Die Vorstellung dürfte für jeden von uns schwer erträglich sein: Alt, hinfällig und pflegebedürftig zu sein, wird für viele von uns sicher noch zur Herausforderung, gerade für Leute wie mich, die es gewohnt sind, ein selbstbestimmtes, freies Leben zu führen. Irgendwann wird damit Schluss sein. Es ist daher mein persönliches Ziel, bis ins hohe Alter rüstig zu bleiben – sofern ich das in der Hand habe. Jederzeit kann etwas dazwischenkommen, ein Unfall beispielsweise, und plötzlich bist du von anderen Menschen in einem Maß abhängig, dass du dir vorher nicht hattest vorstellen können. Was ist dann mit deiner Selbstbestimmtheit, auf die du so viel Wert gelegt und die du dir mühsam erarbeitet hast?
Die Debatte über selbstbestimmtes Sterben flammt immer wieder auf – kein Wunder, denn sie geht uns alle an. Es wird nicht jedem von gegeben sein, nach einem langen Leben einzuschlafen und einfach nicht wieder aufzuwachen. So war es beispielsweise unserem langjährigen Blog-User und Leserbriefautor Kurt Kress vergönnt, der seinen Lebensmittelpunkt vor einer Weile nach Kapstadt in Südafrika verlegt hat; dort ist er kürzlich im Alter von 91 Jahren gestorben, wie mir einer seiner Söhne mitteilte. Ich gedenke seiner.
Altersforscher Thomas Klie lehnt Sterbehilfe im FR-Interview unter anderem mit folgendem Argument ab:
„Wir müssen aufpassen, dass kein gesellschaftliches Klima entsteht, in dem Menschen mit Unterstützungsbedarf aus Rücksicht auf andere meinen, aus dem Leben scheiden zu müssen, um ihnen nicht zur Last zu fallen. Das wäre fatal.“
Manfred Alberti aus Wuppertal meint:
„Man sollte in einer Debatte über Sterbehilfe beginnen mit den vielen uralten Menschen, die lebenssatt und dankbar gerne sterben möchten und sich bewusst ihren Tod herbeisehnen: Einer der häufigsten Sätze bei über 85 Jährigen, selbst wenn sie noch kerngesund sind: „Ich wünschte mir so sehr, mich abends hinzulegen und morgens nicht mehr aufzuwachen.“
Viele schwerkranke Greise setzen täglich ihren Wunsch nach dem Tod und ihr Recht auf ihr eigenes Sterben (allen Debatten zum Trotz) ganz bewusst in die Tat um, indem sie Essen und Trinken verweigern: Sterbefasten. Ihnen diesen Weg auszureden oder ihn zu versperren durch künstliche Ernährung, medizinische Behandlung etc. wäre in meinen Augen eine Art von (bald strafbarer?) Körperverletzung. Selbstverständlich soll jeder das Recht auf palliative Erleichterung seines Sterbens haben. Wäre es hier nicht auch menschenwürdig, diesen greisen lebenssatten Menschen diesen letzten Weg durch Medikamente erleichtern zu können? Denn nicht die Natur erschwert und verhindert diesen überfälligen Schritt zum natürlichen Tod, sondern Herzschrittmacher, künstliche Ernährung und Medikamentendepots im Körper. Im Sinne der meisten sehr alten Menschen müsste in diesem Greisenalter das Prinzip des Patiententestaments umgedreht werden: Nur wer das ausdrücklich festgelegt hat, wird noch medizinisch (mehr als palliativ) behandelt.
Überdenken sollte man auch das dahinterstehende Menschenbild: Ist es zu rechtfertigen, einen deutschen sterbewilligen uralten Menschen mit täglich mehreren hundert Euro gegen seinen Willen am Leben zu erhalten, wenn mit dem gleichen Geld zig lebenshungrige junge Menschen in Hungerländern der Dritten Welt überleben könnten? Hat sich hier nicht eine eingeengte eurozentrische Sicht auf den Wert von Leben und Sterben des Menschen eingeschlichen?
Wenn man über einen humanen Umgang mit dem Sterbewunsch sehr alter Menschen einig ist, dann findet man auch leichter Lösungen und Wege über den angemessenen Umgang mit Suizidwünschen schwerkranker jüngerer Menschen.“
Friedhelm Schrey aus Schlangenbad:
„Nach Jahrhunderten, in denen die durchschnittliche Lebenserwartung oftmals die körperlichen und geistigen Grenzen des Alterns gar nicht erreichte, erleben wir in zunehmendem Maße körperliche und geistige Beeinträchtigungen im Alter, die viele Menschen auch belasten. Der Satz: „Es ist nicht schön alt zu werden“ fällt im Stillen viel öfter als wir ihn öffentlich hören möchten.
