Internet-User verstehen die Welt nicht mehr: Was zum Henker hat Jan Böhmermann denn getan? Der Satiriker und Moderator der Sendung „Neo Magazin“ bzw. „Neo Magazin Royale“? Um es auf den Punkt zu bringen: Mit seiner „Schmähkritik“ — so der Titel des Gedichts, das er in der Sendung vom 31. März 2016 vortrug — hat er Usersprache, die im Internet gängig ist, ins öffentlich-rechtliche Fernsehen transplantiert und damit einen Präzedenzfall geschaffen. Er wollte dabei den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik klarstellen. Erstere darf — nun, vielleicht nicht alles, aber doch sehr viel. Letztere ist strafbar. Der Unterschied besteht darin, dass Schmähkritik bewusst persönlich beleidigen will. Das geschieht in Böhmermanns Beitrag zwar — jedoch in einem politischen Zusammenhang: Wegen einer noch fast freundlichen Satire des NDR-Magazins „extra 3“ wurde in der Türkei der deutsche Botschafter einbestellt. Man könnte zu der Auffassung gelangen, dass die türkischen Staatsorgane, allen voran Staatspräsident Erdogan, keine Ahnung haben, was Satire eigentlich ist. Also erklären wir es ihm mal, hat sich der Jan Böhmermann da gedacht …

Über Satire kann man streiten. Man soll es sogar. Genau dies passiert nun auf allen Ebenen. Böhmermanns Beitrag war geschmacklos, sagen die einen. Beleidigend, die anderen. Und was der Attribute mehr zu lesen waren in den vergangenen Tagen. Alles richtig. Was daran aber das Beste ist: Endlich führt Deutschland mal wieder eine Grundwertedebatte! Es wurde höchste Zeit, dass wir uns nach dem üblen Gezerre rund um das Flüchtlingsdrama, in dessen Gefolge vieles gesagt und geschrieben wurde, was allein darauf abzielte, die Gegenseite zu diffamieren und zu beleidigen, nun wieder zu vergewissern versuchen, was die Basis unseres Zusammenlebens in Deutschland ist: unsere „westlichen Werte“. Durchaus in Abgrenzung zur Türkei, wo diese Werte im gleichen Maß schwinden wie der Kemalismus.

Ich glaube nicht, dass Böhmermann wegen dieses bösen Beitrags verurteilt werden wird. Die bisherige Rechtsprechung des BGH gibt das nicht her, wie FR-Korrespondentin Ursula Knapp zusammenfasst. Zum Prozess wird es auf diesem Weg ohnehin nur kommen, wenn die Bundesregierung die Staatsanwaltschaft ermächtigt, Ermittlungen einzuleiten, so wie die Türkei das gern möchte. Zusätzlich hat Erdogan privat Anzeige gegen Böhmermann erstattet. Sein Anwalt will bis zur letzten Instanz gehen. Soll er. So sorgt er nur dafür, dass die „Schmähkritik“ wieder und wieder in der Öffentlichkeit thematisiert wird.

Heinz-Ewald Schiewe aus Berlin meint:

„Es ist doch erstaunlich, wie redegewandte sog. Juristen in diesem Lande auch gelernt haben, sich fuer einen Tuerkeiurlaub zu „empfehlen“, in dem sie Pressefreiheit zu Beleidigung umformulieren; ist das schon Korruption oder nur falsch verstandenes Verständnis fuer Demokraten wie Erdogan? Na ja, und Merkel muss ja mitmachen, sonst geht die neue Fluechtlingspolitik den beruehmten Bach runter.“

Hans Neudörfer aus Frankfurt:

Dieser Beitrag war erbärmlich! Nicht nur übernehmen sie unreflektiert die Position der Bundesregierung (die naheliegende Gründe dafür haben mag, diese so zu beziehen) von der bewussten Beleidigung. Sie unterstellen Böhmermann auch noch eine „gezielt begangene Straftat“ – noch ist er nicht verurteilt – und er habe es nur „auf Aufmerksamkeit angelegt“ – was denn sonst, der Mann tritt im Fernsehen auf! Den eigentlichen Skandal aber, die Einbestellung des deutschen Botschafters durch die türkische Regierung wegen eines banalen Fernsehbeitrags, kommt gar nicht mehr vor. Und dieser Skandal war es doch, der den Beitrag von Böhmermann provozierte. Schade dass die FR hier nicht mehr Mut zeigt. Sollte die Einschüchterung durch Erdogan hier schon Früchte getragen haben? Da finde ich es schon sehr ironisch, dass dieser Beitrag ausgerechnet neben einem Bericht zum Wächterpreis für engagierten Journalismus abgedruckt war. Mit dieser duckmäuserischen Einstellung wird die FR den Preis sicher nicht bekommen. Je suis Böhmermann!

Werner Arning aus Mörfelden-Walldorf:

Comedians und Kabarettisten brauchen dieser Tage nur links sein, dann dürfen sie fast alles unter das Volk bringen, was sie für richtig halten. Dem, der das kritisiert, wird gerne attestiert, er würde die hintersinnige Satire nur nicht erfassen. Oder aber, es fehlt ihm das „linke“ Verständnis vom Recht auf künstlerische Freiheit.
Bleibt die Frage, ob es den Künstlern eigentlich in erster Linie um die Sache geht, die sie zum Thema ihrer Parodie machen, oder um Aufmerksamkeit und Beifall von denjenigen, die Meinungsfreiheit nur so lange schätzen, wie Künstler mit der „richtigen Meinung“ von dieser Gebrauch machen.

Brigitte Heinzmann aus Frankfurt:

Das ist ja unglaublich, was für ein Aufriss! Wer zwingt denn jemanden dazu, sich eine Satiresendung anzusehen? Wie kann sich jemand beleidigt fühlen, der die Sendung nicht (freiwillig) anschaut. Es steht doch drüber, worum es sich handelt, da sollen diejenigen, die keinen Spaß dran haben, doch einfach wegschauen.

Florian Müller aus Nidderau:

Meinungsfreiheit, f
1. Das Recht und die Pflicht, sich
a) unter Benutzung eines abstoßend vulgären Wortschatzes und so laut wie möglich,
b) unter Einbeziehung einer größtmöglichen Öffentlichkeit und
c) mit aller gebotenen Aggression
selbst in Szene zu setzen.
Unter keinen Umständen darf die M. missbraucht werden, um etwa eine
a) intelligent gedachte und ebenso geäußerte,
b) auf mehr als nur die bloße Selbstdarstellung abzielende und
c) tatsächlich hörenswerte
Meinung zu äußern.
2. Ein heiliges Produkt großer auklärerischer Genien – zu denken wäre etwa an Böhmermann und seinen verkannten Epigonen Döpfner – das diese selbstlos-heroisch gegen äußere und v.a. innere Feinde zu verteidigen haben, ggf. und vorzugsweise auf Kosten derer, die an aggressiven Provokationen innerhalb der EU zu Zeiten von Flüchtlingskrisen am wenigsten interessiert sind (s. den Artikel über die höchst verachtenswerten sog. –> „Duckmäuser“).

Otfried Schrot aus Ronnenberg:

„Aus römischer Zeit stammt das Zitat „Quod semper agis, prudenter agas, et respice finem!“ (Was immer du tust, handele klug und bedenke das (mögliche) Ende!“ Dieses Sprichwort lässt sich hervorragend als Überschrift über einem Aufsatz über das Thema „Satire“ verwenden. Natürlich kann man sich auf Kurt Tucholskys Standpunkt stellen: „Satire darf alles!“ Aber die Folgen müssen getragen werden, entweder vom Einzelnen oder von der ganzen Gesellschaft. Die Veröffentlichung „flapsiger“ Mohammed – Karikaturen hat Menschenleben gekostet. Waren die Mohammed – Karikaturen das wert? Der Name Böhmermann war dem Leserbriefschreiber bis zur Strafanzeige des Herrn Erdogan völlig unbekannt. Nun wird der Mann so bekannt wie der Bundespräsident. Jetzt muss die Kanzlerin seinetwegen eine Kabinettssitzung abhalten. Wir wissen, wer Herr Erdogan ist. Herr Erdogan ist bekannt dafür, dass er Geschichte umschreibt. Die Kanzlerin sollte an ihn die Frage richten, welche Chancen nach seiner Ansicht eine Strafanzeige des kurdischen Volkes gegen ihn vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermord hätte. Das wird die sanfte Frau natürlich nicht tun. Aber sie braucht den Verneiner des Völkermords an den Armeniern nun einmal für die Lösung des Flüchtlingsproblems.
Durch die Köpfe der Menschen geistert der weitverbreitete Gedanke, dass Freiheit grenzenlos sei. Das Bewusstsein ist zu wenig verbreitet, dass in Anbetracht der Tatsache, dass mittlerweile sieben Milliarden Menschen auf der Welt leben, die Freiheit des Einzelnen ihre Grenzen haben muss, sonst gibt es ein einziges großes Blutbad. Das gilt auch für Satire.“

Fritz Brehm aus Frankfurt:

Nach der 0:6 Klatsche im Qualifikationsspiel zur Fußball-EM der Frauen zwischen der Türkei und Deutschland
bleiben Fragen: Ist Erdogan samt seiner Regierung wieder beleidigt? Gibt’s ein Wiederholungsspiel?
Wird Frauenfußball in der Türkei verboten? Auf Antrag der türkischen Regierung sogar in Deutschland?

Verwandte Themen

111 Kommentare zu “Die Grenzen der Freiheit

  1. Ich habe mir das Gedicht jetzt mehrfach durchgelesen, vermisse darin aber jeden Witz. Der liegt nach Meinung Vieler angeblich auf einer Metaebene. Für sich alleine genommen ist das Machwerk inhaltsleere Beschimpfung aus dem Bereich der Gossensprache. Die Metaebene scheint mir auch recht konstruiert, aber ich habe das Video nur flüchtig gesehen. Letztlich stimme ich mit der Aussage von Christian Bommarius überein: „Es geht nicht um Kritik an Recep Tayyip Erdorgan, sondern um die möglichst pompöse mediale Inszenierung als Kritik.“ ( FR vom 11.04.2016 )

    Den Paragraphen 103 des StGB werden Herr Böhmermann und sein Team nicht im Blick gehabt haben (Schutz der Ehre ausländischer Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder und diplomatischer Vertreter ), und was sie da losgetrampelt haben an wird sie wohl selbst erschrecken.

    Überhaupt scheinen jetzt alle erschrocken zu sein über diesen Paragraphen, der meines Wissens bisher nicht zur Geltung kam, aber nun wieder entdeckt wurde.

    Nun steckt Frau Merkel in einem diplomatischem und rechtsstaatlichem Dilemma. Sie braucht den ausgehandelten, menschenrechtlich sehr fragwürdigen Deal mit der Türkei, der wahrscheinlich auch nur kurzfristig die Flüchtlinge hindert, nach Europa zu kommen. Auch die kriminellen Schlepper werden andere Wege finden

    Warum stattet die Weltgemeinschaft die Flüchtlingslager (in aller Welt) nicht mit der notwendigen Infrastruktur aus, mit Schulen, Arbeitsplätzen, Weiterbildungsmöglichkeiten etc. aus? Warum werden die aufnehmenden Länder nicht ausreichend unterstützt? Wäre alles viel besser als dieser zweifelhafte Kuhhandel mit Ländern, in denen die Menschenrechte missachtet werden. Und würde diese lebensbedrohlichen Überfahrten über die Meere der Welt vielleicht stark reduzieren.

    Zurück zu Böhmermann: Satire darf alles, außer dumm und plump sein.

  2. Durchschnittlich 3 Strafanzeigen pro Tag, damit macht sich ein Politiker so sehr lächerlich das ihn niemand mehr ernst nimmt. Die persönlicher Würde und die Würde seines Amtes sind durch sein Verhalten schwer geschädigt. Das Satiriker ihn noch mit einem Beitrag würdigen gibt ihm sogar wieder einen unverdienten Teil seiner Würde zurück. Die deutsche Justiz sollte sich dieser Sache annehmen, denn dann haben wir noch mindestens ein Jahr Freude an der Selbstdemontage eines Menschen dem die Macht zu Kopf gestiegen ist.
    Aber etwas Stört meine Freude: Ein Machtmensch beschäftigt Menschen in dunklen Talaren ungebremst. Wenn ich 3 Strafanzeigen pro Tag mache beschäftigen sich mit mir Menschen in weißen Kitteln die mir eine Wohnung in einer sicheren Umgebung besorgen, wo mir die Angezeigten nicht gefährlich werden können. Einige hessische Steuerfahnder und ein Mensch aus einem Südöstlich von Hessen gelegenen Bundesland, der seine Frau -berechtigt- wegen unsauberer Bankgeschäfte anzeigte, können ein Lied davon singen.
    Vor dem Gesetz sind wir eben alle Gleich.

  3. @Stefan Briem

    „Satire darf alles“ ist eine unreflektierte Aussage.
    Sofort stellt sich dann die Frage, wessen Satire alles darf. Zudem benötigt Satire einen Mindestgehalt an Wahrheit, sie ist sonst nur Verleumdung und üble Nachrede.

    Satire darf eben nicht alles.

    Man könnte sonst, Böhmermanns Methode aufgreifend, „satirisch“ alles und jedes behaupten, und dies unterscheidet sich nicht vom Denunziantentum, der Volksverhetzung und der üblen Nachrede oder dem Gerücht. Böhmermann bedient sich der hetzerischen Methoden der Unrechten. Sein Beitrag ist deshalb unredlich und keine Satire.

    Was Satire ist, entscheidet nicht der „Künstler“, sondern das Publikum, der Angegriffene und am Ende ein Gericht.

    Böhmermann ist zu weit gegangen, vielleicht im Überschwang der Reaktionen auf seinen Song, er sollte die Größe zeigen, dies zuzugeben und sich zu entschuldigen.

  4. Ausgesprochen lächerlich finde ich die Kritik an Merkel mit dem Tenor „Kniefall vor dem Sultan“.

    Die Deutschen sind zu feige, alle Flüchtlinge aufzunehmen und zwingen Merkel zu fragwürdigen Deals mit kritisierten Ländern, und jetzt wollen sie sich großtun, indem sie über die Freiheit der Kunst schwadronieren?

    Merkel bräuchte keinen Erdogan oder sonstwen, wenn die Deutschen im Handeln so mutig wären wie im satirischen Daherschwätzen.

  5. Lieber BvG, Sie haben leider nicht die geringste Ahnung vom Wesen der Satire, aber das wundert mich eigentlich nicht, wenn ich mir ansehe, wie humorlos Sie auftreten. Satire wäre ganz schön auf den Hund gekommen, wenn diejenigen, die von ihr betroffen wären, zu entscheiden hätten, ob Satire sein darf. Satire, Karikatur und auch das Spottgedicht haben eine lange Tradition der Auflehnung gegen die Herrschenden.
    Wieso sich automatisch die Frage stellt, wessen Satire alles darf, habe ich nicht verstanden. Da wir in einem freien Land leben, ist jeder hier frei, Satire zu versuchen. Ob diese Satire gelingt, ist dann allerdings nicht seine Entscheidung mehr allein. Früher hat man gesagt: Satire muss wehtun. So wie Erdogan jault, müsste man dann wohl über Böhmermanns Schmähgedicht sagen: Hundertprozentig ins Ziel, perfekte Satire.
    Aber eigentlich habe ich keine Lust, Ihnen einen Grundkurs in Sachen Satire zu geben.

  6. Stefan Briem schreibt es:
    Satire, Karikatur und auch das Spottgedicht haben eine lange Tradition der Auflehnung gegen die Herrschenden.
    Und vielleicht war das Gedicht sogar der geheime Versuch, sich gegen eine Herrschaft Erdogans über Deutschland aufzulehnen?

