Liberalismus hat heute seinen Platz bei den Grünen

Die FDP will sich neu entdecken. Nach der Führungskrise um Guido Westerwelle, der Außenminister bleibt, obwohl er kein führendes Parteiamt mehr innehat, hat die FDP sich am Wochenende eine neue Parteispitze gegeben, und das soll den Neuanfang nach sich ziehen. Die „Bambis“ an der Parteispitze hatten zuvor tagelange Personalrochaden durchgespielt, in deren Verlauf der frühere Wirtschaftsminister Rainer Brüderle als Fraktionsvorsitzender endete – ein einflussreiches Amt. Und ein Preis, den der neue Vorsitzende Philip Rösler offenbar am Ende zu zahlen bereit war. Brüderle ist jetzt der Elefant in der FDP. Seine Vorgängerin Birgit Homburger wurde stellvertretende Parteivorsitzende. Und der Neue an der Spitze will in seinem Amt als „ordnungspolitisches Gewissen“ der Regierung fungieren. Die Partei will in der Regierung unbequemer werden. Bedeutet das mehr Koalitionskrach? Das heißt, eigentlich müsste die Frage lauten: Bedeutet das NOCH mehr Koalitionskrach? Denn durch friedlichen Umgang in der Koalition hat sich diese Regierung ja bisher gerade nicht ausgezeichnet. Wird die FDP auf diese Weise aus dem Umfragetief kommen?

Dietmut Thilenius aus Bad Soden meint:

„Ministerposten als Tummelplatz für Dilettanten? Herr Rösler hat Medizin  studiert und wurde Gesundheitsminister. Seine neoliberale Denkweise hat  zu viel Ärger und Widerstand geführt. Die ärztliche Grundversorgung höhlte er aus. Jetzt ist er in die  Wirtschaft als Minister übergewechselt. Als Marionette an den Drähten geldgieriger Wirtschaftsbosse? Hildegard Hamm-Brücher hatte gute Gründe, aus der Partei auszutreten.

Stefan Otto aus Rodgau:

„Es muss ein furchtbarer Bazillus sein: der Machterhalt.  Gleich wie sie heißen, sind sie erst einmal an den Schalthebeln   der Macht, egal ob in Unternehmen, Vereinen oder Parteien, so können/wollen sie davon nicht mehr lassen.  Bestimmt hatten sie irgendwann auch ihre Sternstunde oder ihr Leistungshoch, doch stoßen sie – gleich einem Naturgesetz – auch in einem überschaubaren Zeitrahmen aufgrund der Entwicklungen an ihre Grenzen. Da nutzt es nichts, wenn Rainer Brüderle von der Wirtschaft, die  in der Spur ist, spricht, anstatt die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wieso dauert es noch nahezu Wochen, wenn nicht sogar Monate, um eine gegründete GmbH in das Handelsregister einzutragen?
Da nutzt es nichts, wenn die baden-württembergische FDP-Landes-Vorsitzende anlässlich der Landtagswahl ein Debakel erlebt und nur noch knapp in den Landtag kommt. Oder wenn sie wortgetreu die Phrasen des Guido Westerwelle nachplappert.
Bleibt also die Frage, warum jene Personen mit den angeblich ausgeprägten politischen Sinn nicht selbst ihre Mängel erkennen und daraus entsprechende Schlüsse ziehen. Das kann auch an der dünnen Personalreserve der Partei liegen. So oder so wird die FDP kein politischer Blickfang sein können.“

Manfred Lück aus Ahaus:

„Unsere politische Klasse am Beispiel der FDP: Westerwelle ist als Vorsitzender nicht geeignet. Aber soll als Außenminister Deutschlands gut genug sein. Ein Augenarzt, der nie praktizierte, soll jetzt, nachdem er im Gesundheitsministerium herumdokterte, ein Praktikum im Wirtschaftsministerium machen. Und eine Silvana Koch-Mehrin gibt ihre Posten in Partei und Parlament auf. Aber nicht ihr Mandat in Brüssel. Dies hat sie ebenso aufzugeben wie ihr Plagiat-Kollege zu Guttenberg. Denn mit ihrem Titel hat sie die Wähler betrogen. Armes Deutschland, was hast du für Politiker!“

Roland Klose aus Bad Fredeburg :