Wir sehen diese Entwicklung, hinken aber mit einer ganzheitlichen Bearbeitung dieses Themenkreises hinterher. Konzepte zu entwickeln, die der Subsidiarität wieder den Vorrang vor wirtschaftlichem Profit in der Pflege geben ist eine politische Pflicht, das Ehrenamt zu fördern ist unerlässlich, das Gemeinwesen zu stärken hilft mit Sicherheit den sozialen Bezügen, die Heimpflege zu verteufeln ist falsch, um nur einige Punkte zu nennen. Nur das gute Zusammenspiel aller unterschiedlichen Hilfen und Leistungsangeboten und eine gesellschaftliche Ausrichtung ohne einen Geschlechterkampf zu provozieren, bietet überhaupt eine Chance, den Herausforderungen der demografischen Entwicklung der Zukunft Herr zu werden.
Es geht aber nicht primär darum, ob wir genügend oder die richtigen Hilfen haben. Selbstverständlich ist es gut, Sorge für andere zu tragen, selbstverständlich müssen die Leistungsangebote weiter ausgebaut und qualifiziert werden, und die Fragen der Finanzierung werden noch große Anstrengungen bedeuten.
Es geht um mehr, es geht um die Selbstbestimmung des Lebens und damit auch um sein Ende. Die Unabhängigkeit in der eigenen Entscheidungsfindung ist Voraussetzung für Würde und Respekt. Auch wenn Herr Klie die Meinung von Herrn Küng als Eitelkeit wertet, bleibt sie doch seine persönliche Sichtweise verbunden mit seinem Willen.
Das Leben in einem geistig oder körperlich stark belasteten Zustand ist für den einen lebenswert, für den anderen nicht, dabei spielen oftmals nicht nur die körperlichen Schmerzen und Belastungen, sondern auch die Abhängigkeiten, die Form und Art und Weise der Hilfen eine wichtige Rolle. Wir können die sozial Verantwortung jedes Einzelnen beschwören so viel wir wollen, sie ist nicht der moralische Hüter über die Freiheit des Einzelnen.
Nur weil es Missbrauch und Fehlentscheidungen geben kann, darf das Selbstbestimmungsrecht nicht zurückgesetzt werden. Wir brauchen eine offene Diskussion zu diesem Thema und dürfen nicht aus falschen Moralvorstellungen ein Diktat zulassen, das die Würde des Einzelnen durch Fremdbestimmung, die noch so gut gemeint sein darf, konterkariert.“
Darauf kam folgende Erwiderung von Arthur Kolbe aus Bochum:
„In der Debatte um die Sterbehilfe wird stets das Argument der Selbstbestimmung angeführt, jedoch wird es von den meisten nur als Recht angesehen, obwohl es meines Erachtens auch ein hohes und schützenswertes Gut ist. Der Wunsch nach Inanspruchnahme der aktiven Sterbehilfe sollte meines Erachtens nur in dem freien Willen des Sterbewilligen begründet sein und nicht durch Interessen der Gesellschaft oder der Angehörigen beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund halte ich es für vollkommen unangemessen, die hohen Kosten einer medizinischen Behandlung, die sich unter Umständen einsparen ließen, in die Debatte mit einfließen zu lassen, denn auch dies stellt doch eine wenn auch subtile Form der Fremdbestimmung dar.
Ein Mensch sollte sich nicht aus einer vermeintlichen Solidarität heraus für eine Beendigung des Lebens entscheiden, weil er glaubt, so die Gesellschaft oder die Angehörigen zu entlasten, die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens sollte nicht kapitalistisch beantwortet werden. So halte ich es durchaus für wahrscheinlich, dass sich aus diesem Klima heraus im Laufe der Zeit eine Art gesellschaftliche Verpflichtung entwickelt, das eigene Leben zu beenden, sobald es sich für andere zu einer Belastung entwickelt. In einer Vielzahl der Fälle wird die Pflege alternder Menschen von den Angehörigen getragen, oder sie müssen für einen Platz in einer Pflegeeinrichtung dazuzahlen. Wer weiß, wie viele Menschen ihr eigenes Leben gar nicht mal als Belastung für sich selbst sehen, ihren Angehörigen gegenüber aber wegen des hohen Aufwands oder der finanziellen Belastung ein schlechtes Gewissen haben?
