass die Erde keine Scheibe ist, lediglich als noch zu belegende Hypothese. Das lässt erahnen, welch schweren Stand herausgehoben und insofern extern vorliegende Wissensstände wie beispielsweise der Befund einer stets fehlenden Unmittelbarkeit allen menschlichen Handelns haben, deren Rang mit dem Wechsel zum heliozentrischen Weltbild vergleichbar ist. Bis die Theologie ihre jeweilige Unterkomplexität überwindet, sind die Gläubigen darauf angewiesen, im wahrsten Sinn des Wortes ihren Verstand auszuschalten; wobei jedes Jahr an Ostern als dem höchsten kirchlichen Fest die Fragen immer drängender werden, sich von der dadurch selbstverschuldeten Unmündigkeit endlich verabschieden und als aufgeklärte Bürger sich äußern zu dürfen.

  26. @ JaM

    Ich rate Ihnen, Ihre Haltung zu überprüfen. Sie reagieren über. Ist aber nicht das erste Mal. Nach Heinrichs Rauswurf hatten wir das schon Mal. Also: Sie dürfen selbstverständlich einer Meinung sein, die von meiner abweicht. Sie müssen sich aber gefallen lassen, dass in einem Thread, in dem es um religiösen Irrsinn geht, so etwas wie Knabenbeschneidung als religiöser Irrsinn bezeichnet wird, denn genau das ist es.

    Machen Sie, was Sie wollen. Ich find’s schade, wenn Sie andere Meinungen nicht aushalten, aber wenn es so ist, dann ist es eben so.

  27. @ Brigitte Ernst

    Dass man nüchtern zum Arzt kommen muss, wenn Blut abgenommen werden soll, ist nachvollziehbar. Dass man nüchtern zur Messe kommen muss, ist religiöser Irrsinn. Ich setze das Wort bewusst nicht in Anführungszeichen und möchte es wörtlich verstanden wissen: Irr-Sinn. Da hat sich etwas in die Irre entwickelt, der Sinn für Maßstäbe hat sich fehlentwickelt.
    Fasten-Gebote gibt es in allen Religionen, und auch im Islam gibt es Fraktionen, die das mit dem Fasten an Ramadan eher metaphorisch verstehen und auch so handhaben (sind allerdings Ausnahmen), und solche, die das sehr ernst nehmen. Daraus können gesundheitliche Gefahren entstehen, kein Zweifel. Der einzige Weg, dem abzuhelfen, führt über die Aufklärung der Eltern. Da sind unter Umständen dicke Bretter zu bohren.

  28. @ Jürgen Römer, 6. April 2018 um 17:36

    Wenn Sie den Kommentar von Katja Thorwarth mit „Hasskommentaren“ vergleichen, dann haben Sie offenbar keine Ahnung davon, was „Hasskommentare“ sind.
    Hier eine – freilich schon ältere – Kostprobe, die Frau Thorwarth zur Verfügung gestellt hat. Sie können davon ausgehen, dass neuere mit Sicherheit nicht besser sind. Der Perversion in manchen Hirnen sind keine Grenzen gesetzt.
    http://www.fr.de/kultur/netz-tv-kritik-medien/medien/online-kommentare-im-land-der-gleichgeschalteten-medien-a-587544

  29. @ Bronski

    Hinter dem Nüchternheitsgebot vor dem Empfang der Hostie steckt die Vorstellung, man dürfe den Leib des Herrn, den man da in sich aufnimmt, nicht entwürdigen, indem man ihn mit dem Frühstücksei gemeinsam im Magen landen lässt (salopp ausgedrückt). Hinter dem Irrsinn steckt durchaus eine Überlegung. Wobei man hier auf die zutiefst archaische Vorstellung trifft, dass man mit dem Verspeisen des Leibs eines anderen dessen Kraft (hier die geistig- moralische) in sich aufnimmt. Wie bei den Kannibalen – gruselig!