„Angesichts der horrenden Staatsverschuldung von mehr 1,9 Billionen Euro und des erschreckenden demografischen Wandels in unserer Gesellschaft klingen die reformatorischen Absichten des netten Herrn Röslers (FDP-Chef) wie realitätsferne Forderungen des Außerirdischen ALF vom Planeten Melmac: „Steuersenkungen und kein Elterngeld mehr!“ Stattdessen brauchen wir in Deutschland unbedingt Steuer- und Sozialabgabenerhöhungen für solche Ehepaare, die keine Kinder wollen, obwohl sie theoretisch Kinder bekommen könnten bzw. gebührenfreie Ganztagsplätze für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis zum 25. Lebensjahr in Kitas, Kindergärten, Schulen und Universitäten bis zu einem Bruttojahreseinkommen der Eltern in Höhe von max. 36000 Euro, wenn wir die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft wirklich annehmen und meistern wollen. Nur unter diesen Voraussetzungen könnte dann evtl. das Kinder- und Elterngeld und die Kinderfreibeträge ersatzlos gestrichen werden.“

Manfred Kirsch ausNeuwied:

„In der Tat: Die sogenannten Liberalen haben auf ihrem Parteitag die Chance auf einen Neuanfang verstreichen lassen. Ganz im Negativ-Stil großer Volksparteien achteten die meisten Delegierten auf eine fragwürdige Geschlossenheit und drückten sich um die Frage herum, wie denn Liberalismus definiert werden muss, wenn er angesichts zunehmender sozialer Ungerechtigkeit nicht nur für eine bestimmte Klientel wählbar sein will. Doch auf allen Politikfeldern, die liberale Politik benennen müsste, vertritt die heutige FDP-Generation, auch das „neue“ Personal, eher konservative bis reaktionäre Positionen. Die liberale Partei, so sie denn überleben will, sollte sich besser an den Freiburger Thesen und an einem aufgeklärten, bürgerrechtsfreundlichen Liberalismus orientieren. Bleibt dies in allernächster Zeit aus, wird es keine Chance mehr für die FDP geben. Der kritische, soziale und minderheitenfreundliche Liberalismus hat heute nämlich seinen Platz bei den Bündnisgrünen.“

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8 Kommentare zu “Liberalismus hat heute seinen Platz bei den Grünen

  1. Es ist l#cherlich: Das bisherige Führungspersonal der FDP taucht untereinander seine Posten aus und versucht, diese Rochaden nach außen hin als „Neuanfang“ hinzustellen.

    Zu einem inhltliche Neuanfang oder Aufbruch fehlt der FDP sowohl das Personal als auch die Ideen.

    Der Liberalismus sucht sich andere Organisationsformen.

  2. Den Ausführungen von Herrn Kirsch kann nur widersprochen werden. Auch als politischer Gegner der FDP kann ich nicht von ihr verlangen, dass sie ausgerechnet einen minderheitenfreundlichen Liberalismus vertritt – jedenfalls nicht den des Leserbriefes, der Selbstverwirklicher und Gutmenschen ansprechen will. Minderheiten möchte sie ja sehr wohl repräsentieren, nämlich die der Besserverdienenden, die sie fälschlich auch als bessergesinnte verkennt. Alles andere ist allerdings bei den Grünen vertreten und „gut“ aufgehoben. Sie sind ja die neue grüne FDP, die neuerdings für Kompromisse aller Art und notfalls auch für die Aufgabe hehrer Ziele bekannt sind, wenn’s der Koalitions- und Machtfrage dient.
    Es ist gut und notwendig, wenn man die FDP einmal von ganz anderen Standpunkten aus kritisiert, als es die Menschenrechtler und Internationalisten tun. Anlass gibt es genug. In der Demokratie müssen jedoch auch marktradikale und auf gesellschaftliche Minderheiten mit Geld schielende Parteien wie die FDP ihren Platz finden, so lange sie gewaltfrei auftreten und zur Toleranz auffordern. Das sollte der Verfasser einmal überdenken.

  3. Die Bildung des neuen FDP-Vorstands erinnert stark an die Idee des Zwei-Wege-Systems: Man verwendet die alten Flaschen weiter.