  7. ich stimme s.b. und d.m. zu.
    was mich allerdings wurmt, ist die tatsache, dass dieses thema böhmermann so alles erschlagend/flächendeckend raufundruntergekaut wird, dass man den eindruck haben kann, es wäre ein geschicktes ablenkungsmannöver von den wirklichen problemen…

  8. @Stefan Briem
    Die kläglichste Ausrede für einen schlechten Gag ist, dem Betroffenen zu unterstellen, er habe keinen Humor.
    Da wollen wohl die Satiriker gleich mitdefinieren, was Humor ist, damit jeder Rohrkrepierer auf den zurückfällt, der das Ziel war.
    Aber ich gebe Ihnen kostenlos einen Grunkurs in Freiheit, Kunstfreiheit und Satirefreiheit: Eine Freiheit die mißbraucht wird, ist bald keine mehr.

    Aber Sie haben es ja selbst angeboten, Satire zu definieren, indem Sie einen Grundkurs angeboten haben. Trapped.

  9. Recep Tayyip Erdoğan, der demokratisch gewählte Tyrann, hat Angst. Angst, dass sein Staat von Kritikern auf das reduziert wird, was er im Kern derzeit ist: Ein auf schlichter muslimischer Volksfrömmigkeit basierender Ständestaat, der feudalistische Vormoderne und profitorientierten Neoliberalismus miteinander zu verbinde versucht. Und der sich als Hegemonialmacht in Vorderasien positionieren will. Das System Erdogan, das nicht auf seine Person beschränkt ist, sondern die Hauptströmung der AKP umfasst, ist zusätzlich gekennzeichnet durch die Unterdrückung von Menschenrechten und durch einen Vernichtungskrieg gegen die Kurden. Die ideologische Rechtfertigung bezieht dieses Regime aus einem fundamentalistischen Islam, der die seit Atatürks Staatsgründung eigentlich säkulare Türkei in einen Gottesstaat mit kapitalistischer Prägung zu transformieren versucht.

    Wie jedes System, in dem Moral durch Moralin ersetzt wird, reagiert auch Erdogans Türkei höchst empfindlich auf Schmähkritik; denn feinsinnigere Formen von politischem Tadel würden erst gar nicht verstanden. Jan Böhmermann hat die Achillesverse des Despoten klar erkannt. Er holt ihn, eigentlich das von Erdogan selbst errichtete Denkmal, vom Sockel der Unangreifbarkeit und konfrontiert ihn mit den Vorurteilen und Schmähungen, denen sich ungebildete und fromme Türken nicht nur in Deutschland zu Unrecht ausgesetzt sehen. Tituliert ihn stellvertretend für seine Kaste als Kameltreiber und Ziegenficker. Das soll weh tun, soll verletzen. Ein intellektueller Geist stünde jedoch darüber, würde durch Nichtreagieren zeigen, dass solche Art von Kritik verfehlt ist. Doch die Erdogan, die Saud, die Kim Jong-il dieser Welt können das nicht zulassen. Jenes erste Steinchen, das aus der Krone der Mächtigen absplittert, könnte ihr Ende einleiten.

    Ich stelle mir vor, ein beherzter Spötter hätte vor 85 Jahren in einem Pamphlet Adolf Hitler der sexuellen Beziehung zu seinem Schäferhund bezichtigt. Die Nazis hätten alles getan, um tausend und mehr neue Todesstrafen zu erfinden. Denn es wäre ihnen bewusst gewesen, dass ihr grobschlächtiger Primitivismus von einem Geistreichen auf vordergründig primitive Weise entlarvt wurde. Hätte es diesen fiktiven Provokateur tatsächlich gegeben, er wäre in einem KZ qualvoll ermordet worden. Aber heute würde er als Held und Vorbild gelten.

    An einem hoffentlich nicht mehr fernen Tag, an dem türkische Demokraten einen Schlussstrich unter die Ägide Erdogan & Co ziehen, wird einer der zahlreichen Versuche, mit dem das System sich rechtfertigen wollte, rückblickend für Deutschland überaus peinlich sein. Nämlich die Zustimmung der Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen vermeintlichen Verleumder Erdogans, einen bis dahin eher wenig bekannten Satiriker namens Jan Böhmermann.

  10. „Es lastet auf unserer Zeit der Fluch der Mittelmäßigkeit.“
    (Kurt Tucholsky: An das Publikum)

    Eine, wie mir scheint, noch recht milde Beschreibung des großen Satirikers für eine Zeiterscheinung, welche – ohne dies auch nur im geringsten zu hinterfragen – widerliche Ferkeleien mit „Satire“ gleichsetzt, mit Ergüssen perverser Fantasien „Meinungsfreiheit“ zu verteidigen meint und dabei auch noch die Chuzpe besitzt, sich auf ihn zu berufen. Der kann sich ja schießlich nicht mehr wehren gegen solche tief beleidigende Vereinnahmung.
    Ich stimme der Einschätzung von I.Werner (14. April 2016 um 0:26) und Christian Bommarius (FR.,11.04.2016) zu – mit einer kleinen Einschränkung: „Satire darf alles, außer dumm und plump sein.“
    So richtig diese Aussage, so wenig wird sich ein verbindlicher Maßstab für das errichten lassen, was als solches zu gelten hat. Und auch mit Äußerungen über die mögliche (und durchaus wahrscheinliche) Intention einer „möglichst pompösen medialen Inszenierung“ ist nicht weiter geholfen. Es zählt, was faktisch geschieht und politisch daraus folgt.

    Satire „kontrastiert Widersprüche und Wertvorstellungen in übertriebener Weise“ (Wikipedia). Die oft hervorgerufene Wirkung der „Lächerlichkeit“ ist aber keine Erfindung des Satirikers, sondern – besonders bei Tucholsky – Teil der Wirklichkeit, welche lediglich schattenrissartig hervorgehoben wird. Sie zielt gerade nicht, wie das dümmliche Machwerk des Herrn Böhmermann – und schon gar nicht mit perversen sexuellen Assoziationen – auf Beleidigung bestimmter Personen. Nur aus diesem Grund wurde ein Carl von Ossietzky als Herausgeber der „Weltbühne“ für den von Tucholsky stammenden Ausspruch „Soldaten sind Mörder“ vom Berliner Schöffengericht am 1.7.1932 frei gesprochen.
    Dass die Ferkeleien eines Herrn Böhmermann offenbar einem gewissen „Zeitgeist“ entgegen kommen, nicht nur in „Sozialen Medien“, sondern möglichst überall ungestraft die Sau rauslassen zu dürfen (und dies auch noch pseudodemokratisch zu überhöhen), ändert die sachliche wie juristische Einschätzung in keiner Weise, verleiht dem Geschehen jedoch eine beängstigende politische Dimension, über die sich egomanische Despoten vom Schlage eines Erdogan nur freuen können. Das freilich bedarf einer gesonderten politischen Analyse.
    Der Einschätzung von Christian Bommarius („Danke für die ungewollte Hilfe“, FR, 15.4.16) kann dem ungeachtet zugestimmt werden:
    „Aus der Mediendemokratie droht eine Gelächterdemokratie zu werden. Der Diskurs hat ausgedient, es zählt die schärfste Pointe.“ (http://www.fr-online.de/leitartikel/boehmermann-gegen-erdogan–danke-fuer-die-ungewollte-hilfe-,29607566,34091340.html)

  11. Bravo, Herr Mertens.

    BvG, wenn ich Zeilen wie Ihre lese, beschleicht mich ein gewisser Gedanke: Wie gut, dass es in Deutschland nicht mehr direkte Demokratie gibt.
    Haben Sie schon mal davon gehört, dass in einem Rechtsstaat der Grundsatz gilt: Im Zweifel für den Angeklagten?
    Wo hat Böhmermann die Freiheit denn missbraucht?
    Offenbar halten Sie die Kriterien Ihres persönlichen Geschmacks für allgemein gültig? Seien Sie mal nur froh, dass Sie in einem Land leben, in dem Sie solche absurden Sachen ungestraft sagen dürfen. Denn eigentlich sind Sie derjenige, der hier Freiheit missbraucht, denn Sie haben über Böhmermann ein Urteil auf der Basis Ihres Geschmacks gefällt, das seine Meinungsfreiheit in Abrede stellt. Ihren „Grunkurs“ über Kunstfreiheit und Satirefreiheit können Sie daher behalten.

  12. Ich erlaube mir zwei Fragen an Herrn Engelmann:

    1. Haben sie die Sendung Neo Magazin Royale vom 31.03.2016 in ihrer unzensierten, knapp 45-minütigen Version gesehen, insbesondere den Abschnitt von 11:06 bis 15:46?

    2. Würden Sie das Niveau der Politik unserer Bundeskanzlerin, übertragen auf Satire, als den Anforderungen an Tucholsky gerecht empfinden?

    Übrigens: Böhmermann könnte in der Sendung vom 31.03.2016 tatsächlich eine Straftat begangen haben. Bei ca. 10:39 leistet er Anstiftung zum Diebstahl (des Buches von Ronja Rönne, „Wir kommen“) gem. § 242 StGB, indem er sagt: „… bitte gehen Sie in die Bibliothek, leihen sich das aus oder klauen Sie das Buch aus der Buchhandlung…“

    Ich vermute mal, spätestens da hätte auch ein Tucholsky, aber ganz bestimmt ein Brecht, keinen Spaß mehr verstanden.

  13. @Stefan Briem

    Na ja, so kurz zu denken ist meine Sache nicht. (…)

    Böhmermann hat die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Meinungsäusserung mißbraucht, um sich selbst in Szene zu setzen, Einfaltquoten zu erlangen und er zeigt auch deutlich an anderer Stelle, daß er sich irgendwessen Eier darauf backt, mit geringstem, weil ungehemmtem Einsatz die größtmögliche Öffentlichkeit zu erlangen. Nun hat er sie und nun kneift er.

    Den Schreibfehler bei „Grunkurs“ bitte ich zu entschuldigen. Es sollte „Grunzkurs“ heißen.

    (…) Passage gelöscht, Anm. Bronski. Bitte verzichten Sie auf persönliche Beleidigungen!

  14. Na ja, um mal wieder ernsthaft zu werden:

    Es ist ein Kinderspiel, die Diktatoren der Welt aus dem sicheren Sessel der öffentlich – rechtlichen Medien zu kritisieren, und da ist Böhmermann sicher ein Kind er Zeit, das mit dem Schutz des Grundgesetzes aufgewachsen ist. Zu schätzen weiß er diesen aber erst jetzt.

    Aber in der Realität, (also nicht im Fernsehen!), muß ein Politiker so manche Hand schütteln, und freundlich zu manchem Politiker sein, auch wenn er abends stundenlang duschen muß, um wieder ein Gefühl der Sauberkeit zu erlangen.
    Mich würde interessieren, wie oft Böhmermann schon gebuckelt hat, bis er dort gelandet ist,
    wo er zuletzt war.

    Er hat ja schon oft das Fernsehen in den Dreck seiner Kritik gezogen und dennoch die Hand aufgehalten, einschlägige Zitate sind auffindbar.

    Satire sollte wohl ein Mindestmaß an Moral beinhalten.

    Davon abgesehen, halte ich Böhmermanns Sendungen nicht für Satire, und nicht für intelligent, sondern bloss für Dreckwerferei mit aufgetünchter politischer Attitüde.

    Ein Kasperkartenhaus fällt in sich zusammen.

    Schade um meine Gebühren.

  15. off topic

    wider den tierischen ernst: verehrte maedels und kluge buben, ob es wohl mal moeglich sein koennte, die themen so zu kommentieren, als gaebe es als grundlage der eigenen meinungsbildung keine quellen wie tv, internet, sondern einfach mal nur „zeitung lesen“ (etwa fr, taz, aljazeera, le monde, zeit, bbc, freitag ……. die tendenz ist bewusst gewaehlt) oder unverdummende radiosendern zu lauschen…
    und mal auf links zu verzichten…
    ich faende dieses experiment anregend…
    kali nichta oder mera

    topic on

  16. Das Lied aus der Sendung extra 3 des NDR („Erdowie, Erdowo, Erdogan“), auf You Tube zu sehen, fand ich sehr treffend und lustig. Dort wurde tatsächlich das, was an Erdogan kritisierenswert ist, auf die Schippe genommen. Es wuchs sich dann sogar noch zu einer interaktiven Satire aus, als Erdogan genau das bestätigte, wofür er verspottet wurde, indem er nämlich den deutschen Botschafter einbestellte und ihn dazu aufforderte, das Verbot dieses Fernsehbeitrags zu erwirken. Hervorragende Satire! Aber anstatt es bei diesem Treffer bewendende zu lassen, muss ein Herr Böhmermann in verkniffen zwanghafter Profilierungssucht – vielleicht aus Neid auf den Erfolg der Konkurrenten – noch einen draufsetzen. Und völlig fern von all dem, was man Erdogan mit Fug und Recht vorwerfen kann – und das ist ja wahrlich nicht wenig – begibt er sich auf die Ebene der Sandkasten-Fäkalsprache und operiert mit rassistischen Klischees wie „Ziegenficker“ und völlig an den Haaren herbeigezogenen sexuellen Orientierungen bis hin zu Straftatbeständen wie Pädophilie. Selten so wenig gelacht! Was das alles mit den Verfehlungen des gefährlichen Autokraten Erdogan zu tun haben soll, bleibt Böhmermanns Geheimnis. Als Deutschlehrerin hätte ich gesagt: Thema verfehlt.
    Andererseits ist das Ganze natürlich derart nebensächlich, dass man sich fragt, ob der türkische Präsident nichts Wichtigeres zu tun hat, als alle Welt mit Beleidigungsklagen zu überziehen. In den Augen der westlichen Welt stellt er sich damit selbst ein Armutszeugnis aus. Man stelle sich vor, Frau Merkel hätte vor einem Jahr jede griechische Zeitung verklagt, die sie mit Hitlerbärtchen und Nazi-Stahlhelm abgebildet hat!
    Aber die Bürger der Türkei – und sicher auch viele AKP-nahe türkisch-stämmige Deutsche – scheinen das anders zu sehen. Während im westlichen Europa von einem/r StaatenlenkerIn erwartet wird, dass er/sie über solchem Kleinkram steht nach dem Motto: „Was kümmert es die stolze Eiche, wenn sich ein Borstenvieh dran wetzt?“, erwartet die Bevölkerung der männlich-patriarchalisch geprägten Türkei, dass sich eine Autoritätsperson machtvoll zur Wehr setzt, wenn das, was man dort so unter Ehre versteht, verletzt zu werden droht. Nur so sind die zahlreichen Beleidigungsklagen, die mittlerweile von Türken und türkisch-stämmigen Erdogananhängern erhoben wurden, zu erklären.
    Da darf man dann nicht nur Herrn Erdogan ins Kreuzfeuer der Kritik nehmen, sondern auch die Mehrheit der türkischen Bevölkerung, die sich in einer doch offensichlich freien Wahl diesen Menschen zum Staatsoberhaupt erkoren hat.

    Dass Angela Merkel besser ihren Mund gehalten und Herr Erdogan Privatklage hätte führen lassen sollen, steht auf einem anderen Blatt. Und darüber, dass der unsägliche Majestätsbeleidigungsparagraph so schnell wie möglich abgeschafft werden muss, sind sich in Deutschland sicher alle einig.

  17. In welchen Schlamassel uns das Verhalten der Kanzlerin bringt / bringen wird, hat Mertens in seinem letzten Absatz angekündigt.