  30. @Werner Engelmann
    Die „Kostprobe“ ist ein Schlag ins Gesicht, aber ein gutes Beispiel, was Hasskommentare sind.

    Ich bekomme da den Eindruck, dass es völlig egal ist, worum es geht. Hier soll nur der Hass auf was auch immer in die Welt gebrüllt werden.

    Frage mich aber, ob das verwendete Vokabular „nur“ auf Blödheit schließen lässt.

  31. Für manchen mag die Feststellung des französischen Philosophen Jacques Derrida banal klingen, dass wir in einer multidimensionalen Welt leben; wobei die einzelnen Ausdehnungen stets „durch einander“ existieren, wie der deutsche Soziologe Georg Simmel schon vor über einhundert Jahren reklamierte. Angesichts solch einer von Natur aus gegebenen Ganzheitlichkeit kann keine Rede davon sein, dass die religiöse Dimension die einzig maßgebliche ist. Vielmehr hat sich ausnahmslos jede Religion in diesen objektiven Zusammenhang notwendig einzufügen. Verhält sie sich jenseits besserem Wissen widerständig, tritt dem menschlichen Individuum der soziale Tod ein, dem sein körperlicher auf dem Fuß folgt. Es kommt daher entscheidend darauf, vor allem an Ostern nicht eindimensional zu handeln, wenn die von Christen verbreitete Kunde von der Auferstehung von Bestand sein soll. Die von Frau Thorwarth in ihrer Kolumne eingeforderte Trennung von Kirche und Staat schützt insofern die Gläubigen vor den Übergriffen eigenmächtiger Geistlicher.

  32. @ Anna Hartl, 9. April 2018 um 11:17

    Betr.: „Hasskommentare“:
    „Frage mich aber, ob das verwendete Vokabular „nur“ auf Blödheit schließen lässt.“ –

    Ich glaube nicht, dass man mit solchen Einschätzungen weiterkommt, selbst, wenn das für manche zutreffen mag.
    Ein Beispiel mag dies verdeutlichen:
    Ich war früher oft auf Reisen, überwiegend Camping, öfter in Spanien. Auf Mallorca etwa habe ich deutsche Touristen beobachtet, deren Verhalten mich angewidert hat („Ballermann“). Das waren ganz „normale“ Spießer – nicht nur jüngere – aus dem Ruhrpott z.B.
    Die hätten es zu Hause nie gewagt, sich derart daneben zu benehmen. Dazu wären sie viel feige, hätten Angst davor, was die Nachbarn so sagen usw. Auf Mallorca aber fiel jegliche soziale Kontrolle weg. Da kannte sie niemand. Da konnten sie ungestraft „die Sau rauslassen“.

    Schlussfolgerung:
    Eine grundlegende Aggressivität ist in jedem Menschen und zu jeder Zeit angelegt. Damit umgehen zu lernen, ist eine Frage des zivilisatorischen Prozesses und der Erziehung. Die soziale Kontrolle ist dabei ebenso elementar wie grundlegende Verhaltensregeln in Konventionen zu fassen, einschließlich von Tabus.
    Zu solchem Verhalten führen also mehrere Faktoren:
    (1) Wegfall sozialer Kontrolle Bedingungen der Anonymität (Internet: „Im Dunkeln ist gut munkeln“)
    (2) Wegfall der Furcht, ertappt oder belangt zu werden
    (3) Negative „Vorbilder“, Z.B. in der Politik (Pegida, AfD), die Akzeptanz jeglicher Form von Hassbotschaften gewalttätigen Aktionen signalisieren (Haupttäter der „Gruppe Freital“ über Motive für Sprengstoffanschläge gegen Flüchtlingsheime: „Ich fühlte mich verstanden.“)
    (4) Permanente Verschiebung der Grenzen des Zulässigen zum Negativen
    (5) Lust, Macht über andere auszukosten, und sei es „nur“ in Form verbaler Beschimpfungen (typisches Untertan-Verhalten).