Um diese Form der Fremdbestimmung auszuschalten, wäre es vielleicht eine Lösung, die Versorgung von älteren Menschen komplett unabhängig von den Angehörigen zu ermöglichen, indem der Staat eine unentgeltliche Versorgung zuhause oder im Heim garantiert, sodass es jedem freisteht zu bestimmen, ob die Angehörigen bei der eigenen Versorgung „mitbelastet“ werden sollen oder nicht. Desweiteren halte ich es für ein Problem, wenn ein etwaiges Erbe aussteht, es also Nutznießer einer Inanspruchnahme der aktiven Sterbehilfe gibt.
Insofern sind meiner Meinung nach noch nicht die gesellschaftlichen Umstände geschaffen, die die Einführung der aktiven Sterbehilfe erlauben, da noch zu viele Szenarien denkbar sind, in denen das Gut der Selbstbestimmung verwässert oder gar verletzt wird.“
Es ist von Natur aus keinem in die Hände gegeben, vorausgehend den Eintritt des körperlichen Todes losgelöst vom sozialen Wesen des Einzelnen zu begreifen. Zwischen beiden Dimensionen existieren erwiesenermaßen stets vielfältige Beziehungen. Insofern kommt es zunächst darauf an, deren bislang in weiten Teilen im Mindesten wissenschaftlich völlig unbestimmten Gebiete zu untersuchen. Angesichts dieser eklatanten Unzulänglichkeit das Wort von der Sterbehilfe im Mund zu führen, täuscht somit vorsätzlich darüber hinweg, dass es sich nach wie vor um eine äußerst unscharf umrissene Kategorie handelt. Der einzige Zweck einer solch pervertierten Begriffsverwendung findet sich deshalb gegenwärtig vor allem darin, überaus barbarische Tötungsmethoden fälschlich in das Gewand eines notwendig humanen Sterbens zu kleiden.
Die Frage, ob der Mensch selber über das Ende seines Lebens entscheiden können sollte, ist doch nicht mit ja oder nein zu beantworten und wird auch nicht dadurch gelöst, dass wir alle möglichen Hilfen beschwören. Dem Staat die Verantwortung zur Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu übertragen, ist keine Lösung und schon jetzt ein Desaster und die Versorgung hilfsbedürftiger Menschen grundsätzlich nicht aus kapitalistischer Sicht zu sehen ist natürlich sehr vernünftig. An der Stelle dreht das Thema sich aber im Kreis. Soziales Engagement, familiäre Unterstützung, Pflege durch Unternehmen, die dafür bezahlt werden, alles braucht andere Menschen, die die Leistungen erbringen und es kostet immer auch Geld. Diese Fakten sollten natürlich nicht die Grundlagen für die Entscheidungen sein, sein Leben zu beenden, sie sind es aber auch. Wenn Gunter Sachs sich bei einer beginnenden Demenz selbst das Leben nimmt, dann ist das doch sicher eine Entscheidung, die aus der eigenen Sorge vor der Zukunft getragen ist, möglichweise hilflos, abhängig und fremdbestimmt zu sein. Was ist anders, wenn ein Sterbender Essen und trinken verweigert. Das dieser Schritt immer ausschließlich nur dem freien Willen des Betroffenen unterworfen sein darf, ist selbstverständlich, aber wir dürfen das Thema nicht „aussitzen“ und glauben die Fürsorgepflicht Einzelner oder der Gesellschaft würde das Ganze schon lösen. „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern das er nicht tun muss, was er nicht will“. (Jean – Jacques Rousseau) Es gibt eben auch Menschen, die „so“ nicht mehr leben wollen.
„… Interessen der Gesellschaft oder der Angehörigen… Vor diesem Hintergrund halte ich es für vollkommen unangemessen, die hohen Kosten einer medizinischen Behandlung, die sich unter Umständen einsparen ließen, in die Debatte mit einfließen zu lassen, denn auch dies stellt doch eine wenn auch subtile Form der Fremdbestimmung dar.“ (Arthur Kolbe)
Vor einem anderen Hintergrund klingt es aber fast wie ein moralisches Gebot, auf diese hohen Kosten zu sehen:
„Ist es zu rechtfertigen, einen deutschen sterbewilligen uralten Menschen mit täglich mehreren hundert Euro gegen seinen Willen am Leben zu erhalten, wenn mit dem gleichen Geld zig lebenshungrige junge Menschen in Hungerländern der Dritten Welt überleben könnten?“ (Manfred Alberti)
Was soll das überhaupt bedeuten : die Erwähnung eines Faktums als subtile Form der Fremdbestimmung? Zu Ende gedacht ist das das Ende jeder Selbstbestimmung, weil es ohne die Kultur, in der wir leben, weder Fakten gibt, die wir als Basis einer Entscheidung nehmen können, noch Regeln oder Wertungen, nach denen sie für die Entscheidung benutzt werden können. Sogar die Selbstempfindung, die wir haben, wird entscheidend durch die Sozialisation geprägt, der wir unterworfen waren, zu der neben den Empfindungsgrenzen, die uns in unserer Entwicklung aufgezeigt wurden, auch der Katalog der Empfindungen gehört, den unsere Sprache zur Verfügung stellt.