    Wie so oft hat es auch hier wieder Henryk M. Broder auf den Punkt gebracht:
    youtube.com/watch?v=EVbhNhW6JUM&nohtml5=False

  18. @ all

    Mir fällt auf, dass Sie fast alle inhaltlich die Böhmermann-Attacke diskutieren. Ich habe den Eindruck, dass niemand meinen Eingangstext gelesen hat. Ich denke, dass wir das Indiskutable nicht zu diskutieren brauchen: Inhaltlich ist Böhmermanns Schmähgedicht die Auseinandersetzung hier bei uns nicht wert. M.E. wollte er auch nicht ernsthaft behaupten, Erdogan sei ein Ziegenficker, sondern er wollte nur herausstellen, was der Unterschied zwischen (erlaubter) Satire und (verbotener) Beleidigung ist — und zwar für alle, die aus seiner Sicht offenbar schwer von Begriff sind wie etwa der türkische Staatspräsident. Wenn Sie das nun alle ernsthaft inhaltlich diskutieren, sind Sie Böhmermann leider auf den Leim gegangen.

    Lassen Sie uns doch lieber (bisher hat das hier nur Herr Mertens getan) über die Bedeutung der Böhmermann-Affäre für unser Rechts- und Wertesystem sprechen.

  19. Ich bin schon der Meinung, dass Böhmermann den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähschrift treffend erklärt hat.

    Allerdings kam mir dabei in den Sinn : Hoffentlich kommt jetzt nicht noch jemand auf den Gedanken, den Unterschied zwischen Notwehr und Mord auf diese Weise erklären zu wollen…

  20. Wer hier wem auf dem Leim gegangen ist, wäre noch die Frage. Böhmermann hat unter dem Vorwand, etwas erklären zu wollen, Herrn Erdogan ein paar Fiesheiten untergejubelt, sonst nichts. Dass das Satire ist, wage ich zu bezweifeln. Und sich für so ein Machwerk auf die Meinungs- oder gar Kunstfreiheit zu berufen, halte ich für reichlich fragwürdig. Wer entscheidet denn, was tatsächlich Satire bzw. Kunst ist und was bloße Pöbelei? Weil jemand in einer Sendung auftritt, die den Namen „Satire“ trägt, muss deswegen noch lange nicht alles, was er so verzapft, auch Satire sein.
    Was wäre denn, wenn ich mich morgen vor das Haus eines Politikers stellen würde mit einem Transparent in der Hand, auf dem ich ihm die übelsten sexuellen Verirrungen unterstelle, allerdings mit dem Zusatz: „Und übrigens, ich bin Künstlerin und darf deswegen alles“. Ob ich wohl damit durchkäme?

  21. Na, dann ist wie so oft das Fazit, daß „getroffene Hunde auch bellen“ und jeder seinen Sermon, sei er Kunst oder nicht, und jeden Quatsch in die Welt setzen darf, ohne sich auch nur einen Deut um Wahrheit und Wirkung scheren zu müssen. Es ist ja Sache des Opfers, intellektuell darüber zu stehen und sich einfach nicht getroffen zu fühlen, oder mindestens seine Getroffenheit nicht zu zeigen.

    Wer sich gegen solcherlei Dreckanwürfe wehrt, der steht per se auf verlorenem Posten, da ja die Humoristen und Satiriker die Wahrheit gepachtet haben und jeder, der sich wehrt, wurzeltief humorlos ist.

    Allein die mittlerweile verbreitete Methode, irgendwelche armen Würstchen in zusammenhanglosen Videoausschnitten zu kompromittieren und hämisch zu kommentieren, ohne diesen auch nur eine minimale Möglichkeit zu geben, sich zu wehren, spricht Bände.
    Und plötzlich ist so verdreht, wie es nur sein kann: Wer sich wehrt, der lebt verkehrt.

    Ich dachte immer, Satire hätte eine linke Tradition, derer sie sich verpflichtet fühlt, aber es geht nur noch um den größten Aufregen und den würgendsten Lacher.

    Vernichtender als ich es gatan habe, kann man es wohl nicht sagen: Die Satire in Deutschland bedient sich der Methoden des Dritten Reiches.
    Ich hatte bislang auf so drastische Aussagen verzichtet, aber nun muß es geagt werden.
    Nun ist mal einer dieser Spötter an den Falschen geraten und schon ist das Geschrei groß:
    Feinde der Freiheit, Feinde der Kunst, gar Feinde der Meinungsfreiheit sind sie, weil sie einem Böhmermann das liederliche Mundwerk verbieten wollen.

    Aber da hat er ja ausnahmsweise einen angegriffen, dessen Reputation in linken Kreisen gegen Null geht, da ist ihm der Beifall und die Unterstützung sicher.

    Ich bin durchaus auf den Eingangstext eingegangen, Bronski, denn was als „Satire“ in diesem Lande mittlerweile Schule machen will, ist blosse Verleumdung, Mobbing und Verunglimpfung, üble Nachrede und Dreckwerferei.

    Ein „Comedian“ darf in Deutschland(!) andere Menschen als „Evolutionsbremsen“ beschimpfen.
    Ein Moderator darf ehrenrührig sein und gewählte Repräsentanten eines Staates beleidigen, und alles bloss für den Klamauk am späten Abend?

    Wenn das nicht faschistisch ist, was denn dann?

    Wenn das eine Darstellung „unserer westlichen Werte“ sein soll, Bronski, dann ist es kein Wunder, wenn die Menschen in Scharen zur AfD oder Schlimmerem überlaufen.

    Wenn die sogenannten „linken“ Kulturschaffenden (ich sehe viele davon nicht mehr als „links“ an) hemmungslos ihre Ressentiments ausleben dürfen, dann geben sie ein Beispiel für die „rechten“, und brechen Bahnen und öffnen Türen.

    (…)

    (…) Passage gelöscht, Bronski

  22. Kleiner Kommentar noch zur Bedeutung der Affäre Böhmermann für unser Rechts- und Wertesystem, wie ihn Bronski einfordert.
    Wie schon oben gesagt: Die Kanzlerin hätte besser geschwiegen, aber ansonsten sehe ich keine Gefahr für unser Rechts- und Wertesystem. Zum Glück haben wir in Deutschland – bis auf wenige Ausnahmen – noch einigermaßen funktionierende Gerichte, wo die Richter keine Ver- oder Absetzung befürchten müssen, wenn sie nicht nach der Pfeife der politisch Mächtigen tanzen. Also, keine Panik, lasst einfach die Gerichte entscheiden. So läuft das in einem Rechtsstaat.

  23. Um nunmal auch die Grenzen von Satire in Deutschland klarzumachen:

    Man darf nicht sagen, daß Böhmermann ein Medienficker sei. Es sei hiermit auch explizit nicht gesagt.

  24. @ Lutz Herzer, 16. April 2016 um 21:14

    Zu 1: Ich habe die Sendung nicht gesehen, mich allerdings mit den inzwischen recht genauen Dokumentationen zum Inhalt, auch auf Wikipedia. auseinandergsetzt.
    Zu 2: Die Frage erscheint mir unklar. Sollte damit gemeint sein, ob Frau Merkel für einen Tucholsky satirewürdig wäre, eindeutig ja. Satirewürdig sind für ihn alle „Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen“ („Was darf die Satire?“, https://de.wikisource.org/wiki/Was_darf_die_Satire%3F_%28Tucholsky%29).
    Ebenso eindeutig, dass das Böhmermannsche Machwerk nach TucholskysMaßstäben mit Satire nichts zu tun hat. Man vgl. dazu auch beim Hinweis „Was darf die Satire? – Alles“ die einschränkende Klarstellung: „Die ECHTE Satire ist blutreinigend.“ (Vgl. BvG, 16.4., 0:11)
    Zu „Übrigens“: Das Beispiel ercheint mir reichlich trivial und liegt wohl nicht auf der Ebene des Erregungspotentials eines Tucholsky als hochpolitischem Journalisten und Schriftsteller. Wobei er „keinen Spaß mehr verstanden“ hat, ist sicher alles, was mit Faschismus zu tun hat. Wobei zu beachten ist, dass „Spaß“ – besser: das Lachen – eines Satirikers als „gekränktem Idealisten“ ein völlig anderes ist als das eines Humoristen oder Komikers. Was vermutlich auch damit zu tun hat, dass ein Tucholsky politisch viel weitsichtiger war als andere Intellektuelle, z.B. auch Thomas Mann.

  25. @ Brigitte Ernst, 17. April 2016 um 21:35 und 0:48

    Ich schließe mich Ihren Ausführungen an. Sehe ich insgesamt genauso.
    Ein Beispiel zu „Wer hier wem auf dem Leim gegangen ist“: M.E. die behaupteten 90 % (Woher weiß man das eigentlich?), die einen Böhmermann als den neuen Star und „Aufklärer“ feiern.
    Z.B. auch ein Herr Feuerstein (Link Stefan Briem, 17. April 2016 um 23:28), der es für „genial“ hält, eine Aneinanderreihung von Perversitäten damit einzuleiten, „was man nicht sagen darf“.
    Die „Erkenntnis“, dass Verbotenes einen besonderen Reiz ausübt, ist wohl eher trivial, solches Verhalten günstigstenfalls als „pubertär“ zu bezeichnen. Und wenn nun Scharen von „Rechtsexperten“ aus der expliziten Ankündigung einer Straftat deren Nichtbestrafung folgern, kann ich mir nur an den Kopf langen. Straftäter jeglicher Art bis hin zu Mördern wären gut beraten, sich eine solche Ankündigungspraxis anzueignen. Und der IS tut dies ja schon.

    Zu Bronskis Frage nach der „Bedeutung für unser Rechts- und Wertesystem“ zunächst nur zwei kurze Anmerkungen (da ich z.Zt. noch unterwegs bin):
    1. BvG’s zornige Einwendungen (17. April 2016 um 23:06) erscheinen wohl überzogen, in der Tendenz aber nicht so ganz abwegig.
    2. Die Vorstellung einerseits des Herrn Böhmermann, einem Herrn Erdogan den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik „erklären“ zu wollen, kann man nur als ebenso „hirnrissig“ bezeichnen wie andererseits Reaktionen, die in die Richtung gehen, die gesamte „Volksgemeinschaft“ (bis hin zu Sarah Wagenknecht) im vereinten Hass auf Erdogan in einem Boot zu versammeln (welches wohl und mit welchem Kurs?).
    Wenn das neue und „geniale“ politische Strategien sein sollen, dann gute Nacht!

  26. Herr Briem, ich habe den Vorgang sehr genau verfolgt und bedarf Ihrer Nachhilfe nicht. Trotzdem wird die Frage erlaubt sein, wer eigentlich darüber bestimmt, was unter den Begriff Satire fällt und was einfach nur eine Beleidigung ist. Liegt diese Entscheidung bei den selbsternannten Satirikern? Nebenbei, wie ihr Link ja deutlich macht, WOLLTE Böhmermann doch provozieren und an die Grenzen gehen. Das ist ihm gelungen. Wenn sich niemand für sein Gedicht interessiert hätte, wäre ihm das doch auch nicht recht gewesen. So hat er eine ziemlich lächerliche Staatsaffäre in Gang gesetzt, die in die Geschichte eingehen wird. Etwas Besseres kann ihm doch gar nicht passieren. Schließlioch läuft er in Deutschland ja wahrlich nicht Gefahr – wie viele türkische Journalisten – im Gefängnis zu landen.
    Und wo ist im Übrigen das Problem? Genauso, wie in inserem Land jemand mehr oder weniger freche Dinge gegen eine Person äußern kann, hat derjenige, dem er ans Bein pinkelt, das Recht, Beleidigungsklage zu führen. Und dann entscheidet ein unabhängiges Gericht eben darüber, ob hier die Grenze zur Beleidigung überschritten ist. So wird das in einem Rechtsstaat gehandhabt.
    Diese hysterische Aufgeregtheit um einen Pipifax geht mir allmählich auf die Nerven. Das sind doch nur Ablenkungsmavöver. Viel problematischer für unser Rechts- und Wertesystem ist doch der Flüchtlingsdeal mit der Türkei selbst. Ich bin keine Juristin, aber ich befürchte, dass hier gegen europäisches Asylrecht verstoßen wird, wenn ohne genaue Einzelprüfung aus Griechenland abgeschoben wird. Und die Menschlichkeit, die Europa immer so vollmundig vor sich herträgt, wird mit Füßen getreten.

  27. Noch eine Ergänzung zu BvGs Beitrag von gestern Abend, 23.06 Uhr:

    Wenn Satire alles darf, wie wäre es dann mit einer Verspottung der Holocaust-Opfer von Seiten irgendwelcher Neonazis? Das könnte man sehr pointiert und mit schwarzem Humor/Zynismus gestalten. Oder eine Verunglimpfung Behinderter? Unser Finanzminister wäre da eine geeignete Zielscheibe. Ich vermute, auch Sie, lieber Bronski, würden da eine Grenze setzen, oder?

  28. Stefan Briem, danke. Manchmal braucht es doch einen Link, der am besten erklärt.
    Da war Meinung zu hören von Leuten, die allemal mehr von Satire verstehen, als wir hier im Blog.

    Es ging um Satire – nicht um Geschmack.

  29. Ich muss Teile meiner Einschätzungen von früher revidieren, insbesondere leider über Werner Engelmann. Entschuldigung. Es wird Sie nicht kümmern, fürchte ich, aber ich habe Sie als Kommentator im FR-Blog kennen gelernt als einen Menschen, der nachdenkt, bevor er sein Urteil schreibt. Leider zeigt sich jetzt, dass auch Sie zu denen gehören, die Sie an anderer Stelle kritisiert haben, die schnell mit Urteilen zur Hand sind, ohne sich ein volltändiges Bild gemacht zu haben. Nun ist das in diesem Fall natürlich gar nicht möglich, weil der Böhmermann-Beitrag in der Mediathek nicht mehr zu sehen ist. Es ist also nicht möglich, das Schmähgedicht im Kontext der Sendung zu sehen. Sie haben diese Sendung nicht gesehen. Frau Ernst anscheinend auch nicht. Ich dagegen habe sie gesehen. Ich würde niemals behaupten, Böhmermann ist der neue Held der deutschen Satire, aber der Beitrag war saukomisch. Ihnen aber, lieber Herr Engelmann, möchte ich sagen: Wenn es Ihnen nicht möglich ist, sich ein zusammenhängendes Bild vom Beitrag im Kontext der Sendung zu machen, dann sollten Sie schweigen oder wenigstens vorsichtiger sein mit der Schärfe Ihrer Meinung. Ich denke, dass Sie von heute an niemandem mehr vorwerfen dürfen, dass er ein gefestigtes Weltbild hat und die Dinge danach beurteilt anstatt danach, was wirklich passiert ist. Ich werde Sie daran erinnern, wenn Sie das wie in der Vergangenheit schon oft mal wieder tun.

    Und nun möchte ich noch die Frage von Frau Ernst beantworten. Wer bestimmt eigentlich darüber, was unter den Begriff Satire fällt und was einfach nur eine Beleidigung ist? Das ist ganz einfach: unsere Justiz. Deswegen bin ich zwar trotzdem unglücklich darüber, dass die Regierung Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erlaubt hat. Aber ich freue mich auf den Prozess. Wie sagte Gernot Hassknecht in der letzten „heute Show“: Dann wird das Gedicht noch einmal in aller Öffentlichkeit verlesen. Erdogan hat sich selbst einen schönen Gefallen getan.

  30. Herr Briem, dann sind wir uns ja einig. Die ganze hochgeputschte Aufregung um einen konträr beurteilten Sendebeitrag war also überflüssig. Warten wir auf die richterliche Entscheidung.

  31. Das sehe ich völlig anders. Ein ausländischer Staatschef versucht Einfluss auf deutsche Innenangelegenheiten zu nehmen, und Sie reden von „hochgeputschter Aufregung“? Das hat Erdogan nämlich versucht, als er den deutschen Botschafter in der Türkei wegen der Extra3-Satire einbestellt hat. Das muss man sich mal vorstellen. Die Einbestellung eines Botschafters ist normalerweise eine Eskalation. Ich habe den Eindruck, Frau Ernst, dass Sie den Kontext der ganzen Geschichte überhaupt nicht erkennen.