    Über die Ursachen der Lust am Ausbreiten von Hass wird man kaum allgemeingültige Aussagen treffen können. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass diese im Wesentlichen in den entsprechenden Personen angelegt sind (Unfähigkeit, mit eigenen Problemen umzugehen) und äußere Faktoren eher auslösende Funktion haben.
    Ebenso erscheinen mir, in der Form der Aufschaukelung von Hass und Gewalt, Analogien zu den frühen 30er Jahren unabweisbar (z.B. beschrieben von Horvath in „Jugend ohne Gott“).

    Gegenmaßnahmen:
    Mir erscheint nur ein ganzes Bündel von Maßnahmen, alle 5 Punkte betreffend, erfolgversprechend. Da von „der Politik“ keine entschiedene Initiative zu erwarten ist, setze ich auf Reaktionen aus der Zivilgesellschaft. Auch hierfür bedarf es freilich der Beispiele und Vorbilder.
    In diesem Zusammenhang habe ich mich entschlossen, persönlich Strafanzeige gegen Beatrix v. Storch wegen ihrer volksverhetzenden Äußerungen nach dem Attentat von Münster zu stellen. Eine persönliche Betroffenheit leite ich dabei aus meinen öffentlichen Äußerungen hier im Blog gegen das Schüren einer Islamisierungshysterie ab, die mich – nach v.Storch – in die „Verharmlosungs- und Islam-ist-Vielfaltsapologeten“ einordnet, denen sie unterstellt, dass sie über diese Mordtat „jubilieren“.
    Mein Vorstoß hat zu verschiedenen Kommentaren zu diesem Artikel geführt:
    http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/amokfahrt-von-muenster-der-islam-ist-schuld-egal-um-was-es-geht-a-1482582

  33. @ Werner Engelmann

    Der Autor des FR-Artikels nennt von Storchs Absondeungen „lächerliche Peinlichkeiten“. Recht hat er. Sie hat sich vor aller Welt total blamiert und sich selbst zur Lachnummer erniedrigt. Sollte man ihr tatsächlich die Ehre erweisen, sie ernst zu nehmen und ihre Wichtigkeit dadurch zu bestätigen, dass man Strafanzeige gegen sie stellt? Das Verfahren würde wahrscheinlich niedergeschlagen und man wäre selbst blamiert. Ich würde die Finger davon lassen.

  34. @Werner Engelmann
    „Eine grundlegende Aggressivität ist in jedem Menschen und zu jeder Zeit angelegt.“
    Stimmt, wenn mich zum wiederholten Male ein Autofahrer in einem Abstand von 20 cm von meinem Rad in einem Affenzahn überholt nur weil er vor mir an der roten Ampel stehen will, fange ich zu brüllen an. Habe also einen „guten“ Grund.

    Was den Wegfall der sozialen Kontrolle betrifft, bin ich mir nicht so sicher.
    Ich habe soziale Kontrolle dort wo ich aufgewachsen bin, ein Dorf, mein Vater empört, das ist eine Kleinstadt, als sehr negativ empfunden. „Man“ stand quasi unter Beobachtung. Die hatten wohl alle nichts besseres zu tun.
    Für mich ist soziale Kontrolle ein zweischneidiges Schwert und nichts, was zu einem „besseren“ Menschsein führt.

    Vielleicht, und wirklich nur vielleicht, ist auch dieser sich in einem solchen Ausmaß zeigende Hass, eine Form von Rebellion.
    Es scheint keine Rebellion der Intellektuellen zu sein und die Ziele sind zumindest fragwürdig, aber es bringt wohl Massen in Bewegung.

    Ich spekuliere jetzt Mal und beziehe mich auf die Ostdeutschen, da ich dort die größten „Brandherde“ sehe. Mir kommt es so vor, als ob diese Menschen das größere Problem mit ihrer Identität haben. Der Westen hat gedacht, der Osten muss überglücklich sein, endlich frei zu sein! Das wir eine jahrzehntelange Entwicklung genommen haben, auch ausgehend von den 68-igern, die zu dem führte, wie wir heute leben, ist in Ostdeutschland so nicht passiert.