Was Arthur Kolbe hier als subtile Fremdbestimmung bezeichnet, sind einfach Informationen, die sich mit dem beißen, was er in diesem Sinne als knüppelharte Fremdbestimmung so früh erfahren hat, dass er sich dessen nicht mehr bewusst ist. Eine Selbstbestimmung, die durch Informationen gefährdet wird, ist keine. Selbstbestimmung bedeutet immer, die eigene Sozialisation mit allem, was daran hängt, in Frage zu stellen. Und dann danach zu entscheiden, was einem selbst in dieser Situation wichtig ist, nicht dem Bruder, dem Sohn oder dem Pastor, auch wenn es der Bruder, der Sohn oder der Pastor sein kann, was einem wichtig ist. Das entscheidet man dann selbst, was das eigene Leben oder Leiden dann wert ist, und womit dieser Preis zu verrechnen ist. Auch diese Bewertung wird kulturell geprägt sein, aber an dieser Stelle haben wir die Möglichkeit, auch das umzudrehen. Eine größere Freiheit als an der Schwelle zum Tod haben wir unser ganzes Leben nicht. Wir sollten sie nutzen und uns der plumpen Fremdbestimmung durch die Kirchen entziehen.
Die persönliche Abwägung über die Selbsttötung darf selbstverständlich nicht unter dem durch Druck Angehöriger erfolgen oder mit Nützlichkeitsdenken verbunden werden. Sondern über die Selbsttötung darf nur derjenige selbst bestimmen, dessen Leben durch unheilbare Krankheit und unter Qualen absehbar zu Ende gehen wird oder bereits geht.
Dann sollte die begleitete Selbsttötung mit Assistenz auf der Grundlage von persönlichem Vertrauen möglich sein, etwa indem es Ärzten erlaubt wäre, ihren schwerstkranken Patienten auf deren Wunsch hin ein geeignetes Medikament zur Verfügung zu stellen.
Diese Möglichkeit als eine im Rahmen der Freiheit zur Selbstbestimmung sollte gesetzlich ausdrücklich eröffnet bleiben, und zwar so dass Ärzten in solcher Situation die Sorge vor Strafverfolgung genommen ist.
STERBEHILFE – ich kann an diesem einfachen Wort nichts Schlimmes erkennen. Es sagt mir, ein Mensch, der sterben will, bittet um Hlfe.
Diese Hilfe wird aber bisher durch die Gesetzgebung verweigert. Das sollte sich ändern. Aber wie? Ein vielschichtiges Thema! Ich sehe da einen weiten Weg vor uns, bis es soweit sein wird, eine alle befriedigende Lösung gefunden zu haben.
Das Ziel ist einfach: Jeder sollte das Recht haben, sein Leben selbstbestimmt zu beenden.
Es fehlen nur noch dem Wunsch entprechende Gesetze, die Festlegung der Art und Weise und schließlich eine Institution für die Ausführung.
Ich sehe und höre sie schon wieder vor mir, die vielen Debatten in den Talkshows und auch die gesendeten und gedruckten Meinungen der „Eperten“, die genau zu wissen glauben, was sie einem Sterbewilligen zutrauen und zumuten können.
Ein leidender Hund, der ja auch längst zur Familie gehört, darf eingeschläfert werden. Der schwerkranke Opa, der nicht mehr leben will, darf das nicht für sich entscheiden !? (Doch er darf das. Solange er noch dazu in der Lage ist : Sich vor einen Zug zu werfen oder von einem Hochhausdach zu springen…)
Nicht mehr so viel Gedanken werden dafür verschwendet, junge Leute in ferne Länder zu schicken, die uns gar nichts angehen. Um billigend ihren Tod in Kauf zu nehmen.
Wenn man schon nicht entscheiden darf, ob man geboren werden will, soll man wenigstens selbst darüber entscheiden, wann man das Leben (= Leiden) beenden kann.
Was machen all die, die sich nicht die luxuriöse Variante im Ausland leisten können?
@6 Maderholz: Ja, sie springen vom Turm oder vor den Zug… oder leiden unter nicht geglückten Versuchen bis zum unfreiwillig verzögerten Lebensende.
Warum tun sich unsere Gesetzesvertreter“ so schwer mit diesem Thema. Da staut sich soviel anmassende Scheinmoral an…Ein Blick in die aufgeschlossenen Nachbarländer genügt. Es geht auch anders.
Als ich vor einem halben Jahr einen Besuch im Pflegeheim machte, saß mit am Tisch ein 90-jähriger Mann. Er bot mir 40.000 Euro, wenn ich ihm Tabletten besorgen könnte, die sein Leben beendeten. Das Sterben sollte sein wie das Einschlafen. Er sagte, seine Frau sei gestorben, seine Kinder wohnten mehrere hundert Kilometer weg, eines im Norden, eines im Süden. Für seine Beerdigung habe er alles eingerichtet und bezahlt. Ein Mann, gebildet, geistig wach und klar in seinen Gedanken. Er hatte sich alles genau überlegt. Seine Schmerzen, seine eingeschränkte Beweglichkeit und die Einsamkeit in dieser Einrichtung, umgeben von Menschen, die sich schlecht artikulieren könnten, die beim Essen sabberten, die teilweise den ganzen Tag vor sich hinstarrten, das alles sei unerträglich. – Ein halbes Jahr später war er tot. Irgendwie ist er an seine Tabletten herangekommen.
@Rudi:
Mich hat dieses Beispiel berührt – mehr als viele „entpersönlichte“, distanzierte Kommentare. Im Vergleich mit den anderen FR-Blogs gibt es hier sehr wenig Resonanz, obwohl – meine ich – dieses Thema uns a l l e angeht – im Gegensatz zu vielen anderen.
Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass (bedrohliche) Krankkeit, Sterben, Tod tabu sind, auch und vielleicht sogar erstaunlich oft unter Menschen, die zeitlich viel näher „dran“ sind. Auch eine Patientenverfügung (wie ich sei schon seit langem habe, als es noch nicht Thema war) kann nicht alles vorweg nehmen. Ich bin froh, dass ich relativ früh und mit zunehmendem Alter immer mehr mit Leiden und Vergänglichkeit konfrontiert worden bin. Es hat mir die Augen geöffnet und mich vor der Arroganz der vermeintlichen Unsterblichkeit bewahrt. Wie oft werde ich gefragt „Was machst du, wenn es nicht mehr geht?“ Auch stelle mir diese Frage – und zwar, bevor es zu spät ist… wenn man sich nicht mehr bewegen und/oder artikulieren kann, wenn niemand da ist, der die gewünschte Hilfe leistet (ohne kriminalisiert zu werden).
Und nicht jeder (siehe 8/Rudi) hat die finanziellen Möglichkeiten, Entsprechendes beschaffen zu lassen…
Manchmal ist es hilfreicher, sich anhand von miterlebten Schicksalen eine klare Meinung und Handlungsvorstellung zu bilden, vorausgesetzt man wird nicht allein gelassen…
Die Sorge, zum Spielball verschiedener Interessen zu werden, hat mich veranlasst, eine Patientenverfügung in Rücksprache mit dem Hausarzt zu erstellen. Ich möchte nicht, im Ernstfall einer Klinik ausgeliefert sein und den behandelnden Ärzten unnötige Gewissenkonflikte i. S Behandlung verursachen.
Das eigene Ableben ist vorgegeben und man sollte, soweit als möglich, vorsorgen. Das betrifft auch die Hinterbliebenen, sofern man welche hat.
Eine sehr gute Sammlung von Formularvordrucken zum Thema Vorsorge findet sich in:
“ Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter durch Vollmacht…“ Verlag C. H. Beck ISBN 3-406-52440-0
Kostet 4,90 €
Unser Hausarzt war von den Vollmachten so überzeugt, dass er diese Broschüre sich zur Beratung für andere Patienten besorgen wollte.
Man kann leider nicht alle Risiken erfassen, zumindest sie aber ein wenig reduzieren.
Das eigene Leben und die Selbstbestimmung darüber sollte nicht im Belieben des Staates liegen. Die Gesetzgebung sollte sich hier zurückhalten und sich nicht in alles einmischen.