  32. ich finde den den heutigen beitrag von m. herl „nicht alles ist satire“ in der FR erfrischend unschwafelig und eindeutig im vergleich mit etlichen der unzaehligen stellungnahmen.
    jedenfalls ist seine sichtweise nachdenkenswert und diskussionsanregend.

  33. maiillimi,
    Michi Herl trifft wahrlich nicht immer meinen Geschmack, aber heute spricht er mir aus der Seele!

  34. Lieber Herr Briem,
    wir kennen Herrn Erdogan doch mittlerweile, und der Beitrag von extra3 hat ihn für seine Anmaßungen ja auch gehörig (wirklich satirisch) in die Mangel genommen. Dennoch: Er mag vieles versuchen, in unserem Rechtsstaat gelingt ihm das aber nicht.
    Wirklich schlimm sind seine Menschenrechtsverletzungen in der Türkei selbst. Aber, wie ich weiter oben bereits gesagt habe: Wir sollten nicht ihn allein an den Pranger stellen. Viel schlimmer finde ich, dass sich sein Wahlvolk das alles bieten lässt und ihn trotzdem mehrheitlich wiederwählt. Aber auch unserer Regierung, die mit ihm höchst zweifelhafte Verträge schließt, gehört auf die Finger geklopft.

  35. Zum Beitrag von Michi Herl „Nicht alles ist Satire“:
    …ich verstehe ja, dass der Michi Herl wahrscheinlich wieder mal ganz dringend seinen fleischigen Gelüsten am heimischen Herd fröhnen musste und deshalb keine Zeit hatte, sich einen Mitschnitt der Böhmermann-Sendung anzuschauen. Stattdessen liest er nur das sogenannte Gedicht und schon schreibt er drauflos…

    Was sag ich dazu? Herl gönne uns allen acht Minuten und sechs Sekunden Ruhe und schau dieses Video des Herrn Kalkofe an: https://www.youtube.com/watch?v=4Gx-yZRnuZQ
    Das enthält wesentlich mehr Gedankenschmalz als diese runter gerotzte Kolumne.

    Aber ich hätte ein paar Vorschläge worüber man in diesem Zusammenhang auch noch nachdenken könnte:
    Ist Tele5 jetzt die Speerspitze der Bewegung?
    Ein Paar schreckliche Figuren aus der Springerwelt tut plötzlich so, als hätte es was mit Meinungsfreiheit am Hut. Zweidrittel der Bevölkerung sind gegen die Merkelentscheidung in Sachen §103. Könnte es vielleicht sein, dass mancher der in Sachen Flüchtlingspolitik herbe geschluckt hat, jetzt die Kreide ausspuckt und auf andere Art seine Fremdenfeindlichkeit auslebt? So wie die beiden Springer?
    Und, rein sprachlich, würde es sich sicherlich auch einmal lohnen darüber nachzudenken, warum sich Menschen oder Mainzelmännchen gerne zur Verteidigung HINTER dem Angegriffenen versammeln.

  36. Danke mola, der Kommentar von Kalkofe ist hervorragend.

    Es gibt überhaupt keinen Grund seitens des ZDF, der Öffentlichkeit den Gesamtkontext vorzuenthalten, außer den, die öffentliche Akzeptanz der Entscheidung der Kanzlerin zu fördern. Man braucht mir deshalb nichts davon zu erzählen, das ZDF (als Zensur- und Desinformations-Fernsehen) stehe hinter Böhmermann. Völlig unproblematisch wäre es, die Sendung in der Mediathek zu lassen und während des Schmähgedichts den Ton auszublenden oder meinetwegen das einminütige Gedicht raus zu schneiden.

    Für uns Bürger sollte es aber nicht darum gehen, ob Böhmermanns Schaffen gut oder schlecht ist, sondern um den Erhalt auch unserer Freiheiten. Und da sage ich: lieber etwas zu viel davon, als zu wenig. Was einmal weg ist, ist weg und nicht leicht zurückzubekommen. Den Majestätsparagraphen 103 StGB halte ich im Übrigen für verfassungs- und konventionswidrig, da er den Anforderungen an die Gesetzlichkeit zum Zeitpunkt der Tat keineswegs gerecht wird. So viel zur Bedeutung der Böhmermann-Affäre für unser Rechts- und Wertesystem (da Bronski darum gebeten hatte).

  37. Ach je, nimmt Kalkofe sich und seine Zunft nicht ein bisschen zu wichtig! Er trägt doch selbst ein gerüttelt Maß dazu bei, dass aus einem Furz ein Tsunami wurde. Besonders nervig dabei die Arroganz, allen denjenigen, die in diesem Kaspertheater keinen Weltuntergang sehen, zu unterstellen, sie hätten Böhmermanns Taschenspielertrick nicht verstanden, nur weil sie ihn als solchen durchschauen. Wer sagt: „Ich zeige euch jetzt mal, was ich nicht sagen darf“, es aber damit trotzdem tut, bewegt sich nun mal auf einem schmalen Grat. Dazu sollte er dann auch stehen und nicht aus Angst vor der eigenen Courage hinterher feige abtauchen. Schließlich kann er in unserem Land davon ausgehen, wegen einer solchen Lappalie nicht im Knast zu landen wie so viele Journalisten in der Türkei, die Erdogans Menschenrechtsverletzungen anprangern.
    Ich sehe der Reaktion der Gerichte mit Gelassenheit entgegen. Entweder wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit gar nicht erst zugelassen oder eingestellt, und sollte es tatsächlich zur Verhandlung kommen, sehe ich keine Gefaht einer nenneswerten Bestrafung. Das sollte Böhmermann einschätzen können, denn mit Beleidigungsklagen hat er ja schon Erfahrung.

  38. Der Narr

    Nun wird der Narr zum Narr’n gehalten,
    und braucht zum Schutze seinen König,
    zwar konnt‘ er sich ganz frei entfalten,
    doch ist’s der Narretei zuwenig.

    Nun braucht er die, die er verhöhnte,
    die er im Überschwang verließ,
    und hofft, daß der sich jetzt versöhnte,
    den er zuvor im Regen stehen ließ.

    Die Lehre ist, man muß gefallen,
    dem König, Volk und auch den Schranzen,
    sofern man Narr ist, also allen,
    will man nach eig’ner Pfeife tanzen.

    Ein guter Narr bringt die zum Lachen,
    die sich selbst zum Narren machen.

  39. @ Stefan Briem, 18. April 2016 um 19:48

    Ich könnte es mir ja leicht machen und sagen: Michi Herl hat eigentlich alles Nötige gesagt.
    Aber halt: Der hat ja nicht den Nachweis erbracht, ob er überhaupt den „saukomischen“ Spaß „verstanden“ hat, und nicht – wie Sie es mir nahe legen – besser den Mund halten sollte.
    Ihrer Argumentation – und der Klassifizierung eines Kalkove folgend – folgend, bietet sich demnach an, die Frage, ob jemand überhaupt zu einer Äußerung berechtigt sein soll, an einen solchen Nachweis zu knüpfen, dass er der Böhmermannschen Sternstunde der Menschheit im Orginal beigewohnt hat und sich nicht wie ich zu den tumben Toren rechnen muss, die sich mit der schnöden Umschrift, etwa des Spiegel, und entsprechenden linguistischen Kenntnissen zur Interpretation bescheiden müssen. (http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571.html)
    Das wäre doch ein weiterer Beitrag zur „Verteidigung der Meinungsfreiheit“, der schon selbst genug Satire ist und keiner Bearbeitung mehr bedarf.
    Dem kann auch ein weiterer Aspekt hinzugefügt werden:
    In seinem letzten, auf persönlichen Erfahrungen beruhenden Roman „Vater eines Mörders“ beschreibt Alfred Andersch eine einzige Schulstunde in Griechisch bei Oberstudiendirktor Himmler, Vater des Massenmörders Heinrich Himmler. Darin schwärmt Himmler Senior davon, dass es das Größte wäre, wenn man eine Aufnahme mit der Orginalstimme von Sokrates hätte. Leider ist solches der Philosophie wie auch der Geschichtswissenschaft versagt.
    Um Ihrer und Herrn Kalkoves Logik zu folgen: Hatte Himmler also Recht? Wäre das Grund genug, an der Fähigkeit der Philosophie wie auch der Geschichtswissenschaft zu zweifeln, diesen überhaupt zu „verstehen“? Grund, sie am besten gleich abzuschaffen?
    Eine wahrhaft revolutionäre Konsequenz, der Böhmermannschen Zeitenwende würdig.

  40. Es ist wirklich erstaunlich, dass es manchen doch so schwerfällt, zu begreifen, um was es geht. Es geht NICHT darum, ob Böhmermann recht hat, sondern es geht nur darum, ob er das sagen darf, was er gesagt hat, und ob wir uns den Impact eines türkischen Staatspräsidenten gefallen lassen.
    Bleiben wir bei dem Sokrates-Beispiel, das Sie angeführt haben. Vielleicht kann ich Ihnen daran vorführen, warum Sie so daneben liegen. Wir haben keine Aufzeichnung mit der Originalstimme von Sokrates. Wenn wir sie hätten, könnte der Meister uns Hilfe zum Textverständnis geben. Ich nehme an, das ist es, was Himmlers Vater als „das Größte“ meint. Sokrates würde uns vielleicht durch Betonungen von Worten und durch seine Interpretation seiner Texte Hilfestellung leisten, so dass er besser verständlich wäre. Genau das ist es, was Ihnen zum Verständnis von Böhmermann fehlt. Sie kennen den Original-Vortrag von Böhmermann nicht, aber Sie haben viel darüber gelesen. Wenn Sie bei Wikipedia lesen, dass ein Clown eine geschminkte Witzfigur mit Knollennase ist, sind Sie genauso schlau. Dann wissen Sie, wie ein Clown aussieht, aber Sie haben nicht erfahren, worin die Komik liegt. Dazu müssen Sie sich die Show eines Clowns ansehen. Wenn Sie aber darüber reden, ohne sie gesehen zu haben, machen Sie sich selbst zum Clown.
    Die Texte von Sokrates können wir auch ohne den Originalvortrag verstehen. Die Komik von Böhmermann wird aber niemand verstehen, der seine Performance nicht gesehen hat. Das ist so, als würde man den Loriot-Sketch vom harten Ei nur lesen, ohne ihn zu hören oder zu sehen.

  41. @Briem
    Anscheinend, Herr Briem, haben Sie noch nicht wahrgenommen, daß es in dem „wir“, daß Sie hier bemühen, auch eine Menge Menschen gibt, die sich den „Impact“ eines Böhmermann auf unseren Staat nicht gefallen lassen wollen.

  42. zu molas kommentar:
    ist es nicht verwunderlich, wie viele „verblendete“ michi herls kolumne in den heute veroeffentlichten leserbriefen zustimmen? wer sind denn nun die undurchblickenden bloeden?
    die crew um mola oder die einfaeltigen herl-huldigenden?

  43. Ach, Herr Briem, ich geb’s auf! Sie haben nun mal Ihre vorgefasste Meinung, und die beschränkt Ihren Horizont doch erheblich.
    Erfreuen Sie sich weiterhin der Gewissheit, dass Sie und ein paar Kalkofes und Feuersteins die einzigen sind, die Böhmermann verstehen und wissen, worum es geht! Etwas, das den Namen „Diskussion“ verdient, ist hier nicht mehr möglich.

  44. @ Stefan Briem

    Wie gut, dass sich jetzt die Gerichte der Sache annnehmen werden. Die dürfen sich den umstrittenen Sendebeitrag nämlich ansehen und werden ihn, im Gegensatz zu Dummerchen wie Michi Herl, Werner Engelmann und meiner Wenigkeit, verstehen und angemessen bewerten können. Damit wäre das Problem gelöst

  45. Das mit dem Dummerchen haben Sie gesagt. Ich bin weit davon entfernt, zu solchen beleidigenden Wörtern zu greifen. Ich sage nur: Sie haben tatsächlich immer noch nicht kapiert, was Böhmermann für Deutschland und unsere Werte geleistet hat. Und ich bin WIRKLICH WIRKLICH WIRKLICH froh, dass wir in Deutschland nicht mehr direkte Demokratie haben. Ich will nicht, dass solche „Dummerchens“ (Zitat Brigitte Ernst) ernsthaft über wichtige Dinge abstimmen dürfen. Dabei kann nichts Gutes herauskommen.

  46. @Stefan Briem, 22. April 2016 um 11:38

    Lieber Herr Briem, es scheint mir doch bemerkenswert, wie man sich in Widersprüche verstrickt, wenn man, durchaus wichtíge Einzelaspekte (hier: Bedeutung eines mündlichen Vortrags) verabsolutiert und so zumindest den Anschein einer „vorgefassten Meinung“ erweckt (vgl. Vorwurf Frau Ernst).
    Der Widerspruch besteht darin, dass Sie einerseits betonen, es gehe „nicht darum, ob Böhmermann recht hat“, zugleich aber in der Gleichsetzung mit Loriot in einem hermeneutischen Zirkelschluss zur Voraussetzung machen, was Sie beweisen wollen: nämlich dass das Böhmermannsche Machwerk „Kunst“ sei und damit „Kunstfreiheit“ beanspruchen könne, was von mir (wie auch von einigen anderen hier) in Abrede gestellt wird.
    Nun habe ich manche Loriot-Sketche (darunter den mit dem Ei) mehrfach im Sprachunterricht verwandt und daran auch Ausdruckweise geübt. Ein Verfahren, was auf zweifache Weise gerechtfertigt ist: Einerseits, weil jeder Autor mit der Veröffentlichung eines Werks den Alleinanspruch auf dessen Interpetation aufgibt, dieses Recht auf die Allgemeinheit überträgt. Andererseits wird dies durch den Kunstcharkter auch ermöglicht: Was im mündlichen Vortrag von Loriots Sketchen (sicher wirkungsvoller als bei bloßer Lektüre) zum Ausdruck gebracht werden kann, ist auch im schriftlich fixierten Inhalt resp. dem zu erschließenden Kontext bereits enthalten. Dies hat mit dem Grundsatz der Einheit von Form und Inhalt zu tun, der als wesentliches Kriterium an ein künstlerisches Werk zu stellen ist. Der Vortrag von Loriot selbst ist dabei nur ein möglicher – wenn auch sicher sehr gekonnter. Der Wert seiner Sketche ist aber nicht auf diesen beschränkt, ihre künstlerische Bedeutung ist in der Deutung von (allgemein menschlichen) Alltagssitutionen wesentlich breiter.
    Sie hingegen verabsolutieren den Böhmermannschen Vortrag und schließen daraus sogar auf das alleinige Recht des „Verstehens“ – und damit wird es dogmatisch.
    Dies ist aber sicher nicht Ihr alleiniges persönliches Problem, denn im Fall Böhmermann lässt sich der behauptete künstlerische Anspruch wohl nicht auf andere Weise verteidigen. Aus eben dem Grund wird auch der Ausspruch „Satire darf alles“ zu Unrecht in Anspruch genommen, weil Tucholsky auch dies ausdücklich auf „echte Satire“ bezieht, die sich nicht der Mittel bedient, mit der man jede Scharlatanerie und jede Hetze zur „Kunst“ erklären könnte.

    Ein Wort noch zu (Vater) Himmlers Sokrates-„Verehrung“ in Anderschs Werk: Diese Episode dient Andersch (wie andere Charakterisierungen) als Hinweis darauf, dass der humanistische Inhalt „humanistischer“ Fächer (als die Griechisch und Latein im humanistischen Gymnasium galten) von deren Vertretern selbst bereits über Bord geworfen worden und einem rein formalistischen Verständnis, aufgefüllt mit inhumanen und repressiven Praktiken, gewichen war. Insofern war die „Karriere“ von Himmler-Sohn im „Vater eines Mörders“ bereits teilweise vorgezeichnet. Und es zielt auch auf den hilflosen Umgang mit Faschismus, wenn Andersch im Nachwort ausruft: „Schützt Humanismus denn vor gar nichts? Die Frage ist geeignet, einen in Verzweiflung zu stürzen.“
    Eine Frage, die sich m.E. in ähnlicher Weise auch stellt, wenn der Begriff von „Kunst“ (z.B. in der Verwendung des Vokabulars) derart des Inhalts entleert wird, dass sie auch für primitivste und perverse Formen der Selbstbefriedigung zur Disposition gestellt werden kann.