    Was ich sagen will ist, dass mit dem Fall der Mauer in das Leben der Menschen etwas einbrach, was nicht ihre eigene Entwicklung wiederspiegelte und die zum Teil auch abgelehnt wurde. Das, was auch ihre Identität ausmachte, sollte aufgebrochen, verändert werden.
    Was trat an die Stelle der „alten“ Identität? Die gesamtdeutsche Identität, natürlich westlicher Ausprägung? Ohne wirklich zu Bedenken, dass es im Westen ein langer Prozess war und ist und nicht von heute auf morgen deren Alltag wird.

    Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausdrücke, aber eines der Probleme scheint die Sache mit der Identität zu sein, selbst nicht zu wissen, wer oder was man ist und sich dann mit Kulturen die einem noch fremder sind auseinandersetzen zu müssen, erscheint mir als Überforderung.

    Ich will es nicht entschuldigen, ich versuche zu verstehen. Vielleicht ist das was ich denke auch Blödsinn.

  35. @ Anna Hartl, 10. April 2018 um 10:14
    @ Brigitte Ernst, 9. April 2018 um 23:39

    Ich habe es noch nicht geschafft, auf diese beiden Beiträge zu antworten.
    Da es sich dabei thematisch um den Umgang mit rechtsradikalen Tendenzen handelt, verschiebe ich die Antwort auf den Thread „Tellkamp, der Selbstheroisierer“.

  36. 1. In unserem Staat kann Gott oder wem oder was auch immer sei Dank jeder/jede nach seiner/ihrer Fasson seelig werden – jedermanns und jederfraus Freiheit endet allerdings an der Nasenspitze des oder der Nächsten.
    2. Frau Thorwarth ist ein typisches Opfer unseres Schulsystems, das immer mehr Bildungslücken hinterlässt:
    2.1 mathematische Lücke
    Deutschland hat aktuell rd. 82,8 Mio. Einwohner – davon sind 45,505 Mio. eingetragene Mitglieder der evangelischen und katholischen Amtskirche – mithin 55 %.
    2.2 Logiklücke
    Da nicht nur bei den 45,5 Mio. Mitgliedern der Amtskirche, sondern auch bei den übrigen 37,3 Mio. Einwohnern Deutschlands „natürlich jeder Säugling und Entmündigte mitgezählt“ ist und selbst Frau Thorwarth nicht unterstellen wird, dass der Prozentsatz an Entmündigten bei den Mitgliedern der Amtskirchen größer ist als bei den übrigen Einwohnern, ändert sich nichts an dem prozentualen Verhältnis der beiden Bevölkerungsgruppen.
    2.3 Allgemeinbildungslücke
    Zu den in diesem Land lebenden Christen zählen bekanntlich nicht nur die Mitglieder der beiden Amtskirchen, sondern auch die der übrigen christlichen Glaubensgemeinschaften; auch diese begehen den Karfreitag.
    2.4 Demokratieverständnislücke
    Dass in einer Demokratie die deutliche Mehrheit der Bevölkerung das Recht hat, gesetzliche Feiertage festzulegen, müsste selbst Frau Thorwarth einleuchten, zumal ihr als Mitglied der nicht christlichen Minderheit ja keineswegs zugemutet wird, den Karfreitag in Stille zu begehen – zu Hause kann sie tanzen bis zur Extase – vorausgesetzt, sie verursacht dabei keinen ruhestörenden Lärm.

    Noch muss sie nicht beim Ruf des Muezzins vom Minarett den mitzuführenden Gebetsteppich ausrollen, um sich – verhüllten Haupts, versteht sich – gen Mekka zu beugen – um nicht 300 Peitschenhiebe zu riskieren!

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