Verheerend für das Grenzland

Reisefreiheit ist ein Fundament der EU, und ausgerechnet daran rütteln nun die Dänen: „Seltsam aussehende Leute“ sollen künftig an Dänemarks Grenzen überprüft werden. Das hat die rechtspopulistische Dänische Volkspartei durchgepresst, als Konzession für politische Projekte der liberal-konservativen Minderheitsregierung. An der deutsch-dänischen Grenze, an der Öresundbrücke sowie an Fähr- und Flughäfen wird jetzt also wieder kontrolliert. Ein Angriff auf das Schengen-Abkommen, das der dänischen Rechten noch nie behagte: „Eine Grenze muss sein“, plakatierte ihre Chefin Pia Kjærsgaard schon 1996.

Dazu meint Werner Bernhardt aus Stolk:

„Die Politik der rechts gerichteten dänischen Regierung wird in diesem Kommentar fast schon fahrlässig verharmlost, was aber gut in die fast schon ohnmächtige Betrachtung der ausländerfeindlichen bzw. nationalistischen Politik in etlichen Staaten der EU passt. Die große Liberalität Dänemarks war nie etwas anderes als ein Mythos , der sich vielleicht gründete auf das einstmals lockere Leben in dem Kopenhagen der 1960er. Das restliche Dänemark war immer ein zutiefst konservatives, bäuerliches Land, das dank der EU wirtschaftlich prosperierte und dessen Bürger, solange die wirtschaftliche Situation sich positiv gestaltete, angstfrei und geborgen in ihrem dänischen „Volksheim“ leben und ihre Sommerhäuschen teuer an die Massen deutscher Touristen vermieten konnten. Spätestens mit den Mohammed-Karikaturen ist jedoch auch in Dänemark die Angst als Mittel der Politik eingekehrt und zum billigen Werkzeug der rassistischen Dänischen Volkspartei (DF – Dansk Folkeparti) geworden. Die dänische Minderheitsregierung folgt den Forderungen dieser Partei nicht nur aus Gründen der puren Machterhaltung, sondern auch um einer vermeintlichen Stimmung im Volk nachzukommen. Das von dieser Regierung vor nicht allzu langer Zeit verabschiedete Einbürgerungsgesetz ist ein absolut rassistisches Instrument zur Abwehr bestimmter Menschengruppen. Doch außer ein paar Zeitungsartikeln, auch in der FR, gibt es auf diese Politik keine offizielle EU-Resonanz, genauso wenig wie auf den Gleichschaltungsnationalismus in Ungarn. Wenn jetzt wieder die dänischen Grenzschranken herunter gelassen werden, ist dies nicht nur ein lächerlicher Beweis dafür, wie hier versucht wird, Ängste vor dem Fremden jenseits der Grenzen zu schüren. Zum einen werden hier im Grenzland an den dänischen Übergängen schon lange alle Fahrzeuge elektronisch erfasst und die Kennzeichen mit allen möglichen Datendateien abgeglichen, zum anderen kann jeder, wenn er nun unbedingt in dieses Land will, einfach über eine der vielen großen , weiten Wiesen laufen oder mal kurz über die Ostsee schippern. Ganz nebenbei sind die geplanten Grenzkontrollen der dänischen Rechtsregierung verheerend für das deutsch-dänische Grenzland, welches seit einem halben Jahrhundert geradezu als weltweites Beispiel gelungener Integration von Minderheiten gilt. Deutsche und Dänen haben sich viele Jahrhunderte lang um das Grenzland gestritten und bekriegt. Heute ist es fast schon eine gemeinsame Region, in der auf beiden Seiten zwei Sprachen gesprochen werden, jeweilige Schulen und kulturelle Einrichtungen garantiert sind und wo eigentlich nur noch die Straßenschilder Hinweis geben darauf, dass man grade im Nachbarland ist. Wenn hier im Norden für die Menschen ein grenzenloses Europa spürbar war, dann in dieser grenzenlosen deutsch-dänischen Grenzregion. Dieses Erleben von Europa, was für seinen inneren Zusammenhalt so wichtig ist, wird von der dänischen Regierung sehenden Auges und aus purem Machterhalt zerstört.“

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3 Kommentare zu “Verheerend für das Grenzland

  1. Zu den Anmerkungen von Werner Bernhardt:

    Die dänische Liberalität schon immer ein Mythos- ein interessanter Aspekt , mir persönlich neu.

    Darauf deutet auch die Praxis von etwa einem Drittel der dänischen Kommunen hin.

    Diese stellen auf ihren Internet-Seiten Formulare zur Verfügung , die anonym ausgefüllt werden können von Leuten , die etwa den Verdacht haben , daß ein ihnen bekannter Sozialhilfe-Bezieher , also beispielsweise der Nachbar, schwarz arbeiten oder sich irgendwie sonst nicht korrekt verhalten im Sinne des Sozialamts.

    Denunziation , staatlich gefördert.

    Darüberhinaus können Obdachlose in entsprechenden Schlafstellen abgewiesen werden , wenn sie keine Dänen sind. Stellen , die sich nicht daran halten , können ihre Zuschüsse verlieren.

    Dieses europaweit zu beobachtende Aufkommen eines ultrakleinkarierten Konservatismus fordert die EU heraus- man darf gespannt sein , ob sie diese Nagelprobe meistern kann.

    Die Bedrohung ist meines Erachtens deutlich größer als die durch die Schwierigkeiten mit dem Euro.

  2. Ist es an der Zeit, unsere Jungs und Mädels von den fernen Fronten vorsorglich wieder zurück zu holen? Vorsorglicher Stopp der Abschaffung der Wehrpflicht? Billanz ziehen, wie weit Deutschland sich derzeit gegen unerwartete territoriale Übergriffe von wem auch immer verteidigen kann? Wer weiss, was die radikalen und nicht nur in Dänemark politisch zusehens an Land gewinnenden rechten Fundamentalisten in Zukunft noch für, derzeit völlig unvorstellbare, aber reichlich in Erinnerung verbliebene Machtbestrebungen aushecken.

  3. „Seltsam aussehende Leute“? Also, mit anderen Worten und dem Kontext entpsrechend: Leute, die nicht annähernd blond und blauäugig sind, vielleicht nicht so standardmäßig gekleidet sind? werden gefilzt. Erstaunlich, was alles in Europa wieder salonfähig wird, denn das läuft mal wieder auf übelsten Stammtisch-Rassismus raus. Die gefährlichsten Ganoven kommen unauffällig daher und werden sowieso durchgewunken. Mit denen stehen die Oberkontrolleure ggfs. nämlich unter einer Decke.

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