  47. @Brigitte Ernst „Wie gut, dass sich jetzt die Gerichte der Sache annnehmen werden. … im Gegensatz zu Dummerchen wie … meiner Wenigkeit“

    Sehr überzeugend finde ich es nun nicht gerade, wenn man es sich mit einem Verweis auf die Gerichte recht einfach macht und dann vorsorglich einen kleinen Schutzwall in Form von Selbstschmähung aufhäuft.

    Fragen Sie Opfer von Strafverfolgungsmaßnahmen, was so alles möglich ist (Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von Laptop, Smartphone etc.), ehe man ein Gerichtsgebäude von innen sieht.

    Die Bundesregierung hat am 15. April die §§ 103, 104a StGB aus der Versenkung geholt und dadurch eine neue Drohkulisse in Form von Willkürermächtigungen geschaffen. Und machen wir uns nichts vor: Formalrechtlich nicht, aber faktisch gleicht die Ermächtigung einer Anweisung der Staatsanwaltschaft. Zu erwarten dürfte von nun an eine tendenziell seichte Medienberichterstattung über die Türkei und ihren Präsidenten sein. Und Satire? Ha! Wer braucht die schon.

  48. Lieber Herr Engelmann, ich kann mich nicht erinnern, den Böhmermann-Auftritt als Kunst bezeichnet zu haben, aber da Sie behaupten, ich hätte das getan oder würde das wollen, wird es wohl stimmen. Aber ich möchte Sie bitten, mir die Passagen meiner Kommentare zu benennen, in denen das drinsteht.
    Im Grunde sagen Sie in Ihrem Kommentar vom 24. April 2016 um 3:26 Uhr nichts anderes als ich. Aber trotzdem versuchen Sie, mir zu widersprechen. Wissen Sie, man kann sogar den Faust so vortragen, dass das Publikum sich vor Lachen kringelt. Das wird Frau Ernst natürlich nicht gern hören, aber es ist so. Zitieren Sie nur ruhig Ihren „Grundsatz der Einheit von Form und Inhalt“. Vor einigen Jahren war ich bei einer Lesung, wo das Publikum mit BGB-Paragraphen traktiert wurde und sich vor Lachen bog. Daher weiß ich sehr gut, was Sie meinen.
    Trotzdem reden auch Sie wieder am eigentlichen vorbei. Im Grunde ist es doch völlig uninteressant, ob Böhmermann Satire gemacht hat oder einfach nur frei seine Meinung geäußert hat. Michi Herl tut das in der FR selbst oft genug. Wenn ich das Leserforum im Lauf der Jahre richtig gelesen habe, hat er dafür meistens was draufgekriegt. Interessant ist für mich nur, ob die Meinungsäußerung von unserer Rechtsordnung gedeckt ist oder nicht. Da bin ich mit Frau Ernst einer Meinung: Die Prozesse werden sicher spannend. Vermutlich wird die Sache bis zum BGH oder sogar zum BVG hoch gehen, denn Böhmermann hat die Grenzen getestet. Das würde Michi Herl sicher auch gern, und das hat er auch schon versucht, aber so viel Biss wie Böhmermann hat er dann eben doch nicht.
    Sie versuchen zu unterscheiden zwischen „echter“ Satire und solcher, die irgendwie nicht echt ist. Das ist Selbstbefriedigung für Germanisten. Mit anderen Worten: Gehirnwichserei. Satire ist, wenn’s weh tut, punktum. Bis an die Grenzen unserer Rechtsordnung. Danach ist es Beleidigung. Ehrlich gesagt habe ich gar nichts dagegen, Erdogan zu beleidigen. Der Mann ist ein Menschenrechtsverletzer, und dass Sie ihn in Schutz nehmen, Herr Engelmann, werde ich Ihnen möglicherweise nachtragen.

  49. Ab wie vielen Zuhörern wird Beleidigung einer öffentlichen Person (nicht der Nachbarn) ein Fall für die Gerichte? Täglich werden Politiker an Stammtischen beleidigt und keiner nimmt Notiz davon. Vielleicht ist es auch nur Galgenhumor (Satire?), denn wie kann sich das Stimmvieh gegen gefühlte Ungerechtigkeiten wehren? Wird Galgenhumor erst durch Verbreitung in den Medien Strafbar?
    Wenn es keine Satire ist, bin ich von unserem Innenminister (FR 23./24.4. Seite 14, Kritisiert Verfassungsrichter) schwer beleidigt worden, denn er bezichtigt mich und das ganze deutsche Volk der Dummheit. Herr Erdogan pfeift auf Gerichtsurteile die ihn betreffen und wir nennen ihn einen Despoten. Unser Innenminister möchte, dass unsere Gerichte den Gesetzgeber nicht mehr kontrollieren. Wo ist der Unterschied zu Erdogan? Können Politiker das Volk ungestraft mit Hilfe der Medien Beleidigen? Wann wird sein Nachfolger Vereidigt?
    Wird, ausgelöst durch Herrn Böhmermann, jetzt die Gewaltenteilung in unserem Land in Frage gestellt?

  50. Ich habe die Diskussion hier mit Interesse verfolgt und möchte ein paar Gedanken zu dem Fall äußern. Für mich steht es außer Frage, dass es sich bei der diskutierten Arbeit um Satire handelt.
    Dass der Kontext wichtig ist, das haben wir schon bei Dubuffet gelernt, der ein Pissoir aus dem Zusammenhang einer Herrentoilette nahm, signierte und unter dem Titel „Fontaine“ ins Museum stellte und somit zum Kunstwerk erhob. Jungen Menschen, die ihren Namen auf das Schulklo krickeln (und behaupten sie hätten mit ihrer Signatur ein Kunstwerk geschaffen) würde man hingegen einen Putzstein in die Hand drücken. Soweit ein Exkurs in die Bildende Kunst.
    Was das mit Jan Böhmermann zu tun hat? Auch bei ihm spielt der Kontext die entscheidende Rolle. Das Gedicht aus dem Zusammenhang gerissen, ist weder Satire noch Kunst, es entspräche –um im Bild zu bleiben-etwa einem Klospruch (über den man, nebenbei bemerkt manchmal auch herzlich lachen kann).
    Daraus zu schließen, der ganze Beitrag von Böhmermann bewege sich auf diesem Niveau und sei deshalb keine Satire, wäre nur zulässig, wenn der Kontext lediglich vorgeschoben wäre, sprich: eigentlich wollte der Mann nur rumpöbeln und hat brav vorher ein Sprüchlein aufgesagt um (vermeintlich) keinen Ärger zu bekommen. Dieser Interpretation neigen hier, so wie ich das verstehe, Diskutanten zu. Ich sehe das anders.
    Böhmermanns Kritik richtet sich vor allem gegen Erdogans skandalösen Umgang mit Meinungs-und Kunstfreiheit. Konkreter Bezugspunkt ist die Einbestellung des deutschen Botschafters wegen der Satire von extra 3, mit dem Ziel das Satirelied zu verbieten. Darüber hinaus enthält Böhmermanns Beitrag (wie auch die ganze Sendung) Seitenhiebe gegen die AFD und deren Menschenbild.
    Böhmermanns künstlerische Mittel sind die mehrfache Übertreibung. Er spielt bewusst mit Klischees, mit Brüchen und Realitätsebenen. So trägt er das „Schmähgedicht“ mit sanfter Stimme und schön betont vor, als handle es sich um einen Goethe, im Hintergrund wird eine Animation der türkischen Flagge eingeblendet mit sich –völlig überhöht-bewegendem Halbmond, untermalt von einem sentimentalen türkisch angehauchten Nena-Song (in Anspielung auf den extra3 Beitrag, der auf einem umgedichteten Lied von Nena basierte). Das Schmähgedicht selbst besteht aus einer Aneinanderreihung von stereotypen Beleidigungen, die in ihrer Häufung eindeutig die Grenze zum Absurden überschreiten. Böhmermann arbeitet hier mit dem Mittel der Kontrastierung. Indem er dermaßen überzeichnet, wird umso deutlicher die unsägliche Reaktion des türkischen Präsidenten herausgestellt, der extra3 Beitrag erscheint im Vergleich dazu vollkommen harmlos. Unterbrochen wird der Gedichtvortrag mehrfach durch ein Gespräch über die Grenzen der Meinungs-und Kunstfreiheit. Dieses Stilmittel erzeugt Distanz zum Gegenstand , sodass die Identifikation mit dem Inhalt des „Schmähgedichts“ hintertrieben wird. Die Reaktionen des ZDF wird von Böhmermann in den Unterbrechungen vorweggenommen. Fiktion und Realität werden in meinen Augen raffiniert verknüpft. Böhmermanns Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit der Kunstfreiheit? zielt wirklich dorthin, wo es wehtut.
    Ob die Satire einem persönlich gefällt oder nicht, stellt ein Geschmacksurteil dar. Dazu kann ich nur sagen: Ich musste herzlich lachen.
    Vorab für alle am Original Interessierten, auf der Seite Cicero online kann man sich das Video ansehen.

  51. @ maat

    Vielen Dank für den Hinweis. Tatsächlich kann man sich auf cicero.de die gesamte Sendung ansehen. Ich verlinke hier auf die Webseite, nachdem ich zum zehnten Mal zu Ende gelacht habe. Ich empfehle, die Sendung von Anfang an anzuschauen. Der inkriminierte Abschnitt beginnt mit Minute 11.

  52. @Bronski
    Freut mich, wenn ich helfen konnte.

    Berichtigung: Es war natürlich Duchamp, der das Pissoir zum Kunstwerk erhob.

  53. Danke, Bronski!

    Nach zweimaligem Ansehen des Böhmermann’schen Sendebeitrags konnte ich leider zu keiner anderen Beurteilung gelangen als vorher, tut mir leid. Blödes, haspelig mit vielen Versprechern (und Blicken auf den Teleprompter) vorgetragenes Gewäsch, verpackt als Aufklärung darüber, was unter Schmähkritik zu verstehen sei und was man deshalb nicht sagen dürfe – um es dann doch zu tun. Böhmermann wandelt da auf einem sehr schmalen Grat und will das auch so. Was die türkische Fahne im Hintergrund ausdrücken sollte, bleibt wenig nachvollziehbar, schließlich sollten doch die deutschen und nicht die türkischen Gesetze veranschaulicht werden.
    Übrigens bewegen sich auch andere Teile der Sendung auffällig unter der Gürtellinie. Der Moderator scheint der Pubertät noch nicht ganz entwachsen zu sein: Bereits am Anfang die mannshohe Skulptur eines Penis mit Hütchen! Das Niveau tausender von Schmierereien, die landauf, landab unsere Mauern, Häuser und Brücken verunzieren. Mann, ist das lustig!
    Etwas später im Zusammenhang mit dem Brand bei der Firma Wiesenhof hört man nach der Information, dass dort täglich 430 000 Hähnchen verarbeitet werden, den Kommentar aus dem Off: „Die Tagesration von Peter Altmeier“. Die Verspottung körperlicher Defizite anderer fällt für mich auch nicht unbedingt unter die Kategorie Satire. Altmeier braucht keine Gerichte zu bemühen, die Armseligkeit des Witzes schießt sich selbst ins Aus. Und bevor ich es dann vorzog, mich aus dem Video auszuklinken, folgte noch ein Griff in die anale Kiste, als sich Böhmermann über die Namen der polnischen Ministerpräsidentin und ihrer Partei lustig machte, die er so deutlich „Shit-lo“ und „Piss-Partei“ aussprach (was sein Gesprächspartner noch einmal wiederholte), dass es auch der letzte Primitivling kapierte.
    Ich weiß schon, warum mir Oliver Welcke lieber ist!
    Das Gute an Böhmermann ist ja immerhin, dass er selbst wiederholt betonte, seine Sendung sei eigentlich eher eine Quatsch-Sendung und falle gar nicht unter die Kategorie „Satire“. Wo er recht hat, hat er recht!

    Jetzt wird man mir wieder vorwerfen, es gehe hier nicht um Geschmacksfragen, sondern um die Satire- und Meinungsfreiheit. Genau, und in einem Fall, in dem jemand sich in der Grauzone zwischen Satire und Beleidigung bewegt, sind in unserem Land nun einmal die Gerichte diejenige, die entscheiden. Das hat ja sogar Stefan Briem am 18. April eingeräumt. Mir ist dabei wohl bewusst, Herr Herzer, dass auch die Menschen, die für unsere Justiz arbeiten, nicht alle unfehlbar sind. Aber kennen Sie in einem Rechtsstaat eine bessere Entscheidungsinstanz?

    @ Stefan Briem, 23. April 21.13 Uhr: Ich würde Sie doch bitten, mich korrekt zu zitieren. Ich habe von „Dummerchen“ (Nominativ Plural), nicht von „Dummerchens“, gesprochen.
    Im Übrigen danke ich Ihnen für die Aufklärung, dass es nicht, wie ich bisher glaubte, rechte Hetzer oder folgsam einem Meinungsführer hinterherlaufende Herdentiere sind, die bei Volksabstimmungen eine Gefahr bilden, sondern Leute wir ich, die versuchen, Probleme kritisch zu untersuchen und die verschiedenen Positionen zu hinterfragen, anstatt ihre eigene Meinung absolut zu setzen. Da bin ich doch wieder um eine Erkenntnis reicher geworden !
    Und zu Ihrem Beitrag vom 24. April, 21.13 Uhr:
    Wie kommen Sie darauf, dass ich nicht über Faust lachen könnte? Ich erinnere mich noch an die köstlichen Comic-Literaturparodien aus dem Eichbornverlag, die ich gern mit meinen Schülern gelesen habe. Für mich gibt es keine unantastbaren quasi heiligen Dichter (das gilt auch für alle anderen Künstler). Man wird’s nicht glauben, nicht einmal Tucholsky ist, so sehr ich ihn schätze, für mich unangreifbar.

  54. Diesen Passus des Schmähgedichts hat man wohl bisher übersehen:

    „..weiß jeder, dieser Mann ist schwul,..“

    Da sag‘ ich frei heraus und barsch:
    Der Autor ist ein unbedachter Junge.

  55. @BvG „Der Autor ist ein unbedachter Junge.“

    Na Hauptsache Sie haben noch ein Dach über dem Kopf.

  56. @ BvG
    Ich habe den Passus, in dem behauptet wird, Erdogan sei schwul, zwar wahrgenommen, aber noch nicht genauer reflektiert. Aus der Nähe betrachtet ist das ja die reinste Schwulendiskriminierung, wenn Homosexualität auf eine Stufe mit Pädophilie und Sodomie gestellt wird und die Behauptung, man sei schwul, als Beispiel für Schmähkritik angeführt wird. Der Autor entpuppt sich nicht nur als dummer Junge, sondern auch noch als homophob.

  57. @Brigitte Ernst

    Ich gehe davon aus, dass der Großteil aller schwulen Männer sich von dem Gedicht nicht im geringsten angesprochen fühlt. Erdogans Anhänger könnten sich daran ein Beispiel nehmen.

    Nichtsdestotrotz gebe ich Ihnen recht. Böhmermann hat sich beim Schmähen einen dicken Fauxpas geleistet. Das hätte natürlich nicht passieren dürfen.

    Vielleicht sollte ja ein Schwulenverband einfach mal Anzeige erstatten. Man stelle sich vor, Böhmermann würde wegen Beleidigung homosexueller Männer verurteilt (mangels entlastenden Kontexts) und in der Angelegenheit Erdogan freigesprochen. Aber lassen wir’s lieber. Am Ende haben wir hier noch Bürgerkrieg.