  4. Meine Feststellung, dass der kritische, soziale und minderheitenfreundliche Liberalismus heute seinen Platz bei den Bündnisgrünen hat, bedeutet selbstverständlich nicht, dass ich die Aspekte grüner Koalitions- und Machtfragen nicht sehe, die Heinz Abraham als „Kompromisse aller Art“ mit „Aufgabe hehrer Ziele“ zuspitzt. Gerade hier vor Ort formiert sich eine breite Bewegung gegen die Intention der neuen rot-grünen Landesregierung, das OLG in Koblenz zu zerlegen, was hoffentlich in die Kategorie primärer Dilettantismus einer übenden Mitregierungspartei fällt.
    Selbstverständlich stelle ich auch nicht in Frage, dass in diesem Land auch Platz für eine marktradikale und auf gesellschaftliche Minderheiten mit Geld zielende Splitterpartei namens FDP wäre. Auch das Zentrum existiert heute noch als Splitterpartei und hat seinen berechtigten Platz im Geschichtsunterricht. Aber anders als das Zentrum könnte die FDP als liberale Partei eine Zukunft haben, wenn sie einem aufgeklärten und bürgerrechtsfreundlichen Liberalismus wieder eine Chance gibt; denn als marktradikale Klientelpartei ist sie für Wähler, die unter diesen Umständen die Bündnisgrünen oder die Piratenpartei wählen, maximal unattraktiv.

  5. Nach Bremen spricht Lindner davon , daß der „Rösler-Effekt“ noch nicht wirken könne.
    Interessant , setzt die Partei weiter auf einen vorwiegend personellen Kult um die Führungsperson , Rösler als Guido light ?

    Sie würde ein weiteres Mal beweisen , daß ein erheblicher Teil ihrer Mitglieder beim Wort Liberalismus nur noch Bahnhof verstehen.

  6. “Wie ersichtlich, basiert die wirtschaftliche Freiheit auf dem Grundsatz des freien Wettbewerbes. Er ist der zentrale Freiheitsbegriff, um den sich alle anderen Freiheiten anordnen. Frei ist, wer wirtschaftlich frei ist; und wirtschaftlich frei ist, wer sich ungehindert am Wettbewerb beteiligen kann. Umgekehrt ist unfrei, wer an der Teilnahme am Wettbewerb gehindert oder gar vom Wettbewerb ausgeschlossen ist. Wirtschaftliche Freiheit und damit das Fundament der Freiheit überhaupt ist nichts anderes als das Recht zur Beteiligung am Wettbewerb.
    Was dagegen heute die so genannte Freiheit ausmacht, ist die Freiheit politischer Art, die vorwiegend darin besteht, bei irgendeiner Abstimmung, die meist zu Unrecht die Bezeichnung “Wahl” führt, Ja oder Nein sagen oder irgendeinen Zettel abgeben zu dürfen. Diese politische Freiheit ist vergleichsweise bedeutungslos; sie kann, ebenso wie die persönliche Freiheit und die Freiheit der Religionsausübung, ohne die wirtschaftliche Freiheit gewährt werden und ist dann ein Torso.
    Während die wirtschaftliche Freiheit nach dem Gesagten die persönliche Freiheit automatisch mit einschließt, können umgekehrt – wie das Vorhandensein des Proletariats schlagend beweist – persönliche, religiöse und politische Freiheitsrechte bestehen, zugleich aber die entscheidende wirtschaftliche Freiheit der Beteiligung am Wettbewerb vorenthalten und damit der wirtschaftlichen Ausbeutung der Freiheitsberaubten Tür und Tor geöffnet werden.”

    Otto Valentin, aus “Die Lösung der Sozialen Frage”, 1952

    Das ist auf den Punkt gebracht das ganze Dilemma der “Liberalen” des 21. Jahrhunderts: Sie haben vergessen, was Freiheit überhaupt bedeutet, und sie haben nie begriffen, wie die zentrale Freiheit, die wirtschaftliche Freiheit in einem monopolfreien Markt (echte Soziale Marktwirtschaft), zu verwirklichen ist.

    Die Ordoliberalen der 1950er Jahre kannten wenigstens noch die richtige Definition der Sozialen Marktwirtschaft: eine freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, die den Sozialstaat zur Finanzierung kapitalismusbedingter Massenarbeitslosigkeit gar nicht nötig hat, weil sie prinzipbedingt für natürliche Vollbeschäftigung sorgt, unabhängig vom jeweiligen Stand der Technologie.

    Daraus wurde, wie wir wissen, eine kapitalistische Marktwirtschaft mit angehängtem Sozialstaat – und wäre es auch dann geworden, wenn die Ordoliberalen ihre damaligen Forderungen einer “umfassenden Antimonopolgesetzgebung” und so genannter “Korrekturen der Einkommensverteilung” in vollem Umfang hätten durchsetzen können!