  58. @BvG/Brigitte Ernst
    Böhmermann ist seit Jahren im Geschäft und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. zweimal den Grimme-Preis und zuletzt den Grimme-Ehrenpreis. Ich verlinke zur Laudatio. http://www.grimme-institut.de/html/index.php?id=2030

    Wie konnte der Jury bloß entgehen, dass sie diese bedeutende Auszeichnung einem „dummen Jungen“, der auch noch „homophob“ ist, hinterhergeworfen hat? Noch unverständlicher ist, dass der Jury dies ja schon an einem klitzekleinen Ausschnitt hätte auffallen können. Wieso hat sie sich nur die Mühe gemacht, sich mit dem Gesamtwerk zu befassen? Die Verwendung EINES verräterischen Wortes hätte gereicht, um den Mann zu überführen, wie Sie beide, BvG und Frau Ernst so überzeugend dargestellt haben. Ich bin beeindruckt. Ach, hätte die Jury doch nur „genauer reflektiert“ …

  59. Das bringt nichts, maat. Ich habe überlegt, ob ich der Frau Ernst mal erklären soll, wieso das Schmähgedicht homophob ist, aber nicht Böhmermann, aber ich denke, dass es keinen Sinn hat. Ihr Urteil steht fest, und sie wird sich durch nichts darin beirren lassen. Dieses Verhalten habe ich schon mehrfach bei ihr beobachtet.
    Frau Ernst, Sie haben die Dimension dieser Affäre nicht begriffen. Sie reden inhaltlich über das Schmähgedicht und arbeiten sich daran ab. Ich bin dabei inhaltlich nicht Ihrer Meinung, aber ich akzeptiere sie. Was ich nicht akzeptieren kann ist, dass Sie so klingen, als würden sie scharfe Satire wie diese am liebsten ganz einfach verbieten lassen. Sie haben nicht begriffen, dass Erdogan einen Angriff auf unsere Grundwerte fährt, zu denen die Freiheit von Meinung, Presse, Kunst gehört. Wenn Sie sagen „Ich finde dieses Schmähgedicht schlecht, Scheiße und zum Kotzen“, dann erwarte ich anschließend gleich ein Aber. „Aber wir leben in einem freien Land, Böhmermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung und Erdogan soll die Klappe halten. Und wenn Erdogan sich beleidigt fühlt, dann soll er meinetwegen klagen wie jeder normale Mensch, aber er soll daraus keine Staatsaffäre machen, indem er die deutsche Regierung instrumentalisiert.“ Aber um das so zu sagen, muss man natürlich verstanden haben, was überhaupt passiert ist.

  60. @maat
    Also bitte!
    Böhmermann hat sein Gedicht als „Schmähkritik“ bezeichnet und mehrfach betont, daß man solches in Deutschland nicht äussern darf, weil dies ungesetzlich ist. Er hat den Begriff „schwul“ damit eindeutig als Schmähung definiert und definiert, daß es eine Beleidigung ist, jemanden schwul zu nennen.
    Man muß nicht weiter darauf eingehen.

    Wieviele Gedankensalti soll man noch vollbringen, um ein schlechtes Werk schönzureden?

  61. @Stefan Briem

    „Kunst“:
    Sie haben nicht den Begriff verwendet, aber inhaltlich den von mir in Frage gestellten Bewertungen (Feuerstein, Kalkove u.a.), die dies explizit tun, zugestimmt. In der Bezeichnung „Satire“ ist „Kunst“ und „Kunstfreiheit“impliziert, sonst wäre auch diese gesamte Diskussion überflüssig.

    „Faust so vortragen, dass das Publikum sich vor Lachen kringelt“:
    Ja selbstverständlich! Wer den „Faust“ lediglich als Nachweis für Bildungsbürgertum zu lesen versteht, der ist wirklich auf dem Niveau der 50er Jahre stehen geblieben. Natürlich lotet Goethe auch die Grenzen von „Kunst“ aus. Beispiel: „Hexenküche“: habe ich selbst zur Zeit der Diskussion über „Volkszählung“ (mit pyrotechnischen Einlagen) mit Schülern aufgeführt und einen Volkszähler dort hingeschickt. Der wesentliche Unterschied, dass ein Goethe es nicht einmal hier nötig hat, sich einer Fäkalsprache zu bedienen, und schon gar nicht bezogen auf eine bestimmte Person. (Aber bitte jetzt nicht mit Götz von Berlichingen kommen!)

    „Der Mann ist ein Menschenrechtsverletzer, und dass Sie ihn in Schutz nehmen, Herr Engelmann, werde ich Ihnen möglicherweise nachtragen.“
    Solchen Blödsinn zu behaupten, und dann auch noch mit Belehrung und moralischem Zeigefinger, ist nun wirklich das Allerletzte. Für wie bescheuert halten Sie mich eigentlich? Ich könnte Sie ja nun reinlegen und den Nachweis dafür einfordern. Ist geschenkt! Ihre Belehrungen über diesen Möchtegern-Diktator mit den Hinweisen, was andere alles „nicht begriffen“ hätten, sind schon peinlich genug.

    @ Maat: „Auch bei ihm (Böhmermann) spielt der Kontext die entscheidende Rolle.“
    Zustimmung, allerdings nicht in der Bewertung.Das sehe ich eher so wie Frau Ernst. M.E. macht es dieser Kontext noch viel fragwürdiger. Beginnend bei „Make Germany great“ und den vielen Hinweisen, wie „einig“ man sich doch in Deutschland sei, (was Sie weggelassen haben) als Kontrast zur türkischen Flagge. Dazu Anspielungen auf türkischen Kulturhintergrund und in perversen Zusammenhang gestellte verdrängte Sexualität, die Türken dieses Kulturkreises – unabhängig von ihrer Einstellung zu Erdogan – mit einigem Recht auf sich beziehen können. (Demgegenüber wirken die politischen Hinweise auf Erdogan reichlich aufgesetzt. Geradezu peinlich der geklaute Einstieg aus der Extra-3-Sendung, was Herrn Böhmermann wohl u.a. als Trittbrettfahrer ausweist.
    Entscheidend für mich ist die politische Einschätzung – und hier stimme ich Frau Ernst nicht zu: Juristisch werden nicht die „Genzen der Satire“ bestimmt, sondern was unter „Beleidigung“ fällt und damit strafbar ist und was nicht – völlig unabhängig von der betroffenen Person, und mag das noch so ein widerlicher Kerl sein wie Herr Erdogan.
    Und politisch halte ich diese Affäre nicht nur für überflüssig, sondern auch für kontraproduktiv. Nicht nur wird nichts über Erdogan „erklärt“, was nicht schon längst klar war (und durch Extra 3 sehr gut herausgestellt worden war). Ich sehe darin auch ein billiges Manöver zur Selbstbeweihräucherung, mit dem der türkischen Opposition in den Rücken gefallen wird und Menschen, die Erdogan prinzipiell kritisch gegenüber stehen, in seine Hände getrieben werden. Zumindest hätte man von Mitarbeitern des ZDF eine Überlegung dazu erwartet, wie etwa durchschnittliche Deutsche reagieren, wenn Merkel im Ausland mit Hitlerbärtchen und Hakenkreuz abgebildet wird. Und selbstverständlich gehört zu verantwortungsvollem Handeln auch, sich Gedanken über Adressaten zu machen, besonders darüber, was perverse sexuelle Anspielungen in einem Kulturkreis bewirken, der von Sexualverdrängung geprägt ist (und in dem z.B. – wenn auch nicht in derTürkei – Homosexualität mit Todesstrafe belegt ist).

  62. @ Werner Engelmann
    Worin besteht der Unterschied zwischen der Entscheidung, wo – in diesem speziellen Fall – die Grenzen der Satire festgelegt werden, weil hier die Beleidigung beginnt (wie ich die Aufgabe der Justiz definiert habe), und der Festlegung, was als Beleidiguing zu werten sei, wie Sie es formulieren?
    Ansonsten stimme ich Ihnen weitgehend zu.

    @ maat
    Wenn jemand im Bereich des Fernsehens irgendwelche Preise gewinnt, muss ich sein „Werk“ noch lange nicht für wertvoll halten. So viel eigene Urteilskraft gestehe ich mir schon noch zu, dass ich nicht autoritätsgläubig jede Bewertung von wem auch immer, und seien es auch die Juroren des Grimmepreises, so einfach übernehme. Wie schätzen Sie persönlich denn die von mir am 25. April, 17.50 Uhr kritisch angeführten Passagen aus der von Bronski verlinkten Sendung ein? Penis mit Hütchen, Spott über die Adipositas von Peter Altmeier, Shit-lo und Piss-Partei – alles hervorragende Satire? Nun ja, die Geschmäcker sind verschieden.

    @ Stefan Briem
    Wenn Sie sich mal die Mühe gemacht hätten, alle meine Beiträge in diesem Thread zur Kenntnis zu nehmen, hätten Sie gemerkt, dass ich
    1. Herrn Erdogan für einen gefährlichen Autokraten halte, dem es allerdings nicht gelingen wird, die in unserer Verfassung verankerte Meinungs- und Satirefreiheit auszuhebeln, der aber sein eigenes Land – leider offenbar mit Billigung der Mehrheit seiner eigenen Bevölkerung – immer weiter von demokratischen Grundsätzen entfernt
    2. dass ich Angela Merkels Eingreifen für einen Fehler halte, was sie selbst ja auch – Chapeau – selbst eingeräumt hat.
    3. dass ich mich bezüglich der Strafbarkeit von Böhmermanns Handeln nicht festgelegt habe, weil ich die Entscheidung darüber den Gerichten überlassen möchte.
    4. dass ich selbstverständlich Ihnen und allen anderen Böhmermann-Fans ihre persönliche Beurteilung über den Meister überlasse, mir aber das Recht auf mein eigenes Urteil von niemandem streitig machen lasse.
    Ich stelle immer nur fest, dass Sie es sind, der keine andere Meinung gelten lässt.

  63. @Brigitte Ernst/Werner Engelmann
    Als Vorspann zur Sendung Neo Magazin Royale tritt immer William Cohn auf, der die Sendung ankündigt und durch den Kakao zieht, neben ihm befindet sich ein Podest, auf dem immer irgendein Gegenstand zu sehen ist, in diesem Fall ein überdimensionaler Phallus mit Hut. Ich nehme an, dass es sich dabei um eine Anspielung auf den „Hashtag der Woche“ handelt. Wöchentlich wird dieser von Böhmermann gekürt. In unserem Beispiel lautet er: „Make Germany great again“. Darauf wird in der Sendung mehrmals Bezug genommen, insbesondere durch einen Song, der im Anschluss an die hier diskutierte Erdogan-Satire gesendet wird. Ich kenne mich mit Twitter nicht aus, deshalb kann ich zu den Hintergründen des Hashtags nicht viel sagen. Es wird aber deutlich, dass Böhmermann einen rechts-nationalen Hintergrund auf die Schippe nimmt. Gegenstand der Satire sind unter anderem Pegida und AfD . In dem Zusammenhang verstehe ich auch das Phallus-Symbol als Lächerlichmachen eines falsch verstandenen deutschen Selbstbewusstseins. Dafür spricht auch, dass Böhmermann in einer anderen Satire über die AfD im Hintergrund auf den Fahnen jeweils Penisse gezeigt hat. Das Musikstück finde ich übrigens sehr gelungen.
    Ja, das Hähnchenbeispiel- meiner Meinung nach hätte er auf den Bezug zu Altmeier verzichten können. Ich mag solche Anspielungen auch nicht gerne, aber ich halte sie im Gesamten für nebensächlich.
    Das „Schmähgedicht“ enthält wie schon gesagt eine Aneinanderreihung von Stereotypen (rassistisch, sexistisch- was auch immer). Nach meiner Ansicht spielt Böhmermann eben bewusst damit, auch in aufklärerischer Absicht, eine Lesart, die Sie beide, Frau Ernst und Herr Engelmann, nicht teilen, womit ich gut leben kann. In Bezug auf das Anprangern von Diskriminierung, finde ich jedoch, sollte man sich auf die Schauplätze konzentrieren, wo diese auch tatsächlich stattfindet. Ich halte es für unsinnig, einem Satiriker ein Menschenbild nachweisen zu wollen, gegen das er sich offensichtlich in dem Großteil seiner Beiträge zur Wehr setzt und dies schon seit Jahren.

  64. @ Werner Engelmann
    „(…)mit dem der türkischen Opposition in den Rücken gefallen wird und Menschen, die Erdogan prinzipiell kritisch gegenüber stehen, in seine Hände getrieben werden.“

    Das sehe ich anders, Herr Engelmann. Wenn ein türkischer Staatsbürger, Erdogan wählt, weil ein deutscher Satiriker „Ziegenficker“ gesagt hat, ist er dafür selbst verantwortlich. Mir erscheint Ihr Einwand zu pädagogisch. Würden sich Künstler im Allgemeinen und Satiriker im Speziellen vorher hin-und herüberlegen, wer auf dieser Welt ihr Werk missverstehen könnte oder wer, wem auch immer dadurch in die Arme getrieben werden könnte, gäbe es keine Kunst, nur noch Tapete.

  65. Kurzer Input, da Stefan Briem dies offenbar nicht machen möchte: Wenn jemand, der homophob ist (Erdogan), als schwul „beschimpft“ wird (durch Böhmermann), ist die „Beschimpfung“ nicht zwangsläufig homophob. Minus mal minus ergibt plus.

  66. Ach Leute, diese krampfhaften Rettungsversuche von dümmlichen Entgleisungen sind schon rührend. Ihre Argumentation zu Böhmermanns Parallelsetzung von Homosexualität mit Pädophilie und Sodomie, lieber Bronski, ist allzu bemüht und wenig überzeugend.
    Nach dem Grundsatz „minus mal minus ergibt plus“ könnte man auch so agumentieren: Wenn jemand Herrn Erdogan, der Pädophilie verabscheut, pädophil nennt, muss er selbst nicht zwangsläufig gegen Pädophile sein. Wie sieht es denn da mit Böhmermann aus, weiß das jemand?

    Und zu Ihrem Plädoyer für den Phallus mit Hut, werter maat: Was der mit dem Wahlspruch „Make Germany great again“ zu tun haben soll, mag verstehen, wer will, ich tue es leider nicht. Aber vielleicht muss man dazu ein Mann sein.
    Psychologisch verständlich ist bei Ihrer Argumentation natürlich, dass Ihnen gerade die Punkte, die ich als Negativbeispiele anführe, nebensächlich erscheinen. Wahrscheinlich auch die Ministerpräsidentin Shit-lo von der Piss-Partei. Das kann man alles nebensächlich finden, wenn sich solche Nebensächlichkeiten allerdings in einer Sendung häufen, nehmen sie zusammen dann doch einen beträchtlichen Raum ein.

  67. So ist, lieber Bronski. Aber wenn jemand nicht verstehen will, kann man leider nichts machen. Dann ist es eben so. Wie gesagt: Ich bin froh, dass wir in Deutschland nicht mehr direkte Demokratie haben

  68. Ach Frau Ernst, Sie sind doch jetzt im Ruhestand. Könnten Sie mit uns Spätpubertierern nicht ein klein wenig großzügiger sein?

    Sie fragen sich, was der Phallus mit Hut zu bedeuten hat. Ganz einfach: ein Hutständer. Nicht mehr und nicht weniger. Ist nicht besonders originell, ich weiß. Muss man nicht lachen.

    Die Zeiten, in denen ein Charly Wagner dem Unterschichtenfernsehen kulturellen Glanz verliehen hatte, sind halt leider vorbei, was will man machen.

  69. @Stefan Briem
    „Ich bin froh, dass wir in Deutschland nicht mehr direkte Demokratie haben“

    Sowas provoziert und sowas beantworte ich: Warum muß dieser Seitenhieb sein? Sind alle, die nicht Ihrer Meinung folgen, undemokratisch?