    Ein monopolfreier Markt, in der jeder freien Zugang zum Wettbewerb hat, lässt sich nicht durch Verbote realisieren, denn diese können den Wettbewerb nur noch weiter einschränken! Diese Vorgehensweise, nach der die heutigen “Liberalen” – so wie alle anderen politischen Parteien – ausschließlich verfahren, ist eben nicht liberal, sondern entspricht ganz im Gegenteil der kurzsichtigen Denkweise des Sozialismus:

    “Aus dem offenkundigen Versagen des historischen Liberalismus erwuchs die sozialistische Bewegung mit dem Ziel, die missbrauchten Freiheitsrechte einzuschränken zugunsten der Gesamtheit und besonders zugunsten der wirtschaftlich Schwachen. Diese Zielsetzung beruht jedoch auf einem Denkfehler; denn der historische Liberalismus versagte nicht, weil er zuviel, sondern weil er zuwenig Freiheit verwirklichte.”

    Dr. Ernst Winkler, aus “Theorie der Natürlichen Wirtschaftsordnung”, 1952

    Die “Liberalen” rudern zurück und nicht nach vorn. Um nach vorn in Richtung Freiheit und Marktgerechtigkeit zu kommen, muss die Marktwirtschaft vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus befreit werden; aber nicht durch eine Einschränkung der Freiheitsrechte in Richtung planwirtschaftliche Diktatur (Totalitarismus bzw. Staatskapitalismus), sondern durch die Beseitigung der beiden primären Monopole Geld und Boden, die seit jeher die wirtschaftliche Freiheit – von einem zwangsläufigen Krieg bis zum nächsten – einschränken, und die den “Denkfehler Sozialismus” überhaupt erst haben entstehen lassen!

    Der “Liberale”, der gar nicht weiß, was wirtschaftliche Freiheit bedeutet, missbraucht die Reste, die es davon noch gibt, um unverdiente Knappheitsgewinne (Zinsen, Renditen und private Bodenrenten) auf Kosten der Mehrarbeit anderer zu erpressen, und nennt das dann “Freiheit”. Dass der “Rest” der Gesellschaft das nicht mehr versteht und dann aus lauter Verzweiflung den “Denkfehler Sozialismus” wählt, sollte einleuchten. Und es sollte ebenfalls einleuchten, dass die Eliminierung des Privatkapitalismus nicht etwa den technologischen Fortschritt hemmt, sondern ganz im Gegenteil diesen erst entfesselt, weil verdiente Knappheitsgewinne aufgrund technischer Innovation (der eigentliche Antrieb unternehmerischen Handelns) jetzt nicht mehr durch unverdiente Knappheitsgewinne von “großen Investoren” geschmälert werden.

    Die echte Soziale Marktwirtschaft entspricht exakt der Natürlichen Wirtschaftsordnung, die Silvio Gesell bereits 1916 vollständig und widerspruchsfrei beschrieben hatte:

    http://www.deweles.de/files/soziale_marktwirtschaft.pdf

    Über alles andere braucht niemand mehr nachzudenken, denn es hat mit wirtschaftlicher Freiheit nichts zu tun.

    Warum ist das so schwer zu verstehen? Fragen Sie die “heilige katholische Kirche”:

    http://www.deweles.de/files/himmel_auf_erden.pdf

  7. Wer liberal sein will, muss auch das Thema „Trennung der Kirchen vom Staat“ wieder aufnehmen.
    Da gäbe es inzwischen wieder einiges zu verbessern.

  8. @ maderholz

    Auf die Gefahr, dass wir uns nur widerholen werden, weil wir eine solche Diskussion schon mehrfach geführt haben: Welches Modell für die Stellung der Religionsgemeinschaften im Staat und in der Gesellschaft schwebt Ihnen vor? Das französische oder das US-amerikanische System? Was konkret möchten Sie in dem im Grundgesetz verankerten Staatskirchenrecht streichen und welche positive Veränderungen erwarten Sie davon?

    Meiner Meinung hat sich das deutsche Staatskirchenrecht durchaus bewährt und garantiert sowohl einen weltanschaulich neutralen Staat als auch ein friedliches Zusammenleben religiöser und nicht-religiöser Menschen.

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