    Na, das wäre die Neuerfindung der Meinungsfreiheit… Alles Briem, oder was?

  70. An Herrn Engelmann, Kommentar vom 27. April 2016 um 3:31

    Ihre Antwort ist ein gutes Beispiel dafür, was man alles falsch verstehen kann, wenn man den Willen dazu hat. Das ist bei Ihnen offenbar nicht anders als bei Frau Ernst. Ich halte Sie überhaupt nicht für bescheuert, aber ich bin enttäuscht, dass auch Sie ein Urteil über Böhmermanns Schmähgedicht hatten und dass Sie dieses Urteil schnell und ziemlich ungefiltert hier platziert haben, ohne den Kontext zu berücksichtigen. Das hat mich deswegen erschüttert, weil ich Sie als reflektierten Kommentator zu schätzen gelernt hatte.
    Ich halte diese ganze Diskussion für überflüssig. Ich nehme an, dass Sie und auch Frau Ernst sich für demokratisch eingestellt halten. Sie sind aber nicht in der Lage, sich über Ihr persönliches Geschmacksurteil zu stellen. Sie sagen nicht: Mir gefällt Böhmermanns Satire nicht, aber ich trete dafür ein, dass er diese Satire trotzdem machen darf, weil das nun mal die Meinungsfreiheit in unserem Land ist. (Frei nach einem Spruch, der Voltaire zugeschrieben wird.) Sondern Sie (oder jedenfalls Frau Ernst) sagen sinngemäß: Ich bin froh, wenn Böhmermann demnächst für diesen Míst ins Gefängnis wandert. Habe ich mich wirklich so in Ihnen getäuscht, dass Sie wirklich nicht in der Lage sind, diese Ebenen auseinander zu halten? Das persönliche Geschmacksurteil und die Bedeutung der Meinungsfreiheit in unserer Wertelandschaft?
    Damit komme ich zu BvGs Kommentar 27. April 2016 um 21:22. Mein Seitenhieb, dass ich nicht mehr direkte Demokratie in Deutschland haben will, entsteht aus dieser Enttäuschung. Wenn sich selbst intelligente Menschen solche Schnellurteile bilden, ohne sich umfassend informiert und alles abgewogen zu haben, dann kann man das vom Normalwähler noch weniger verlangen. Wir haben gerade bei drei Landtagswahlen erlebt, wie verantwortungslos Wähler mit ihren Stimmen umgehen können. Das reicht mir wirklich, wirklich, wirklich.

  71. @Stefan Briem

    Ihr Engagement in Ehren, aber wo leiten Sie eigentlich her, daß ich mir (oder B Ernst, oder W.Engelmann) sich ein vorschnelles Urteil gebildet hätten? Gerade diese beiden Kommentatoren sind mir dafür bekannt, kein vorschnelles Urteil zu bilden, ich selbst bin mal spontan, mal reflektiert.

    Auch ich will keine direkte Demokratie haben, denn diese hat sich als schädlich und letztlich als undemokratisch erwiesen. Indem Sie mir(oder uns dreien) unterstellen, im Falle einer direkten Demokratie „Schaden“ anzurichten, bedienen Sie sich derselben unsinnigen und blödsinnigen Methoden, die Böhmermann anwendet.

    Sie unterstellen, B.Ernst und W.Engelmann und ich hegten Ziele, die in einer direkten Demokratie zur Wirkung kämen, welche Sie zugleich als verwerflich und gefährlich definieren, womit Sie zugleich die Ziele und die moralische Integrität der drei Kommentatoren komprommitieren.

    Ich glaube, sowohl B.Ernst, als auch W.Engelmann sind keine Verfechter der direkten Demokratie, daß ich eine solche nicht wünsche, habe ich zur Genüge hier formuliert.

    Sie, Stefan Briem, zwingen mich und beide anderen Kommentatoren also, uns gegen haltlose Unterstellungen zu wehren, die allein Ihrer Phantasie entspringen.

    Ich lasse mal ein paar DinA4 Seiten beiseite, die ich dazu schreiben könnte.

    Eine Fantasie-Klamotte gibt die richtige Antwort:
    „Es ist leichter, Halt zu rufen, als Einhalt zu gebieten.“

  72. @Stefan Briem „Sondern Sie (oder jedenfalls Frau Ernst) sagen sinngemäß: Ich bin froh, wenn Böhmermann demnächst für diesen Míst ins Gefängnis wandert.“

    Gerade eben haben Sie selbst einen Grund gegen direkte Demokratie geliefert. Von Gefängnis hat niemand gesprochen. Bleiben Sie doch mal halbwegs sachlich! Sie setzen meistens richtig an und dann kloppen Sie wieder so’n Ding rein. Das gibt gleich Mecker, werden Sie schon sehn.

  73. @Stefan Briem

    (Für mich) abschließend:

    Jeder der hier Anwesenden hat den Spruch Voltaires verinnerlicht und ist bereit, in diesem Sinne sehr weit zu gehen.
    Was ich Ihnen klarzumachen versuchte, ist, daß die Freiheit und die Meinungsfreiheit und deren Verfechter mißbraucht werden, wenn Sie für jeden Unsinn eintreten sollen, den irgendwer verzapft.
    Freiheit ist an Vernunft gebunden. Wo sie nicht an Vernunft gebunden ist, verfällt sie zu Willkür, dann zu Geschmack, dann zu Interesse.

    Für mich ist es ein Resümee aller Schriften, die ich zu dem Thema gelesen habe, daß die Freiheit nicht der Willkür oder der Meinung unterliegen darf. Engelmann und B.Ernst liefern dazu Beiträge, die ich nur bewundern kann.

    Feinde der Freiheit kommen nicht bloß aus unfreien Verhältnissen. Sie kommen auch oft aus freien Verhältnissen, welche sie nicht zu schätzen wissen.

    Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden.
    Aber nicht bloss des „Anderen“, sondern auch des damit verbundenenen „Denkenden“.

    Wer Freiheit nur als Lizenz zum Daherplappern begreift, der ist ihr größter Feind.

    Wer Freiheit nur als Resultat blinder Solidarität oder blindem Nationalismus begreift, der hat den Wert individueller Freiheit nicht begriffen.

    Böhmermann darf sagen, was er will, sofern es den Gesetzen entspricht. Nur dann ist er von der Gemeinschaft, die der Garant dieser Gesetze ist, geschützt.
    Wenn er diesen Rahmen verläßt, hat er allein zu verantworten, was er sagt.

    Es ist nicht die Pflicht der Gemeinschaft, Gesetzesverletzungen zu decken oder zu relativieren. Es ist die Pflicht der Gemeinschaft, gesetzeskonforme Bürger gemeinschaftlich zu schützen.

  74. @ Lutz Herzer
    Es freut mich, dass wenigstens einer der Böhmermann-Fans dazu in der Lage zu sein scheint, Gegenmeinungen genau zu lesen. Bei Stefan Briem scheint beim Lesen von Ansichten, die nicht hundertprozentig mit der seinigen übereinstimmen, eine selektive Wahrnehmung einzusetzen, die ihn für das, was da wirklich geschrieben steht, blind macht. Dazu, dass ich Böhmermann angeblich am liebsten im Gefängnis sähe, noch einmal ein Hinweis auf meinen Beitrag vom 27. April, 10.17 Uhr. Ich habe immer die Meinung vetreten, dass ich es in einem Grenzfall, für den ich den Böhmermann’schen halte, als hilfreich erachte, die Gerichte entscheiden zu lassen. Das tun sie ja nun auch. Was daran undemokratisch sein soll, möge Herr Briem mir bitte erklären.
    Außerdem trifft sein Vorwurf, Herr Engelmann und ich würden urteilen, obwohl wir die Sendung gar nicht gesehen hätten, mittlerweile auch nicht mehr. Dank Bronskis Verlinkung konnten wir uns ja nun alle ein Bild machen.

    Zu Böhmermanns „Hutständer“, lieber Herr Herzer: Danke für den Hinweis, der aber leider die Erklärung, die maat am 27. April, 14.30 abgegeben hat, nicht plausibler macht. Ich hatte die Frage gestellt, was dieser „Hutständer“ mit dem Motto „Make Germany great again“ zu tun habe. Das war doch maats Argumentationsschiene. Hierzu ist er mir bisher eine Antwort schuldig geblieben.
    Generell noch einmal zu Böhmermanns Neigung zu pubertären Kalauern: Ich gestehe jedem – und hier verwende ich bewusst die männliche Form – seine Rückfälle in die Spätpubertät zu; am liebsten aber doch im privaten Kreis und nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das ich mit meinen Gebühren mitfinanziere. Und meine Verwunderung darüber, dass jemand, der sich auf diesem Pennäler-Niveau bewegt, dafür auch noch prämiert wird, darf ich doch hoffentlich auch äußern, ohne undemokratisch gescholten zu werden.

  75. @ Stefan Briem, 22. April, 22.01 Uhr

    Zuerst reden Sie von direkter Demokratie – einem Thema, das Sie selbst angeschnitten haben, obwohl es in diesem Thread nie zur Diskussion stand. In Ihrem letzten Absatz äußern Sie sich dann allerdings zu den letzten Landtagswahlen, die auf dem Boden unserer parlamentarischen Demokratie stattgefunden haben, und beklagen die Verantwortungslosigkeit, mit der manche Wähler ihre Stimme abgeben (und somit das „falsche“ Ergebnis, das dadurch zustandekam, verursacht haben). Das wäre dann aber eher eine Kritik an der parlamentarischen und nicht an der direkten Demokratie. Man könnte das fast so verstehen, als würden Sie es bedauern, dass wir überhaupt in einer Demokratie leben, in der so viele unreflektierte und vorschnell urteilende Bürger (Engelmann und mich eingeschlossen) das Recht haben, ihre Stimme abzugeben.

  76. @Brigitte Ernst

    Interessant, dass Sie mich einfach so in die Gruppe der Böhmermann-Fans einteilen. Na schön, es wird mir schon keine politische Verfolgung drohen und falls doch, dann würde ich erst recht drinbleiben.

    Was der Phallus mit dem von Donald Trump geklauten Schlachtruf zu tun haben soll, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich sehe da allein von der Dimensionierung her keine Assoziationsmöglichkeiten. Wahrscheinlich also nix.

  77. Ich möchte nur eine kleine Anmerkung machen:@maat:Auf den Fahnen waren keine Penisse, das waren die Pfeile des AFD-logos. Allerdings passt die Assozition. War ich noch gar nicht drauf gekommen,hihi. Ansonsten scheint mir das Niveau der Auseinandersetzung hier mittlerweile zu sehr im Bereich der Selbstgefälligkeit und Rechthaberei angekommen, als daß es noch fruchten würde.

  78. wie kommt Herr Bommarius in seinem Leitartikel eigentlich zu der Aussage, die Bundeskanzlerin habe Erdogan mit ihrer Entscheidung in Sachen „Majestätsbeleidigung“ eine Lektion in Sachen Gewaltenteilung erteilt? Jene Frau Merkel, die in dem unsäglichen Entschuldigungstelefonat mit Davutoglu von „bewusst verletzend“ sprach und diese Vorverurteilung über ihren Regierungssprecher explizit öffentlich machen ließ? Das kann doch wohl nicht ernstgemeint sein.

    Es wird ja immer wieder hier und da suggeriert, so auch in diesem Leitartikel, dass erst Merkels Entscheidung, eine Anklage nach §103 StGB zuzulassen, der Justiz ermögliche, in diesem Fall tätig zu werden, wie es sich für einen Rechtsstaat gehöre. Dies ist ja schlichtweg nicht richtig. Die deutsche Justiz hätte sich in jedem Falle mit der Angelegenheit befassen müssen, da Erdogan auch privat eine Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt hatte, was ihm selbstverständlich als Möglichkeit offensteht. So funktioniert Rechtsstaat und nicht mit Sonderrechten für ausländische Majestäten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur überflüssig wie ein Kropf, Anklage nach einem Paragraphen zuzulassen, den man selber für überflüssig hält und abschaffen will. Es ist darüber hinaus politisch geradezu skandalös, einen ja explizit im Paragraphen eingeräumten Ermessensspielraum ausgerechnet zugunsten eines eitlen, beleidigten Autokraten auszulegen. Welches Signal geht eigentlich von dieser Entscheidung aus? Erdogan wird sich in seinen Allmachtsphantasien bestätigt fühlen, die kritische Opposition in der Türkei wird es in Zukunft noch ein wenig schwerer haben und auch hierzulande wird diese Entscheidung Duckmäusertum gegenüber Autoritäten befördern und das freiheitliche Klima ein Stück weit beschädigen. Von weiteren Zumutungen Erdogans, wie etwa der rüden Einbestellung des Botschafters wegen einer harmlosen Satire, werden wir angesichts derartiger Kniefälle vor ihm ganz sicher in Zukunft nicht verschont bleiben.

    Hintergrund des Ganzen sind natürlich nicht Sorgen Merkels um eine funktionierende Gewaltenteilung in Deutschland. Die ist hierzulande in keinster Weise gefährdet. Jeder aber sieht doch, dass Merkel sich in eine Situation der Erpressbarkeit manövriert hat, weil sie die Türkei als Partner im Ablasshandel in der Flüchtlingskrise benötigt. Diese Situation nutzt Erdogan jetzt seit Wochen genüsslich aus, auch um innenpolitisch Punkte zu sammeln. Es wäre mehr als angebracht gewesen, nunmehr endlich ein klares politisches Statement im Sinne von „Bis hierher und nicht weiter“ zu setzen und Erdogans Ansinnen zum §103 zurückzuweisen. Stattdessen schlägt Merkel sich opportunistisch in die Büsche und wälzt das Ganze auf die Justiz ab. Jeder, der hier von einem erbärmlichen Kotau der Kanzlerin spricht, trifft es damit haargenau. Man kann sich eigentlich nur noch schämen.

  79. @ Lutz Herzer

    So leicht kommen Sie mir nicht davon! Als Böhmermann-Fan droht Ihnen mindestens eine Gefängnisstrafe, möglichst verschärfte Festungshaft bei Wasser und Brot. 🙂

    Kleine Randbemerkung noch zum Phallus mit Hut: Eine Assoziation aufgrund der Dimensionierung würde sowieso nichts helfen, denn „great“ und „big“ sind zwei paar Stiefel.

  80. @Brigitte Ernst
    Frau Ernst, welche Assoziationen weckt denn bei Ihnen der Satz „Make Germany great again“?
    Beim ersten Hören hat diese Aussage für mich etwas sehr Bedrohliches. Ich muss dabei erstens an Hitler-Deutschland denken, an Großmachtfantasien und Unterdrückung und zweitens an aktuelle rechte Strömungen in diesem Land wie Pegida und AfD.
    (Erst später kam mir dann der Gedanke, dass das Wort „great“ auch eine positive Bedeutung haben könnte.)
    Das Phallussymbol steht in der Kulturgeschichte für Kraft und Stärke, aber auch für Macht. Wenn man also einer Sendung, die sich im Hauptteil mit dem Hashtag der Woche „Make Germany great again“ auseinandersetzt einen Phallus voranstellt, dem ein Hütchen aufgesetzt wurde, wird damit in meinen Augen ein Macht-und Männlichkeitssymbol lächerlich gemacht. (Die Deutung als „Hutständer“ finde ich plausibel, meine aber, dass sich meine Interpretation damit nicht ausschließt). Hinzu kommt, dass das AfD-Logo der Inbegriff eines Phallussymbols ist, weswegen mir ja auch die Verwechslung passiert ist (Danke an harpomarx an dieser Stelle), als ich aus der Erinnerung darüber geschrieben habe. In der Sendung stellt Böhmermann einige Bezüge zu dieser Partei her.
    Böhmerman spielt in dem Video „Be Deutsch!“ in Rammstein-Manier mit Deutschland-Klischees und stellt einem fremdenfeindlichen Deutschland einen positiven Begriff von deutscher Identität gegenüber.
    Ich finde dieses Video sehr gelungen und einige andere Arbeiten von Böhmermann auch, sodass für mich irgendwelche Kalauer, die er im Neo Magazin Royale ebenfalls bringt, nicht so sehr ins Gewicht fallen. Ich muss da nicht drüber lachen, sie stören mich aber auch nicht.

  81. Ich finde, es geraten hier ein Menge Maßstäbe durcheinander. Böhmermann hat ein schlechtes Machwerk geliefert, es steht ihm nicht zu, die Solidärität seines Volkes zu beanspruchen und die Verfassung zu mißbrauchen, um seine Unbedachtheit zu beschützen. Für Hetze steht das deutsche Volk nicht ein, aus Erfahrung und aus gutem Grund.
    Der platte Egozentrismus, die Meinungsfreiheit für jeden Quatsch zu beanspruchen, erhebt die Quotenmanie zum Freifahrtschein, für dessen Mitfahrer sich auch ein Böhmermann noch sehr schämen wird.

  82. @BvG „…es steht ihm nicht zu, die Solidärität seines Volkes zu beanspruchen…“

    wenn er das lesen sollte, der Herr Böhmermann, vielleicht kriegt er ja dabei eine kleine Gänsehaut.

    Und ich muss gestehen: als Narr von niederer Herkunft und ohne Volk bin ich etwas beschämt.

  83. @ maat

    Ich gebe zu, für mich weckt das Wort „great“ eher positive Assoziationen. Ich erinnere mich an den Ausspruch eines englischsprachigen Journalisten anlässlich der Ablösung Helmut Schmidts durch Helmut Kohl im Jahr 1982: „A great man goes, a tall man comes.“ (Er hätte, mit Bezug auf Kohls Leibesfülle, auch das Adjektiv „big“ verwenden können, das war ihm aber vielleicht zu unhöflich.)
    „Great“ bedeutet für mich folglich eher das geistig-moralische Format, weshalb ich damit gerade KEINEN Phallus assoziiere.
    Nur weil ein Hirni wie Donald Trump solche Sprüche klopft, sehe ich auch keinen Grund, diesen Wahlspruch auf Deutschland zu beziehen, nur weil ein paar AfD-Hansels plötzlich mit der Deutschlandfahne wedeln. Sowohl Trump als auch die AfD machen sich doch schon ihre eigene Satire, da braucht es gar keine dick aufgetragenen Späße eines Herrn Böhmermann mehr.
    Und die Gefahr, dass sich Deutschland wieder in eine machtvoll aufgeblasenen Unrechtsstaat entwickeln könnte, vor dem andere Angst haben müssen, sehe ich derzeit nun wirklich nicht, deshalb kann ich mit dem Motto „Make Germany great again“ überhaupt wenig anfangen.
    Was meine amerikanische Schwiegertochter an Deutschland „great“ findet, sind eher die freundlichen Polizisten und die Tatsache, dass unser Land so viele Flüchtlinge aufgenommen hat.

  84. Brigitte Ernst, 28. April 2016 um 8:53
    Ihren Ausführungen, was Grenzen der Kunstfreiheit beginnt, kann ich mich anschließen.
    Vielleicht noch eine Ergänzung: Mir geht es – wie Ihnen sicher auch – um die Geltung von Gesetzen, was die Verantwortlichkeit für das eigene Tun wie auch für die eigene Rede betrifft. „Kunstfreiheit“ kann kein Freibrief sein für gezielte Rechtsbrüche. Wer also meint, mit dem Etikett „Satire“ die Grenzen der Gültigkeit von Gesetzen testen zu müssen, der muss ggf. auch die Konsequenzen tragen – nicht anders als wenn ich die Gültigkeit von Verkehrsregeln testen möchte. Daraus zu folgern, man möchte Herrn Böhmermann am liebsten im Knast sehen, ist natürlich Unsinn. Ebenso wenig ist dabei die Richtigkeit der Erdogan-Kritik an sich in Frage gestellt wie etwa seine AfD-Kritik, die ich zwar teile, die aber dennoch nicht als Rechtfertigung herangezogen werden kann.

    BvG, 27. April 2016 um 22:40
    „Es ist leichter, Halt zu rufen, als Einhalt zu gebieten.“

    Ein Spruch, der zur Nachdenklichkeit veranlassen sollte. Danke!
    Sie sehen es auch durchaus richtig, dass ich kein Verfechter einer alle Bereiche umfassenden „direkten Demokratie“ bin. Schon die Tatsache, dass faktisch alle rechtspopulistischen Parteien sich dies auf die Fahnen geschrieben haben und meinen, dafür die Schweiz vereinnahmen zu können, sollte misstrauisch machen. Deren Geschichtsvergessenheit gibt Aufschluss genug und wirft die Frage auf, wie Volkes Wut, einmal entfacht, wieder „Einhalt zu gebieten“ ist.
    Historische Beispiele dazu gibt es genug, der Umschlag vom Schlachtruf „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ in Terror an erster Stelle. Andere Beispiele erspare ich mir, da dies ja nur ein Exkurs ist und Bronski vermutlich sowieso bald Veranlssung finden wird, dies zum Thema zu machen.

  85. @Werner Engelmann „„Kunstfreiheit“ kann kein Freibrief sein für gezielte Rechtsbrüche.“

    Im Fall Böhmermann steht außer Frage, dass es sich zunächst um einen fiktiven Rechtsbruch handelt und nicht um einen gezielten. Selbstverständlich kann der fiktive Rechtsbruch einen realen Rechtsbruch nach sich ziehen. Man sollte dann nur nicht den Fehler machen, Fiktion und „Nebenwirkungen“ von Fiktion miteinander zu verwechseln und auf die gleiche Ebene zu stellen. Von jedem Gericht in Deutschland erwarte ich in dieser Frage eine differenzierende Betrachtungsweise.

    Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Überschwappen des inszenierten Rechtsbruchs festgestellt wird, wenn es dazu kommt. Dann sollte es darauf ankommen, wie viel übergeschwappt ist und wer alles ganz kräftig an dem Fass gerüttelt hat. Unsere Bundeskanzlerin, die z. Zt. noch für einen Bulldozerführerschein übt, hat zumindest einen Rüttler schon öffentlich zugegeben.

  86. @ Lutz Herzer
    Ich glaube, wir können davon ausgehen dass sich anständige deutsche Richter nicht von einer Einmischung der Kanzlerin beeinflussen lassen.
    Und ich sehe auch keine Gefahr, dass unsere Satire- oder Meinungsfreiheit Schaden gelitten hätte. Satire muss einfach nur treffend und subtil sein, anstatt mit dem Holzhammer unter die Gürtellinie (im wahrsten Sinne des Wortes) zu hauen.

  87. Nun habe ich mich nochmal durch die „Spielwiese der Elite“ gekämpft.
    Meistens wieder vorgefasste Meinungen beim „Einbetonieren“ erlebt.
    Mein Fazit : Mit Fragen des guten Geschmacks an Satire heranzugehen – das geht gar nicht.

  88. @werner.h

    Satire ohne Geschmack ist eine Beleidigung des Publikums, unabhängig vom satirischen Inhalt.

  89. @ werner h.

    Ihre Einstellung verwundert mich.
    Satire verfolgt doch keinen Selbstzweck, sondern sie kritisiert in überspitzter und witziger Form politische Missstände. Und sie richtet sich an ein Publikum, bei dem diese Kritik auch ankommen muss, sonst hat sie ihren Zweck verfehlt. Was aber hat das reale Fehlverhalten des türkischen Präsidenten mit irgendwelchen ihm unterstellten sexuellen Orientierungen zu tun? Verhindert nicht eine „Satire“, die im Ton danebengreift und von vielen als ärgerlich empfunden wird, ihre Wirkung, die darin bestehen sollte, dass das Publikum auf tatsächliche Probleme aufmerksam wird und sich mit ihnen auseinandersetzt? Wie bereits in einigen Leserbriefen bemängelt, zielt ein Vorgehen, wie Böhmermann es gewahlt hat, doch vorwiegend auf Effekthascherei ab und lenkt von den eigentlichen Kritikpunkten ab.

  90. Guten Morgen Frau Ernst,

    Sie verwirren mich ein wenig. Sehe ich das richtig, dass Sie das Gedicht schon wieder isoliert betrachten? Ich dachte, wir wären uns da beim Gesamtkontext mittlerweile einig. Falls nicht, können wir aneinander vorbei reden, bis Bronski irgendwann ‚Feierabend‘ sagt.

    Die Qualität des Schmähgedichts müssen Sie ganz einfach vergessen. Es soll ein Beispiel dafür sein, was in Deutschland strafbar wäre, also muss es auch konsequenterweise so schlecht sein. Die Pointe bei der Angelegenheit besteht dann vielmehr darin, dass Böhmermann die Chuzpe besitzt, es als fiktives Lehrbeispiel für eine strafbare Beleidigung vorzutragen. Mich erinnert das irgendwie an die Steinigungsszene in „Das Leben des Brian“ von Monty Python (den Film kennt jeder, hoffentlich). Zu klären wäre also nur noch, ob man im deutschen Fernsehen sagen darf, dass man nicht ‚Jehova‘ sagen darf (auf das Wie wird es später vermutlich auch noch ankommen).

    Auch muss ich Ihnen widersprechen, Frau Ernst, was die eigentlichen Kritikpunkte angeht, bei denen Sie meinen, Böhmermann würde davon ablenken. Ich glaube nicht, dass es ihm jemals darum ging. Was er jedenfalls erreicht hat, ist doch, dass fast die ganze Welt über Pressefreiheit diskutiert. Mission accomplished kann ich da nur sagen.

  91. Volle Zustimmung, Herr Herzer. Mission accomplished, und sogar noch ein bisschen mehr. Die Welt diskutiert über Pressefreiheit – und darüber, wie die Pressefreiheit in der Türkei immer mehr eingeschränkt wird. Böhmermanns Satire weist also auf politische Missstände, genau wie Frau Ernst fordert. Ist das nicht witzig?

  92. Herrn Böhmermann kommt das grosse Verdienst zu, seinem jugendlichen Publikum beigebracht zu haben, dass wüste Beleidigungen in Deutschland strafbar sind. Eine Tatsache, die bisher in der Erziehung sträflich vernachlässigt wurde. Wo würden wir heute ohne diese grossen, aufopferungsvollen Erzieher unserer Jugend stehen. Es soll sogar ältere Menschen geben, denen diese Tatsache wieder entfallen war. Dafür gebührt ihm der Dank des Vaterlandes. Falls es den Titel «Nachhilfelehrer des Jahrhunderts» noch nicht gibt, ist dieser schnellstens zu kreieren und alsbald zu verleihen.

  93. @ Lutz Herzer

    Ich kann mich an einen Freund meiner Eltern erinnern, der manchmal bei Tisch sagte: „Jetzt, liebe Kinder, zeige ich euch mal, was ihr auf keinen Fall tun dürft.“ Und dann nahm er seinen Teller in beide Hände und leckte ihn genüsslich ab.
    Wir Kinder fanden das sehr komisch, aber uns war natürlich bewusst, dass der Freund genau den Tabubruch begangen hatte, den er uns gerade als solchen dargestellt hatte.
    Genauso geht Böhmermann vor, und ich möchte noch einmal an den Kommentar von werner h. vom 17. April, 15.08 Uhr erinnern, der offenbar nur von Wenigen zur Kenntnis genommen wurde: „Hoffentlich kommt nicht noch jemand auf den Gedanken, den Unterschied zwischen Notwehr und Mord auf diese Weise erklären zu wollen.“
    Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

  94. @Brigitte Ernst „Hoffentlich kommt nicht noch jemand auf den Gedanken, den Unterschied zwischen Notwehr und Mord auf diese Weise erklären zu wollen.“

    Tja – drum guck ich schon lange keine Tatorte mehr. Ich halte es schlechterdings für ethisch-moralisch verwerflich, dass – zu welchen Zwecken auch immer – ein Mord nach dem anderen inszeniert wird. Als Zuschauer ist man dem Fernsehen dabei auch noch völlig ausgeliefert. Meistens kann man das, was man da zu sehen bekommt, von einem echten Mord so gut wie nicht unterscheiden.

  95. Och nö, jetzt kommt der Böhmermann gar noch pädagogisch daher:
    http://www.zeit.de/kultur/2016-05/jan-boehmermann-interview

    Da können sich ein paar Millionen Pädagogen auch gleich mitbeleidigt fühlen, denn für jede pädagogische Intervention gilt als minimaler Maßstab:
    Nicht beleidigen, nicht vor der Gruppe intervenieren, immer mit dem Blick auf einen positiven Ausgang handeln und mit dem Ziel, dem Kritisierten die Tür zu einer positiven Verhaltensänderung zu eröffnen.

    Nein, mein lieber Böhmermann, nehmen Sie die Pädagogik nicht als Ausflucht in Anspruch.

    Bleiben Sie bei ihrem Leisten, als ein Narr, der sich verplappert hat…

  96. Die Zeit zitiert Böhmermann heute mit folgendem Ausspruch:
    „Merkel hat aus mir einen deutschen Ai Weiwei gemacht.“
    Das ist die beste Satire, die Böhmermann je produziert hat: Sultan Erdogan und Satire-König Böhmermann, vereint im Größenwahn.

  97. „Merkel hat aus mir einen deutschen Ai Weiwei gemacht.“

    Hat mit Größenwahn nichts zu tun, sondern soll als Brücke zur chinesischen Regierung dienen.
    Der Gag ist daher eher lau, da eigentlich klar sein müsste, dass Frau Merkel sich nichts daraus machen dürfte, mit der chinesischen Regierung verglichen zu werden. „Bewusst verletzend“ geht anders, scheint aber bei Fr. Merkel ohne Holzhammer nicht ganz hinzuhauen.

  98. @ Lutz Herzer
    Hat auf zwei Ebenen mit Größenwahn zu tun:
    1. weil sich B. mit einem international geachteten Künstler vergleicht, gegen den er nicht anstinken kann,
    und 2. weil er sich als verfolgten Dissidenten stilisiert und mit jemandem vergleicht, der jahrelang von der chinesischen Führung drangsaliert, wochenlang ohne anwaltlichen Beistand an einem unbekannten Ort gefangen gehalten und an der Ausreise gehindert wurde. Ein solches Schicksal auf eine Stufe zu stellen mit seiner mickrigen Anklage wegen Beleidigung vor einem deutschen Gericht und Frau Merkel mit der chinesichen Regierung gleichzusetzen, ist weder treffend noch witzig, sondern zeugt einfach nur von einer gestörten Realitätswahrnehmung.

  99. @Brigitte Ernst

    Sie nehmen alles was B. sagt wortwörtlich, um ihn kritisieren zu können. Das können Sie tun. Ich tue es nicht.

    Eines noch: Politische Korrektheit ist das Ende jeder Satire (egal, ob von oder mit oder ohne Böhmermann). Dabei möchte ich es jetzt belassen.

  100. @ Lutz Herzer

    Es ist auch nicht immer leicht, einzuschätzen, wie Böhmermann seine Äußerungen in dem Zeitinterview jeweils meint. Mal ist er betont witzig und flapsig („Mein Team und ich wollen den Humorstandort Deutschland nach vorne ficken.“), mal jammert er larmoyant rum, und in letztere Kategorie ordne ich auch die Beschwerde ein: „Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um Freiheit und Menschenrechte geht. Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht.“ Das hat er in seiner Wehleidigkeit bitter ernst gemeint.

  101. Zu guter Letzt ein böses Wort:

    Böhmermanns mißlungene Satire ist auch bloss Kritikkolonialismus.
    Es ist ein Leichtes, Steine in ein Glashaus zu werfen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert