Zu den Plagiatsvorwürfen gegen Verteidigungsminister zu Guttenberg bekomme ich Massen von Leserbriefen, die ich hier in einem neuen Thread veröffentliche, obwohl bereits eine Diskussion dazu im FR-Blog läuft. Trotzdem möchte ich diese Leserbriefe und diesen Lesestoff nicht unterschlagen.
Ich verstehe dieses Geschrei nicht
Carsten Dietrich Brink aus Gauting meint:
„Lieber Herr Hebel, Sie versenken den Nagel mit einem Schlag im Holz! In der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, sich nicht ablenken zu lassen und das Wichtige im Blick zu behalten! Das ist Ihnen gelungen.
Das Geschrei um den Doktortitel verstehe ich überhaupt nicht. Gelten doch heute Musik-Mash-Ups als eigenständige Produkte von kreativen. Neulich wurde eine junge „Autorin“ gefeiert, obwohl sie große Teile für ihr Buch aus einem Internetblog kopiert hatte. Journalisten kopieren voneinander und aus dem Netz (siehe den „zusätzlichen“ Vornamen von KT!).
Es sind die beruflichen Leistungen KTs, die allenfalls Durchschnittsniveau erreichen. Und ich zähle „smart“ sein nicht zu diesen Leistungen! Fachliche Leistung ist vom Minister KT noch keineswegs erbracht, und die rücksichtsvollen ersten 100 Tage sind nun vorbei. Wenn wir aber von „Skandal“ reden, dann hat dieser, so meine ich, diese Teile: – einen akademischen, der ist das Problem der Universität Bayreuth – einen politischen, die Ablenkung von wichtigen Dingen wie die Finanzkrise und ihre Behandlung zu Lasten der Steuerzahler.
KT hat 100 Tage Schonfrist gehabt und muss erst noch beweisen, ob er etwas kann!“
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Nur eine Nachricht unter vielen
Renate Faasch aus Frankfurt:
„Bei allem Verständnis für die Empörung über mutmaßliche Plagiatspassagen in zu Guttenbergs Doktorarbeit sollte doch klar sein, dass zu Guttenberg als Verteidigungsminister für Staat und Gesellschaft tätig ist und nicht als Wissenschaftler. Die meisten Bürger haben wahrscheinlich gar nicht gewusst, dass er einen Doktortitel besitzt, und interessieren sich auch mehr für sein Wirken als Verteidigungsminister als für den Inhalt seiner Doktorarbeit. Wenn nun zu Guttenberg vorerst seinen Doktortitel ruhen und den Fall durch die Universität Bayreuth klären lässt, ist der Angelegenheit doch erst einmal Genüge getan.
Ich empfinde es eher als „Trauerspiel“, dass der Disput um diese Doktorarbeit groß auf der Titelseite der FR prangt, während ein wirkliches Trauerspiel, nämlich wieder tote Soldeten in Afghanistan, einfach nur eine Nachricht unter vielen ist. Durch die zweite Meldung auf der gleichen Titelseite (Torlos, trostlos) über die Niederlage der Eintracht Frankfurt in der Bundesliga setzt die FR ihren Trend zum Boulevardblatt fort, nämlich Nachrichten groß herauszubringen, die für den größten Teil der Bürger gar nicht von wirklicher Bedeutung sind. Man kann nur sagen: ein trostloses Trauerspiel.“
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Was denken drei Viertel der Deutschen?
Horst Weitzel aus Frankfurt:
„Ein wesentlicher Vorteil unserer Pressefreiheit besteht darin, in einer
Zeitung wie der FR an einem einzigen Tag wie heute (20.02.) so facettenreiche Eindrücke und Meinungen über eine Person der Öffentlichkeit lesen zu können.
Kundus, Gorch Fock, Afghanistanbesuch mit Ehefrau und Talkrunde mit Kerner. Alles wurde mehr oder weniger kritisiert. Und jetzt kommt die Plagiatsaffäre. Mir scheint, hier wird eine neue Eskalationsstufe erklommen. Abschreiben hat vordergründig nichts mit der Qualität von politischer Arbeit zu tun, bekommt aber eine ganz andere Qualität, dient eine mögliche „Dissertation aus zweiter Hand“ doch für all jene als Steilvorlage, die die zumindest nach außen als politische Lichtgestalt wirkende Person des Karl-Theodor von und zu Guttenberg vom Sockel zu stoßen bereit stehen. Und das, behaupte ich, ist nicht allein die politische Opposition, die sich hier die Hände reibt und den der Fallhöhe entsprechenden Aufschlag erwartet.
„Drei Viertel der Bundesbürger stehen…zum Verteidigungsminister“ (FR 20.02., S. 6)! Was steckt hinter dieser Aussage? Ein Viertel aller Bundesbürger hat ihn abgeschrieben oder keine Meinung zu der Sache? Möglich. Drei Viertel der Bundesbürger sind frei von Vorverurteilungen und warten ab, wie es ausgeht? Schwer vorstellbar. „Zu Guttenberg hat bisher Hervorragendes geleistet“ (Leserbrief auf Seite 13). Was denn? Die Personalentscheidungen nach Kundus oder die Abberufung des Kapitäns der Gorch Fock? Die Bundeswehrreform, okay, das ist ein Tabubruch bei den C-Parteien und ein Indiz für Durchsetzungsvermögen. Aber jene ist noch lange nicht in trockenen Tüchern.
Eigentlich auf den Punkt bringt es Professor Hörisch in der Kolumne auf Seite 10: „Zwischen Schein und Sein, zwischen Fassade und Substanz…können schwindelerregende Differenzen liegen.“ Gutes Erscheinungsbild, korrekte Kleidung, intelligente Redegewandheit machen eben noch keinen guten Politiker, genausowenig wie eine Dissertation summa cum laude. Hier irgendwo müssen sich aber die oben erwähnten drei Viertel der Bundesbürger verbergen.“
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Mit mehrerlei Maß gemessen
Berthold Arndt aus Frankfurt:
„Herr zu Guttenberg hat sich entschuldigt und seinen Doktortitel abgegeben. Schön und gut. Aber die Art und Weise, wir er sich bei seiner Entschuldigung wieder einmal in ein besseres Licht rücken wollte, als es berechtigt wäre, spricht für meine Vermutung, dass dieser Mensch längst seine Bodenhaftung verloren hat. Die Bodenhaftung, die ja angeblich vom Volk so bewundert wird.
Warum merkt eigentlich niemand, dass im Fall Guttenberg mit mehrerlei Maß gemessen wird? Ich stelle mir vor, ein Herr Dr. Guido Westerwelle müsste diesen Skandal(und ein Skandal ist es nachwievor!)bestehen? Das Geschrei wäre in der Bevölkerung groß und politisch wäre dies das Aus für den Politiker Westerwelle. Was ist los mit unserer Wahrnehmung? Wo ist die differenzierte Betrachtung der Deutschen geblieben? Ist Betrug jetzt ein Kavaliersdelikt? Na dann können wir ja in Zukunft alle ein bisschen schummeln, man kann ja im Zweifelsfall auf Herrn zu Guttenberg verweisen, der hat´s ja auch gemacht.
Ich beobachte seit längeren eine Schieflage in der Haltung der Deutschen. Man ist zu bequem geworden zu reflektieren. Im Zweifelsfall werden sogenannte Autoritäten nicht hinterfragt, sondern großzügig durchgewinkt.
Eine Bewunderung für Rhetorik, Gelfrisur und Adelstitel kann nicht ausreichen. Und die Liste der Leistungen von Herrn zu Guttenberg ist für mich sehr übersichtlich bis verschwindend gering. Im Gegensatz steht dazu eine große Liste an Unklarheiten(Kundus, Gorch Fock, reflexartige Kündigungen..) und jetzt der Vorwurf des Plagiats.
Mir ist das zuviel des Guttenberg.“
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Zur Vollkommenheit verdammt
Peter Pal aus Köln:
„Trotz alllem stehen lt. Umfrage 68 % der Bevölkerung hinter Guttenberg. Mir persönlich tut er leid. Er ist in ein Umfeld hinein geboren worden, dass ihm würdevolles Auftreten abverlangt. Er ist, gewissermaßen, zur Vollkommenheit verdammt. Die Plagiatsaffäre ist ja auch weniger „schmutzig“ als die Skandale, in die etwa ein Berlusconi verwickelt ist, und die Sache hat ja auch ein erhebliches Lustigkeits-Potential. Das Feuern von Generalinspektoren u.a. bei Bundeswehrkrisen ist schon weniger lustig. Aber die Bevölkerung scheint es so zu sehen, dass Politik ein schmutziges Geschäft ist, und dass auch ein sympathischer Kerl zu drastischen Mitteln greifen muss, wenn er überleben will. Die Abschreibaffäre wird ihm wohl als menschlicher Ausrutscher verziehen. Ich persönlich hab ihn nie als arrogant empfunden, und wie gesagt, er tut mir ein bisschen leid. Allerdings kann es nicht sein, dass die Sache ohne Folgen bleibt. Ich habe meine Magisterarbeit auch nicht abgeschrieben. Und ich halte es für besonders schlimm, dass sogar die Einleitung abgekupfert ist, dass raubt dem Projekt nun wirklich die Seele (vgl. Ihren Artikel „Nur noch Witze über Guttenberg“ v. 17.02.2011). Meine Meinung ist: er sollte zurücktreten, zwei, drei Jahre pausieren, und dann, geläutert, ein Comeback versuchen (ähnlich wie Moderator Michel Friedmann).“
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Besonnenheit
Dr. Friedemann Grenz aus Dortmund:
„Der Ball liegt jetzt bei dem Ombudsmann der Bayreuther Universität. Der ist der Herr des ordentlichen Verfahrens. Aber das ist nicht der einzige Ball im Spiel. Sondern es gibt viele Bälle. Einer ist die Presse. Ein ganz ganz großer Ball ist die GuttenPlag Wiki im Web. Dort wachsen die Fakten zusammen. Es sind sehr viele und sie werden immer mehr, man hat fast den Eindruck einer Lawine.
Besonnenheit ist eine Tugend, die in solchen Situationen hilfreich und gesund ist.Besonnenheit rät dazu, abzuwarten, was Bayreuth macht.Aber der wachsende Ball der Nachweise setzt Bayreuth unter Druck, stündlich mehr. Wer soll denn noch in Bayreuth studieren oder gar promovieren wollen, wenn die dortige Kommission diese Promotion NICHT widerruft?
Politischen Druck auf die Universität wird es nicht geben, weil es ihn nicht geben kann. Es ist eine rein akademische Angelegenheit: Plagiat oder nicht, und: Lohnschreiber oder nicht.
Selbst wenn es den Versuch politischen Einflusses geben sollte – kein Wissenschaftler kann sich von Politikern vorschreiben lassen, was er als Plagiat erkennen soll und was nicht. Schon gar nicht dann, wenn die Fakten so umfangreich auf dem Tisch liegen wie in diesem ersten ganz öffentlich gewordenen Fall.
Den Druck auf die Universität übt also allein ein Mann aus: der Verteidigungsminister, der seine Ministerklamotten auszieht, die Studentenkluft anzieht und sagt: Hey, ich bin doch nicht böser als viele andere auch. Er wird vom Dr. jur. wieder Doktorand. Das hat er richtig erkannt und darum auf das Führen des Titels verzichtet.
Nun ist das mit dem Doktor aber so, dass er nicht nur ein Titel ist, sondern auch eine Würde. Und auf eine Würde vorübergehend verzichten – das geht nicht. Man hat sie oder nicht.
Vielleicht kann die Universität Bayreuth nur dann rein akademisch über die Plagiate urteilen, wenn der Doktorand kein Verteidigungsminister ist. Statt das Führen des Titels niederzulegen, könnte er sich aus seinem Ministeramt beurlauben, bis Bayreuth entschieden hat. Dann ist der Promovierte nur der promovierte Doktorand und nicht außerdem noch was Wichtiges, auf das man Rücksicht nehmen muss.
Besonnenheit appelliert an den Freiherrn, sich anständig zu verhalten. Er könnte einfach genau sagen, wie das Skript entstanden ist und so werden konnte, wie es ist. Man hat ja den Eindruck, dass der Doktorand gar nicht richtig weiß, was genau in seiner Dissertation steht.
Ohne Vorverurteilung sieht Besonnenheit aber auch, dass es eine vollständige Rehabilitierung des Politikers sowieso nicht mehr geben kann. Dazu ist das bekannte Material schon viel zu erdrückend in seiner Beweiskraft.
Selbst wenn Herr zu Guttenberg den Weg des Anstands gehen und sich gütlich mit Bayreuth darauf einigen würde, Titel und Würde des Dr. jur. zurückzudrehen – er würde doch von Gegnern mit „Herr Doktor“ angesprochen und wäre dieser Verunglimpfung sein Leben lang ausgesetzt. Es sei denn, eine Universiät macht ihn ganz schnell zu einem Dr. h.c. – ehrenhalber. Wie wäre es mit einer Bundeswehr-Uni? Manche Dinge kann man einfach nicht zurückdrehen.“
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Was wollte er in Afghanistan?
Heinz Schlage aus Isernhagen:
„Herr zu Guttenberg rühmt sich, das Verteidigungsministerium leiten zu können („das kann ich“)- und provoziert dann einen afghanischen Überfall durch seinen Besuch eines der „gefährlichsten Außenposten der Bundeswehr“ im Norden Aghanistans.
Was wollte er dort? Muddte er nicht erwarten, dass die Afghanen die Gelegenheit nutzen würden, einen deutschen Minister dort fangen zu können, zumal wenn er dort auch noch übernachtet („ich muss mich um die Soldaten kümmern“).- Was wollte er dort für sich?
Kurz nachdem er am frühen Morgen per Hubschrauber ausgeflogen war, geschah der afghanische Feuerüberfall — und kostete drei deutschen Soldaten das Leben und außerdem Verwundete. Mir verschlägt das den Atem.“
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Deutschland schafft sich ab: Das Von-Und-Zu-Guttenberg-Syndrom
Roland Exner aus Berlin:
„Der ‚Architekt‘, der 2001/02 den Bau unseres Hauses – eine Schrottimmobilie – zu verantworten hat, kann sich wieder mal die Hände reiben. Erschwindeltes Diplom… Na und? Beim Hausbau Betrug von der Sohle bis zum Dach… na und? Rechnungsbetrug … na und? Seit neun Jahren gehe ich unter anderem der Frage nach, wieso Baukriminelle in diesem System konsequent geschützt werden. Obwohl ihre Taten nicht zu übersehen sind.
Von-und-zu-Guttenberg hat bei Klärung dieser Fragen nun das letzte i-Tüpfelchen geliefert. Man stelle sich doch vor, mein ehemaliger „Architekt“ müsste sich wegen seiner Betrügereien wider Erwarten vor Gericht verantworten. Wie ungerecht wäre das! – so könnte sein Anwalt argumentieren. Darf ein „Architekt“ nicht das tun, was der Herr von und zu Guttenberg tut? Man kann doch bei Diplom- und Doktorarbeiten ein bisschen betrügen, ich bitte Sie, meine Damen und Herren! Und sonst auch, also kusch dich, du dummer Staatsanwalt! Ja, und der Herr Von-Und-Zu hat doch erklärt, das habe er nicht bewusst gemacht, bei 1300 Fußnoten auf 475 Seiten könnten schon mal ein paar Fehler passieren… jeder mit Uni-Erfahrung weiß: Fahrlässiges Zitieren ohne Quellenangabe und Gänsefüßchen sind ausgeschlossen, die Quelle gehört IMMER zum Zitat, und spätestens beim abschließenden Lesen der Arbeit merkt jeder Autor, was nicht auf eigenem Mist gewachsen ist. Es sei denn, die Doktorarbeit hätte ohnehin ein Ghostwriter verfasst und abschließendes Lesen sowieso nicht für notwendig befunden, weil das summa cum laude so oder so sicher war. Auch nicht unwahrscheinlich. Die „Ghostwriter“ an den Universitäten sind ja schon ein heimlicher Berufszweig… Und die Uni Bayreuth? Die hat sich im Falle Guttenberg bei soviel Augenzudrücken ohnehin schon verstrickt, sie würde sich selbst blamieren, wenn sie den Doktortitel aberkennen würde… Ich frage mich, wie ich mich als Soldat fühlen würde, mit so einem Chef. Für welches Wertesystem gebe ich vielleicht mein Leben? Sicher, gegen ein Taliban-System würde ich wohl auch mit 70 noch mit einer Waffe in der Hand kämpfen, wenn es hierherkommen wollte, oder gegen ein stalinistisches System… Aber was hätte ich hinter meinem Rücken? Ich dürfte mich nicht umsehen. Würde man mich gefangen nehmen, würde ich versuchen, die Typen vom Bombenwerfen abzubringen. Die können doch das System aushebeln, indem sie die Doktorarbeiten der politischen Elite durchchecken, und vieles mehr. Die geistigen Werte des Westens, Deutschland schafft sich ab. Welche Gene hat der Guttenberg überhaupt? Wenn er so gestrickt ist wie der Architekt, mit dem meine Familie und ich hier gestraft wurden, dann ist das Lügen und Betrügen im Gehirn verankert, genetisch sozusagen. Die Skrupellosigkeit hat gewissermaßen keine Grenzen bzw. findet sie erst dort, wo die sich eine blutige Nase holen. Bei dem Architekten kann ich diese Eigenschaft verbürgen. Beim von und zu Guttenberg scheint es auch so zu sein: Er bediente sich bei seinen Plagiaten sogar illegal beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, das ist schon der Gipfel – und zeugt von völliger Skrupellosigkeit. Da sind bestimmte Gene für verantwortlich, mal Sarrazin fragen.“
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Ich hoffe, wir bekommen das zur besten Sendezeit
Jürgen Hoffmann aus Mainz:
„Da nun doch sehr beschwichtigt wird seitens der Unionsparteien, weil der Mann ja soooo tüchtig sei, sei noch einmal herauspräpariert, um was es im Kern geht: Es geht hier um Betrug im strafrechtlichen Sinne, um sich auch pekuniäre Vorteile zu verschaffen, wie völlig zu Recht durch einen universitären Beiträger in der FR angemerkt worden ist. Dieser akademische Grad, den Guttenberg, so steht zu vermuten, auch wegen des Einschüchterungspotentials im Politikbetrieb und des Autoritätszugewinns beim (autoritäts-)gläubigen bayerischen Wähler und insbes. der Wählerin und nicht zuletzt aus Gründen der persönlichen Eitelkeit glaubte „erwerben“ (sic!) oder erschleichen zu müssen, schlägt sich außerhalb des Wissenschaftsbetriebes in klingender Münze nieder oder im Verlaufe des Lebens in Bündeln von Banknoten. Insofern hofft(e) Guttenberg, richtig gut Geld zu machen, und tat es schon, Geld, das insofern durch eine Fälschung erworben wurde und beinahe wie Falschgeld, das unter die Leute gebracht wird, behandelt und bewertet werden sollte. In leichter Abwandlung des § 146 StGB könnte es heißen: Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer vorsätzlich und systematisch eine Dissertation in der Absicht nachmacht, dass sie als echt in Verkehr gebracht wird, oder sie so fälscht, dass der Anschein eines höheren Wertes hervorgerufen wird, und sie als echt in Verkehr bringt und ihm dafür echtes Geld zufließt. Einschlägig wäre auch § 263 Abs. 1 StGB, der so gelesen werden kann: Wer in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen (des Steuerzahlers, der den wissenschaftlichen Dienst des Bundesparlamentes alimentiert, Anm.d.Verf.) dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen oder (…) Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren (…) bestraft. Abs. 2: Der Versuch ist strafbar. Das Begehen dieser Straftat durch einen Amtsträger ist strafverschärfend zu werten, sollte hinzugefügt werden. Dass z.G. vorsätzlich, und zwar grob vorsätzlich, gegen akademische Regeln verstoßen und in diesem Zusammenhang eine falsche Erklärung abgegeben hat, muss nicht eigens betont werden. Dass solche Erklärungen (und somit auch diese gegenüber der Universität Bayreuth abgegebene Erklärung) Eid- Charakter haben, kann kaum bezweifelt werden. Was folgt daraus? Da wir beim Betonen sind: Alles, was er anfasst, macht er – so verkauft er’s – selbstredend in großem Stil, diesmal betone ich’s, in großem Stil. Seine jahrelange „mühevolle“ Bastel- und Klebearbeit, vulgo: Abkupferei, konnte sich folglich nicht auf wenige Passagen beschränken, sondern musste schon großdimensioniert angelegt sein. Jedes Erstsemester weiß bereits: Wenn ich so etwas mache, bin ich dran. Vielleicht gelten für die Universität Bayreuth (eine Ausgründung der Université de Beyrouth/ Leban in 1975?) und damit im Reiche der CSU indes andere Regeln im Sinne von „huch!, armer Adelsspross in diesen finsteren republikanischen Zeiten, da wollen wir mal nicht so scharf sein“. Nur, wir leben nicht in der Welt der Courths-Mahler oder der Merlitt (dies an die Adresse der entrückt-verklärt dreinschauenden Guttenberg-Fan- Club-und-Kaffeekränzchen-Dämchen allüberall) und auch nicht in der des Boulevard, sondern objektiver Gesetze und Regeln, die auch für den niederen Dorfadel und damit für seinesgleichen gelten. Ob er als Minister was taugt, war schon einmal Gegenstand des öffentlichen Interesses, als er den Text eines Gesetzesvorhabens, für das er als Wirtschaftsminister zeichnen sollte und der durch das Ministerium hätte erarbeitet werden müssen, für teuer Geld durch eine (befreundete?, aber ja!) Anwaltskanzlei hatte ausarbeiten lassen. Nur zu logisch, dass solche Freunde sich in Form von Ghostwriterei gerne revanchieren. Das – um im militärischen Jargon zu bleiben – Ineinanderschießen von Kleinheitsängsten und Großmannssucht produziert dann in der Folge solche unverschämt/schamlosen Aneignungen der Texte Dritter, was m.E. strafrechtlich sanktioniert werden muss. Was die von ihm noch geleugnete Ghostwriterei anbetrifft, verwette ich meinen guten Namen darauf, dass Guttenberg in den nächsten Tagen im Parlament – welch eine Freude fürs wissende Publikum – die Uwe Barschel-Gedächtnisnummer abliefern wird: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, ich wiederhole, mein Ehrenwort“. Die letzten beiden Worte, so gehört es sich, sind mit geschlossenen Augen zu sprechen und werden“s auch, eingedenk des historischen Vorbildes und dessen, was da folgen mag. Ich hoffe, wir bekommen das live und zur besten Sendezeit. Die Kanzlerin aber, so verstand ich Herrn Seibert, wird sich in dieser Woche (KW 8), kein Karnevalsscherz?, mit echten Prinzen-und Prinzessinnen-Paaren treffen. Darin erschöpft sich dann auch schon die politische Gestaltungskraft von Schwarz- Gelb für diese Woche. Welch ein Land… Zwar nicht von Adel noch „Adelsexperte“, so bin ich doch bedient.“
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Das Beispiel Käßmann
Detlef Görke aus Mensfelden:
„Der Verteidigungsminister Guttenberg hat nach Ansicht verschiedener seriöser Experten in seiner Doktorarbeit abgeschrieben. Und das an zahlreichen Stellen. Das erfüllt den Tatbestand einer Täuschung. Da hilft es wenig, den Doktortitel ruhen zu lassen. Den Entzug seines Titels kann nur die Fakultät vornehmen, die ihm diesen verliehen hat. Darüber hinaus ist sein taktischer Versuch, die Öffentlichkeit über die Aufklärung seiner Verfehlung auszuschließen, nach hinten losgegangen. Von ihm ausgewählte Medienvertreter durften sich seine fadenscheinige Erklärung anhören, ohne Fragen zu stellen. Die zur selben Zeit auf der Bundespressekonferenz weilenden Pressevertreter werden es ihm nicht verzeihen, dass er sie ausgetrickst hat.
Sollte der Minister doch noch zu der Erkenntnis gelangen, dass ein Aussitzen des Skandals seine Glaubwürdigkeit ruiniert, dann muss er öffentlich Reue zeigen. Das Beispiel von Frau Käßmann, der ehemaligen EKD-Vorsitzenden, zeigt, wie man trotz einer Verfehlung sein Gesicht waren kann. Verantwortung übernehmen und vom Amt zurücktreten. Dann hätte der beliebte Minister durchaus Chancen, seine politische Karriere zu retten. Aber seine Vorgänger haben uns schon zu oft gezeigt, dass diese Tugenden bei der politischen Klasse aus der Mode gekommen sind. Und somit werden wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, einen weiteren Skandalminister mit unseren Steuergeldern zu finanzieren.“
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Wochenlang gnadenlos in den Schlagzeilen
Josie Bockholt aus Aachen:
„In der Tat haben wir in unserem Land an sich wichtigere Probleme als die Klärung der Frage, wie viel Minister Guttenberg in seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat. Stutzig macht jedoch, dass dieses Argument (gegen eine weitere Aufklärung) ausgerechnet von den Bürgern und Medienvertretern vehement ins Feld geführt wird, die sich ansonsten intensiv und Titelseiten füllend über so „wichtige“ Themen wie z.B. die Gottschalk-Nachfolge oder die Attraktivität von Frau Guttenberg auslassen, während wichtige Fragen wie z.B. die von Guttenberg in Aussicht gestellten, verfassungswidrigen Kriege zur Rohstoffsicherung keinen Raum finden.
Es sind übrigens diese selben Medienvertreter, die damals den vergleichsweise harmlosen und bei Politikern leider üblichen Bruch eines Wahlkampfversprechens als die „Ysilanti-Lüge“ wochenlang gnadenlos in den Schlagzeilen ausschlachteten, jetzt aber die definitiv gelogene, ehrenbekundete Versicherung Guttenbergs, nur die angegeben Quellen genutzt zu haben, wie ein lässliches Versehen darstellen.“
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Die Kanzlerin verkennt einiges
Peter Krapf aus Ulm:
„Die Bundeskanzlerin baut schon mal die neue Verteidigungslinie auf: Der Doktortitel ist nicht die Eintrittskarte ins Ministeramt. Mit diesem Versuch der Frontbegradigung im PR-Desaster verkennt die Kanzlerin einiges:
(1) Sie bestätigt ein fatales Vorurteil: unsere Berufspolitiker sind weder die hellsten noch die integersten.
(2) Durch die Aberkennung des Doktortitels würde der Verteidigungsminister als Hochstapler überführt. Einem solchen Mann müsste die Verantwortung für das Leben unserer Soldaten entzogen werden.
(3) Der Skandal um die Aberkennung des Doktortitels beschädigt bereits jetzt den Ruf Deutschlands als „Bildungsrepublik“ (Merkel) und Standort von Forschung und Wissenschaft.
(4) Wer ein so herausragendes öffentliches Amt innehat, muss einer Vorbildfunktion gerecht werden. Er muss kein Übermensch sein, wohl aber zu seinem Fehlverhalten stehen können. Als Hochstapler enttarnt zu werden und einfach weiter zu machen, als ob das normal sei, erinnert an den Stil Berlusconis. Merkel handelt offensichtlich aus Parteiräson: sie will den PR-GAU zu Beginn des Superwahljahres abwenden, koste es was es wolle; ein ebenso durchsichtiges wie dürftiges Manöver.“
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Zu Guttenberg kommt dem Titelentzug zuvor
Michael Schiedermeier aus Oberursel:
„Mit dem Vorab-Verzicht auf den Doktortitel kommt Herr Guttenberg offensichtlich nur dem Titelentzug durch die Universität Bayreuth zuvor. Nach allem, was sich bisher abzeichnet, liegt offenbar ein Fall von gehörigem wissenschaftlichen Fehlverhalten vor. Dies wäre als weit schwerwiegender einzustufen, als die Reaktionen von Guttenbergs Parteifreunden („lediglich Fußnoten“) suggerieren. Es geht um Werte wie Wahrhaftigkeit, Vorbildlichkeit, aber auch um Verantwortung für die Qualität der eigenen Arbeit. Letztlich geht es aber gerade auch um eine Frage des Charakters. Das Wirken von Herrn Guttenberg als Minister hat vor allem ihm selbst und seiner Frau zu Publicity verholfen. Diverse Medien haben sich hierbei als willige Helfershelfer des vermeintlichen „Politstars“ hervorgetan. Ein positiver Nutzen dieses Ministers für die Bundeswehr – die Vorfälle der jüngsten Zeit belegen dies – ist hingegen kaum erkennbar. Von einer seriösen Amtsführung, wie sie z. B. ein Georg Leber oder ein Hans Apel pflegten, ist Guttenberg m. E. Lichtjahre entfernt. Der frühere Kanzler Kohl proklamierte immer die „geistig-moralischen Wende“. Sind Minister wie Guttenberg (oder z. B. auch Westerwelle) nun die Spätfolgen davon?“
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Mir tun diese Leute einfach nur leid
Uwe Berndt aus Frankfurt:
„Unser Land kann sich keine moralinsauren Diskussionen leisten. Wir haben wirklich andere Probleme. Warum nur reiben sich Neider und schlaumeiernde Besserwisser immerzu die Hände? Weil sie verkennen, worum es wirklich geht: Um einen eloquenten und beliebten Minister, der Fehler eingesteht und eine neue Kaste realpolitischer Pragmatiker repräsentiert. Mir tun diese Leute einfach nur leid!“
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Durchhalten! Kanzlerkandidat!
Erwin Horn aus Würzburg:
„Karl Theodor zu Guttenberg: Durchhalten! Kanzlerkandidat!“
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Mit Verstand ist das nicht zu erklären
Stephanie Goldbach aus Berlin:
„Dass unser Freiherr nun den Doktortitel abgibt, den er voraussichtlich ohnehin hätte abgeben müssen, ist wirklich nicht genug. Dass er überhaupt so beliebt in der Bevölkerung war, liegt entweder an zweifelhaften Umfragewerten oder an der ekelhaften Obrigkeits- und Adelshörigkeit so vieler Deutscher. Mit Verstand ist das nicht zu erklären. Schummeleien mit nunmehr schon 360 kopierten Textstellen, Amtsmissbrauch, sehr gut möglicher Einsatz von Ghostwritern, bei denen man sich schon für 30.000 Euro eine Doktorarbeit kaufen kann: alles andere als sein sehr baldiger Rücktritt würde das ohnehin kaum noch vorhandene Vertrauen der Bevölkerung in die Politiker noch mehr erschüttern.“
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Recht schneidig und radikal bei Fehlern Anderer
Dietmar Lehmann aus Hattersheim:
„Manchmal werden Märchen war. „Des Kaisers neue Kleider“ und „der Baron von Münchhausen“ sind keine Geschichten aus vergangenen Zeiten sondern bittere Realität. Stephan Hebel hat in seinem Leitartikel durchaus Recht, wenn er hinter der glänzenden Fassade zu Guttenbergs die Inhalte und die Substanz seines politischen Handelns in Frage stellt. Mir ist völlig schleierhaft, was diesen Mann zum beliebtesten Politiker dieses Landes werden ließ. Kann es sein, dass man zu diesem Thema ausschließlich Bild-Leser befragt?
Als „Chef eines mittelständischen Unternehmens“ wurde uns seinerzeit der neuer Wirtschaftsminister zu Guttenberg präsentiert. In Wahrheit hat er lediglich in einem Drei-Mann-Büro das eigene Familienvermögen verwaltet.
Das erste mal ist mir der Mann aufgefallen, als er extern (von Lobbysten?) erstellte Gesetzesentwürfe in sein Ministerium übernommen hat. Bis zu diesem Tag war ich der Überzeugung, dass die Gesetzgebungskompetenz allein in der Hand und in der Verantwortung der Parlamente läge. So kann man sich täuschen. Als Verteidigungsminister geht er heute recht schneidig und radikal bei Fehlern seiner Mitarbeiter zu Werke, ist aber offensichtlich den eigenen Unzulänglichkeiten gegenüber wesentlich toleranter eingestellt. Die nun in „Siebenjähriger mühevollster Kleinarbeit “ zusammengebastelte Doktorarbeit
ist aktuell die letzte Nummer des „Lügenbarons“. Haben Konservative kein Schamgefühl mehr, dass sie nicht langsam damit beginnen, sich von diesem Mann zu distanzieren? Ich habe mir natürlich auch eine Meinung über Herrn zu Guttenberg gebildet. Er ist wirklich so schmierig wie seine Frisur.“
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Hire and Fire
Dr. Victor Chu aus Neckargemünd:
„Herr Guttenberg hat am Montag erklärt, er habe am Wochenende seine Dissertation eingehend gelesen und Fehler festgestellt. Möglicherweise las er sie zum ersten Mal. Es liegt die Vermutung nahe, dass er sich eines Ghostwriters bedient hat – dann wäre er nicht nur Plagiat, sondern Betrüger. Herr Guttenberg bedient sich Untergebener eben nach Gutsherrenart – hire and fire. Wie seine Kollegin Ursula von der Leyen, die ihre sieben Kinder von Angestellten aufziehen lässt, ist Herr Guttenberg offenbar gewohnt, sich der Dienste anderer zu bedienen, um damit zu glänzen. „Minister“ bedeutet auf Lateinisch „Diener“. Herr Guttenberg eignet sich nicht dazu.“
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Ein verantwortungsbewusster Dienstherr
Hanne Neufeldt aus Wiesbaden:
„Warum eigentlich musste Franz Josef Jung vom Amt als Verteidigungsminister zurücktreten? Eine große Bevölkerungsmehrheit glaubt, sein Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg sei ein sehr guter, glaubwürdiger Politiker und fähiger Minister. Ich glaube das nicht. Minister zu Guttenberg neigt zu Schnellschüssen, verbal und durch Taten. Im Zusammenhang mit der sogenannten Kundus-Affaire und dem Rauswurf von Staatssekretär und Bundeswehrinspekteur steht deren Wort gegen das des Ministers – es ist bis heute offen, wer gelogen hat. Ein verantwortungsbewusster Dienstherr hätte den Kapitän der Gorch Fock vor der Suspendierung zumindest angehört. Auf so jemanden möchte ich mich in Krisenzeiten nicht verlassen müssen.
Und nun das, was seine Parteifreunde auf Fußnotengröße herunterspielen wollen. Dabei geht es nicht um Fehler handwerklicher Art, sondern um die Frage, was mündliche und schriftliche Erklärungen eines Ministers wert sind, also um seine Glaubwürdigkeit. Auch darum, was z.B. Absolventen der Bundeswehrhochschulen von einem Dienstherrn halten müssen, der seine über weite Teile plagiierte Doktorarbeit mal eben folgenlos zurückgeben will, nachdem man ihn der Täuschung überführt hat. Ist der Diebstahl geistiger Arbeit anderer zum Zwecke der Erhöhung des eigenen Status in Adels- oder Ministerkreisen eine Petitesse?
Auch der Kanzlerin scheinen die Maßstäbe abhanden zu kommen. Sie habe einen Minister verpflichtet und nicht einen wissenschaftlichen Assistenten. Offensichtlich darf aus ihrer Sicht ein Minister auf amtsfernen Feldern folgenlos betrügen. Es steckt neben einer gewissen Schizophrenie auch ein gehöriges Maß Missachtung akademischer und allgemeiner Anstandsregeln in dieser Bemerkung. Der „Ausnahmepolitiker“ Karl-Theodor zu Guttenberg sollte seiner Kanzlerin künftige Verbiegungen dieser Art ersparen und seinem Amtsvorgänger in den Rücktritt nachfolgen, seinen Fans zum Troste bliebe er dann immerhin noch Bundestagsabgeordneter.“
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Wissen und Gewissen der Politiker
Hartmut Haase aus Bermatingen:
„Ich verstehe die andauernde Diskussion, ob, wann, wo, wie und wie oft Guttenberg abgeschreiben hat, nicht mehr. In seiner ersten Stellungnahme hat er doch erklärt, dass er seine Arbeit „nach bestem Wissen und Gewissen“ geschrieben habe. Was bei Politikern unter Wissen zu verstehen ist, erleben wir doch täglich. Und dass Politiker und Gewissen sich weitgehend ausschließen, wissen wir doch nicht erst seit Barschel.“
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Was wichtiger wäre
Kurt Lennartz aus Aachen:
„Klar – gibt es wichtigeres als eine erschlichene Doktorarbeit. Die zersetzt höchstens weiter Anstand und Aufrichtigkeit einer Gesellschaft. Ansonsten sind die Auswirkungen dieser Selbstverliebtheit überschaubar.
Wichtiger sind andere Themen:
Zum Beispiel, wieso nach 9 Jahren Krieg aus dem ruhigen Kundus ein Kriegsgebiet geworden ist und der deutsche Einsatz genau das Gegenteil von dem bewirkt hat, wofür die Befehlshaber angetreten waren.
Wichtiger zum Beispiel auch, wer für die tausenden traumatisierten Menschen darunter auch jede Menge deutsche Soldaten die Verantwortung trägt und wie diese Verantwortung im Ernstfall aussieht.
Wichtiger ist wohl auch, dass ein Doktor (oder gewesener Doktor) Kriege für deutsche Wirtschaftsinteressen legitimiert und sich damit gegen das Grundgesetz stellt. Vor allem ist dies wichtig für die nächsten Kriege – hier vor allem wichtig für die demnächst Erschossenen, Verkrüppelten und Traumatisierten.
Wichtiger ist, dass von ihm der Krieg wieder zum Mittel der Politik erklärt wurde, nachdem die Erinnerungen einer Generation von Kriegsversehrten jahrzehntelang unter der Losung „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ ein halbes Jahrhundert ohne Kriegseinsätze sichern konnten …
Wir sollten uns also weniger über die abgeschriebene Doktorarbeit eines Egomanen aufregen, sondern uns mit den wirklich wichtigen Themen und Problemen beschäftigen, die dieser Theodor uns und nachfolgenden Generationen beschert.“
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Zu Guttenberg muss zurücktreten
Götz Hütt aus Duderstadt:
„Merkwürdig: KT zu Guttenberg habe bei der Doktorarbeit geschummelt, sei aber ein herausragend begabter Verteidigungsminister. Ist der Charakter nicht auch Teil der Politikerpersönlichkeit? Kann nicht teilweise fehlende moralische Integrität gepaart mit Macht sich irgendwann verheerend auswirken? Wir als Bürger tragen die Verantwortung dafür, politische Macht nur Menschen zu übertragen, die auch erkennbar charakterlich dafür qualifiziert sind. Wir sollten uns auch nicht länger veralbern lassen mit Täuschungs- und Ablenkengsmanövern wie der angeblichen Nichtführung oder Rückgabe eines Doktortitels, den man garnicht ablegen bzw. zurückgeben kann. Auch das zeigt: Unser Verteidigungsminister ist nicht seriös. KT zu Guttenberg muss zurücktreten!“
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Nur so viel zugeben, wie gerade entdeckt wurde
Charles Kimmerlin aus Frankfurt:
„Es ist schon verwunderlich, dass Herr zu Gutenberg erst am Wochenende festgestellt hat, dass er einige gravierende Fehler in seiner Dissertation gemacht hat. Hat Herr zu Gutenberg in den sieben Jahren mühsamer Recherche, die er gebraucht hat, seine Arbeit nicht durchgelesen? Offensichtlich nicht, oder nicht gründlich genug, um diese eklatanten und gravierenden Fehler nicht zu bemerken. Man musste ihm Jahre später die Nase darauf setzen. Ich hoffe nur das er bei seiner Arbeit als Verteidigungsminister etwas gründlicher vorgeht … Wo kämen wir denn hin, wenn solche gravierenden Fehler in Afghanistan oder sonst wo passieren würden…
Nun möchte Herr zu Gutenberg seinen Doctortitel „zurückgeben“, nachdem er am Wochenende seine Doktorarbeit auf Fehler überprüft hat. Warum nicht früher? Der Fall errinnert mich ein wenig an die Steuersünder, die nur so viel zugeben, wie gerade endeckt wurde … Natürlich alles Straffrei…
Welche Konsequenzen ziehen wir aus der Sache? Vermutlich keine, wie immer in solchen Fälle. Können wir einem Minister, der so handelt, noch unser Vertrauen schenken? Ich nicht! Ich verlange nicht den Rücktritt, aber etwas mehr Demut, etwas mehr Ehrlichkeit dem Wählervolk gegenüber.“
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Alle Krähen schreien
Arthur Schönfisch aus Birstein:
„Na und? Guttenberg hat vergessen, ein paar Sätze in die Gänsefüßchen zu nehmen, die sowieso schon von irgendwo abgeschrieben wurden.Was neues kann man schon in der Politologie erfinden? Haben wir schon die Geschichten mit dem Handel mit Doktortiteln vergessen? Wurden damals allen die Doktortitel aberkannt oder nur denen, die ihr Vergehen zugegeben haben? Kein Hahn hat gekräht, als ein deutscher Schulabbrecher, der sich später bis zum Außenminister hochgequatscht hat, Ehrendoktortitel verliehen wurde und er als PROFESSOR an einer amerikanischem Uni gearbeitet hat. Was für Wissen konnte dieser Mann, der nur einen Realabschluss hat, den Studenten vermitteln? Dass das Wissen zweitrangig ist und nur die Frechheit zählt? Und im Fall Guttenberg schreien alle Krähen. Am lautesten wahrscheinlich die, die es noch nicht mal hinkriegen, das Wort Dissertation ohne Stottern auszusprechen und ohne Fehler zu schreiben. Endlich hat sich unter den Politikern einer gefunden, der nicht nur vor den Wahlen sich engagiert, und schon ist der Teufel los. Jetzt müssen auch die anderen was tun, und dies gefällt scheinbar nicht allen. Neid und Mißgunst sind schreckliche Sachen.“
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Hetzen die Medien nicht mit?
Gottfried Eschweiler aus Neuss:
„Daran ist möglicherweise kaum zu rütteln: Teile der Doktorarbeit sind ohne Endredaktion schlampig zusammen gestellt worden. Jedoch auch schwer wiegt: dass der Wissenschaftler, der die Mängel entdeckte, sich nicht von Mensch zu Mensch an zu Guttenberg wandte, sondern direkt in die Öffentlichkeit feuerte. Ist dieser Bremer Wissenschaftler nicht ausgewiesener Menschrechtler? Noch schlimmer: Die politische Hetzkampne der politischen Gegner, ebenfalls Mitglieder von humanistischen Parteien. Ist die Würde des Menschen nicht unantastbar? Zählt in der Politik nur die Machtgeilheit? Hetzen die Medien nicht mit?“
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Dr. Jekyll & Mr. Hyde
Wolfgang Lackinger aus Frankfurt:
„Nachdem die Beweislage des Plagiats für die ‚Doktorarbeit‘ des Herrn Guttenberg immer erdrückender wird, hat der ‚Selbstverteidigungsminister‘ nun die Flucht nach vorn ergriffen und will zukünftig auf die Führung seines Doktortitels verzichten. Abgesehen von der Tatsache, dass dies rechtlich gar nicht möglich ist, weil die Aberkennung des Titels nur durch die Uni Bayreuth erfolgen kann, kann seine Geste nur als der verzweifelte Versuch angesehen werden, den drohenden politischen Absturz noch zu verhindern.
Es ist schon mehr als dreist, wenn man sich einen akademischen Titel durch vermutlich vorsätzliche Täuschung erschleicht und nach Aufdeckung noch als ehrliche Haut inszeniert, der sich bei Gott und der Welt für seine „handwerklichen Fehler“ entschuldigt und Absolution erbittet. Auch wenn Herr Guttenberg keine akademische Laufbahn eingeschlagen hat, wird dieser zu Unrecht erworbene Doktortitel seiner politischen Karriere mit Sicherheit nicht hinderlich , sondern in seinem poltischen Umfeld eher förderlich gewesen sein.
Fazit: Die ‚Lichtgestalt‘ der deutschen Politik ist eine Mogelpackung: außen hui und innen pfui.Persönliche Glaubwürdigkeit und politische Integrität gehören aber zusammen.Ein Dr. Jekyll & Mr. Hyde im Amt des Verteidigungsministers ist deshalb untragbar.Der Minister sollte deshalb jetzt die Konsequenzen ziehen, die er immer vehement in seinem Amt bei Fehlverhalten von seinen Untergebenen gefordert bzw. sie dazu gedrängt hat: Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten.“
Zu allererst meinen Glückwunsch an Frau Brigitte Fehrle für ihren klaren, weitsichtigen und mutigen Kommentar „Die Aussitzer“ in der Sache Guttenberg (FR,23.02.,S.13).
Klar und weitsichtig ist er, weil er nicht nur die Beurteilung des Verhaltens des Herrn Baron selbst auf den Punkt bringt, sondern auch dessen politischen Stellenwert und die Tragweite des Skandals. Mutig ist der Kommentar, weil sich Frau Fehrle wohl der seit der Antike verbreiteten Einsicht bewusst sein dürfte, dass eine aufgebrachte Meute (wie sie sich hier in der Unterstützerfront für den Baron abzeichnet) nicht den Verursacher einer schlechten Nachricht steinigt, sondern deren Überbringer.
Dass ein höchst angesehener, als Überflieger bezeichneter Baron sich als Lügenbaron entlarvt, ist ja nur der kleinste Teil des Problems. Und die Eiertänze, mit denen er strafrechtlich relevante Verhaltensweisen als „Fehler“ abzutun versucht, gehören wohl zum üblichen poltischen Geschäft.
Gravierender ist schon das Verhalten einer Kanzlerin, die, als Kritikerin Kohlscher Skandale angetreten und ins Amt gehievt, sich nun als skrupellose Machtpolitikerin entlarvt: Indem sie zynisch Glaubwürdigkeit und Gesetzestreue von einem hohen Amt abzutrennen versucht, dem die Entscheidung über das Leben Tausender von Menschen obliegt, verletzt sie ihren Amtseid, Schaden von diesem Volke abzuwenden. Es ist Frau Fehrle zuzustimmen, dass ihr Handeln wohl ausschließlich der Opportunität unterliegt und die Tarnung als Einsatz für einen in Bedrängnis geratenen Minister voraussichtlich schon nach den nächsten Wahlen entfallen wird: Auch der Herr Baron ist offensichtlich nur eine Schachfigur bei ihren Machtspielchen – freilich eine wichtige, der Dame vergleichbaren, bei deren Fall auch der des Königs (bzw. der Königin) abzusehen ist.
Der entscheidende und auch beunruhigendste Aspekt ist aber der der ominösen, per „Blitzumfrage“ aus dem Hut gezauberten Unterstützerfront für den Herrn Baron:
„Jeder, der den Minister Guttenberg jetzt verteidigt, verschiebt die Maßstäbe für moralisches Handeln in eine Richtung, die die Grenze zwischen Recht und Unrecht verschwimmen lässt. Kein Handeln bleibt ohne Folgen. Trägt der Täter nicht die Verantwortung, liegt sie bei allen, die ihn decken.“ (Brigitte Fehrle, a.a.O.)
Das ist exakt die Sache auf den Punkt gebracht. Zu präzisieren wäre lediglich, was hier „Verantwortung“ heißt. Sie hat einen politischen und einen moralischen Aspekt.
Der moralische Aspekt entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dürfte es sich bei der Unterstützerfront für den Baron doch überwiegend um Menschen handeln, die sich christlicher Werte verpflichtet fühlen (oder dies zumindest glauben). Zu den christlichen Werten gehört auch, einem „Sünder“ die Chance der Umkehr und des Neuanfangs zu geben. Nach katholischem Ritus geschieht dies in der Beichte und der danach auferlegten Buße (die bekanntlich vom Priester auferlegt wird und nicht, wie der Herr Baron meint, vom „Sünder“ selbst ausgewählt werden kann). Indem die Unterstützerfront Herrn zu Guttenberg die Chance der Umkehr und des Neuanfangs verweigert, ihn im Gegenteil mit z.T. martialischen Parolen zum Durchhalten! (vgl. Zuschrift Erwin Horn) und zum Weiter so! ermutigt, handelt sie zutiefst unchristlich.
Am gravierendsten aber ist der politische Aspekt dieser Verantwortung (oder eher: Verantwortungslosigkeit). Denn er betrifft die Folgen dieses Handelns, und das heißt hier konkret: ein rechtstaatliches Prinzip zugunsten der eigenen Schimäre vom „edlen, unbefleckten Ritter“ zu opfern.
Leserbriefschreiberin Stephanie Goldbach weist zu Recht darauf hin: „Mit Verstand ist das nicht zu erklären.“ Und sie vermutet als Hintergrund wohl richtig eine „ekelhafte Obrigkeits- und Adelshörigkeit so vieler Deutscher“ – was nichts anders heißt als eine antidemokratische Grundeinstellung. Die antiintellektuellen Ausfälle eines Arthur Schönfisch hier im Blog, „alle Krähen schreien“, (die Herr zu Guttenberg wohl zu bedienen weiß) geben hiervon einen Geschmack. Und der Versuch, das tragische Schicksal dreier getöteter Soldaten in Afghanistan zur Verhinderung der hier geführten Diskussion zu funktionalisieren, verweist auf ein in Grundzügen inhumanes Weltbild.
Es dürfte nützlich sein, sich anhand historischer Ereignisse an die Folgen solcher Aushebelung von Rechtsstaatlichkeit zu erinnern:
Der Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde von hysterischen Massen als „Befreiung“ erlebt: Befreiung von einer „Bürgerlichkeit“, die überwiegend rechtsstaatliche Züge trug und der „befreiten“ Bestialität Grenzen setzte, wie sie sich schon ein Jahr später in den Schützengräben von Verdun austoben konnte.
Und die hysterische Begeisterung für den Shootingstar Hitler lässt sich psychologisch wohl auch nur mit einem Gefühl der „Befreiung“ erklären: Befreiung archaischer Mordinstinkte von den Fesseln moralischer Hemmnisse und Bedenken, Befreiung des für ein „größeres Ganzes“ sich aufopfernde Individuums von der Verantwortung für sein eigenes, auch mörderisches Handeln.
Angesichts solch historischer Vorbilder für die Befreiung von rechtstaatlichen Prinzipen laufen einem bei dem Versuch, einen verantwortlichen Minister von der Verantwortung für sein ihn selbst betreffendes Handeln zu befreien, in der Tat Schauer über den Rücken.
@ Stephanie Goldbach und Werner Engelmann:
Sie vermuten beide eine „ekelhafte Obrigkeits- und Adelshörigkeit“ bei den Deutschen. In welchen Kreisen verkehren Sie denn? Kennen Sie überhaupt eine Person, auf die das zutrifft? Ich nicht!
@1 Werner Engelmann
Ihren umfassenden Ausführungen hatte ich bereits an anderer Stelle mein uneingeschränktes großes Lob gezollt. Was mir heute im Bundestag bei dem Schwindel- und Lügenbaron wieder aufgefallen ist, wenn er die Betrugs- und Täuschungsabsichten „empört“ zurückweist, spricht er immer von man und nicht von ich. Man hat nicht bewusst getäuscht, man hat nicht gelogen usw.. Vermutlich baut er schon mal vor, wenn sich doch noch herausstellt, dass man(n) oder frau, aber nicht er selbst die Doktorarbeit geschrieben haben. Bei der Gelegenheit, lieber Herr Engelmann, sozusagen zur Entspannung, zumal das Affentheater um den Lügen- und Schwindelbaron nur noch mit Humor und Satire zu ertragen ist, eine kleine Geschichte, bei der die Quellenangabe fehlt, da es sich um eine eigene geistige Kreation handelt:;-)
Ein Schwindler und Dieb, ich möchte ihn mal Gutenzwerg nennen, steht vor Gericht.
Erster Verhandlungstag.
Gutenzwerg: Herr Richter, ich bin unschuldig, alle Vorwürde die der Staatsanwalt gegen mich erhoben hat sind abstrus.
Zweiter Verhandlungstag.
Gutenzwerg: Herr Richter, ich habe Fehler gemacht, die mir von Herzen leid tun. Allerdings stimmen die Vorwürfe des Staatsanwaltes, hinsichtlich der Schwere meiner Schuld, dennoch nicht. Um aber meinen guten Willen unter Beweis zu stellen, gebe ich das Diebesgut vorübergehend, ich betone vorübergehend, zurück.
Dritter Verhandlungstag.
Gutenzwerg: Herr Richter, nachdem ich nochmal über alles reiflich nachgedacht habe, muss ich einräumen, gravierende Fehler gemacht zu haben. Es tut mir von Herzen leid, andere Menschen verletzt bzw. beklaut zu haben. Ich möchte mich, in aller Form, für den Blödsinn, den ich verzapft habe, entschuldigen. Obwohl es schmerzhaft ist, gebe ich das Diebsgut numehr endgültig zurück und versichere, zukünftig darauf auch keinen Anspruch mehr zu erheben.
Gedachte „Fußnote“: In Sachen Gutenzwerg wird das Verfahren eingestellt. Der Angeklagte hat sich als einsichtig erwiesen, so dass eine weitere Verfolgung nicht im öffentlichen Interesse liegt. Im Übrigen ist Herr Gutenzwerg ein furchtbar netter Kerl, der in seinem weiteren Leben noch sehr erfolgreich sein wird. Dabei möchte ihm das Gericht keine Steine in den Weg legen. Wir, das Gericht, wünschen Herrn Gutenzwerg alles, alles Gute. Amen.
mfg
Jutta Rydzewski
Mag sein, dass Herr Guttenberg beliebt ist, mediales und vielleicht auch politisches Talent hat. Er hat gute Umfragewerte und viele trauen ihm viel zu – zu recht, wie sich in einem ungeahntem Sinne zu erweisen scheint.
Aber er hat bei seiner freiwilligen Doktorarbeit schlampig gearbeitet, wissenschaftliche Standards nicht eingehalten und geistiges Eigentum anderer nicht kenntlich gemacht, man könnte auch gestohlen sagen. Das, was er selbst nicht im Stande war auszudrücken hat er, der doch so eloquent ist, mit fremden Worten wiedergegeben.
Und er hat als Minister im Amt mit seinen häppchenweise zugestandenen Fehlern die Öffentlichkeit belogen, als er die Vorwürfe als abstrus abtat und immerfort von seiner eigenen Arbeit sprach.
Damit hat er nicht nur seine Glaubwürdigkeit verloren, sondern auch die Befähigung ein Ministeriums zu führen, weil er seine Autorität verspielt hat. Wie gerecht könnten denn seine Entscheidungen in bestimmten Konfliktsituationen noch wahrgenommen werden, wie ernst könnten seine moralischen Apelle noch genommen werden.
Und Frau Merkel und all jene verzweifelten Unterstützer Guttenbergs: Sie beschädigen die Demokratie, weil sie einer ohnehin weit verbreiteten Parteien- und Politikverdrossenheit Vorschub leisten, wenn sie einer nicht mehr glaubhaften hohlen Figur die Stange halten nur weil sie Angst vor schlechten Umfragewerten und Wahlergebnissen haben.
Es ist unerträglich und widert mich an so etwas ertragen zu müssen.
In den letzten Monaten wurde die Frage diskutiert, was konservativ sei. Soll das die Antwort sein?
@ Katja Wolf, # 2
Ich zähle zwar auch einen Adligen zu meinem Bekanntenkreis, auf den sich meine Vermutung aber sicher nicht bezieht. Im Zeitalter des Internet aber davon auszugehen, man müsse alle seine Informationen aus sich oder seinem unmittelbaren Bekanntenkreis beziehen, erscheint mir – entschuldigen Sie – doch etwas naiv. Ich springe ja auch nicht aus dem Fenster, wenn ich mich über die Seelenlage eines Selbstmörders informieren will.
Anfang der 70er Jahre hatte BILD (nicht irgendein böses „linkes“ Blatt!) eine Psychoanalyse von sich selbst in Auftrag gegeben, in der die Über-Ich-Funktion von BILD festgestellt und ausführlich beschrieben wird. (Und wer etwas von Psychologie und Stilistik versteht, kann das auch aus nahezu jedem Artikel herauslesen.) Um ein solches selbst gewähltes Abhängigkeitsverhältnis geht es auch in diesem Zitat.
Und wenn ich mal beim Zahnarzt bin, schreien mir aus dem „bunten“ Blätterwald Portraits in allen Posen aus der „echten“ blaublütigen oder Möchtegern-Adelswelt entgegen. Was glauben Sie wohl, womit die Herausgeber ihr Geld verdienen, wenn sie damit nicht ein tatsächlich vorhandenes Bedürfnis abdecken?
Im Übrigen: Der von Ihnen monierte Ausdruck entspricht nicht meiner Ausdrucksweise und ist daher (obwohl es sich hier um keine Doktorarbeit handelt) korrekt und mit Quellenangabe zitiert. Dies peinlich zu beachten und nicht (wie bei Herrn zu Guttenberg) nach Belieben und ohne Kennzeichnung seinem eigenen Sprachgebrauch anzupassen, ist eine Frage des Respekts vor anderen und deren geistigem Eigentum. Womit wir beim eigentlichen Thema wären.
Wenn Sie (z.B. im Bundestag wie auch in diesem Blog) die „Argumente“ der Guttenberg-Fanatiker untersuchen, so fällt Ihnen sicher ein fast durchgehender Anti-Intellektualismus auf, der von schlichter Ignoranz über Geringschätzung alles Geistigen bis einer gehörigen Portion Aggressivität gegen Intellektuelle geht. (Und es wäre sicher kein Fehler, sich über den Anteil des Anti-Intellektualismus beim unterschwelligen und manifesten Antisemitismus zu informieren.)
Wenn ich an die geradezu kindische Abwehr und das Kleinreden moralischer Grundwerte auf Seiten der Koalitionsfraktion in der heutigen aktuellen Stunde des Bundestags denke, dann frage ich mich, bei der umgedrehten Rollenverteilung, wo eigentlich die „Christen“ sitzen und wo die „Materialisten“.
Und ich meine, dass man auch von einem Berufschristen sowie von einem Katholiken wie Herrn zu Guttenberg erwarten darf, über die Lehren des „Buchs der Bücher“, das sie (sicher nicht zu Unrecht) vor sich hertragen, wenn sie diese schon nicht beherzigen, so doch gelegentlich darüber nachdenken.
So etwa (und das wäre für Herrn von Gutenberg im eigenen Interesse), was damit ausgesagt wird, wenn nach dem glorreichen Einzug des Gesalbten am Palmsonntag unter „Hosianna“-Rufen fünf Tage später das „Kreuziget ihn“ folgt.
@ Jutta Rydzewski, # 3
Danke für das Kompliment.
Für satirische Texte und Sketche bin ich durchaus zu haben. (Ich habe 10 Jahre lang verschiedene Schultheater geleitet und auch selbst Satiren geschrieben bzw. interpretiert, z.B. von Tucholsky, und Komödien aufgeführt, z.B. von Büchner, Dürrenmatt, Molière und Aristophanes.)
Die vorliegende Situation erscheint mir sicher satirereif (und ganz sicher wird in der nächsten „Anstalt“ Ähnliches aufgeführt werden). Bekanntlich wird ja Satire nicht „erfunden“, sondern von der Wirklichkeit geschrieben. Und so lange sich die „Reue“ des Herrn zu G. im Wesentlichen auf Pose beschränkt, kann ich in ihm auch nicht die Figur des gefallenen tragischen „Helden“ erkennen.
Freilich müsste noch Einiges zum Kontext dazu: etwa Abgeordneten-Marionetten am Faden einer (unsichtbaren) Angela Merkel und ein dumpfer antiker „Unterstützer“-Chor. (Ich habe selbst einmal absurde Verse von Queneau („Exercices de style“) im Stil eines antiken griechischen Chors aufgeführt.)
So in etwa habe ich auch die Koalitions-Beiträge der heutigen Debatte erlebt.
Aus dem Blickwinkel eines beobachtenden Regisseurs erschienen mir diese wie die Aufführung eines Stücks, bei dem der Regisseur (bzw. die Regisseurin) vergessen hatte, die Rollenverteilung vorzunehmen und nichts Weiteres klar war als unbedingte Verteidigung der Wagenburg mit viel gespielter Empörung.
Die Ausführungen Herrn zu Guttenbergs haben m.E. nichts Neues gebracht – von seiner schwer beschreibbaren Trauermine abgesehen. Die aber kann ich so lange nicht ernst nehmen, als die gebotene Konsequenz fehlt.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er vielleicht sogar wollte, aber nicht wollen darf, weil eine übermächtige unsichtbare Gestalt über ihm schwebt (so etwa wie die Vater-Gestalt in Mozarts „Don Giovanni“).
Nun doch noch ein Argument außerhalb der Fantasiewelt:
M.E. hat Herr zu G. den ersten Beweis geliefert, dass er – bei allem unterstellten guten Willen – gar nicht mehr in der Lage sein kann, ein Ministerium wie seines adäquat zu führen, und zwar bei der unverfrorenen Instrumentalisierung von Afghanistan-Generälen und Soldaten durch den CSU-Abgeordenten Friedrich:
Wie jeder Beamte weiß und jeder Soldat wissen muss, stehen diese in einem unmittelbaren Dienst- und Treueverhältnis zu ihren Vorgesetzten. Dies bedeutet nicht nur Verzicht auf Streikrecht (so auch bei verbeamteten Lehrern), sondern auch „Mäßigungspflicht“ in der Öffentlichkeit. D.h. – unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen, dass ein Beamter (und mehr noch ein Soldat) sich niemals in der Öffentlichkeit über seine Vorgesetzten äußern darf, schon gar nicht negativ. Selbst Beschwerden über ihn müssen (außer beim Wehrbeauftragten) auf dem „Dienstweg“ über den Vorgesetzten selbst laufen.
Dieser „Gehorsamspflicht“ auf Seiten des Untergebenen entspricht die „Fürsorgepflicht“ auf Seiten des Vorgesetzten, also Schutz vor Angriffen von außen, solange sich der Untergebene keines Dienstvergehens schuldig gemacht hat.
Der Beitrag des Abgeordneten Friedrich war, wie Herr Trittin richtig angemerkt, aber leider nicht ausgeführt hat, eine unverschämte Instrumentalisierung der (überparteilichen) Bundeswehr, die Herr zu G. als oberster Dienstherr (auch wenn sie zu seinen Gunsten war) im Rahmen seiner Fürsorgepflicht hätte verhindern und keinesfalls unwidersprochen hätte lassen dürfen.
Wie aber – um auf den Zynismus von Frau Merkel zu antworten – kann man einen solchen Überblick von einem Minister erwarten, der den Überblick über das (wie er behauptet) von ihm selbst Verfasste verloren hat?
Bei all der Aufregung um die Doktorarbeit sind bei mir vor allem die Worte von KURT LENNARTZ hängen geblieben, die ich hier noch mal zitiere:
„Zum Beispiel, wieso nach 9 Jahren Krieg aus dem ruhigen Kundus ein Kriegsgebiet geworden ist und der deutsche Einsatz genau das Gegenteil von dem bewirkt hat, wofür die Befehlshaber angetreten waren.
Wichtiger zum Beispiel auch, wer für die tausenden traumatisierten Menschen darunter auch jede Menge deutsche Soldaten die Verantwortung trägt und wie diese Verantwortung im Ernstfall aussieht.
WICHTIGER IST WOHL AUCH, dass ein Doktor (oder gewesener Doktor) KRIEGE FÜR DEUTSCHE WIRTSCHAFTSINTERESSEN LEGITIMIERT UND SICH DAMIT GEGEN DAS GRUNDGESETZ STELLT. Vor allem ist dies wichtig für die nächsten Kriege – hier vor allem wichtig für die demnächst Erschossenen, Verkrüppelten und Traumatisierten.
WICHTIGER IST, DASS VON IHM DER KRIEG WIEDER ZUM MITTEL DER POLITIK ERKLÄRT WURDE, nachdem die Erinnerungen einer Generation von Kriegsversehrten jahrzehntelang unter der Losung „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus” ein halbes Jahrhundert ohne Kriegseinsätze sichern konnten …“ (Hervorhebung von mir)
Ich bin mir nicht sicher, ob die Aussage belegbar ist, dass Herr von und zu G. KRIEGE FÜR DEUTSCHE WIRTSCHAFTSINTERESSEN LEGITIMIERT,(schließlich ist wegen ähnlicher Äußerungen ein Bundespräsident zurückgetreten), aber wenn sie stimmt, ist das doch ein viel größerer Skandal, über den wir uns viel deutlicher und lauter aufregen müssten. Und genau betrachtet den Rücktritt der gesamten Regierung fordern müssten, die solche Auffassungen teilt, aber nicht laut sagt.
@Werner Engelmann:
Sie haben meine Frage gründlich missverstanden. Ich wollte wissen, ob Sie persönlich Menschen mit Obrigkeits- und Adelshörigkeit kennen. Es interessiert mich überhaupt nicht, ob Sie Adlige kennen.
Zum spannenden Thema „Anti-Intellektualismus“: Zunächst wäre es in diesem Zusammenhang für mich von Interesse zu wissen, was Sie unter Intellektualität verstehen. Sind das Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hochschulabschluss? Gehören auch Menschen mit naturwissenschaftlichem Hochschulabschluss dazu? Meinen Sie Menschen, die gerne lesen? Auf mich treffen die letzten zwei Punkt zu, bin ich damit intellektuell oder fehlt mir die geisteswissenschaftliche Bildung?
Zum Thema „bunter Blätterwald“: Ich bezweifle ganz stark, dass die meisten, die in den klassischen Zeitungen, die beim Frisör oder beim Arzt ausliegen, blättern, sich in irgendeiner Art von geistigem Abhängigkeitsverhältnis mit Adligen befinden.
Im Übrigen finde ich die Gleichsetzung mit Adel und Obrigkeit völlig falsch. Natürlich bin ich von der Obrigkeit abhängig; befolge ich nicht die Gesetze, folgt die Strafe (z.B. mit Strafzetteln oder im Knast).
Das heißt aber noch lange nicht, dass ich alle Gesetze, die ich befolge, auch gut finde.
Das Thema „Anti-Intellektualismus und Antisemitismus“ gehört m. E. nicht in diesen Blog.
@5 Werner Engelmann
„Freilich müsste noch Einiges zum Kontext dazu: etwa Abgeordneten-Marionetten am Faden einer (unsichtbaren) Angela Merkel und ein dumpfer antiker „Unterstützer“-Chor.“
Zu dieser Passage Ihrer Zuschrift noch ein paar Worte. Jetzt, nachdem ich die nähere Begründung für die Aberkennung des Doktorgrades durch die Uni Bayreuth genau(er) gelesen habe, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen, warum der Schwindel- und Lügenbaron seine Doktorwürden überhaupt freiwilllig zurückgegeben, und warum er dazu so ein medienwirksames „demutgeladenes“ Theater veranstaltet hat. Die „Dinge“ waren offenkundig alle fein säuberlich abgesprochen bzw. „verabredet“, zwischen Merkel, „Gutti“ und der … Uni. Nachdem der Doktorgrad definitiv nicht mehr zu retten, und sozusagen als Sündenbock auserkoren war (weil diesmal dafür kein Kapitän, Staatssekretär oder Generalinspekteur herhalten konnte), machte „Gutti“ in schuldbewusster Demut und verzichtete freiwillig. Ohnehin eine Farce, zumal er in diesem Zusammenhang gar nix zu entscheiden hatte. Aber so war der verabredete Plan. Im Gegenzug für die „Freiwilligkeit“ hat ihm die Uni zugesagt, dass zwar offiziell aberkannt wird, aber von der Promotionskommision ausdrücklich NICHT mehr geprüft wird, ob Guttenberg BEWUSST getäuscht hat. „Folgerichtig“ bzw. absprachengemäß sagte der Präsident der Uni bei der gestrigen PK dann auch: „Die Uni habe darauf verzichtet zu prüfen, ob Guttenberg bewusst getäuscht habe, WEIL GUTTENBERG SELBST UM DIE RÜCKNAHME SEINER DISSERTATION GEBETEN HABE. Außerdem wäre die Prüfung, um eine Täuschung dezidiert nachzuweisen, ein längerer Prozess gewesen“.
Nun bin ich „erleuchtet“, jetzt habe sogar ich dieses niederträchtige Spielchen verstanden. Doktorgrad weg, wenn auch ein „schmerzlicher“ Verlust, wie „Gutti“ mit qualvoller Mimik bekundete, aber damit ist nicht nur der Fall erledigt, sondern die absolute Katastrophe verhindert worden, weil weitere Prüfungen von der Uni nicht erfolgen, zumal bei bewusster Täuschung ein Rücktritt und ggf. auch strafrechtliche Ermittlungen natürlich unvermeidbar gewesen wären. Der „Verlust“ der Doktorwürden war also das erheblich kleinere Übel. Damit das ganze Schmierenstück auch schnell in trockene Tücher gepackt werden konnte, hat die Uni über den „Verlust“ des Doktors auch so rasend schnell entschieden, schließlich war alles hübsch sauber mit „Gutti“ und besonders Merkel abgestimmt. Zu diesem üblen Schmierenstück heißt es dann, hinsichtlich der Merkel-Reaktion, bei tagesschau.de: Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Entscheidung der Universität als richtig und logisch. Sie liege „auf der Linie dessen, was der Verteidigungsminister vorgegeben hat. Sie macht daher Sinn.“ Das Votum zeige, dass zu Guttenberg mit seiner Selbsteinschätzung richtig liege. Der Minister sei durch die Uni-Entscheidung in seinem Amt nicht geschwächt. (Bemerkenswert Merkels Formulierung, „was der Verteidigungsminister VORGEGEBEN hat“. Sie hätte ehrlicherweise sagen müssen, was ich, die Kanzlerin, dem „Gutti“ vorgegeben habe, und „Gutti“ dann der Uni).
So läuft das in den heutigen Zeiten, lieber Herr Engelmann, das ist die Welt in der wir leben (müssen). Da nix mehr geprüft wird, kann der Schwindel- und Lügenbaron auch weiterhin behaupten, nicht gelogen und betrogen zu haben, es sei denn, der Ghostwriter wird ausfindig gemacht, wenn es ihn dann geben sollte. Wie heißt es doch schön: Ich kann gar nicht so viel essen wie … .
mfg
Jutta Rydzewski
Frau Merkels Aussagen sind Hybris in Reinform. Es ist erstaunlich und unglaublich, in welchem Tempo und in welcher Unbeirrtheit sich hier nicht nur ein einzelner Minister, sondern im gleichen Zug eine komplette Regierung mitsamt ihrer parlamentarischen Basis selbst moralisch bis auf die metaphorischen Knochen entäußert hat. Leider bis jetzt und wahrscheinlich auf Sicht folgenlos – nicht nur in dieser Hinsicht drängen sich Parallelen zu den Zuständen südlich der Alpen geradezu auf.
@ 10
Hallo Frau Rydzewski,
die Methode ist nicht neu, nur das diese so offen von unserer politischen Klasse praktiziert wird schon.
Gibt ja scheinbar auch genug Dumme die solches verhalten gut finden……wozu mir nur Heine einfällt1
MfG Karl Müller
Das erbärmliche Schmierenstück geht in die nächste Runde. Zunächst hieß es durch den Präsidenten, Rüdiger Bormann, die Uni Bayreuth habe darauf verzichtet zu prüfen, ob Guttenberg bewusst getäuscht habe, weil Guttenberg selbst um die Rücknahme seiner Dissertation gebeten habe. Näheres dazu in meiner Zuschrift @8. Nun heißt es bei tagesschau.de: Nach massiver Kritik – unter anderem vom SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz – rückte die Universität inzwischen von diesem Verzicht ab. Es werde geprüft, ob Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Promotionskommission mit seiner fehlerhaften Doktorarbeit getäuscht habe, so Bormann heute.
Offenbar ist da richtig was los, hinter den Kulissen, einschließlich der Uni Bayreuth. Vermutlich wird es in den nächsten Stunden wieder Meldungen geben, die das Ganze u.U. umkehren. Diese Republik ist mittlerweile wirklich ein Tollhaus. Und zu alle dem passen die neusten Vorwürfe gegen den Schwindel- und Lügenbaron. Sogar das „folgsame“ öffentlich-rechtliche Medium, die ARD bzw. tagesschau.de, traut sich immer mehr aus der Deckung. Unter der Überschrift „Minister kündigt Kampagne in Springer-Medien an“, wird darauf hingewiesen, dass in Werbeaktionen in „Bild“, „Bild am Sonntag“ und „Bild.de“, für zukünftiges Bundeswehrpersonal geworben werden soll. (Übrigens, für eine Bundeswehr, bei der es keine Wehrpflicht mehr gibt, sondern nur noch eine freiwillige … Wehrpflicht. Das Grundgesetz wird erneut „passend“ gemacht). Die Werbekampagne ist wohl so etwas wie ein Dankeschön von „Gutti“ an Springer und besonders BILD für eine Hofberichterstattung, die mittlerweile, sogar für BILD-Verhältnisse, zu einer bizarren und verlogenen Farce geworden ist.
Es ist einfach unglaublich, nein, es ist eine Schande, in welch eine erbärmliche Situation Frau Merkel das ganze Land bringt. Zur Zeit werden von dieser Kanzlerin grundsätzliche, ja, unantastbare Dinge in Frage gestellt. Mit ihrer Regierung und Partei kann sie meinetwegen dieses unwürdige Theater veranstalten, aber das Land bzw. die Menschen hat sie gefälligst mit diesem Schmutz nicht zu behelligen. Ein Mensch mit klarem Verstand kann sich ob dieser schwarz-gelben Regierungstruppe nur noch schämen. Besonders ein Trauerspiel für den abnickenden christdemokratischen und -sozialen Haufen, wenn ich mal den Herrn Lammert ausnehme, der zumindest durchblicken lässt, was er von dieser Staatsposse hält. Und das alles nur um dieses halbgare Früchtchen zu schützen, wegen einer angeblichen Beliebtheit, die sich auch immer mehr als manipuliert, erkauft, erstunken und erlogen herausstellt. Zu dieser volksverblödenen Umfragenkasperei der BILD und überhaupt, empfehle ich: http://www.spiegelfechter.com/wordpress/
mfg
Jutta Rydzewski
Nicht repräsentative Umfragen sind Kaffeesatz, eine Zeitung, die meint, ihre Ergebnisse würden derart etwas aussagen können, daß ein Platz des Ergebnisses in der Titelschlagzeile gerechtfertigt wäre, ist leider erbärmlich, ihre Journalisten im besten Fall ziemliche Simpel, weil sie die weitgehende Beliebigkeit der Ergebnisse scheinbar nicht in der Lage sind zu kapieren. Völlig unabhängig davon, wie ihre Ergebnisse aussehen (denn diese Ergebnisse sagen NICHT DAS GERINGSTE AUS), unabhängig von Online oder Telefon, unabhängig davon, ob die Zeitung irgendwo mehr oder minder versteckt darauf hinweist, daß die Umfrage nicht repräsentativ ist.
80 Mio. Deutsche könnten der Meinung sein, G. sollte zurücktreten, 100 Deutsche könnten meinen, G. sollte bleiben… wenn nur die 100 Deutschen bei BILD anrufen (aus welchen Gründen auch immer), dann könnte die die große Schlagzeile bringen:
100% meinen – Guttenberg soll bleiben!
… ja, und 80 Millionen meinen, er solle gehen… so schnell können 80 Millionen zu 0 Prozent mutieren.
Ausdrücklich anders gelagert sind die Umfragen von Infratest dimap im Auftrag der ARD, bei denen die Stichprobe eine repräsentative Zufallsauswahl/Randomstichprobe ist. Diese Umfragen (sowie die anderer namhafter Institute) haben einen Aussagewert.
@ Jutta Rydzewski, # 9,11, Wolfgang Fladung, # 57 (Innocence …)
Zunächst vielen Dank für die interessanten Informationen und den Links. Viele Augen sehen mehr, und wenn die Bestätigung aus einer gewissen Distanz mit neutraler Sicht kommt, dann ist das umso besser.
Wie schon an meinem Beitrag 5 erkenntlich ist, gehen meine Beobachtungen und Vermutungen exakt in die gleiche Richtung, besonders, was die Bundestagsdebatte angeht: eine Schmierenkomödie par excellence.
Nach meinem Eindruck war dabei alles auf drei Elementen aufgebaut:
a. das per Blitzumfrage „ermittelte“ „gesundene Volksempfinden“ gegen die „Nörgler und Miesmacher“ auszuspielen (Part Friedrich u.a.)
b. Mitleid für einen „reuigen Sünder“ erwecken (Part Guttenberg)
c. Herunterspielen und Verharmlosen („Fehler“, bloße „Fußnoten“)
Die Spiegelfechterartikel bestätigen offenbar, dass die so flugs paraten und passgerechten Blitz-Umfragen Teil des abgekarterten Spiels waren. Ihr Eindruck in # 10 und 13 (Innocence…) hat Sie also nicht betrogen, Jutta. Dafür Kompliment.
Ich würde Sie bitten, hier am Ball zu bleiben. Erkenntnisse über die internen Verflechtungen (personeller, finanzieller Art usw.) und die Möglichkeiten der Manipulation scheinen mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr wichtig.
Ziemlich klar scheint mir zu sein:
1. Was im ersten Moment als bloßes Affentheater erscheint, kann nur im Zusammenhang mit dem Schock von Hamburg (aus Sicht der Union) verstanden werden.
2. Es handelt sich nicht nur um ein abgekartertes Spiel, sondern um einen Strategiewechsel von Merkel & Co. in Hinblick auf Machterhalt mit allen nur denkbaren Mitteln.
3. Zu diesem Zweck wird auch eine tiefe Beschädigung der Rechtskultur in diesem Land in Kauf genommen.
Während ich dem Vergleich mit Berlusconi bisher sehr kritisch gegenüberstand, erscheint mir dieser, nach den neuesten Erkenntnissen, gar nicht mehr so abwegig.
Besonders wichtig erscheint mir im gegenwärtigen Stadium:
a. über das Stadium des bloßen „Dampfablassens“ hinauszukommen
b. Beobachtungen und Erkenntnisse auszuweiten und zu koordinieren, um zu einem exakten Bild der Akteure sowie der Strategie zu kommen
c. eine demokratische Gegenöffentlichkeit gegen die Geheimbündelei zu organisieren (BILD ist nicht das einzige Medium in diesem Land).
Um von Schritt a zu Schritt b zu kommen, erscheint es mir notwendig und hilfreich, die bisherigen Erkenntnisse zusammenzufassen und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
Zu diesem Zweck möchte ich im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Zeit spätestens bis Samstag (dann bin ich voraussichtlich für eine Woche erst mal weg vom Fenster) thesenartig ein vorläufiges Gesamtbild erarbeiten.
Für weitere Hinweise und Informationen in dieser Hinsicht wäre ich dankbar.
Freundliche Grüße
W.E.
# 13, W. Engelmann (nicht nur, sondern alle, die weiter gehen wollen): Wie wäre es mit einer Zusammenarbeiten mit den NachDenkSeiten von Albrecht Müller und Wolfgang Lieb?
(Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 )
Dort bietet sich sowohl die Möglichkeit der redaktionellen Mitarbeit als auch die der Mitarbeit in Gesprächskreisen an.
Bronski, ich denke, der Hinweis ist unverdächtig jedweder Parteienwerbung.
@ Katja Wolf, #7
Sie wollen wissen, was für mich „Intellektualität“ ist?
Wir könnten da wissenschaftlich vorgehen, über die Hintergründe von „Hand- und Kopfarbeit“ forschen, uns in zwei Jahren wieder treffen und die Ergebnisse vergleichen. Davon halte ich nicht so viel. In der Praxis sind Arbeitshypothesen völlig ausreichend, egal ob „Naturwisssenschaft“ oder „Geisteswissenschaft“. Ist diese Trennung schon methodisch höchst fragwürdig, ist sie, wenn es um ein Menschenbild geht, völlig unsinnig.
Dazu eine persönliche Bemerkung:
Mir fällt da eine Deutschlehrerin ein, die damit kokettierte, von Mathematik keine Ahnung zu haben – so als ob eine Tugend wäre, ohne jegliche Logik in Texten herumzufuchteln. Da ich dies schon als Student in Tübingen für Unsinn hielt, habe ich mich beim Kultusministerium in Stuttgart um eine Sondergenehmigung für die (sonst fürs Lehramt ausgeschlossene) Fächerkombination Deutsch und Physik bemüht und diese auch mit anerkennenden Worten bekommen. Das war aufgrund der enormen Arbeitsbelastung (Mathematik als weiteres Hauptfach war dabei faktisch Pflicht) nicht durchzuhalten. Nur habe ich dann nicht eine auf Guttenberg gemimt, sondern rechtzeitig Schlüsse daraus gezogen und die Kombination gewechselt. Dennoch habe ich den Versuch nicht bereut, denn er hat meine Herangehensweise auch in meinen Fächern entscheidend geprägt.
Zurück zum Thema:
Persönlich halte ich als Maxime die Kantsche Definition von „Aufklärung“ für völlig ausreichend:
„Habe MUT, dich deines VERSTANDES zu bedienen!“ – „Mut“ wird französisch auch mit „coeur“/„Herz“ übersetzt: „Rodrigue, as-tu du coeur?“ (Corneille).
Hier ist klar ausgedrückt, dass die reine Verstandesfunktion nicht von emotiven menschlichen Fähigkeiten abgetrennt werden darf, und schon gar nicht von Moral. So kann auch eine Frau Merkel einen Baron zu Guttenberg nicht in einen Menschen und einen Minister aufspalten, ohne die Grundlagen nicht nur des abendländischen Menschenbilds und Moralverständnisses vor allem seit der Aufklärung zu verraten.
Anti-Intellektualismus, wie ihn der Baron und die Kanzlerin via BILD betreiben, hat also sehr wohl etwas mit dem Thema zu tun, soll doch hiermit der eigene Verrat kaschiert werden. Und ebenso ist auch der Hinweis auf Anti-Intellektualismus im antisemitischen Weltbild sehr berechtigt, wo er auf eklatante Weise manifest wird. Denn immer noch gilt die Lehre: „Wer sich mit Fehlern der Vergangenheit nicht auseinandersetzen will, ist gezwungen, sie zu wiederholen.“ (Ich möchte auch hier nicht den Guttenberg machen, weiß aber nicht mehr genau, von wem das Zitat stammt. Ich glaube, es war Weizsäcker.)
Hierbei (und darum geht es im Wesentlichen bei der BILD/Merkel/Guttenberg-Kampagne) ist die korrekte Definition von „Intellektualität“ völlig unerheblich. Entscheidend ist allein, was das „gesunde“ (!) „Volksempfinden“ davon hält, oder besser: davon zu halten hat. Und das ist gegenüber Menschen, denen man sich geistig unterlegen glaubt, von Komplexen einerseits, Unterwürfigkeitsgesten andererseits geprägt (wobei ich dies hier nicht arrogant wertend verstehe, sondern deskriptiv-analytisch im Sinne einer Freudschen Analyse). Die bis zum Erbrechen zitierten Zuschriften („Ich verstehe dieses Geschrei nicht“, „nur ein paar Fußnoten vergessen“ u.a.) belegen zu Genüge diese Ignoranz gegenüber allem, was das Materielle übersteigt, und dessen Geringschätzung (Christa Sager hat in der Bundestagsdebatte darauf hingewiesen).
Dass diesem kruden Materialismus nicht nur gefrönt wird (und das von einer Partei, die das hohe „C“ in ihrem Namen führt !), sondern diese Vorurteile gezielt geschürt werden, darin besteht ja gerade die Infamie der BILD/Merkel/Guttenberg-Kampagne und ihrer parlamentarischen und außerparlamentarischen Marionetten. Und dass in Kauf genommen wird, dass dabei eine in Jahrhunderten erkämpfte Rechtskultur vor die Hunde geht. Und wenn dies dann, nach brav abgesprochener Rollenverteilung, teils mit höhnischem Grinsen (Alexander Dobrindt), teils mit verlogen-eingeübter Demutsgeste (zu Guttenberg), vor dem Hintergrund eines nicht in Erscheinung tretenden und doch stets präsenten Über-Ich-Geist (Merkel/BILD) in einem „Hohen“ Haus Namens „Bundestag“ aufgeführt wird, dann wird es schon ziemlich gespenstisch.
Und damit zur letzten, sicher wichtigen Frage: Was macht denn solche „Intellektuelle“ (wie etwa Herrn Dr. Lauterbach) so gefährlich? – Vielleicht, weil sie zumindest von den geistigen Kapazitäten her in der Lage sind, solche Machenschaften zu durchschauen. Und weil sie fähig sind darzulegen, dass hinter vermeintlichen „Fußnoten“ eine ganze Rechtskultur stehen kann. – Dies freilich nur unter der Voraussetzung der Kantschen Definition, dass ihnen dabei nicht der „Mut“ abhanden kommt.
Shakespeare hat das alles in „Julius Cäsar“ viel schöner ausgedrückt – und ich könnte mir das als Vorlage für eine Aufführung vorstellen, die mal keine Schmierenkomödie wäre:
Cäsar/Guttenberg – Merkel als Schattengestalt im Hintergrund schwebend:
„Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein,
mit glatten Köpfen und die nachts gut schlafen!
Der Cassius dort hat einen trüben Blick.
Er denkt zu viel – die Leute sind gefährlich!“
Antonius/Dobrindt:
„Begraben will ich Cäsarn, nicht ihn preisen.
Was Menschen Übles tun, das überlebt sie.
Das Gute wird mit ihnen oft begraben. (…)
Der edle Brutus sagt, dass er voll Herrschsucht war;
Und war er das, so war’s ein schwer Vergehen.
Und schwer hat Caesar auch dafür gebüßt.“
(Im Hintergrund leckt Brutus/Dr.Lauterbach lüstern von einem erhobenen Schwert das Blut ab.)
Antonius/Dobrindt:
„Wenn Arme zu ihm kamen, weinte Cäsar.
Die Herrschsucht sollt‘ aus härterm Stoff bestehen.“
(Cäsar/Guttenberg mit Trauermiene, eine Träne rinnt über die Wange, Rufe aus dem Publikum)
Antonius/Dobrindt,
„Seid ruhig, liebe Freunde! Ich darf das Testament nicht lesen.
Ihr müsst nicht wissen, wie euch Cäsar liebte.
Ihr dürft nicht wissen, dass ihr ihn beerbt.
Ich fürcht, ich tu den ehrenwerten Männern
Zu nah, von deren Dolchen Cäsar fiel.“
(Im Hintergrund reckt Brutus/Dr.Lauterbach das Schwert hoch.)
Stimmen aus dem Publikum:
„Sie waren Bösewichter, Mörder! Das Testament!
Lest das Testament!“
Antonius/Dobrindt;
„So zwingt ihr mich, das Testament zu lesen?
Schließt einen Kreis um Cäsar denn!“
(mit Marionetten einen Kreis um Cäsar/Guttenberg bildend)
„Sofern ihr Tränen habt, bereitet euch,
Sie jetzo zu vergießen.
Ich habe weder Schriftliches noch Worte,
Der Menschen Blut zu reizen. – Nein,
Ich zeig euch des geliebten Cäsars Wunden.“
(Schluchzen von oben, dann aus dem Hintergrund, schließlich aus dem Publikum)
„Aber wär‘ ich Brutus, und Brutus Marc Anton!
Dann gäb‘ es einen, der eure Geister schürt‘,
Die Steine Roms zum Aufstand würd‘ empören.“
Stimmen aus dem Publikum:
„Empörung! Steckt des Brutus Haus in Brand!“
(Brutus/Dr.Lauterbach im Hintergrund reckt noch einmal das Schwert, hält plötzlich inne, ergreift die Flucht)
Wütende Schreie aus dem Publikum, dann:
„Hinweg denn! Kommt, sucht die Verschwornen auf!“
Sie rennen alle mit erhobenen Fäusten von der Bühne.
Cäsar/Guttenberg bleibt grinsend zurück. Im Hintergrund, überlebensgroß, Merkel als Schattengestalt.
Und weiter im Text: http://www.fr-online.de/politik/vom-tarnen-und-taeuschen/-/1472596/7406630/-/index.html. Nach einer anfänglichen erstaunlichen „Schüchternheit“ positioniert sich die Uni Bayreuth nunmehr klar und deutlich. Es deutet alles daraufhin, dass der Schwindel- und Lügenbaron nicht mehr lange im Amt sein wird. Die Uni Bayreuth, namhafte Wissenschaftler usw. nehmen kein Blatt mehr vor den Mund, und das ist auch sehr „gutt“ so. Für mich ist „gutt“ vorstellbar, dass auch „Mutti“ Merkel inzwischen von der Einsicht überfraut wurde, ihren Doppelmenschen, einerseits Minister, andererseits Wissenschaftler, nicht mehr halten zu können. Wenn schon nicht Schaden vom deutschen Volk, so will sie sicherlich weiteren Schaden von sich selbst abwenden. Sogar die Hofnarren von der „BILD“ scheinen sich langsam abzusetzen. Wenn „Mutti“ bei Frieda Springer „Feuer frei“ auf den „Gutti“ gibt (vielleicht ist das schon geschehen), wird auch die letzte und größte Bastion fallen, und dann ist der ehemalige überfliegende Strahlemann schneller weg als sein Doktorgrad, und das ganze Land könnte aufatmen.
mfg
Jutta Rydzewski
Wir zeigen dem Lügenbaron den Schuh!:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/5170/wir-zeigen-dem-lugenbaron-den-schuh#comments
@15 Werner Engelmann
Klasse Beitrag, lieber Herr Engelmann. Insbesondere der Hinweis auf Immanuel Kant: Sapere aude. Der im letzten Jahr verstorbene britische Historiker, Tony Judt, hat kurz vor seinem Tode u.a. gesagt:
Ich habe den Eindruck, dass wir den Kontakt zu der Sprache verloren haben. Außerdem haben wir aufgehört, wie eine Gesellschaft zu denken, und stellen uns stattdessen als ein Bündel individueller Interessen dar.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussehen mag, was Tony Judt zum Ausdruck gebracht hat, gehört ebenfalls … zum Thema.
mfg
Jutta Rydzewski
@Jutta Rydzewski
Ihre Analysen finde ich zutreffend, aber Ihr Fazit klingt mir etwas zu – hm – naiv. Sollte tatsächlich „das ganze Land aufatmen können“, wenn Guttenberg nicht mehr Verteidigungsminister ist? Spätestens seit den letzten Bundestagsdebatten ist er doch nicht mehr nur ein einzelner Täuscher und Blender, sondern gleichsam das Symptom der moralischen Verkommenheit einer kompletten Regierung mitsamt ihrer parlamentarischen Mehrheit. Siehe z.B. mein Beitrag #9 oben sowie diverse in die gleiche Richtung gehenden Beiträge hier und im Parallelblog „Innocence in danger“ – auch der dezidiert konservativ argumentierende Mitblogger Max Wedell konstatiert ein generelles „Anstandsproblem“.
Selbst wenn Guttenberg nach dem Doktortitel auch das Ministeramt verlieren sollte, bleibt doch die moralische Decouvrierung der Regierung und der Mehrheitsfraktionen im Parlament bestehen. Das halte ich für äußerst bedenklich – wie gleichermaßen auch z.B. Werner Engelmann in Beitrag #13 in diesem Blog oder Hans-Ulrich Hauschild in Beitrag #61 im Parallelblog „Innocence in danger“. Fast möchte man vor diesem Hintergrund wollen, dass Guttenberg noch ein wenig länger im Amt und damit im Brennpunkt bleibt, um zu verhindern, dass sich Frau Merkel durch eine Entlassung jetzt (nachdem sie zuvor mit ihren Äußerungen zu der Causa gewissermaßen der Werteverhöhnung die Spitze aufgesetzt hat) in ein besseres Licht setzt als es ihr zukommt. Der Austausch eines Ministers reicht (zumindest mir) nicht aus, um auch nur einen Teil des verlorenen, nein, selbst aufgegebenen Anstandes zurückzugewinnen.
Ich möchte auf einen Beitrag der heutigen NachDenkSeiten hinweisen, (Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 ), in welchem vermutet wird, daß von Guttenberg als Verteidigungsminister gehalten werden soll und muß, um „den Krieg als eine akzeptable Möglichkeit zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen erscheinen zu lassen und die Bundeswehr auf die Funktion einer Interventionsarmee hin zu trimmen.“
Unwahrscheinlich bzw. Unmöglich? Was, wenn die Unruhen im Nahen und Mittleren Osten massiv unsere Öl- und Gasversorgung in Europa gefährden? Dann könnte man doch versucht sein, im Zuge des Schutzes von Ausländern im Lande, der Unterstützung demokratischer Kräfte (das „Nation Building“ der Bush-Administration) und der Sicherung der Grundversorgung in den Ländern (Lebensmittelversorgung in Libyen gefährdet) ein wenig helfend einzugreifen. Muß ja nicht immer, wie im Irak, schief gehen, und wenn wieder mal Blut für Öl fließt, ist es ganz sicher kein blaues.
18.# dreas
Ich denke dass ich in mehreren Beiträgen hinreichend deutlich gemacht habe, dass es hier wahrlich nicht nur oder gar ausschließlich um den Schwindel- und Lügenbaron geht. So wichtig ist dieses, zumindest für mich, kleine Früchtchen nun wirklich nicht. Ich weiß auch gar nicht, wo „Gutti“ das Tolle sitzen haben soll. Für mich ist er ein Flummi, der mich eher belustigt. Eigentlich traurig, für die eigene Wahrnehmung bzw. Beurteilung, wenn so genannte Eliten, BILD-Leser und sonstige Guttenberger, „Gutti“ als so, in jeder Hinsicht, herausragend darzustellen. Lustig finde ich es immer, wenn „Gutti“ rot wird. Aber das nur am Rande. Also, natürlich geht es nicht nur um Guttenberg, ich befürchte für das ganze Land weitere, ich betone weitere, erhebliche negative Auswirkungen. In der Tat, es fehlt höchsten politischen und auch sonstigen gesellschaftlichen Repräsentanten/Prominenten bereits an Anstand, teilweise sogar schon an einem Minimum davon. Insofern stimme ich Ihren Ausführungen zu. Allerdings ist diese „unanständige“ Entwicklung schon seit vielen Jahren, in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen, im vollen Gange. Dabei ist nicht nur fehlender Anstand zu beobachten, sondern widerliche Hetzerei, Rassismus, verdeckte und auch offene Menschenverachtung, Verächtlichmachung, Hassverbreitung usw. usw.. In diesem Zusammenhang möchte ich nur, neben vielen anderen, zwei Stichworte geben: Sarrazin und Hartz IV. Eben, wegen dieser und anderer „Vorgänger“ ist die Causa Guttenberg besonders fatal. Deshalb wäre es auch für das ganze Land gut, wenn der Schwindel- und Lügenbaron weg ist. Das Land könnte quasi einmal kurz und „anständig“ auf- bzw. durchatmen. Die angesprochenen Probleme, was den menschlichen Umgang grundsätzlich anbelangt, wie die Gesellschaft mit denen umgeht, die nicht auf der Sonnenseite stehen, um das mal unverdächtig auszudrücken, und nicht den Schwachsinn von den sozial Schwachen nachzuklappern, wären allerdings, auch bei einem Rücktritt oder Rauswurf Guttenbergs, noch lange nicht gelöst. In diesem Zusammenhang erinnere ich an „Deutsche Zustände“, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die Rheingold-Jugendstudie usw. usw.. Ich hoffe, meine Naivität hält sich doch noch in erträglichen Grenzen.;-) Außerdem habe ich nichts gegen naive oder gar träumerische Menschen. Ich halte es da mit Mark Twain: Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du zwar weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.
Übrigens, fragen Sie doch mal, hinsichtlich von Anstand, „dezidiert konservativ argumentierende Mitblogger“, was sie von Sarrazin oder der jämmerlichen Hartz IV-Debatte halten. Die Angelegenheit Guttenberg ist so eindeutig, dass sich auch „dezidiert konservativ argumentierende Mitblogger“ schlicht lächerlich machen, wenn sie die BILD-Position einnehmen würden, zumindest die „dezidiert konservativ argumentierende Mitblogger“, die nicht ganz BILD-verdeppert sind.;-))
mfg
Jutta Rydzewski
PS: Um das ganz deutlich zu machen: Erheblich schlimmer ist das Verhalten von Frau Merkel, das ist sogar beschämend. Und denken Sie an meine Worte, sie wird sich davon „befreien“, in dem sie „Gutti“ nicht mehr „schützt“. Dann kann sie mal wieder, nach alter merkel-iger Sitte, mit traurigem Augenaufschlag ihre unerträglichen Allgemeinplätze abgeben nach dem Motto: Schweren Herzens habe ich dem Wunsche von Herrn zu Guttenberg entsprochen, dass er von seinem Amt zurücktritt. Ich bedanke mich ganz herzlich … usw. usw..
@ Wolfgang Fladung am 25. Februar 2011 um 15:39:
Genau auf diese Frage hat Karl Lennartz aus Aachen in seinem Leserbrief hingewiesen und ich habe das am 24.2. aufgegriffen. Aber diese nicht unwichtigen Anmerkungen gehen hier wohl unter.
zu v. Guttenberg.
Da gibt es doch auch den sagenhaften Doktorvater der seine Arbeit mit der Bestnote versehen hat.
Mein Vorschlag: Beide in die Versenkung, Graf und Doktorvater.
# 21, I. Werner, mit Bezug auf Leserbrief von Karl Lennartz:
Danke für den Hinweis, Sie haben Recht. Auch ich muß zugeben, daß ich beim Formulieren eigener Gedanken und Aufgreifen anderer Anregungen nicht immer den kompletten Blog durchschaue. Aber ich sehe das auch positiv – somit wird dieses wichtige Thema nochmals aufgegriffen, und geht damit – hoffentlich- auch nicht unter.
@Jutta Rydzewski
Eben drum… Mein Beitrag war ja nicht als Gegenrede zu Ihrer #16 gemeint, sondern als Reaktion darauf, dass Ihr Fazit in diesem Beitrag – für mich unerwartet – nur auf die Person Guttenberg gemünzt war. Naivität kann in der Tat auch in politischen Debatten, selbst in der Wissenschaft ihren Platz dort haben, wo es darum geht, Probleme zu erkennen und Fragen aufzuwerfen. Wo es um Schlussfolgerungen geht, bringt einen allerdings der analytische Verstand vermutlich eher weiter.
In der Sache Guttenberg tut sich nun in der Tat ein gewisses Dilemma auf. Wird er im Amt gehalten, bestärkt dies gerade im konservativen Lager die Haltung, dass Politik im Wesentlichen dem Machterhalt zu dienen habe (das System Berlusconi). Wird er auf gut Merkelsche Art kühl-elegant entsorgt, suggeriert dies Korrektheit und Ehrlichkeit, wo keine ist.
In diesem Zusammenhang ist für mich nicht nachvollziehbar, warum sich die parlamentarische Opposition weiterhin so sehr auf die Person Guttenberg kapriziert. Für jeden unvoreingenommenen Betrachter hat sich der Mann bereits jetzt umfassend unmöglich gemacht. Weitere auf die Person bezogene Vorwürfe, so berechtigt sie auch sein mögen, bestärken vermutlich eher die Wagenburgmentalität der Regierung und ihrer parlamentarischen Basis. Besser wäre es womöglich, mit der Person Guttenberg befassten sich ab jetzt Staatsanwaltschaft und ggf. Gerichte (gerne unter kritischer öffentlicher Beobachtung), während die Opposition im Parlament auf breiterer Basis das pervertierte Werteverständnis der Regierung thematisierte.
Ihrem Hinweis darauf, dass Werte wie „Anstand“ und „Wahrhaftigkeit“ auch in z.B. der Sarrazin-Debatte oder den Diskussionen um den Hartz IV-Regelsatz schon lange keinen Platz mehr haben, ist uneingeschränkt zuzustimmen. Leider auch für die Blogosphäre.
@Wolfgang Fladung, #19
„Ich möchte auf einen Beitrag der heutigen NachDenkSeiten hinweisen, (Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 ), in welchem vermutet wird, daß von Guttenberg als Verteidigungsminister gehalten werden soll und muß, um ‚den Krieg als eine akzeptable Möglichkeit zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen erscheinen zu lassen und die Bundeswehr auf die Funktion einer Interventionsarmee hin zu trimmen.'“
Ich weiß nicht, ob dieser „verschwörungstheoretische“ Ansatz, besagte Tendenzen an der Person Guttenberg festzumachen, unbedingt zielführend ist. Das Wesen von Verschwörungen liegt ja gerade darin, möglichst unerkannt bleiben zu wollen. Wenn also lediglich „gewisse unerkannt bleiben wollende Kreise“ Guttenberg als Mittel zur Durchsetzung eigener Ziele eingesetzt hätten, hätten sie ihn jetzt wahrscheinlich schneller fallen lassen als man eine Zeitungsseite umblättern kann, um einen „unbelasteten“ Nachfolger zu installieren. Das soll, wie gesagt, nicht heißen, dass es besagte Tendenzen nicht gäbe und auch nicht, dass Guttenberg nicht damit identifiziert werden könnte. Es soll lediglich zeigen, dass man nicht aus einer Korrelation eine „verschwörungstheoretische“ Kausalität konstruieren muss, um das Eine wie den Anderen zu kritisieren.
(Das Problem mit „verschwörungstheoretischen“ Ansatzen ist, dass man die „Verschwörer“ einerseits für unglaublich schlau halten muss, weil angenommen wird, dass sie es schafften, ihre Ziele unerkannt zu realisieren, und andererseits gleichzeitig für unglaublich dumm, weil typischerweise behauptet wird, jeder klar denkende Mensch könne diese Verschwörung mit einfachsten Mitteln aufdecken. Darum halte ich mich bei der Hypothesenbildung lieber an Ockhams Skalpell/Rasiermesser – siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser.)
@21 I. Werner
„Genau auf diese Frage hat Karl Lennartz aus Aachen in seinem Leserbrief hingewiesen und ich habe das am 24.2. aufgegriffen. Aber diese nicht unwichtigen Anmerkungen gehen hier wohl unter.“
Nein, diese in der Tat nicht unwichtigen Anmerkungen sind keineswegs hier untergegangen. Wenn Sie mal unter
http://www.frblog.de/plagiat/#comment-31990 schauen möchten, da wird dieser Aspekt u.a. auch „behandelt“. Allerdings befindet sich der Beitrag im ersten Guttenberg-Thread. Aber Herr Fladung hat schon völlig recht, es ist nicht immer einfach alles im Blick zu haben. (Letzteres hätte fast von Herrn zu Guttenberg stammen können);-)
mfg
Jutta Rydzewski
@23 Wolfgang Fladung
Zu den Guttenbergischen militärischen Großmachtsträumen kann ich etwas beitragen, zumal Sie ja gerne zusätzliche Informationen haben möchten. Von wegen lediglich Wirtschaftswege militärisch „schützen“, wie es unser „Hotte“ einst gemeint hatte. Da geht der „Gutti“ aber ganz anders ran:
Am 12.01.2011 gab es den so genannten „Welt“-Wirtschaftsgipfel, wobei mit Welt das Springerblatt gemeint ist. Friede Springer gab sich die Ehre, und alles was Rang und Namen hat folgte ihrem Ruf. An der Spitze natürlich ihre Freundin Angela Merkel, mit den Ministern Brüderle, Westerwelle, Schäuble, von der Leyen, und natürlich dem damaligen Shooting-Star und noch-Dr. zu Guttenberg. Aus der Wirtschaft die üblichen „Verdächtigen“, Deutsche Bank-Ackermann, Appel von der Post, Cromme von ThyssenKrupp. Löscher von Siemens, Grube von der Bahn, Großmann von RWE usw. usw.. Dann wurde mal so richtig vom „zähen“ Leder gezogen, wie und wo es in Europa, unter deutscher Führung, versteht sich, zukünftig langzugehen hat. „Solidarität ist kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg“, betonte Frau Merkel vor 60 Top-Managern und Politikern im Berliner Axel-Springer-Haus. Völlig klar und Merkel-konsequent. Deshalb gerät ja auch der Sozialstaat (Art.20 GG), damit der Rechtsstaat und die Demokratie in Deutschland immer mehr unter die Räder. Merkel weiter: „Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sich Europa an den Stärkeren orientiert.“ Aha, am deutschen Wesen soll zumindest Europa genesen (die Welt, die richtige, nicht die von Springer, kommt dann ein bisschen später). Verstanden, Frau Merkel. Nachdem die Chefin den Kurs vorgegeben hatte, konnte und wollte natürlich Karl-Theodor auch nicht zurückstehen, und begab mit seinem berühmten federnden und „windhundflinken“ Schritt ans Rednerpult: „Deutschland müsse als wirtschaftlich stärkstes Euro-Land bereit sein Führung zeigen“, posaunte der Baron taff in die Runde, und fügte noch hinzu: „Führung auch für den gesellschaftlichen und militärischen Bereich“. Auch verstanden, Herr „Flummi“, pardon, Herr Führer natürlich. Und weil das so ist, braucht Deutschland natürlich zukünftig eine kriseninterventionistische, freiwillige Söldnertruppe, die überall auf der Welt für „deutsche“ Ordnung sorgt, denn schließlich sind „wir“ ja wieder wer. Wie bitte, das richtet sich aber gegen das Grundgesetz? Was interessiert hier das Grundgesetz, es geht, neben anderen, auch um militärische deutsche Stärke, da hat das Grundgesetz, wenn es nicht passend gemacht werden kann, gefälligst außen vor zu bleiben. KLAR?? JAWOLL!!!
Bei der Gelegenheit möchte ich noch auf einen Artikel verweisen, den Stephan Hebel am 19.10.2010 verfasste, als die glanzvolle Guttenberg-Welt noch in Ordnung war. Offenbar kennt sich Herr Hebel mit „Guttenbergers“ sehr „gutt“ aus. Ist ja fast schon eine weise Prophezeiung, was der Mann in seinem Artikel geschrieben hat, und deshalb wärmstens zu empfehlen: http://www.fr-online.de/politik/boeses-erwachen-mit-guttenberg/-/1472596/4756432/-/index.html
mfg
Jutta Rydzewski
Danke, Frau Rydzewski, für den Hebel-Hinweis. Haut eigentlich genau in meine Kerbe. Die ganze Kritik am Freiherrn nützt nichts, solange das DEUTSCHE VOLK geschlossen hinter ihm steht. Er ist eine Symbolfigur für all das, was uns erwartet (oder erwarten könnte). Weder von Berlusconi, noch von Sarkozy, geschweige von Herrn Orban in Ungarn können wir das erwarten, was wir uns von Demokratie wünschen, und darunter verstehen, denn, „L’etat, c’est moi“.
All diese Herren, und wahrscheinlich auch jetzt Damen, siehe Merkel, neigen dazu, ihre Haltung zu dem, was richtig ist und sein muß, als Maßstab aller Dinge zu definieren.
Nur schade, daß der durch Schule (Leistungsprinzip primär, wir schulen Funktionen, nicht Menschen) und Medien inzwischen verblödete Deutsche dies nicht mehr rafft, und auch, und das gilt nicht nur für Guttenberg, auch dem letzten Deppen zujubelt, wenn dieser nur irgendwie nett und symphatisch rüberkommt.
Meine Frau ist da immer die skeptischere in der Familie, und sie hat mich heute wieder gefragt: Zustimmung für Guttenberg über 70%, trotz aller Berichterstattung, und mit all diesen Durchhalteparolen „ging durch ein Stahlbad“ (Norbert Geiß), und dann ihre Frage: „Und Du, mein Lieber – bist Du immer noch für Volksbefragungen???“
Ich kann zu dem Baron Münchhausen 2011 nur folgendes sagen. Vor ein paar Wochen hätte ich noch gesagt Verhältnisse wie in Italien sind in Deutschland nicht möglich. Diese Illusion wurde mir inzwischen auch genommen
Plagiat?
Wozu die Aufregung?
Es handelt sich um
Intertextualität,
Collage,
Montage-
technik,
um ein Pastiche
(franz. v. ital. pasticcio=
Pastete),
die aus Stücken
nach Komponisten
zusammengesetzte Flickoper,
um genaue Nachahmung
des Stils eines Autors
unter Vermeidung
eines Individualstils,
unabsichtlich
aus Mangel
an eigenem
Persönlichkeitsbewusstsein,
um schöpferische Aneignungsprozesse,
e pluribus unum,
aus vielem eines,
aus dem
Verteidigungsministeriumssekretariat.
Summa cum laude
plagiarius (lat.):
Menschenräuber
Sklavenhändler
Seelenverkäufer
(Anm.: Dies sind,
fast nur,
Zitate)
Manfred Jobst
Die Guttenberg-Affäre, die anfangs als eine bloße Geschichte von persönlichen Verfehlungen eines Ministers – eine von vielen – erschien, hat sich längst zur Staatsaffäre ausgewachsen. Dies bestätigt gerade auch, entgegen ihres Versuchs, alles zu einer lächerlichen „Fußnoten-Affäre“ herunterzuspielen, die große und emotionsgeladene Verteidigungsfront des Ministers. Kennzeichnend für Strategien, unangenehme und evt. gefährliche Diskussionen möglichst im Keim zu ersticken, ist die Ablenkung der Diskussion auf Nebenkriegsschauplätze und in Sackgassen. Dem kommt die Fülle der nahezu stündlich neuen Informationen, die unübersehbare und nicht klar festzumachende Zahl der Akteure und die Vielzahl der Aspekte entgegen, die es schwer macht, den Überblick zu behalten. Nun kann der einzelne Blogger nicht nach Gutdünken über einen ganzen Beamtenapparat zur Aufarbeitung verfügen wie ein Minister, der eingestandenermaßen in eigenen privaten Angelegenheiten völlig den „Überblick verloren“ hat, aber dennoch (unter großem Beifall) den Anschein erwecken will, in seinen dienstlichen Angelegenheit jederzeit den perfekten Überblick zu bewahren.
Um die Konzentration der Diskussion auf die entscheidenden Aspekte zu erleichtern und nicht auf die genannten Ablenkungsmanöver hereinzufallen, präsentiere ich den Blog-Diskutanten im Folgenden den versprochenen Überblick über die Faktenlage, gefolgt von thesenartigen Interpretationsansätzen, die vor allem die Folgen der Affäre und mögliche Gegenmaßnahmen in den Vordergrund stellen.
Hilfreich für diese Arbeit ist die recht ausführliche Dokumentation „Meister der Verführung“ von Viktor Funk und Steffen Hebestreit in der FR vom 26./27.2., S.22-24, die jedoch nicht klar genug nach Faktenlage, Akteuren und Interpretationen gliedert ist.
Man möge mir nachsehen, dass es in der Kürze der Zeit unmöglich ist, wie es wünschenswert wäre, die bereits vorhandenen Blog-Beiträge den einzelnen Aspekten zuzuordnen. Vielleicht wäre es jemandem möglich (da ich in der kommenden Woche wegen einer Reise nicht oder nur sehr sporadisch anwesend sein werde), dies entsprechend nachzuholen.
Teil I: ZUR FAKTENLAGE
1. Die Aufdeckungsarbeit
a. Die FAZ deckt auf, dass die Einleitung der Doktorarbeit zu Guttenbergs in großen Teilen ohne Kennzeichnung als Zitat wörtlich einem Artikel der Politik-Professorin Barbara Zehnpfennig von 1997 entnommen ist (16.2.)
b. Eine immer größer werdende Internetgemeinde überprüft die Vorwürfe des Juraprofessors Fischer-Lescano an der 475seitigen Doktorarbeit zu Guttenbergs. Sie entdeckt auf 270 Seiten (68,7 %) Plagiate. Sie sind so stümperhaft, dass nicht einmal offensichtliche Stilbrüche geglättet wurden (vgl. FR, 22.2.,S.1, 6/7)
c. Fast parallel dazu wird bekannt, dass zu Guttenberg darüber hinaus, ohne die vorgeschriebene Genehmigung, sich auch der Recherchen des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung (zuerst ist von 4, dann von 6 die Rede) bedient hat und diese seitenweise ohne Kennzeichnung in seine Doktorarbeit eingearbeitet hat. (FR, 23.2.,S.1)
d. Ein ehemaliger Bundeswehroffizier kündigt Strafanzeige gegen zu Guttenberg wegen Titelmissbrauchs an. (FR, 23.2.,S.7)
Dass neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen gegen zu Gutenberg in Frage kommen, wird in der FR vom 24.2.,S.6 bestätigt. Dazu bedürfe es keines Strafantrags des Bundestags, sondern lediglich die Feststellung des öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft. Bei Feststellung der Verletzung des Urheberrechts drohe zu Guttenberg eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. (ebd.)
e. An der Universität Bayreuth, wo der Doktorvater Prof. Peter Häberle zu Guttenbergs Arbeit mit „summa cum laude“ bewertet hat, löst die Affäre erhebliche Unruhe aus. Der Sprecher der Universität, Frank Schmälzle, bezeichnet diesen Fall einer drohenden Aberkennung des Doktortitels als „absoluten Einzelfall“. Studenten fürchten um den Ruf der Universität. (FR,23.2.,S.7)
f. Nach „Schweiz Magazin“ (24.2.) ist zu Guttenbergs Doktorvater Häberle „unauffindbar abgetaucht und versteckt sich an einem unbekannten Ort“.
Zugleich wirft das Magazin die Frage auf, was Prof. Häberle „von der 747.764 Euro-Spende an die Universität Bayreuth in den Jahren 1999 bis 2006 (wusste), die offiziell von der Rhön Klinikum AG kamen, bei der Guttenberg im Aufsichtsrat saß“ (vgl. Beitrag # 57 von Wolfgang Fladung im Thread „Innocence in danger“).
g. Die Universität Bayreuth erkennt nach Prüfung im Eilverfahren zu Guttenberg den Doktortitel ab. Sie verzichtet dabei auf eine Überprüfung des Vorwurfs der bewussten Täuschung, weil „zu Guttenberg selbst um die Rücknahme seiner Dissertation gebeten“ habe. Zur Frage, ob eine solche Absprache mit dem Betroffenen nach Promo¬tionsordnung überhaupt zulässig ist, wird nichts gesagt. (vgl. Beitrag # 8, Jutta Rydzewski im Thread „Schlag-seite“, 22.2.) Später wird bekannt, dass die Universität zum Vorwurf des vorsätzlichen Plagiats angeblich doch weiter ermittle (FR, 25.2.,S.1).
2. Die Hauptakteure/ Reaktionen
a. Kanzlerin Merkel bestellt zu Guttenberg unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Afghanistan ein (18.2.) Über den Inhalt der geheimen Absprachen ist bisher nichts an die Öffentlichkeit gedrungen.
b. Zu Guttenberg brüskiert die gesamte Hauptstadtpresse, die auf einer Pressekonferenz eine Stellungnahme erwartet. Stattdessen gibt er vor einem ausgewählten TV-Team ohne jegliche Rückfrage eine kurze „Erklärung“ ab. (18.2.) Später entschuldigt er sich mit angeblichen Terminproblemen.
c. Bei seinen offiziellen Erklärungen wählt zu Gutenberg die Salami-Taktik:
– zuerst (nach Ankunft aus Afghanistan) bezeichnet er alle Vorwürfe als „abstrus“
– dann spricht er, in unpersönlicher Form, von „Fehlern“, will „vorübergehend“ auf den Doktortitel verzichten (was gar nicht möglich ist)
– zuletzt (nach, wie er sagt, Prüfung seiner Arbeit am Wochenende), gibt er „gravierende“ Fehler zu, spricht verallgemeinernd von „Blödsinn“ und bringt erklärend seine Mehrfach-Belastung durch Familie, Ministeramt und Doktorarbeit ins Spiel, entschuldigt sich „von ganzem Herzen aufrichtig“, verzichtet, „obwohl es mich sehr schmerzt“, „auf meinen Doktor für immer“. Er beharrt nach wie vor darauf, dass alle „Fehler“ (auf 270 Seiten!) „unwissentlich“ passiert seien und er lediglich „den Überblick verloren“ habe. Von der Notwendigkeit des Überblicks bei seiner Funktion als Oberkommandierender der Streitkräfte, von Folgen des Ver¬trauensverlusts als Minister ist keine Rede. (vgl. # 28, Jutta R. im Blog „Innocence“)
d. Kanzlerin Merkel gibt zu Guttenberg nicht nur volle Rückendeckung, sie versteigt sich in ihrer Erklärung auch zu der gravierenden, die gesamte Wissenschaftswelt brüskierenden und zynischen Aussage, sie habe „Karl-Theodor zu Guttenberg ja nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder als Inhaber einer Doktorarbeit eingestellt (…). Sondern als Verteidigungsminister“. (FR, 22.2.,S.6)
e. Zu Guttenberg sagt verschiedene öffentliche Auftritte ab (u.a. einen zugesagten Wahlkampfauftritt, lässt sich bei der Verleihung des Aachener Karnevalsordens „Wider den tierischen Ernst“ von seinem Bruder vertreten). Das hindert ihn nicht daran, auf einer Jubelveranstaltung im hessischen Kelkheim unter Parteifreunden mit Ministerpräsident Bouffier zur Vorwärtsverteidigung anzutreten (Wortlaut und ausführliche Artikel in FR, 23.2., S.6/7).
3. Die Unterstützerfront
a. Zu Guttenberg versucht, eine Diskussionslinie vorzugeben, instrumentalisiert den tragischen Tod dreier Bundes-wehrsoldaten, um die Diskussion um seine eigene Affäre als völlig nebensächlich im Keim zu ersticken. Diese „Argumentation“ wird auch von einigen Bloggern, so im Thread „Schlagseite, 22.2.“ gierig aufgegriffen („Ich verstehe dieses Geschrei nicht“, „Durchhalten! Kanzlerkandidat!“, „Alle Krähen schreien – Na und?“).
b. Passgerecht zur Merkel/Guttenberg-Strategie wird in ARD-Deutschlandtrend am 18.2. eine „Blitzumfrage“ lanciert, nach der angeblich über 70 % der deutschen Bevölkerung nach wie vor hinter zu Guttenberg stünden. Hintergrund und Art der Ermittlung dieser Umfragewerte bleiben im Dunkeln. (Vgl, # 10, 13 von Jutta R. im Thread „Innocence“)
c. BILD legt auf der Umfrage-Front unverzüglich nach. Trotz gegenteiliger Werte ihrer eigenen, weit umfangreicheren, Online-Umfrage, nach der nur 36 % meinen, dass zu Guttenberg „seinen Job gut“ mache, 55 % für seinen Rücktritt sind, schafft sie es, per Telefon-Umfrage, seine Zustimmungswerte auf 87 % zu steigern. Für BILD ist dabei Manipulation im Spiel – freilich nur bei den ihr nicht passenden Online-Werte. „Hart-aber-fair“-Moderator Plassberg will da nicht nachstehen, pendelt sich auf „bescheidene“ 73 % Zustimmungsrate ein. (Süddeutsche.de, 24.2.)
d. Bildkolumnist Franz-Josef Wagner gibt per BILD die Diskussionslinie vor, lenkt sie auf eine dezidiert intellek-tuellenfeindliche Schiene: „Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor.“ (Stefan Hebel: Liebling Guttenberg, FR-online, 26.2.)
Elemente einer Mediokratie zeichnen sich ab. (Vgl. auch FR, 24.2.,S.7: Die Methode Clinton“)
e. Die vorgegebenen Elemente der Mediokratie bestimmen durchweg die Koalitionsstrategie in der „aktuellen Fragestunde“ des Bundestags am 23.2. nach deutlich erkennbarem Regiemuster im Sinne der BILD-Vorgaben:
– normierte Sprachregelung (eingestandene „Fehler“)
– Wagenburg gegenüber allen Vorwürfen der Opposition
(auf keine einzige Frage wird eingegangen, die zuständige Bildungsministerin schweigt zu allen Befürchtungen bez. der verheerenden Auswirkungen auf den Wissenschaftsbetrieb)
– Umkehrung des Spießes (gespielte Empörung über „Kampagne“ der Opposition gegen einen verdienten Minister, Instrumentalisierung der per „Blitzumfrage“ ermittelten „vox populi“ und (durch den Abgeordneten Friedrich) der Bundeswehr)
– Zu Guttenberg mimt den Einsichtigen, der sich ja entschuldigt und bereits selbst bestraft hat (und damit genug). Zur Aufklärung (so des missbrauchten Wissenschaftlichen Dienstes und die Auswirkungen der Glaubwürdigkeitslücke auf die Führungsqualitäten als oberster Befehlshaber) trägt er nichts bei.
– Die Kanzlerin tritt nicht in Erscheinung, wirkt nur über die marionettenhaften Beiträge der Regierungsvertreter getreu der von Ihr ausgegebenen Devise der Aufspaltung zu Guttenbergs in einen „hervorragenden Verteidigungsminister“ und einen Menschen mit „Fehlern“.
Teil II : THESEN
1. Eingeengte Diskussion und politische Hintergründe
Die Diskussion in Presse und Blog beschäftigt sich in weit überwiegendem Maß mit der Frage der Glaubwürdigkeit und dem Verbleib im Amt des Herrn zu Guttenberg. Nach oben aufgeführter Faktenlage (besonders Medienstrategie und Regie im Bundestag, Kanzleräußerung, widersprüchliche Äußerungen ihres Ministers – hatte er sie belogen oder wollte sie ihn nicht vor Schaden bewahren?) gewinnt die mehrfach geäußerte Vermutung, Kanzlerin und parteiinterne Konkurrenten hätten bei der Demontage des Shootingstars zumindest fleißig mitgemischt, an Glaubwürdigkeit.
Demnach wäre die durch eine Inflation von Umfragen gesteuerte Diskussion selbst als Teil einer Verwirrstrategie anzusehen. Ob ein Verteidigungsminister von BILD und Merkels Gnaden im Amt bleibt oder nicht, wäre angesichts der Merkelschen Machterhaltungsstrategien eine sekundäre Frage (siehe These 3). In beiden Fällen stünde sie als Siegerin da. Dass die Opposition wie eine kritische Öffentlichkeit sich an einem zum Übervater stilisierten Idol abarbeitet und erschöpft, ist vorrangig in ihrem Interesse (analog dem von innerparteilichen Konkurrenten), ebenso die Spaltung der Gesellschaft in „Moralisten“ und „Realisten“. Und wenn der Baron bei sinkenden Umfragewerten als Wahlkampflokomotive ausgedient, der Mohr also seine Schuldigkeit getan hat, bleibt ihr immer noch die Option, ihn fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel.
2. Der mediokratische Weg
Die Merkelsche Strategie der Spaltung der Gesellschaft geht weit über moralische Aspekte hinaus und ist nicht verständlich ohne Berücksichtigung des unmittelbar vorausgegangenen „Schocks von Hamburg“. Die Katastrophe für die Union dürfte Frau Merkel und ihrem internen Machtzirkel deutlich gemacht haben, dass ein Machterhalt auf „anständigem“ Weg angesichts der bevorstehenden Serie von Wahlen so gut wie ausgeschlossen erscheint. Der Fall ihres Superministers, per BILD-Kampagnen zum Superstar gekürt und von dieser selbst bei internen Entscheidungen gelenkt (Gorch-Fock-Affäre) konnte in dieser Situation als rettender Ausweg erscheinen, mittels eines unverblümt mediokratischem Wegs den Machterhalt doch noch zu sichern.
3. Gesellschaftliche Folgen des mediokratischen Wegs
Der von Merkel eingeschlagene mediokratische Weg hat gravierende Auswirkungen und verändert die Republik, insbesondere in Bezug auf die Funktion einer unabhängigen Presse und Gewaltenteilung. Wenn Entscheidungen eines Ministers oder gar einer Regierung unmittelbar von einem Presseorgan beeinflusst oder gar gesteuert werden, kann von Teilung der Gewalten nicht mehr die Rede sein. Die Kontrollfunktion der Presse gerät zur Farce, denn von welchem Presseorgan ist zu erwarten, dass es interne eigene Entscheidungen öffentlicher Kontrolle unterwirft?
Aber auch die von der Regierungskoalition im Bundestag aufgeführte Schmierenkomödie (siehe Teil 1,3d-e) macht deutlich, dass parlamentarische Diskussionen bei einer zur Wagenburg sich einigelnden Regierung völlig sinnlos und überflüssig sind. (Das kaum verhohlene Triumphgeheul eines Alexander Dobrindt über den seiner Meinung nach gelungenen Coup im Morgenmagazin nach der pervertierten „Debatte“ spricht Bände.)
4. Machterhalt und Intellektuellenfeindlichkeit
Ob die mit dem mediokratischen Weg einhergehende Intellektuellenfeindlichkeit als Mittel oder gar Ziel anzusehen ist, ist nicht von vornherein klar. Für letzteres spricht, dass Formen der Machtausübung, welche nicht auf demokratischer Kontrolle basieren oder diese abzubauen bemüht sind, immer ein klares Feindbild brauchen und auf einer Spaltung der Gesellschaft („Teile und herrsche“) aufbauen. Ebenso spricht dafür die zynische Begründung Frau Merkels (I,2d), die wohl kaum völlig unüberlegt abgegeben wurde.
Für ersteres spricht, dass von einer ausgefeilten, auf alle Konsequenzen hin durchdachten Strategie zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl kaum die Rede sein kann. Die massive Beschädigung der Glaubwürdigkeit bundesrepublikanischer Bildungseinrichtungen durch die Absolution für die guttenbergschen Betrugsmanöver ohne entsprechende Konsequenzen ist wohl eher der Preis, der für die Perspektive des Machterhalts in Kauf genommen wird. Dass eine solche Strategie, die „bildungsnahe“ und „bildungsferne“ Schichten gegeneinander aufhetzt, zum Selbstläufer werden kann, indem es grundlegende moralische Standards außer Kraft setzt, Neidgefühle in Hass- und Rachegefühle verwandelt, dürfte den Strategen dieses Weges wohl kaum bewusst sein.
5. Fehler und Schwächen des mediokratischen Wegs
Es ist, schon aufgrund des zeitlichen Rahmens, kaum davon auszugehen, dass die gesellschaftlichen Konsequenzen von Frau Merkel und ihren Machtstrategen auch nur annähernd durchdacht sind. Er offenbart auch in vielfacher Hinsicht eklatante Schwächen:
a. Er basiert auf einem, obwohl beschränkten Kreis von „Mitwissern“ sowie marionettenhaft agierenden „Mittätern“ (wozu wohl alle in der Bundestagsdebatte aufgetretenen Koalitionsrednern gehören) mit unterschiedlichen Egoismen und persönlichen Interessenlagen, was das dauerhafte Durchhalten der vorgespielten Nibelungentreue höchst unwahrscheinlich macht.
b. Er basiert auf geheimbündlerischen Absprachen, die auch parteiintern notwendige Mitkämpfer von der Entscheidungsfindung ausschließen. Es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass „aufrechte“ Konservative (die ihren Wertekanon nicht bloß vor sich hertragen und nach Belieben verwenden) den Weg der Zerstörung auch zentraler konservativer Werte (wie „Wahrhaftigkeit“ und „Aufrichtigkeit“) widerspruchslos mitgehen werden.
c. Er überschätzt die Möglichkeiten einer Manipulation der Bevölkerung über die Schaffung von „Shooting-Stars“. Manipulativ erreichte hohe Beliebtheitswerte lassen sich nur aufrecht erhalten, wenn permanent „nachgefüttert“ wird, und drohen jederzeit im Stil enttäuschter Liebe ins Gegenteil umzuschlagen.
d. Er geht von einem veralteten und engstirnigen Medienverständnis aus. So hat die BILD-Merkel-Guttenberg-Connection im konkreten Fall einen großen Teil der „bürgerlichen Presse“ gegen sich aufgebracht.
Zudem sind im Zeitalter des Internets längst konkurrierende Informationsplattformen im Sinne einer Gegenöffentlichkeit entstanden und selbst BILD hat seine meinungsbildende Monopolstellung verloren. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass eine per Internet sich organisierende Gegenöffentlichkeit selbst in arabischen Ländern diktatorische Regime zu Fall bringt, erscheint die Kungelei BILD-Merkel-Guttenberg nur noch als klägliches Rückzugsgefecht.
6. Gefahren und Chancen einer demokratischen Gegenöffentlichkeit
Die Organisierung einer demokratischen Gegenöffentlichkeit muss sich davor hüten, auf Fallen und suggerierte Frontstellungen hereinzufallen. Dies gilt insbesondere für das Recht-Links-Schema. In einer Situation, in dem nicht „linke“ oder „rechte“, sondern für eine demokratisch organisierte Gesellschaft generell grundlegende Werte (vgl. 5b) zur Disposition stehen, kann dieses keine Anwendung finden. Das Rechts-Links-Schema wird selbst Teil einer Verwirrungsstrategie in Form falscher Frontstellungen.
Die Chancen einer demokratischen Gegenöffentlichkeit liegen in den Schwächen des mediokratischen Wegs, insbesondere darin, dass sie, im Gegensatz zu geheimbündlerischen Machterhaltungsstrategien, keine eigenen egoistischen machtpolitischen Ziele verfolgt und keine demokratische Öffentlichkeit zu fürchten braucht. Sie organisiert diese ja selbst. (vgl. 5a und b) Und sie weist, im Gegenteil zu BILD, allen Teilnehmern eine aktive Rolle zu.
Ihre Chancen liegen auch in den Zwängen mediokratischer Machtausübung, die ständig neue Gelegenheiten bietet, die zugrundeliegenden Machtstrukturen und Mauscheleien aufzudecken und zu hinterfragen. (vgl. 5c) Und sie kann davon ausgehen, dass ihre Einflussmöglichkeiten steigen (siehe Wikileaks, Facebook u.a.), die der traditionellen Manipulationstechniken im Stil von BILD im Sinken begriffen sind.
@Werner Engelmann,
zu 3 b)
Ich finde nicht, daß Hintergrund und Ermittlung der Umfragewerte im ARD-Deutschlandtrend vom 18.2. im Dunkeln liegen. Für den ARD-Deutschlandtrend beauftragt die ARD, die ja selber keine Umfragen macht, die Firma infratest Dimap, was auch in den TV-Sendungen dazu jeweils ganz klar deutlich gemacht wird. Gleich auf der Homepage von infratest Dimap gibt es einen Verweis auf das „ARD-DeutschlandTREND Februar 2011 Extra Guttenberg“. Wenn man das anklickt, kommt man zu den Ergebnissen (u.a. 74% gegen einen Rücktritt), sowie zu den weiteren Erhebungsumständen:
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe:Repräsentative Zufallsauswahl/Randomstichprobe
Erhebungsverfahren:Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl:520 Befragte
Erhebungszeitraum:19. Februar 2011
Fehlertoleranz:1,9* bis 4,4** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%
** bei einem Anteilswert von 50%
Durchführendes Institut:Infratest dimap
3 Tage später gab es eine weitere Befragung, diesmal mit (ich lasse mal die gleich gebliebenen Umstände weg):
Fallzahl:1.000 Befragte
Erhebungszeitraum:22. Februar 2011
Fehlertoleranz:1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%
** bei einem Anteilswert von 50%
Ergebnis: 72% wünschen sich, dass er weiter im Amt bleibt.
Inzwischen wurden also schon 1520 Personen befragt, mit dem Ergebnis 72%-74%. Das ist eine Anzahl Personen, wie sie für andere Umfragen von infratest Dimap üblich ist, und wie sie bei repräsentativen Zufallsstichproben auch vertretbar ist.
Natürlich könnte man weiterfragen, als wichtigstes z.B.: Auf welche Merkmale bezieht sich die Repräsentativität? Auf der anderen Seite wären diese Fragen bei jeder infratest Dimap-Umfrage zu stellen. Hier wurde ja von der Methodik her überhaupt nicht von den anderen, den Nicht-Guttenberg-Befragungen abgewichen. Die infratest Dimap-Homepage hat jedenfalls auch Seiten zur Methodik und einen Ansprechpartner „Methodik“ mit Foto abgedruckt, ich bin sicher, daß dort Näheres erfahrbar ist.
Den Satz mit dem „im Dunkeln“ sollten Sie streichen, Sie sind hier (unverschuldet) einer uninformierten Person aufgesessen…
P.S.
das ZDF hat ähnliche Umfragen in Auftrag gegeben, die unter dem Titel „ZDF-Politbarometer“ veröffentlicht wurden. Die Umfragen veranstaltet die Mannheimer „Forschungsgruppe Wahlen E.V.“, die ebenfalls eine Homepage mit weitergehenden Informationen haben.
Dort wurde folgendes publiziert:
„Nur 22 Prozent sind der Meinung, zu Guttenberg soll aufgrund dieser Vorwürfe als Verteidigungsminister zurücktreten, drei Viertel (75 Prozent) verneinen dies (weiß nicht: 3 Prozent).“
Umstände der Befragung: „Die Interviews wurden in der Zeit vom 22. bis 24. Februar 2011 bei 1.306 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten telefonisch erhoben. Die Befragung ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland.“
Auch diese Daten unterstützen also die Auffassung, daß sich die Zahl der Wahlberechtigten, die einen Rücktritt Guttenbergs für unnötig halten, in dieser Größenordnung bewegt.
@ Max Wedell, # 32,33
Danke, Herr Wedell, für Ihren Hinweis.
Ich gehe davon aus, auch aufgrund von Erfahrungen mit anderen Beiträgen von Ihnen, dass Sie vernünftig recherchiert haben. Ich bin deshalb bereit, die monierte Passage zu streichen. Freilich sieht bei den BILD-Umfragen die Sache wieder anders aus. Es wäre schön, wenn Sie hier auch Näheres über die Umstände in Erfahrung bringen könnten.
Ihre Hinweise sind der Korrektheit wegen sicher wichtig.
Allerdings wird dadurch der entscheidende Punkt meiner Thesen, Anzeichen einer Mediokratie, nicht berührt. Auch wenn man unterstellt, dass diese Umfrage als Momentaufnahme tatsächliche Stimmungen widerspiegelt, bleibt die wesentliche Frage des Zeitpunkts und der Funktion solcher „Blitzumfragen“.
Nun wäre es sicher interessant zu wissen, ob Verflechtungen zwischen Politik und Meinungsforschern existieren bzw. welcher Art, sodass – direkt oder indirekt – Politiker als „Auftraggeber“ solcher „Umfragen“ fungieren, z.B. betr. den Zeitpunkt.
Und selbst wenn dies nicht nachweisbar ist, bleibt der Vorwurf an die Poltik – hier also Merkel – Politik nicht nach rationalen Erkenntnissen und (entsprechend ihrem Anspruch) nach gesellschaftlich notwendigen (meinetwegen auch „christlichen“) Prinzipien zu machen, sondern nach ermittelten „Stimmungen“.
Hier findet also eine Vermischung von „Meinungsumfrage“ und „Meinungsmache“ statt. Nicht zuletzt deshalb sind Umfragen unmittelbar vor Wahlen in Deutschland untersagt.
Der andere, ebenso wichtige Punkt, ist die gerade bei zu Guttenberg auffällige Verquickung mit BILD-Strategien, nicht nur, was das eigene Erscheinungsbild betrifft, sondern auch derart (z.B. der Gorch-Fock-Affäre), dass BILD-Veröffentlichungen und -Strategien ministeriellen Entscheidungen vorauseilen und diese erkennbar beeinflussen.
(Übrigens habe ich gerade in Nachrichten auf Phoenix gehört, dass inzweischen der Kapitän entlastet sein soll.)
Mir fällt bei dieser Art Politik zu machen ein Science-fiction-Hörspiel (in der Tradition von Orwell und Huxley) über mediokratische Herrschaftsformen ein, nach dem jeder Präsident einen Bombengürtel zu tragen hatte, der immer explodierte, wenn die Zustimmungsrate 50 % unterschritt.
Wie viele Explosionen müsste es dann in unserer Republik schon gegeben haben?
Mit freundlichen Grüßen
Werner Engelmann
@Werner Engelmann,
zu den BILD-Umfragen habe ich mich in Beitrag #10 in diesem Thread schon geäußert… ich halte es für hanebüchen, deren Resultate als Hauptschlagzeile auf der Titelseite zu bringen, so als würden sie die Realität beschreiben, weil man überhaupt nicht weiß, ob sie das tun. Es ist überhaupt nicht gegeben, daß die Anrufer (oder Online-Abstimmer) auch nur annähernd in dem Verhältnis von Rücktritt/Nichtrückritt sich zum Anruf oder zur Abstimmung entscheiden, wie dieses in der Bevölkerung vorhanden ist, m.a.W. die Repräsentativität bzgl. des Merkmals „Meinung zu Guttenberg“ ist nicht gegeben. Es ist nicht so, daß die Ergebnisse unbedingt nicht stimmen müssen, sie müssen aber auch nicht unbedingt stimmen… und ich kann keinen Wert darin sehen, eine Zahl zu publizieren, die stimmen könnte oder auch nicht.
Hier haben Sie sicherlich recht und man kann beim 87%-Ergebnis in der Frage, warum das so groß herausgestellt wurde, stark vermuten: Dahinter steht der Wunsch der Vater des Gedankens… warum auch immer dieser Wunsch besteht.
Selbst bei repräsentativen Befragungen besteht natürlich prinzipiell ein besonderes Problem, und das habe ich hier auch schon in anderen Fällen oft genug kritisiert: Bei Fragen, bei denen es unterschiedliche emotionale Besetzungen der Antwortmöglichkeiten gibt, d.h. z.B. eine Antwortmöglichkeit besonders verpönt ist, oder eine besonders positiv besetzt, ist es verwegen zu meinen, daß dadurch das Abstimmergebnis nicht beeinflusst würde…. mit anderen Worten, daß die Befragten nicht in einem gewissen Ausmaß lügen, d.h. nicht das sagen, was sie selber meinen, sondern das, was am wenigsten negativ bzw. am positivsten besetzt ist. In solchen Fällen kann man nur über Tiefeninterviews zu einigermaßen korrekten Ergebnissen kommen.
Im Fall Guttenberg sehe ich aber keine solche Verpönungen bzw. Positivbesetzungen. Zu meinen, Guttenberg müsse zurücktreten, scheint mir (jedenfalls in der gegenwärtigen allgemeinen „Stimmung“ und gegenüber einem anonymen Telefonisten) genauso akzeptabel oder nicht verpönt wie zu meinen, Guttenberg müsse nicht zurücktreten. Ich halte also die Befragungsmethode „Abarbeiten einer Frageliste“ in dieser Hinsicht und in diesem Fall für nicht problembehaftet.
Der Vollständigkeit halber hier noch die ermittelten Werte der anderen Umfrageinstitute zur Frage, ob G. zurücktreten solle:
Forsa (Auftrag RTL): 18.2. veröffentlicht: 68% nein mit 502 Befragten
TNS Emnid (Auftrag Focus): Umfrage 23.-24.2: 67% nein mit 1003 Befragten
Die Frage, ob bzw. in welchem Umfang die Veröffentlichungen solcher Meinungsumfragen die Menschen manipulieren, ist schwierig zu beantworten. Ich kenne dazu die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung nicht, wenn es solche geben sollte, und würde aus dem Bauch heraus erstmal die Frage stellen: Zu welcher Meinungsübernahme soll denn die Veröffentlichung eines Umfrageergebnisses überhaupt animieren… zur Übernahme der Meinung der Mehrheit oder zur Übernahme der Meinung der Minderheit? Für beides ließen sich Argumente bzw. aus psychischen Merkmalen des Menschen herrührende Motivatoren finden. Vielleicht passiert ja auch beides… und hebt sich zahlenmäßig gegenseitig auf!
Mein Eindruck ist jedenfalls, daß jeder Meinungsäußerung in den Medien, ob als kongregierte Bürgermeinung im Umfrageergebnis oder als Äußerung Einzelner, das Potential innewohnt, den Konsumenten in seiner Meinung zu beeinflussen. Wollte man das konsequent verhindern, müsste man eigentlich Meinungen (d.h. die negative oder positive Bewertung irgendwelcher Sachverhalte) aus den Medien insgesamt verbannen.
Die Veröffentlichung von Wahlumfragen unmittelbar vor Wahlen ist in D übrigens nicht verboten, es gibt nur freiwillige Selbstbeschränkungen der Medien dazu. Verboten ist allerdings die Veröffentlichung von Umfragen nach Öffnung und vor Schließung der Wahllokale, wenn sie auf Umfragen bei Wählern basieren, die schon gewählt haben.
@31 Werner Engelmann
Zunächst einmal. lieber Herr Engelmann, große Anerkennung für Ihre Mühe die „Guttenberg-Festspiele“ der letzten Wochen zusammenzufassen, ohne dass Sie dabei den … Überblick verloren habe, wie das bei so manchem Freiherr der Fall ist.;-) Insbesondere den 6. Punkt – Gefahren und Chancen einer demokratischen Gegenöffentlichkeit – halte für hoch interessant. Eine Passage möchte ich dabei noch einmal extra zitieren, weil ich sie für besonders wichtig halte:
„Die Organisierung einer demokratischen Gegenöffentlichkeit muss sich davor hüten, auf Fallen und suggerierte Frontstellungen hereinzufallen. Dies gilt insbesondere für das Recht-Links-Schema. In einer Situation, in dem nicht „linke“ oder „rechte“, sondern für eine demokratisch organisierte Gesellschaft generell grundlegende Werte (vgl. 5b) zur Disposition stehen, kann dieses keine Anwendung finden. Das Rechts-Links-Schema wird selbst Teil einer Verwirrungsstrategie in Form falscher Frontstellungen.“
In der Tat, dieser ganze links-rechts-mittig-oben-unten- und-sonst-was-Blödsinn vernebelt lediglich einen klaren Blick, und hat sich schon lange überholt. So ganz wird aber wohl nie darauf verzichtet werden können, vor allen Dingen, wenn es schnell gehen soll oder muss.;-)
Unter Punkt 3.b. behandeln Sie das UmfrageUNwesen, und beziehen sich dabei auf zwei meiner Beiträge. In Ihrer Zuschrift @34 erklären Sie dann Ihre Bereitschaft, die entsprechende Passage zu streichen, weil sie moniert worden wäre. Lieber Herr Engelmann, Sie haben keinerlei Veranlassung diese Passage zu streichen, Sie sind damit auch nicht einer uninformierten Person aufgesessen, sondern einer Person, die mit dem eigenen Kopf denkt. In diesem Zusammenhang erinnere ich an Immanuel Kant: Sapere aude. Merkwürdig oder vielleicht auch nicht, dass gerade ultrarechte Konservative gerade diesen Rat Kants nicht so mögen.;-)
Doch zurück zum UmfragenUNwesen. Wer bereit ist den Beitrag http://www.frblog.de/plagiat/#comment-31935 richtig zu lesen, dürfte unschwer erkennen, was ich in diesem Zusammenhang „moniert“ habe. Nicht nur Herr Schönenborn sondern auch kein Mitblogger, auch nicht der „Monierer“ selbst, konnte meine schlichte Frage beantworten, wo ich ggf. einsehen kann, WELCHE Fragen bei den so genannten repräsentativen Umfragen KONKRET gestellt werden, und warum diese Fragen in aller Regel nicht öffentlich bekannt gegeben werden. Was ist denn daran so geheimnisvoll, es sei denn, man will damit manipulieren, oder auch Gefälligkeiten, natürlich gegen gute Bezahlung, erweisen bzw. erfüllen. Natürlich ist es schon ein gewaltiger Unterschied, obwohl das auf den ersten Blick gar nicht so erscheint, wenn z.B. gefragt wird: Ist Guttenberg noch glaubwürdig, oder ist Guttenberg noch DAUERHAFT glaubwürdig? Ein kleines Wörtchen, ein (gewollter) Dreher, können das Ergebnis gravierend beeinflussen. Kurzum: Umfragen, bei denen mir nicht bekannt ist, WAS und WIE gefragt wird, haben für mich keinerlei Wert. Sie dienen lediglich der „Präsentation“ zur einen oder anderen Seite, und sie werden politisch instrumentalisiert bzw. missbraucht. Ich glaube Umfragen NICHT, wo ich nur das vorgebliche Ergebnis „präsentiert“ bekomme, aber die konkreten Fragen nicht kenne. Ich will nicht nur die Ergebnisse, einschließlich dem ganzen Zahlen- und Prozentesalat, sondern ich will wissen WAS KONKRET gefragt wird. Insofern liegt bei diesem UmfrageUNwesen sehr vieles im Dunklem, es ist sogar ausgesprochen finster. In diesem Zusammenhang habe ich an die FR einen Leserbrief geschrieben, weil mich immer mehr ärgert, dass diese „repräsentativen“ Umfragen überall nachgeschnattert werden, aber kein Mensch, kein Plassberg, Illner, Will, auch keine Zeitung, mal auf die Idee kommt zu fragen, WAS und WIE gefragt wird. Nachfolgend die Passagen des erwähnten Leserbriefes, die sich auf diesen Punkt beziehen:
… In Sachen Guttenberg wird immer wieder auf Umfragen verwiesen, wonach dieser Herr vorgeblich noch von 75 und mehr Prozent des Volkes „gestützt“ wird. Besonders die Hofberichterstattung der BILD will das Glauben machen, und kommt mit Zustimmungswerten, die so enthusiastisch beschrieben werden, als ob sie gar über hundert Prozent hinausgehen. Tut mir leid, ich glaube diesen Umfragen nicht. Nein, so deppert (obwohl es sicherlich einen harten Kern unverbesserlicher Kaiser- und anderer -treuer gibt);-) kann auch das immer noch bzw. schon wieder sehr „disziplinierte“ deutsche Volk nicht sein, einen Bundesminister, der im Hohen Hause, und das mit Fug und Recht, „ungestraft“ (ohne Ordnungsrufe) am laufenden Band als Hochstabler, Täuscher, Lügner und Betrüger bezeichnet wird (was schon für sich genommen ein einmaliger parlamentarischer Vorgang ist), weiterhin mit diesen hohen Beliebtheits- bzw. Zustimmungswerten regelrecht zu „adeligen“, und in seinem Amt belassen zu wollen. Warum wird in den unzähligen Guttenberg-Talkshows nicht mal dezidiert das UmfrageUNwesen thematisiert? Warum werden von Illner, Will, Plassberg, die Umfrageinstitute und ihre Ergebnisse lediglich zitiert und „sendungskonform“ präsentiert, aber überhaupt nicht hinterfragt, wie sie zustande gekommen sind, und dabei in erster Linie, was genau wie gefragt wurde. Für mich hat eine Umfrage keinerlei Wert, wenn ich nicht zumindest konkret die Fragen kenne. Wie ist es möglich, dass bei Onlineabstimmungen von ARD, ZDF, oder bei bundesweit erscheinenden Zeitungen, nicht zuletzt bei der FR, sogar beim Hofberichterstatter BILD, völlig andere Ergebnisse herauskommen als bei den „gängigen“ Umfrageinstituten? Demnach votieren bis zu 90 Prozent für einen Rücktritt Guttenbergs. Warum veranstalten die Öffentlichen-Rechtlichen und die Printmedien überhaupt diese Befragungen, wenn sie keinerlei Relevanz haben bzw. keine Beachtung finden? Was soll die tiefe Gläubigkeit hinsichtlich telefonischer Umfragen? Womit ist das überhaupt begründet? Alles Fragen, die im Rahmen der Guttenberg-Festspiele auch einmal öffentlich behandelt werden sollten. Gerade jetzt wäre doch die richtige Zeit, anstatt ständig die hinreichend bekannten „Guttenberg-Heimatfilme“ immer wieder ablaufen zu lassen, in einer der einschlägen Talkshows das UmfrageUNwesen näher zu behandeln, ähnliches gilt im Übrigen für das ExpertenUNwesen. Natürlich werden die gängigen Umfrageinstitute, die ja mit ihrem Metier auch viel Geld verdienen, darauf verweisen, dass ihre Umfragen repräsentativ seien. Gut und schön, dennoch sollte die Öffentlichkeit zumindest wissen, was wird exakt und konkret gefragt, und warum gibt es diese fundamentalen Unterschiede im Vergleich mit den „nicht“-repräsentativen Abstimmungen? Vielleicht sollte auch mal daran gedacht werden, dass es für dieses „stolze“ Land peinlich ist, wenn angeblich 75 Prozent und mehr dafür plädieren, dass der Schwindel- und Lügenbaron (mit dieser Bezeichnung schließe ich mich vielen Volks- und Medienvertretern an) doch bitte im Amt bleiben möge, u.a. auch deshalb, weil wir ja alle schon mal ein bisschen geschummelt haben. Ich persönlich fühle mich sogar mehr als nur peinlich berührt. Mein Vorschlag für den Titel einer öffentlich-rechtlichen Talkshow: Am Beispiel der Causa zu Guttenberg – Sinn und Unsinn von Umfragen und ihre interessengesteuerte Instrumentalisierung. …
Für Ihre Reise in der nächsten Woche viel Erfolg, und kommen Sie gesund, munter, und weiterhin so kreativ wie bisher zurück.
mfg
Jutta Rydzewski
Zunächst einmal vielen Dank, Werner Engelmann, für die tolle Arbeit die Sie sich gemacht haben, und welche für mich durchaus ein „summa cum laude“ verdient.
Einige Anmerkungen habe ich dazu, gewachsen aus eigenem Erleben und eigener Skepsis. Gestern abend waren wir vor einem Konzert noch auf einen Schoppen in einem Weinhaus unserer Kreisstadt, und am dortigen Stammtisch wurde kräftig geschwafelt über die bösen Linken, die „unsere“ Lichtgestalt Guttenberg in den Schmutz ziehen wollen. Dabei habe ich mich – inzwischen 65 – an meine eigene Kindheit und Jugend erinnert, und die mit Verdrängung eigener Mitschuld abgegebenen Kommentare Älterer zu den 12 Jahren des „Tausendjährigen Reiches“. Das noch jede Menge Judenwitze erzählt wurden, könnte man ggf. noch unter Folklore verbuchen. Was ich aber unsäglich fand, war diese Relativierung und Verharmlosung des Holocaust, nach dem Motto: „Was sind schon 6 Millionen – sicher übertrieben, die Zahl – ermordete Juden, Zigeuner, Homosexuelle und Behinderte im Vergleich zu den glorreichen Taten von Adolf & Co.
– die Arbeitslosigkeit war weg
– die Autobahnen wurden gebaut
– eine deutsche Frau (außer wenn sie Jüdin war!) konnte nachts wieder sicher durch die Straßen gehen
und andere „tollen“ Errungenschaften?!
Ist es zu weit hergeholt, wenn ich nach wie vor bei den meisten Deutschen unter der Tünche von „lupenreinen Demokraten“ immer noch preußischen Kadavergehorsam, Lechzen nach Führerfiguren und einem „wir brauchen einen, der durchgreift und uns zeigt, wo’s langgeht“, in der Art von Guttenberg sehe? Warum ist ein Meinungen bildendes und Meinungen manipulierendes Hetzblatt wie die BILD immer noch die meistgelesene Tageszeitung? Und ersetzt die BILD nicht seit Jahren genau das, was in Ungarn Herr Orban durch seine gesetzlich erlassene Medienzensur bewirkt, quasi als regierungsamtliches neoliberales Kampfblatt, welches dann Feinde der Demokratie und Sozial-Abzocker eindrischt, und Zündler wie Sarrazin lobt und stilisiert?
Wenn wir bei uns, wie Engelmann schreibt, eine „Intellektuellenfeindlichkeit“ haben, dann haben wir auch auf der Gegenseite eine, neue Sprachschöpfung, Dummbatzfreundlichkeit. Denn mit Dummbatzen läßt sichs leichter regieren, und im Sinne einer bestimmten Führungskaste, verbunden durch Privatschulbesuch, Eliteunis und Vetterleswirtschaft, „gestalten“.
Wir hecheln als Citoyens doch bereits seit Jahren den Idealen der frz. Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüder- (von Schwesterlichkeit gar nicht zu reden) hinterher. Mit Kohl und Lambsdorff begann die Restauration, und wurde unter Schröder-Fischer weitergeführt. Was waren Hartz I – IV, und darauf aufbauend und diese begleitend die Riesterrente, die Steuersenkungen für Reiche, die Erleichterungen für Banken und andere Zockerbuden anderes als der Kniefall vor den neuen, selbsternannten Eliten? All dies wurde wohlwollend oder zustimmend/fordernd begründet quer durch die bürgerliche Presse und alle anderen Medien.
Man wußte, warum man es bei den geforderten „Schul- und Bildungs-)Reformen bei Lippenbekenntnissen beließ – auf die Pferde der Junker sollten keine Arbeiterkinder aufsatteln. Und der Ausgang von Plebisziten wie der Bürgerbefragung zur – verunglückten – Hamburger Schulreform konnte als Argument gegen im Grundgesetz verankterte Plebiszite benutzt werden, gerne auch mit Verweis auf die demokratischen Schweizer, die ja auch contra Minerette entschieden.
Ich möchte trotzdem auch beide Seiten versuchen zu sehen. Als Mann einer noch voll berufstätigen Frau weiß ich, wie schwer es ist, und wieviel Zeit und vor allem Energie es kostet, sich zu informieren, diese Informationen in Zusammenhänge zu bringen, nach dem Lehrsatz: These – Antithese – Synthese und daraus dann vielleicht auch noch ein Engagement abzuleiten, selbst wenn es sich auf das Bloggen beschränkt und keine Mitarbeit in Parteien oder NGOs bedeutet. Auch ich gebe zu, daß ich aufgrund des großen Angebots und eher Mangel an Lust als an Zeit auswähle, und manche mir im Netz zugehenden Infos ungelesen lösche.
In die Facebook-Generation setze ich da weniger Hoffnung als Herr Engelmann. Wenn bei den Angehörigen selbst nicht die Arbeit jede Lust an Politik erschlägt, dann gibt es viele andere, leichter zugängliche und individuell mehr Spaß machende Dinge, die man im und übers Netz treiben kann, als politisch zu diskutieren oder sich zu engagieren. Das Dschungelcamp oder auch der Tatort haben eben höhere Zuschauerzahlen als der Presseclub, von den Zombie-Hitparaden ganz zu schweigen. Andererseits haben gerade die Unruhen in China, Iran und in der arabischen Welt gezeigt, daß die junge Generation dieses Medium durchaus geschickt, bewußt und gezielt einsetzt. Auch wäre zu hinterfragen, ob die Online-Umfragen zu Guttenberg nicht auch in ihren abweichenden Ergebnissen, was Zustimmung und Ablehnung anbetrifft, dem Gebrauch von Facebook, Twitter & Co. zu verdanken ist.
Man kann den realen Erfolg von Herrn von und zu Guttenberg nur mit der irrealen Haltung und Einstellung seiner Fans verstehen. Vorurteile hat man, sie lassen sich gerne bestätigen, aber kaum ausräumen. Und das auch die, auch gerne von Intellektuellen praktizierte Wahlenthaltung, letztendlich auch in eine Art Wahlentscheid mündet, ist zwar noch verständlich, aber meiner Meinung nach in der Konsequenz oft nicht durchdacht. Wäre dem so, könnten sich einige der Parteien, wenn, siehe Hamburg, die abgegebenen gültigen Stimmen umgelegt werden, nicht mit dem Status einer „Volkspartei“ schmücken, sondern müßten sich mit dem einer Splitterpartei zufrieden geben.
Es ist doch im Fall der infratest dimap-Umfragen, die in der ARD u.a. bei Plasberg verwendet wurde, überhaupt kein Problem, die genauen Frage, wie sie den Befragten am Telefon vorgelesen wurde, zu recherchieren. Die zum Rücktritt lautete nach übers Internet leicht einsehbarer Auskunft von infratest Dimap selber:
„Zu Guttenberg hat eingeräumt, in seiner Doktorarbeit Texte anderer Autoren verwendet zu haben, ohne dies zu kennzeichnen, und angekündigt, daher seinen Doktortitel zurückzugeben. Was meinen Sie: Ist dieser Schritt ausreichend und Guttenberg kann sein Amt als Verteidigungsminister weiterführen? Oder reicht es nicht, lediglich den Doktortitel zurückzugeben, und Guttenberg sollte zurücktreten?“
(Ergebnis: Nicht zurücktreten: 72%, Zurücktreten: 24%, Weiß nicht/keine Angabe: 4%).
Ich sehe in dieser Frage keine Manipulation in irgendeine Richtung. Man kann doch nicht verlangen, daß die Befrager vorher den Befragten über die enorme Wichtigkeit von Quellenkennzeichnung im Wissenschaftsbetrieb aufklärt… denn es soll ja am Ende nicht die Aussage stehen: „WENN alle Menschen die Tragweite der Verfehlungen sachgerecht einschätzen würden, DANN wären so und soviel Prozent gegen einen Rücktritt.“ Sondern es geht darum, wie die Menschen am Telefon aus ihrer Eigenstimmung heraus die Rücktrittsfrage bewerten, d.h. ohne weitere Belehrungen.
Auch die anderen Fragen von infratest Dimap, also z.B. zur Zufriedenheit mit der Arbeit Guttenbergs, sind ebenfalls im Wortlaut publiziert, und daher ebenso auch die Frage zum Rücktritt vom 19.2., als Guttenberg selber die Schuld noch bestritt:
„Vertreter der Opposition haben aufgrund dieser Vorwürfe Guttenbergs Rücktritt gefordert. Wie ist Ihre Meinung dazu: Sollte Guttenberg zurücktreten oder sollte er weiter im Amt bleiben?“
„dieser Vorwürfe“ bezog sich auf vorhergehende Fragen. Auch diese Frage ist in meinen Augen nicht unkorrekt gestellt. Ich verstehe nicht, wie und warum man die Frage anders stellen sollte.
Ob „Sapere aude“ noch bei jenen Personen zur Anwendung kommt, denen man ein ganz dringendes Bemühen ansieht, die Welt ausschließlich im Lichte ihrer einseitigen Vorstellungen zu sehen, ist die Frage. Mit einem in die Diskussion geworfenen „Sapere aude“ alleine kann man ansonsten alles beweisen… d.h. nichts.
# 36, Jutta Rydzewski: Zustimmung. Ich würde das (Churchill?)-Wort von der Statistik dann so abgeändert formulieren: Traue keiner Umfrage, deren Ergebnis Du nicht selbst durch geschickte Fragestellung beieinflußt hast. Fragen können durchaus auch so formuliert werden, das sie von vielen nicht oder als in der Fragestellung gegenteilig formuliert verstanden werden. Was mir z.B. an „Hart aber fair“ und der Plasberg-Redaktion mehrfach aufgefallen ist, ist die angeblich ausgewogen ausgesuchte Meinungsabbildung der Tagebuch/Blogeinträge, also fifty-fifty pro und contra bei der Verlesung durch Frau Büscher. Korrekterweise müßte dann aber entsprechend der Abstimmung bzw. der Zustimmung oder Ablehnung in den Netz-Beiträgen dies auch präsentiert werden, also nur 10% Zustimmung und 90% Ablehnung und umgekehrt – was nie der Fall ist. So kann auch angebliche Ausgewogenheit gezielt als Manipulationsmittel eingesetzt werden.
Ich habe mir inzwischen abgewöhnt, von Talkshows irgendwelche Aufklärung oder kritische Enthüllung, wie zumindest teilweise in Polit-Magazinen vorhanden, zu erwarten. Entweder sind Plasberg, Will, Illner, Beckmann & Co. selbst zu sehr ihrer Meinung verhaftet und lassen diese dann auch raushängen – das zeigt sich immer, wenn jemand in seiner Rede unterbrochen wird oder zusätzliche Redezeit erhält, oder sie streben in ihrer Vorstellung nach „Ausgewogenheit“ etwas an, was angesichts der Debatte völlig fehl am Platz ist. Ein Beispiel wäre Todesstrafe pro und contra: ausgewogen wäre dann nach dem Verständnis vieler, nur noch jeden zweiten hinzurichten.
Inzwischen sind für mich die kritischen Kommentatoren hauptsächlich im Kabarett, auch und gerne auf BR3 (!) zu finden, NEUES AUS DER ANSTALT ist da nicht der einzige Leuchtturm, daher Verweis auf Volker Pispers heute abend auf 3Sat.
Man könnte jetzt natürlich anmerken: Das ist die Freiheit der Hofnarren und kratzt die Elite wenig. Aber da wird vielleicht die subversive Wirkung des Lachens, Gelächters und Auslachens unterschätzt – und die Verbindung, welche der eine oder andere Bürger von der Bühnen- zur Realsatire im Berliner Polittheater zieht. Auch der derzeitige „Kaiser“ Guttenberg steht ja inzwischen zumindest nur noch in der Unterwäsche da, und demnächst, hoffentlich, dann auch nackt.
@37 Wolfgang Fladung
Auch Ihnen, lieber Herr Fladung, meine hohe Anerkennung für Ihre Ausführungen. Dass die typische deutsche Mentalität, in nicht gerade zu vernachlässigenden Prozentzahlen, immer noch oder schon wieder, von (Staats)Gehorsam und Obrigkeitsverliebtheit bis zur -hörigkeit durchsetzt ist, dürfte unbestritten sein. Das zeigt sich immer wieder, in besonders abscheulicher Form, bei der Relativierung oder gar Verharmlosung der singlären Menschheitsverbrechen zwischen 33 und 45 (Sie erwähnten das in Ihrem Beitrag). Es zeigt sich aber auch, obwohl natürlich nicht mit den Naziverbrechen vergleichbar, bei Themen wie Sarrazin oder jetzt Guttenberg. Ich kann in diesem Zusammenhang immer nur wieder auf die „Deutschen Zustände“ von Wilhelm Heitmeyer verweisen, die darin beschriebene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die Vereisung des sozialen Klimas, die fortschreitende gesellschaftliche Verrohung usw.. Oder auch die Rheingold-Jugendstudie, wonach Kinder und Jugendliche einerseits, wegen eigener Absturzängste, sich extrem ausgrenzend gegen Schwächere verhalten, aber andererseits auch extrem anpassungswillig sind. Also, auf schlecht deutsch, nach oben buckeln, nach unten treten. Eigenschaften wie Solidarität, Toleranz, die Bereitschaft Schwächeren zu helfen usw. fordert, so weit sind wir schon gesunken, eher Häme, Hohn und Spott heraus. In diesem Zusammenhang fällt mir schon wieder dieser instrumentalisierte und bewusst vermaschte Begriff des Gutmenschen ein. Daran alleine wird deutlich, wie erbärmlich und dumm mit Tugenden umgegangen wird, die m.E. nach immer noch bzw. gerade in diesen Zeiten sehr erstrebenswert sind. Ich werfe das wahrlich nicht den Kindern und Jugendlichen vor, die tun das, was sie sehen, hören, was sie selbst erfahren. Und in diesem Klima kommt eine amtierende Bundeskanzlerin daher, stellt sich grinsend vor die Kameras und betreibt, aus macht- und parteitaktischen Gründen, sozusagen die Zweiteilung eines Menschen, einerseits den überaus tollen Verteidigungsminister, den sie ja schließlich berufen hat, und nicht den betrügenden und verlogenen ehemaligen Doktor. Schier unglaublich was sich diese Dame damit erlaubt hat. Da wird mal eben das Unangenehme eines Menschen abgespalten, als ob es gar nicht zu ihm gehören würde. Und sowas ist Bundeskanzlerin, das sagt alles über den Zustand dieses Landes. Und die Herren Kauder und Mappus waren heute im Fernsehen, hinsichtlich der Causa Guttenberg, natürlich voll auf der Linie von Frau Merkel, sofern man aus dem Gestottere überhaupt noch etwas heraushören konnte. Ein Armutszeugnis für die so genannte politische Klasse dieses Landes, und ein weiterer (Tief)Schlag der politischen Kultur. Ich wünsche diesem schwarzen Heuchelverein, der sich doch immer Tugenden wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit usw. auf die schwarzen Fahnen geschrieben hat, bei den Landtagswahlen ähnliche verheerende Niederlagen wie in Hamburg. Allerdings überkommt mich sofort das Gefühl, und was machen die Anderen, die doch nach Kohl /Lambsdorff erst mal so richtig die Grausamkeiten „etabliert“ haben, worauf Sie in Ihrem Beitrag hier, aber auch in dem Thread – Dienen, Herrschaften, dienen! – explizit hinweisen. Bei den Spezial- bzw. Fataldemokraten, auch SPD genannt, besteht die Führungstruppe ja immer noch aus den früheren Mittätern, entweder unter Rot/grün oder Schwarz/Rot. Deshalb habe ich, was die Zukunft anbelangt, nur sehr wenig Hoffnung auf Verbesserungen, ganz egal wer regiert. Ich befürchte sogar, Sie haben die einzelnen Dinge ja auch angesprochen, dass dieser letztlich verhängnisvolle Weg „konsequent“ weiter gegangen wird. Der Republik ist das neue System in den letzten 2,3 Jahrzehnten, mit jedem Jahr mehr, unabhängig wer jeweilig reagiert hat. übergestülpt worden. So gut wie alle Lebensbereiche sind gnadenlos privatisiert und demzufolge durchökonomisiert worden, es beginnt quasi schon im Kindergarten. Die Gesellschaft ist auf breiter Front entsolidarisiert worden, was besonders für junge Menschen fatale Folgen haben wird. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hätte die Möglichkeit geboten innezuhalten und auch umzudenken. Aber was ist geschehen? Nix, oder sogar exakt das Gegenteil. Die Reihen der so genannten Mächtigen haben sich noch fester geschlossen, und die wirklich Mächtigen finden sich nicht unter den Politikern. Politiker sind häufig nur noch Erfüllungsgehilfen, Interessenvertreter im schlechten Sinne, wobei die eigenen weit vor den Volksinteressen rangieren, Politiker sind immer häufiger Lobbyisten und auch korrupt.
Ich hatte unterbrochen, um Volker Pispers zu sehen, übrigens, danke für den Tipp. Der Mann ist einsame Spitze, und deshalb will ich jetzt meinen „Vortrag“ auch nicht fortsetzen, sondern mit Pispers, hinsichtlich des Lügenbarons, sagen: Nur wer lügen kann ohne rot zu werden, ist ein echter Schwarzer. Und schon war ich an Kauder und Mappus erinnert, die ich kurz vorher gesehen haben musste.;-)
mfg
Jutta Rydzewski
PS: Übrigens, Herr Max, nur so am Rande. Scheinbar ist es immer noch unter Ihrer Würde mich direkt anzusprechen, oder Sie trauen sich nicht. Okay, dann machen Sie es weiter durch die Blume. Wenn ich die „Blume“ wie in @38 zufällig entdecke, bekommen Sie natürlich von mir Antworten. Solange Sie Sapere aude nur dem Wort, aber nicht dem tieferen Sinn nach verstehen, werden Sie mit dem Verstehen meiner Beiträge auch immer erhebliche Schwierigkeiten haben. Dennoch sollten Sie sich darüber nicht grämen.
Danke für Ihr Lob, Frau Rydzewski. Ich fürchte leider, das mir viele für meinen Kommentar maßlose Übertreibung vorhalten werden. Zu Ihrem „sapere aude“ mußte ich Wikipedia bemühen, weil ich als Handelsschüler nie in den Genuß irgendeines Latinums gelangt bin. Als für mich gültige Übersetzung mag ich allerdings „Wage zu wissen“ oder auch „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“mehr als „Wage, weise zu sein“. Ich kann mich da an einen Diskussionsabend bei einem Philosophen in der der Nähe meines frühereren Wohnortes gut erinnern, als Dr. Böhle, so hieß er, vor dem Umgang mit Weisen warnte. Er begründete dies damit, daß ein „Weiser“ irgendwann aufgehört hat, Wissen zu wollen und entschieden hat, jetzt weise zu sein. Aber diese Diskussion wäre vielleicht zu sophistisch und führte nicht weiter beim Thema Guttenberg.
Und jetzt werde ich im Bett noch einige Seiten des neuen Philipp Roth „Nemesis“ lesen – auch dieser Begriff leitet ja im übertragenen Sinne über zur Causa Guttenberg.
@Max Wedell
Anders als Sie sehe ich in der infratest-Frage durchaus eine Tendenz vorgegeben (ob es eine bewusste Manipulation ist, sei dahingestellt, ist für die Analyse aber auch irrelevant).
“Zu Guttenberg hat eingeräumt, in seiner Doktorarbeit Texte anderer Autoren verwendet zu haben, ohne dies zu kennzeichnen, und angekündigt, daher seinen Doktortitel zurückzugeben. Was meinen Sie: Ist dieser Schritt ausreichend und Guttenberg kann sein Amt als Verteidigungsminister weiterführen? Oder reicht es nicht, lediglich den Doktortitel zurückzugeben, und Guttenberg sollte zurücktreten?”
Zweierlei Tendenzen werden hier vorgegeben. „Texte verwenden ohne dies zu kennzeichnen“ suggeriert ein kleineres, durch nachträgliche Verbesserung zu heilendes Versäumnis. Und die Wortwahl „(hat) angekündigt, seinen Doktortitel zurückzugeben“ legt nahe, dass Guttenberg Herr der Lage sei und bereits alle notwendigen Schritte unternommen habe. Exakt diese beiden Interpretationen waren/sind zentrale Elemente der Guttenbergschen Verteidigungsstrategie. Dass sie objektiv jeweils irreführend oder sogar falsch sind, wurde inzwischen klar herausgearbeitet.
Ich könnte mir auch andere Fragen vorstellen. Etwa so: „Zu Guttenberg wurde nachgewiesen, in seiner juristischen Doktorarbeit rechtswidrig Arbeiten anderer Autoren als eigene Ergebnisse ausgegeben zu haben. Die Universität Bayreuth hat angekündigt, ihm wegen der Verletzung wissenschaftlicher Standards den Doktortitel zu entziehen. Eine Prüfung, ob der Tatbestand des Betruges erfüllt ist, steht derzeit noch aus. Was meinen Sie: Kann Guttenberg unter diesen Voraussetzungen sein Amt als Verteidigungsminister weiterführen? Oder sollte Guttenberg zurücktreten, um die Würde des Ministeramts zu wahren?“ Was wäre dabei wohl herausgekommen?
Ich habe meine Reise kurzfristig um einen Tag verschoben, darum melde ich mich nochmal, bevor Bronski den Thread schließt.
Mein Appell an Bronski: Bitte noch etwas länger offen lassen. M.E. wird sich hier noch Einiges tun.
@ Jutta Rydzewski # 36 , Wolfgang Fladung # 37
Danke für die Blumen. Auch wenn die Fähigkeit, den Überblick zu behalten, noch kein „summa cum laude“ verdient. Das gehört eher zu den Grundvoraussetzungen nicht nur einer Doktorarbeit UND eines Ministeramts. Dafür gibt es schließlich Techniken, die ein Student der Grundsemester sich tunlichst aneignen sollte, wenn er bestehen will. (Zu meiner Zeit gab es noch ein „studium generale“ – hat mir sehr viel genützt.)
Immerhin gibt es mir Gelegenheit nachzutragen, was in die möglichst knapp formulierten Thesen nicht hineingepasst hat.
Ich würde weder Assoziationen zu „ewig Gestrigen“ noch das Problem der Manipulation mit Umfragen zu sehr in den Vordergrund heben.
Zu den Beobachtungen Wolfgang Fladungs:
Sicher gibt es solche Formen von Verdrängung und Verharmlosung noch. Fragt sich nur, ob man mit Erschrecken darüber weiter kommt. Auch das geht ja von einem Faschismusbild aus, das Nationalsozialismus (aus der einseitigen Sicht der Retrospektive) mit der Inkarnation des Bösen schlechthin gleichsetzt und damit für rationale Untersuchung unzugänglich macht (vgl. W.F. Haug: Der hilflose Antifaschismus). Drohende Gefahren lassen sich aber nur erkennen, wenn man von der Genese ausgeht, sensibel ist für Anzeichen von Entwicklungen, deren Verlauf man noch nicht kennt.
Ich habe letzte Woche den Film „Cabaret“ wieder gesehen. Mir fiel auf, wie gut dies mit einfacher Symbolik hier schon auf den Punkt gebracht ist:
Sally mit ihrem amerikanischen Geliebten und einem deutschen Baron, der Nazis für nützliche Idioten hält, die man schon in den Griff bekommen werde, in einem bayrischen Biergarten. Ein junger Mann mit Hakenkreuzbinde erhebt sich, singt mit klarer, reiner, fast fraulicher Stimme ein erbauendes Lied. Es vermittelt Sehnsüchte, Hoffnungen, Wunschträume. Die Stimmung greift auf andere über, pflanzt sich fort von Tisch zu Tisch. Am Ende stehen alle, mit wenigen Ausnahmen, und singen mit inbrünstiger Stimme, das Singen wird zum Grölen. Sally und ihre Begleiter ergreifen die Flucht. Und am Ende die Frage des Amerikaners an den Baron: „Glauben Sie immer noch, das in den Griff zu bekommen?“
Ähnlich bei Konstantin Weckers Ballade „Willi“: Die Aggression, die mit dem Erschlagen Willis endet, geht von einem jungen Mann aus „mit seligem Lächeln auf den Lippen“.
Hier, meine ich, ist der viel wichtigere Aspekt der VERFÜHRUNG richtig erfasst. Diese ist nur zu verstehen, wenn man erkennt, wie die Sehnsucht nach dem vermeintlich „Reinen“, „Jungfräulichen“, fast Außerirdischen eine Symbiose eingeht mit der Attraktivität des Bösen – wobei sich diese mehr und mehr, anfangs unmerklich, zum letzteren hin verschiebt. Der erste Aspekt der Sehnsucht nach dem „Reinen“ entspricht Momenten einer Weltflucht, verursacht durch deprimierende Erfahrungen und Demütigungen (Kriegserfahrungen im Barock, Existenzängste in den 30er Jahren, soziale Ausgrenzung – Hartz IV-Debatte – heute). (Daher auch meine Untersuchungen zu den psychologischen Auswirkungen des Marienkults in anderem Zusammenhang, der sich mit Intoleranz und Aggression verbindet: z.B. Radio „Mariya“ und Katholizismus in Polen).
Die Identifikation mit dem höher stehenden Schwindler und Lügner, evt. auch dem Verbrecher, „befreit“ vom schlechten Gewissen über eigene Schwindeleien, kanalisiert die eigenen uneingestandenen Aggressionen auf die „neidischen“ Moralisten und Aufklärer, die nichts anderes im Sinn haben als den einfachen Menschen ihre Idole zu klauen, die ihnen Hoffnung geben in ihrer desolaten Situation.
Das Beschriebene ist als allgemeiner psychologischer Mechanismus zu verstehen, der im Untertanentypus nur in besonderem Maß in Erscheinung tritt und nur unter extremsten Bedingungen, bei Hinzukommen vieler anderer Komponenten, zu Phänomenen wie „Faschismus“ führt (wobei die Grenzen zwischen Fundamentalismus und Faschismus m.E. fließend sind). Freilich sind hier keine Gleichsetzungen erlaubt und müssen die jeweils vorliegenden Bedingungen immer neu untersucht werden. Doch Erfahrungen der Vergangenheit können sehr wohl die Wirkungsmechanismen veranschaulichen (so mein von Frau Wolf monierter Hinweis auf den Anteil des Anti-Intellektualismus im Antisemitismus).
Für die aktuelle Debatte bedeutet dies:
Die (noch gegebenen) sehr hohen Umfragewerte für den „Lügenbaron“ haben offenbar damit zu tun, dass er in sehr hohem Maß beide oben beschriebenen Grundkomponenten erfüllt: das Erscheinungsbild und der Adelstitel (der nach landläufiger Vorstellung auch innerem Adel entsprechen MUSS) als Kristallisationspunkt für Tendenzen der Wirklichkeitsflucht, seine „Fehler“, die von eigenen Komplexen befreien und ihn nur noch sympathischer machen, und schließlich der Bedrängte, der von einer neidischen (und dazu noch überwiegend „linken“) Meute in die Enge getrieben wird und dem zu Hilfe zu eilen den eigenen „Großmut“ und „Anstand“ beweist.
Zu Jutta:
Meine Warnung vor einer falschen Anwendung des Rechts-Links-Schemas beruht im Wesentlichen auch darauf, dass dieses exakt in diesen perfiden Mechanismus hineinpasst und ihn, durch das Gefühl der Bedrohung von außen, noch verstärkt. Zudem ist „Aufklärung“ machtlos gegenüber Menschen, die, aufgrund eigener psychischer Zwänge, es sich nicht erlauben können (oder dies zumindest glauben), sich „aufklären“ zu lassen.
Verändernd wirkt nur eine Strategie, welche die internen Widersprüche und Zwänge dieses Mechanismus wirken und sich entfalten lässt.
So meine These 5c, wonach diese Form der Erzeugung von Idolen ein ständiges „Nachfüttern“ erfordert, um das Niveau zu halten und ein Umschlagen ins Gegenteil zu verhindern. Die weinerlichen neuesten Rührgeschichten über den verfolgten Baron in BamS („BamS leidet mit“, FR,28.02., S.6) bestätigen dies.
Der Verzicht auf das Rechts-Links-Schema bedeutet aber noch mehr: Er erfordert die Fähigkeit, sich auch in die Situation von Menschen versetzen und deren Sichtweise verstehen zu können, deren ideologischen oder anderen Voraussetzungen man nicht teilt. (Eigene Theatererfahrungen, die zum häufigen Rollen- und Sichtwechsel zwingen, sind hier ein hervorragendes Übungsfeld.)
So erst erschließt sich erst die Tatsache, dass die Merkelsche Strategie (die für mich immer noch das Hauptproblem ist) in weit höherem Maß eine Provokation für die Menschen darstellt, die ihr näher stehen. Und es zwingt zu unterscheiden zwischen konservativ orientierten Menschen, einer Partei, die deren Wert aufgrund des „C“ in ihrem Namen zu vertreten vorgibt, einer Bundestagsfraktion und der führenden Spitze. (Nicht einmal mehr in Bayern ist die Ineinssetzung dieser Ebenen so perfekt wie ich sie, selbst in Bayern unter der Ägide eines F.J. Strauß aufgewachsen, damals kennengelernt habe.)
Beispiel:
Ein Volker Kauder mag sich vielleicht noch entblöden, (so im „Bericht aus Berlin des ZDF vom 27.2.), seine Marionettenrolle wie verabredet auszufüllen und Statements abzugeben, von denen seine erstarrten Gesichtszüge verraten, dass er sie selbst nicht glaubt.
Wie aber steht es mit einer Annette Schavan? Ist ihr Schweigen in einer Debatte, in der katastrophale Auswirkungen auf den gesamten Wissenschaftsbetrieb thematisiert werden, nicht der größere Skandal? Wurde ihr ein Maulkorb verpasst? Und wie lange wird sie, werden alle, die nicht als Marionetten selbst am Pult agierten, ihre Rolle als missbrauchte Claqueure noch ertragen? (Vgl. „Süddeutsche.de, 28.02.: http://www.sueddeutsche.de/politik/anette-schavan-ueber-guttenberg-ich-schaeme-mich-nicht-nur-heimlich-1.1065529-2)
Und konnte man nicht spüren, wie es unter der Decke des von der Chefin verordneten Applauses brodelt?
Und die Chefin selbst? Sie ließ lieber ihre Marionetten tanzen als zu führen und ihre Entscheidungen öffentlich zu vertreten. Sie hatte ja, hört man,
Besseres zu tun, nämlich Betriebe zu besuchen. Hatte sie selbst nicht begriffen, was sie mit ihrer zynischen Bemerkung ausgelöst hat, oder war sie schlichtweg zu feige? Steht sie so sehr an der Wand, dass sie kopflos die Flucht nach vorn ergreift und dann kneift? – Führungsfähigkeit sieht anders aus. (Dabei hatte ich, ich gestehe es, zu Zeiten der großen Koalition durchaus noch Respekt vor ihren Führungsqualitäten, z.B. in Sachen Europa.)
Als Antithese also zu meiner These 1, die aus der Sicht der Kanzlerin heraus konzipiert ist:
Viele Beobachtungen, die darauf hindeuten, dass die Kanzlerin an einem „Point of no return“ angelangt ist, dass sie sich selbst zur Gefangenen ihrer eigenen Strategie gemacht hat, die nur noch die kopflose Flucht nach vorn ermöglicht, Widerspruch auf Widerspruch produziert und nicht nur „Gegner“, sondern auch die eigenen Reihen gegen sich aufbringt.
So etwa die Universität Bayreuth: Kann sie denn das katastrophale Image, dass ihr zur Rettung des Baron verpasst wird, auf sich sitzen lassen?
Viele Fragen, die alle darauf hindeuten, dass nicht nur der entschwebte und nicht mehr geerdete Hoffnungsträger jeden Überblick verloren hat. Und auf den Wolken schwebend, lässt sich vielleicht prima sein Image pflegen und im Dunst des eigenen Geschwafels das wahre Gesicht verschleiern (Vgl. den Hebel-Kommentar „Böses Erwachen mit Guttenberg“ vom 28.2. und Juttas Hinweis auf in FR.online; # 27 : http://www.fr-online.de/politik/boeses-erwachen-mit-guttenberg/-/1472596/4756432/-/index.html
Unter den genannten Voraussetzungen aber eine im Kriegseinsatz befindliche Truppe führen, Tote in Afghanistan rechtfertigen – das dürfte wesentlich schwerer fallen.
Man sieht: Er könnte mir fast leidtun, der arme Baron. Doch bevor ich hier öffentlich in Tränen ausbreche, mache ich lieber Schluss.
Nur noch ein Letztes:
Es wäre schön, auch etwas zu meinen Thesen zu lesen.
Tschüs, bis auf weiteres!
Werner Engelmann
@dreas,
daß die Universität Bayreuth am 22.2., dem Zeitpunkt dieser Umfrage, schon angekündigt hatte, ihm den Doktortitel zu entziehen, stimmt so gar nicht mit meinen Erinnerungen überein, und ich konnte das auch im Netz nirgends finden. Die Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth tagte am 22. sowie am 23.2. und beschloss dann am Ende dieser Sitzungen, und nicht schon 2 Tage vorher, der Öffentlichkeit mitzuteilen, den Doktortitel abzuerkennen. Ich frage mich, warum man zwei volle Tage überhaupt noch tagte und zu welchem Thema, wenn die Aberkennung schon am Morgen des ersten Tages, am 22.2, dem Tag der Fragestellung, ihrer Meinung nach schon angekündigte Absicht war. Der Rücktritt Guttenbergs vom Titel hingegen war am Abend des 21.2. bekanntgegeben worden, am Vortag der Umfrage (als von der Uni noch jenseits der Willensbekundung, den Fall zu prüfen, überhaupt nichts zu hören war), es ist mir daher kein großes Rätsel, daß dieser Rücktritt vom Titel in der Frage vorkam. War es doch wohl auch Absicht der Umfrage, herauszufinden, wie die Menschen einen Rücktritt vom Amt bewerten im Hinblick auf den kurz vorher erfolgten Rücktritt vom Titel.
Daß „Texte verwenden ohne dies zu kennzeichnen“ ein durch nachträgliche Verbesserung zu heilendes Versäumnis nahelegt, ist im Lichte des „hat DAHER angekündigt, seinen Doktortitel zurückzugeben“ unwahrscheinlich. Wenn er es durch Nachreichen der Kennzeichnungen nachbessern kann, wieso sollte er dann auf den Titel verzichten müssen? Ansonsten meine ich zu diesem Aspekt das von mir dazu schon vorher gesagte:
„Man kann doch nicht verlangen, daß die Befrager vorher den Befragten über die enorme Wichtigkeit von Quellenkennzeichnung im Wissenschaftsbetrieb aufklärt… denn es soll ja am Ende nicht die Aussage stehen: “WENN alle Menschen die Tragweite der Verfehlungen sachgerecht einschätzen würden, DANN wären so und soviel Prozent gegen einen Rücktritt.” Sondern es geht darum, wie die Menschen am Telefon aus ihrer Eigenstimmung heraus die Rücktrittsfrage bewerten, d.h. ohne weitere Belehrungen.“
Ihre Fragestellung ist, jedenfalls was Erklärung der Uni angeht, weit tendenziöser als die ursprüngliche, weil sie eine vermutliche Aberkennung als Gewißheit darstellte. Aber wenn Sie mich trotz dieser Tendenz, die Sie hereingebracht haben, fragen, was dabei wohl herausgekommen wäre, will ich Ihnen meine Meinung nicht verheimlichen: Vermutlich nicht viel anderes. Wir werden sehen können, ob diese Vermutung stimmt, denn es wird ja weiter Umfragen geben… d.h. welche, bei denen die Aberkennung schon fait accompli ist und durch entsprechende Medienberichterstattung in den Köpfen der Menschen angekommen sein sollte. Dann werden wir ja sehen, wie sich die Rücktrittsanteile in der öffentlichen Meinung entwickelt haben. Sie werden sicher zurückgehen, aber bei weitem nicht auf die Werte, die sich manche hier im Blog herbeiwünschen oder gar für „real“ halten.
Man könnte ansonsten übrigens auch reichlich Indizien für eine angebliche Stimmungsmache gegen Guttenberg sammeln. So wird z.B. ganz verbreitet die Behauptung von Guttenplag, auf 72,77% der Seiten wären Plagiatsstellen zu finden, verkürzt in die Behauptung: 72,77% der Doktorarbeit besteht aus Plagiaten. So z.B. auf „heute.de“, wo es wörtlich heißt: „Im Netz zeigt sich derweil, dass gut 70 Prozent der Arbeit abgeschrieben sind. 72,77 Prozent sei ein Plagiat, analysieren die User im GuttenPlag Wiki.“
Da die einzelnen Plagiatsstellen ja nicht jeweils die komplette Seite einnehmen, ist eine solche Behauptung natürlich Unsinn. Mit einer Pro-Guttenberg-Haltung sowie dem Temperament einer gewissen Teilnehmerin hier bewaffnet könnte ich dann natürlich erst bitterböse Emails an ZDF-heute schreiben, und anschließend Verschwörungstheorien entwickeln über Manipulationsversuche, hinter denen finstere Mächte stehen. Da aber beides nicht der Fall ist, ich weder zwanghaft pro- oder anti-Guttenberg bin, noch zur Hysterie neige, gehe ich erstmal nur von der journalistischer Schlampigkeit aus, vielleicht auch von Unfähigkeit, einfache Sachverhalte zu verstehen, sobald Mathematik in ihnen auch nur eine kleinere Rolle spielt.
# 43 – Werner Engelmann: aufgefordert, Ihren letzten Beitrag zu kommentieren, komme ich dem gerne nach, zumindest in einem Teil Ihres Beitrages.
Möglicherweise verstehe ich Sie falsch, aber da Sie das Wort VERFÜHRUNG groß geschrieben haben, habe ich mich daran ein wenig aufgehängt.
„Verführung“ beinhaltet für mich immer den, mehr oder weniger unwissenden (im Sinne von „nicht wissen wollen“) Menschen. Genau da teile ich auch die Kritik vieler, welche die Verharmlosung der Nazi-Zeit und der Menschen als „Verführte“ selbst ablehnen. Für mich waren es, mehr oder weniger, alle Mittäter, Teilzeittäter, mehr oder weniger Verantwortliche, sich recht gerne „verführen“ Lassende, welche dann bei der Entnazifizierung ihr „Verführtwerden und Verführtsein“ zum Weißwaschen benützt und gebraucht haben.
Ich habe mich und andere immer gefragt: Wie kann mensch bei der Be- und Mißhandlung anderer Menschen, welche wie Vieh zusammengetrieben wurden, in Gaskammern geschickt wurden, an den Gashähnen saßen, in Baracken als Ärzte und Personal Spritzen mit Giften und Bakterien verabreichten, in Kliniken entschieden, wer „wert“ und wer „unwert“, in Amtsstuben Stempel machten, wer als „guter Deutscher“ und wer als „rassen-unrein“ (Juden, Zigeuner, Homosexuelle) galt und gilt, noch als „Verführung“ sprechen??? Zu all diesen Reinwaschversuchen kam ja dann das, was wir derzeit wieder erleben, dieses Orwell’sche Neusprech, dieses Verdrehen in der Zuweisung, wer Leistungsträger und wer Schmarotzer ist, dieses neoliberale Gesülze und das Nachbeten aller selbsternannter Adepten.
Und genau das scheint mir bei der Causa Guttenberg auch wieder durch, dieses „Wir sind alle kleine Sünderlein, ’s war immer so“. Da paart sich Scheinheiligkeit mit Pharisäertum, mischt sich altbayerisches „mir san mir“ mit dem Wiederaufleben des Dünkels und dem Herabsehen der neuen Ober(Herren)-klasse.
Auch ich mag die Rechts-Links-oben-unten-Schemata nicht so, weil sich die Fronten nicht nur verschoben, sondern um 180 Grad verdreht haben. Für mich sind Umwelt- und Menschenschützer die eigentlichen Wertkonservativen, im Gegensatz zu den Neoliberalen mit ihrem alles wegfegenden Ego, wenn sich ihnen irgendwer und irgendwas in den Weg stellt.
Verführt die BILD-Zeitung „nur“, und/oder bedient sie nicht gezielt niederste Instinkte und Vorurteile? Was ist die Absicht, kurz- und mittelfristig? Nur Umsatz? Ist sie nicht schon länger das Kampfblatt der rechtspopulistischen Partei, deren Gründung nur noch den charismatischen Typen verlangt und erfordert? Karl-Theodor wird es ja wohl nicht mehr werden, oder doch?
Zu seinen „Voraussetzungen“ hier ein netter Kommentar im heutigen Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/meinung/viele-krumme-dinger/3887356.html
Es grüßt
Wolfgang Fladung
@Max Wedell
Ich hatte das Datum der Umfrage nicht im Auge, hatte aber auch meinen Formulierungsvorschlag nicht als schematische Alternative eingebracht, sondern im Wesentlichen zur Illustration meiner Kritik. Kern dieser Kritik war, dass durch die Fragestellung suggeriert wurde, Guttenberg sei derjenige, der die Handlungen kontrolliere und die Lösungsalternativen vorgebe – das war aber auch am 22.02. bereits nicht korrekt.
Also zurück zur klassischen Textkritik: „Zu Guttenberg hat eingeräumt“ legt die Betonung auf die Guttenbergschen Eingeständnisse und zeichnet dadurch ein Bild eines „einsichtigen Sünders“. Tatsächlich jedoch wurde jedes Detail des Guttenbergschen Fehlverhaltens von Anderen nachgewiesen, während Guttenberg selbst die Vorwürfe zunächst kategorisch abstritt, dann zu marginalisieren versuchte und zum Schluss nur das „einräumte“, was längst erwiesen war. Da bekannt ist, dass Guttenberg sich generell als „Macher“ inszeniert, hätte dieser taktische Umgang mit den Vorwürfen in der Fragestellung erwähnt werden müssen, wenn man an der Meinung der Befragten zum Stellenwert der Vorwürfe interessiert gewesen wäre. Dadurch, dass man die Frage in Kongruenz mit der Guttenbergschen Verteidigungsstrategie gestellt hat, hat man stattdessen die Bereitschaft der Befragten gemessen, Guttenberg generell vertrauen zu wollen (gewissermaßen der Grad der Anhängerschaft). Das ist ein bedeutender Unterschied.
Dass ein „Zurückgeben“ des Doktortitels rechtlich gar nicht möglich ist, war ebenfalls am 22.02. bereits bekannt. Im Fragetext wird allerdings nicht erwähnt, dass auf jeden Fall ein Verfahren an der Uni Bayreuth über die Aberkennung des Titels stattfinden würde und dass es in ähnlich gelagerten Fällen tatsächlich auch zu Betrugsverfahren gekommen war. Guttenbergs inhaltsleere „Geste“ wird jedoch so dargestellt, als kompensiere sie bereits alle Vorwürfe und nehme das Ergebnis der noch ausstehenden Verfahren vorweg. Dadurch werden wissenschaftliche Ehrenhaftigkeit und die Würde und Anforderungen des Ministeramtes gedanklich separiert und nahegelegt, dass Schlussfolgerungen über etwaige Zusammenhänge zwischen beiden Aspekten bei der Beantwortung der Frage irrelevant seien.
Dass meine Fragestellung „was die Erklärung der Uni angeht, weit tendenziöser [sei] als die ursprüngliche, weil sie eine vermutliche Aberkennung als Gewißheit darstellte“, beruht auf einem Missvertändnis – siehe obige Erklärung.
Jedoch halte ich Ihre Einschätzung für sehr problematisch, es solle ja am Ende nicht die Aussage stehen: “WENN alle Menschen die Tragweite der Verfehlungen sachgerecht einschätzen würden, DANN wären so und soviel Prozent gegen einen Rücktritt”, Sondern es gehe darum, wie die Menschen am Telefon aus ihrer Eigenstimmung heraus die Rücktrittsfrage bewerteten, d.h. ohne weitere Belehrungen. Auch demokratische Entscheidungen, um die es hier letztlich geht, bedürfen neben der numerischen Mehrheit für ihre Akzeptanz auch ein ausreichendes Maß an Faktenkenntnis bei den Abstimmenden. Eine Umfrage, die unter Ausklammerung wesentlicher Fakten lediglich „Stimmungsbilder“ abfragt, ist daher im besten Fall irrelevant für die demokratische Willensbildung, kann aber im schlechtesten Fall zu einem antidemokratischen Instrument werden.
# 46 – dreas: Zustimmung. Nicht Meinungen, Ansichten, Stimmungen entscheiden, sondern Fakten. Es geht nicht darum, ob Guttenberg „gefühlt“ richtig oder wieweit er falsch gehandelt hat, sondern was objektiv (Straf-)Tatbestände erfüllt. Und das alles abgesehen von der menschlichen Verwerflichkeit im Handeln contra eigenen Ansprüchen.
@ dreas #46
„Auch demokratische Entscheidungen, um die es hier letztlich geht, bedürfen neben der numerischen Mehrheit für ihre Akzeptanz auch ein ausreichendes Maß an Faktenkenntnis bei den Abstimmenden.“
Schön wär’s – es braucht nicht einmal ein Mindestmaß an Faktenkenntnis.
Bei allgemeinen Wahlen kann jeder Depp abstimmen, ohne auch nur einen Funken Ahnung zu haben. Dies trifft selbst auf Wahlen im unmittelbaren Umfeld zu (die Kommunal- und Ortsbeiratswahlen stehen ja gerade an).
Bei Abstimmungen in Parlamenten scheint mir, dass 90% der Abgeordneten von 90% der Sachverhalte nicht den blassesten Schimmer haben. Da hilft der Fraktionseinpeitscher weiter (oder auch mal das „eigene Gewissen“).
@dreas, Fladung,
jetzt kommen Sie aber mit einer ganz neuen Kritik. Erst hatte es den Anschein, als würde hier die Entstehung einzelner Umfragen, nämlich zum Thema der Beliebtheit Guttenbergs als fragwürdig bewertet, inzwischen aber richtet sich Ihre Kritik eher ganz allgemein dagegen, die Meinung beim Bürger zu politisch relevanten Themen überhaupt zu ermitteln (wenn man nicht ausschließen kann, daß es bloß eine „Stimmung“ ist).
Ich bin da gar nicht so weit von Ihnen entfernt, ich sehe auch das Problematische an Meinungsumfragen ganz allgemein. Das Problematische besteht allerdings meines Erachtens nicht darin, wie von W.Fladung behauptet, daß die ermittelten Meinungen womöglich in vielen Fällen bloß Stimmungen sind, die aus dem Bauch heraus entstanden sind, völlig ohne Faktenkenntnis, denn, wie Schnippsel richtig anmerkte, gilt gleiches ja auch für Wahlen, und die will ja auch keiner wegen dieses Problems abschaffen. Genausowenig also wie man vor Stimmabgabe bei Wahlen im Wahllokal erstmal eine 60-minütige zwangsweise Weiterbildung des Wählers zu wichtigen anstehenden politischen gesellschaftlichen Fragen, zu den Inhalten der Parteiprogramme usw. einführen wird, um ja nur sicherzugehen, daß jeder die Stimme mit dem Verstand abgibt und nicht aus einer bloßen Stimmung heraus, genausowenig muß man vor Ermittlung der Meinung in einer Meinungsumfrage eine umfassende Bekanntmachung des Befragten mit den Fakten unternehmen (was auch dem ENGEREN Sinn der Umfragen, nämlich die Bürgermeinung „as it is“ zu ermitteln, widersprechen würde).
Das eigentlich Problematische an den Umfragen (was dreas mit der Vokabel „antidemokratisch“ wohl meint) ist, daß die Genauigkeit der Ermittlung der Meinung des Bürgers über Verfahren, in denen eben nur ein Teil der Bürger die Gesamtheit repräsentiert, weit unter der Genauigkeit bei der Ermittlung der Meinung des Bürgers liegt, wenn jeder Bürger einzeln befragt wird, wie das bei einer demokratischen Wahl der Fall ist, daß aber sowohl Wahl wie Umfrage am Ende die Politik steuern (im Umfragefall: steuern können). Daß ein Politiker nur einen Teil der Bürger repräsentiert, gehört zur Struktur unseres demokratischen Systems, aber das bedeutet nicht, daß es auch ausreicht, wenn nur ein Teil der Bürger die Möglichkeit bekommt, ihren Repräsentanten zu wählen. Meinungsumfragen aber können aus praktischen Gründen nicht so angelegt werden, daß man einfach alle Bürger befragt. Dann wären es ja Volksabstimmungen… und das wird ja auch gegenwärtig diskutiert, ob es nicht zweckmäßig ist, die allgemein häufiger zu politischen Entscheidungsfindungen durchzuführen. Auch bei eventuellen künftigen Volksabstimmungen wird man, wie bei Wahlen, nicht verhindern können, daß Menschen sich den vorlaufenden Informationsangeboten völlig entziehen und am Ende trotzdem teilnehmen. Zu behaupten, deren Stimme wäre aber weniger wert ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch undemokratisch.
Das sind aber doch prinzipielle Fragen der Meinungsforschung, und nicht Fragen, die nur im Zusammenhang mit Umfragen zu Guttenbergs Beliebtheit auftauchen. Unter der Prämisse, daß Stichprobenuntersuchungen zur Bürgermeinung, die im Einzelfall auch nur eine Bürgerstimmung sein kann, nun mal gemacht werden, sind diese ganz speziellen Umfragen der bekannten Meinungsforschungsinstitute zu Guttenberg, jedenfalls in meinen Augen, korrekt dahingehend abgelaufen, daß sie die vom Befragungsinstitut unbeeinflusste Meinung der Befragten ermittelte.
Sorry für die Abschweifung. Eine Diskussion verschiedener Thesen W. Engelmanns aus #43 würde eigentlich mehr Raum verdienen als eine zur Frage, ob ein Stimmungsbild hier korrekt ermittelt wurde… aber wie das immer so ist, eine Gegenmeinung zu etwas Gesagtem muß irgendwie raus, wenn sie vorhanden ist.
@Schnippsel
Ja, bei den Wahlen darf „jeder Depp“ mit abstimmen. Der Zugang zur Wahlurne kann und darf schon deshalb nicht formal an Faktenkenntnis gekoppelt werden, weil eine objektive Bewertung dieses Sachverhalts unmöglich ist – ganz abgesehen vom nicht begründungsbedürftigen Grundrechtscharakter des allgemeinen und gleichen Wahlrechts. Allerdings deutet z.B. die Kopplung des Wahlrechts an das Volljährigkeitsalter darauf hin, dass vom Wahlbürger ein gewisses Maß an Verantwortungsbewusstsein erwartet wird, welches hierbei mit dem Erreichen eines gewissen Alters (wegen der bestehenden Schulpflicht verbunden mit der bis dahin erworbenen Schulbildung) verknüpft wird. Der Anspruch besteht also (inwieweit das in den gängigen Demokratietheorien explizit oder implizit enthalten ist, vermag ich nicht zu sagen und mangels Zeit leider auch nicht zu recherchieren), auch wenn ich Ihnen zustimme, dass er oft nicht eingehalten wird.
Eben darum ging es mir in meinem Beitrag nicht um eine Bewertung des einzelnen Wahlbürgers oder des einzelnen Teilnehmers an einer Umfrage, sondern um eine Kritik an denjenigen, die im Politik- oder Umfragengeschäft gestaltend wirken und dadurch Richtungen und Entscheidungsoptionen vorgeben. Im Fall der infratest-Umfrage hatte ich also versucht zu belegen, dass die Frage so formuliert war, dass letztlich nur die Bereitschaft gemessen wurde, Guttenbergs Einlassungen zu folgen („Grad der Anhängerschaft“). Dargestellt und auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde das Ergebnis aber so, als ob eine Einschätzung des Sachverhalts und der daraus zu ziehenden Konsequenzen abgefragt worden sei.
Daher halte ich das Ergebnis dieser speziellen Umfrage im Hinblick auf die notwendige demokratische Sachentscheidung für irrelevant. Und ich sehe darüber hinaus das Problem des antidemokratischen Missbrauchs, wenn unter Verwendung solcher Umfrageergebnisse faktenbasierte Entscheidungen in stimmungsbasierte Entscheidungen umgedeutet werden.
@Max Wedell
Ich kann vor dem Hintergrund des Gesagten nicht ganz nachvollziehen, wie Sie zu der Einschätzung kommen, in den Meinungsumfragen sei „die vom Befragungsinstitut unbeeinflusste Meinung der Befragten ermittelt“ worden. Auch das Weglassen von Informationen stellt schließlich eine erhebliche Beeinflussung dar. Letztlich ist es kaum möglich, in solchen Befragungen „Beeinflussungen“ zu vermeiden – um so wichtiger ist es also darzulegen, was genau gemessen werden sollte und in welcher Weise die Frage formuliert wurde, um diese Messung zu ermöglichen.
@dreas
Meine Zuschrift@20 an Sie, vom 25. Februar 2011 hatte ich mit folgendem PS abgeschlossen:
„PS: Um das ganz deutlich zu machen: Erheblich schlimmer ist das Verhalten von Frau Merkel, das ist sogar beschämend. Und denken Sie an meine Worte, sie wird sich davon „befreien“, in dem sie „Gutti“ nicht mehr „schützt“. Dann kann sie mal wieder, nach alter merkel-iger Sitte, mit traurigem Augenaufschlag ihre unerträglichen Allgemeinplätze abgeben nach dem Motto: Schweren Herzens habe ich dem Wunsche von Herrn zu Guttenberg entsprochen, dass er von seinem Amt zurücktritt. Ich bedanke mich ganz herzlich … usw. usw..“
Sechs Tage später: http://www.fr-online.de/politik/guttenberg-will-abtreten/-/1472596/7506634/-/index.html
Trotzdem werde ich mich zukünftig nicht als Wahrsagerin betätigen.;-)) Aber ganz im Ernst, endlich erfolgt der überüberüberfällige Rücktritt, ob erzwungen oder freiwillig ist nicht von großer Bedeutung, zumal auch dabei gelogen wird. Nu isser weg, und jetzt wird natürlich von den versammelten „Guttenbergern“ ein Aufschrei erfolgen: Wir wollen unseren Kaiser wiederhaben und so.;-)) Die Republik … ein Tollhaus.
mfg
Jutta Rydzewski
@dreas
Nachtrag: Ich könnte Ihnen jetzt noch mitteilen, welche Gründe Herr Guttenberg für seinen Rücktritt anführen wird, aber sicherlich haben Sie selbst die erforderliche Phantasie. Schaden von der Familie, der Gattin, insbesondere den Kindern, der BW, den SoldatenInnen, und natürlich von der Partei abwenden usw. usw.. Es wird bestimmt noch mal großes Guttenbergisches Kino sein, mit dem tragischen Helden KT in der Hauptrolle.;-)
mfg
Jutta Rydzewski
@Jutta Rydzewski
Frau Merkel kann halt Machtpolitik, das muss man ihr wohl lassen. In dem Moment, wo man sich wünscht, Guttenberg möge als Fanal der moralischen und fachlichen Insuffizienz der Regierung noch ein wenig länger auf der Bühne stehen, wird er dann doch abserviert…
Ja, das Szenario, das Sie in Ihrem Nachtrag schildern, kann man sich gut ausmalen (wenn man’s denn will). Interessant wird sein, nach welcher Schamfrist Guttenberg wo reinstalliert wird. Ansonsten wird es darauf ankommen, die Tage nicht zu vergessen, in denen sich Merkel und ihre Regierung als – siehe oben – moralisch und fachlich insuffizient gezeigt haben, um daran bei passender Gelegenheit erinnern zu können.
Achtung: Verteidigungsminister zu Guttenberg ist zurückgetreten! Ich plane für einen der kommenden Tage wieder eine Doppelseite Leserbriefe in der Print-FR. Blog-Kommentare können dabei berücksichtigt werden.
Gruß von Eurem Bronski
Hallo alle,
ich könnte jetzt in BILD-Manier texten: GUTT DAS ER WEG IST.
Aber dieser überfällige, und noch im Abgang phrasendreschende Entschluß ist für mich nur ein Semikolon, und kein Schlußpunkt. Irgendwann wird er, geläutert, wieder auftauchen, als Seehofer-Nachfolger womöglich, und irgendwann wieder in Berlin anlanden. Schließlich braucht das DEUTSCHE VOLK seine Hoffnungsträger.
Meiner Meinung nach hat etwas ganz Anderes jetzt den Ausschlag gegeben, nämlich die Tatsache, daß sich die Bundeswehr-„Reform“ als Rohrkrepierer erweisen wird. 10% Freiwilligen-Bereitschaft, wo 100% gefordert sind, da ballt dann auch die deutsche Wirtschaft die Faust, zunindest der Teil, welcher eine neue Kanonenboot-Politik erwartet hat.
Für mich ist das Thema G. jetzt erst mal gegessen. Viel interessanter wäre für mich ein neuer Blog, lieber Bronski, der sich damit beschäftigt, wie die Festung Europa demnächst den Millionenheeren aus Afrika begegnen will. Du kennst ja meine Meinung dazu. Gegen diesen Orkan werden die Finanzprobleme der EU ein laues Lüftchen sein, vor allem, wenn sich dann noch Hurricanes aus den USA und Taifuns aus China hinzugesellen. Aber wahrscheinlich höre ich mal wieder nur die Nachtigall husten und die Flöhe trapsen, oder war’s umgekehrt?
@dreas,
das Weglassen von Informationen ist eigentlich eher positiv im Sinne einer Nichtbeeinflussung des Ergebnisses durch die Befrager. Am besten wäre in meinen Augen eine Fragestellung wie: „Sind Sie dafür, daß Guttenberg angesichts der Plagiatsaffaire zurücktreten soll“ gewesen, ganz ohne weitere Erläuterungen. Die Befragung fand aber unter dem Eindruck der am Abend vorher stattgefundenen Rückgabe des Doktortitels statt, da finde ich entschuldbar, daß die darin vorkommt. Ebenso finde ich es z.B. entschuldbar, daß die FR im Artikel, der hier zum Rücktritt zitiert wurde, ihre nichtrepräsentative (d.h. ziemlich aussagebeliebige)Umfrage mit der Feststellung beginnt: „Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat seinen Rücktritt erklärt.“ Ihrer Meinung nach müsste das ja auch zu kritisieren sein als Darstellung, die G. als einen die Handlung Bestimmenden beschreibt… die Fragestellung hätte ja ihrer Meinung nach vielleicht besser lauten müssen: „Nachdem Guttenberg ganz skandalöse Dinge getan hat, hat er sich dem Rücktrittsdruck nach viel zu langer Zeit doch beugen müssen. Was meinen Sie: Hat er viel zu lange mit dem Rücktritt gewartet?“ o.ä.
Unsere Differenzen werden wir nicht auflösen können, denn wir haben ja eine völlig unterschiedliche Auffassung vom engeren Zweck dieser Umfragen. Ich meine, die Meinung der Bürger sollte möglichst unbeeinflusst vom Befrager ermittelt werden, während Sie offensichtlich der Meinung sind, daß der Befrager auf den Befragten erstmal aufklärend einwirken müsse, um zu vermeiden, daß die aufgenommene Meinung nur so eine ad-hoc-aus-dem-Bauch-heraus-Stimmung ist. Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß die Auffassung der Meinungsforschungsinstitute in dieser Sache eher, bzw. man könnte eigentlich auch sagen, ganz genau meiner Meinung dazu entspricht. Aufklärung ist nämlich immer Beeinflussung, und zwar auch teilweise willkürliche, ich kann jemanden links herum aufklären, und ich kann jemanden rechts herum aufklären. Ein durch ein Befragungsinstitut manipuliertes Meinungsbild der Bürger will aber niemand hören, ganz zu schweigen von den „antidemokratischen Mißbrauchsmöglichkeiten“ solcher Manipulationen.
Zur Frage der Mitschuld des Doktorvaters (oder gar der Universität). Vor kurzem noch habe ich selber die Meinung gehabt, daß hier auch eine gewisse Mitschuld vorlag. Inzwischen bin ich doch eher anderer Meinung. Zum Meinungswechsel hat beigetragen:
a) Ich dachte doch tatsächlich, daß „summa cum laude“ wirklich etwas Aussergewöhnliches ist, vor allem weil nahezu alle Medien die diffuse Ansicht verbreiteten, „summa cum laude“ wäre wirklich etwas Aussergewöhnliches. Die Medien hätten insofern recht, wenn sie eigentlich meinten, daß das Prädikat „summa cum laude“ etwas Aussergewöhnliches SEIN SOLLTE, aber das nur so ungeschickt ausgedrückt haben, daß der falsche Eindruck entstand, es wäre tatsächlich eine so außergewöhnliche Bewertung. Die „cum laude“ Bewertungen stehen eigentlich schon außerhalb der normalen Bewertungsskala, sollten also nur im Ausnahmefall auch vergeben werden. Im Spiegel war allerdings zu lesen, daß in den Rechtswissenschaften bundesweit 63% aller Promotionen mit diesen Ausnahmebewertungen enden. In den hessischen Universitäten enden 21% aller Promotionen mit der höchsten der Ausnahmebewertungen, mit „summa cum laude“. Also jeder fünfte Doktorand bekommt das. Soviel zur „Außergewöhnlichkeit“, die letzten Endes fast schon zur Gewöhnlichkeit geworden ist. Wenn man hier G.s Doktorvater einen Vorwurf machen will, dann müsste man diesen Vorwurf allen Professoren Deutschlands machen, die Doktoranden betreuen… mit „summa cum laude“ (und der anderen Ausnahmebewertung „magna cum laude“) wirft man in D scheinbar nur so um sich.
b) Inhaltliche Bewertungen der Arbeit gab es eigentlich kaum. Bei den Bewertungen, die es in der Berichterstattung gab, war nicht klar, inwieweit in sie die Tatsache der Plagiatsverwendungen eingeflossen ist, deren Berücksichtigung natürlich kein anderes als ein vernichtendes Urteil zulässt. Die Arbeit unter einer inzwischen ja fiktiven Prämisse zu beurteilen, daß sie keine Plagiate enthält, d.h. die damalige Sicht von Häberle replizierend, habe ich nur von einer Person erlebt: Von Arnulf Baring. Er, der ansonsten Guttenberg durchweg kritisch sieht, und zwar nicht nur in der Plagiatsaffäre, sondern auch allgemein (In Erinnerung ist mir sein Wort von der „naßforschen Art“ G.’s… es bezeichnet genau das, was mir von Anfang an an der Person G. unsympathisch war), Baring (selber Jurist) hat also die Doktorarbeit als durchaus niveauvoll, ein „summa cum laude“, wie es heute so freigebig verteilt wird, durchaus verdienend beschrieben. Ich habe mir die Arbeit selber besorgt, Gutenplag, wo man zu Recht natürlich auf die Wahrung des geistigen Eigentums Anderer große Stücke hält, verteilt ja wiederrechtlich Raubkopien dieser Arbeit bzw. Informationen, wo eigene Mitarbeiter diese hingestellt haben. Ich kann mir allerdings, das muß ich zugeben, nach flüchtigem Überfliegen natürlich kein Urteil erlauben, das über folgendes hinausgeht: Ungeachtet der Frage abgeschrieben oder nicht: Inhaltlich läppisch ist das hier Zusammengestellte nicht. Jedenfalls bin ich erstmal durchaus geneigt, Baring (und damit auch Häberle) zu glauben, und die Behauptungen skeptisch zu betrachten, die aussagen, hier hätte jemand etwas geschenkt bekommen, was ihm selbst bei Unkenntnis der Plagiatstatbestände wegen inhaltlicher Mängel jenseits der Zitatskennzeichnungen nicht hätte zuerkannt werden dürfen.
c) Es wurde die Frage aufgeworfen, ob Häberle selber nicht eindringlicher nach Plagiaten hätte forschen sollen. Was ein Bremer Professor kann, hätte Häberle doch auch tun können. Hier hörte ich das Argument eines Wissenschaftlers, der selber Promotionen betreut, daß mir durchaus einleuchtend erscheint, daß die langjährige (im Fall G. 7 Jahre dauernde) enge Zusammenarbeit auch persönliche Bindungen derart entstehen lässt, daß man an Betrugsversuche in solchen oder auch nur irgendwelchen Dimensionen nicht im Traume denkt. Und da kann gern noch der eine oder andere gehässig hinzufügen: Und dann auch noch bei einem solchen Namen natürlich gar nicht… ja, dann auch noch bei einem solchen Namen erst recht nicht. Ob das „Adelshörigkeit“ ist, glaube ich nicht, sondern es ist eher der Tatsache geschuldet, daß es tatsächlich einen höheren Druck auf bestimmte Personen gibt, an sie gestellten höheren Erwartungen auch gerecht zu werden. Das Versagen in diesem Fall bedeutet ja nicht, daß es diesen Druck nicht gibt. Wie dem auch sei, ich kann Häberles Unterlassung einer intensivsten Prüfung auf Plagiate jedenfalls nicht so übermäßig kritisieren wie andere.
Vielleicht haben die Euros die wie man lesen konnte in dieser Zeit bei der Uni eingegangen sind auch etwas dazu beigetragen????
@56 Max Wedell
Aber sicher doch, Herr Max, sobald Arnulf Baring, der öffentlich-rechtliche Dauertalker oder besser -schwätzer, auf der Bildfläche erscheint, macht jedes ultrarechte konservative Herz Freudensprünge. Wer könnte also besser die „Dr.-Arbeit“ des ehemaligen Dr. Guttenberg beurteilen, als dieser so genannte Historiker, der am 09. November 2003, im Nachtstudio des ZDF, Folgendes zum Ausdruck gebracht hatte:
„Der Hitler hat ja in einem Maße dieses Land in Bewegung gebracht was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Er hat in den 30er Jahren, was bis in die 40er, 50er – man kann sagen – in die 60er Jahre weitergewirkt hat, den Leuten einen Elan vermittelt, der vollkommen von uns gewichen ist.“
Ich kann zwar niemanden verbieten, im Jahre 2003, oder vermutlich auch noch heute, den Hitler zu bewundern, aber eine solche Äußerung, gerade an einem 09. November, ist der blanke Zynismus. Doch da kennt der Baring nix. Bei einer CDU-Veranstaltung in Hessen, am 07. September 2006, auch da kennt der Baring nix, bezeichnete er (sein Vortrag wurde von großem Beifall begleitet, die Hessen-CDU war eben immer schon etwas „Besonderes“) die Verbrechen der Nazis lediglich als eine „bedauerliche Entgleisung“. Millionen ermordete Juden, Sinti, Roma und politische Gegner sind, zumindest nach meinem Verständnis, keine „bedauerliche Entgleisung“, sondern singuläre Menschheitsverbrechen, von der geistigen Planung bis zu ihrer unglaublich menschenverachtenden Ausführung. Bei der selben Veranstaltung, auch da kennt der Baring wieder nix, forderte er, natürlich unter besonders großem Beifall der hessischen CDU, anstatt Integration die „Eindeutschung“ von Migranten und Ausländern. Baring hält es auch für übertrieben, im Zusammenhang mit dem Holocaust überhaupt von singulären Verbrechen zu sprechen.
Es gebe noch mehr über diesen Herrn zu berichten, aber das sollte zunächst reichen, zumal mir schon wieder übel wird. Und gerade dieser Baring wird immer wieder von den Öffentlich-Rechtlichen als Talker eingeladen; da kennen die Öffentlich-Rechtlichen eben nix. Und nun wird er, wenn auch etwas verschwurbelt, zur Entlastung des Schwindel- und Lügenbaros hinsichtlich seiner „Doktorarbeit“, noch als „Experte“ bemüht. Dass Sie, Herr Max, „erstmal durchaus geneigt“ sind Baring zu glauben, überrascht mich erstmal durchaus nicht.;-)
mfg
Jutta Rydzewski
@Max Wedell
Ich hatte doch meine Textkritik am konkreten Beispiel durchgeführt und dabei herausgestellt, dass die gestellte Frage a) durchaus Erläuterungen zu den Randbedingungen enthielt, die b) bereits eine bestimmte Einschätzung transportierten. Eine Frage wie „Soll Guttenberg angesichts der Plagiatsaffäre zurücktreten oder entlassen werden?“ hätte zumindest in ihrer Diktion nicht die Guttenbergsche Verteidigungsstrategie aufgegriffen und wäre somit tatsächlich „besser“ gewesen, wenn man auf ein reines Stimmungsbild abzielen wollte. (Obwohl selbst hier der Begriff „Affäre“ problematisch sein könnte, da er im allgemeinen Sprachgebrauch oft für Dinge angewendet sind, die in ihrer Substanz als „nichts Ernstes“ angesehen werden.) Für etwas gewagt halte ich es zu erklären, die Auffassung der Meinungsforschungsinstitute in dieser Sache entspräche „ganz genau Ihrer Meinung dazu“. Ich weiß nicht viel von der Soziologie, aber ich weiß durchaus, dass die Formulierung von Fragestellungen zur Messung von Meinungen, Stimmungen oder Einschätzungen entscheidend ist für die Validität der Ergebnisse, und dass die Ergebnisse nur vor dem Hintergrund der jeweiligen Frage sinnvoll interpretierbar sind. Und darum wage ich weiterhin die Behauptung, dass die infratest-Umfrage nicht wirklich das gemessen hat, was sie hätte messen sollen. Aber lassen wir das… Eine „Alternativfrage“ für die Situation vor dem Rücktritt hatte ich ja selbst in Beitrag #42 vorgeschlagen – die war durchaus sachlicher als das, was Sie mir jetzt in den Mund/die Tastatur gelegt haben. Aber auch das ist vermutlich Geplänkel, das es nicht lohnt zu vertiefen.
Zu Ihrem Punkt b), der fehlenden fachlichen Bewertung. Andreas Fischer-Lescano hatte Guttenbergs Dissertation zunächst mit dem Ziel der inhaltlichen Auseinandersetzung gelesen. Sein Artikel in der „Kritischen Justiz“ enthält folglich eine solche (wenn auch kurze und plakative) fachliche Wertung, bevor er auf die Plagiate verweist. Beim Suchen nach der Quelle bin ich übrigens auf die Wikipedia-Seite http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassung_und_Verfassungsvertrag gestoßen, die m.E. eine gute kompakte Darstellung zur Entstehung und Rezeption der Dissertation bereitstellt und unter Anderem auf den Artikel von Fischer-Lescano verlinkt. Auch im Hinblick auf die inhaltliche Bewertung ist die Lektüre der von Fischer-Lescano aufgelisteten Plagiate sehr aufschlussreich, und zwar deshalb, weil hier offenkundig wird, dass Guttenberg nicht nur „Füllstoff“ übernommen hat, sondern ganze Ausarbeitungen und Schlussfolgerungen. Eine solche Arbeit kann gar nicht als eigenständiges Werk begutachtet werden, weshalb die Frage, ob sie unabhängig von ihrer Genese eine Bestnote verdient hätte, m.E. (und wohl auch nach Ansicht der meisten Wissenschaftler) obsolet ist. Auch dies braucht aber wohl nicht weiter vertieft zu werden.
Zu Ihrem Punkt c), der Rolle der Universität und des Doktorvaters, wäre ich bereit anzunehmen, dass Prof. Häberle von allen Beteiligten womöglich am ehesten als „tragische Figur“ angesehen werden kann. Einerseits belegt die erteilte Ausnahmegenehmigung zur Promotion trotz einer im Normalfall dafür nicht hinreichenden Examensnote im ersten Staatsexamen und eines fehlenden zweiten Staatsexamens einen ungewöhnlich ausgeprägten Willen der Universität, Guttenberg zu promovieren. Dass dabei die großzügige Zuwendung aus dem Dunstkreis der Familie (d.h. die Finanzierung der Stiftungsprofessur durch die Rhön-Klinikum AG) eine Rolle gespielt haben könnte, ist zumindest nicht unplausibel. Andererseits kann ich nachvollziehen, dass man als Doktorvater auch (oder gerade?) in einem solchen Fall davon ausgehen würde, dass eine zumindest formal akzeptable Arbeit abgegeben wird. Einem 2002 emeritierten Hochschullehrer ist wohl auch nicht vorzuwerfen, die heutigen Möglichkeiten des Internet zur Identifikation von Plagiaten aus der „grauen“ Literatur womöglich nicht genau zu kennen. Und natürlich begründet die Annahme einer Dissertationsbetreuung auch ein Vertrauensverhältnis, das hier vermutlich vom Doktoranden in schäbiger Weise ausgenutzt wurde. Immerhin sah sich Häberle in der Verantwortung, seinen Doktoranden öffentlich zu verteidigen, bevor ihm dieser mit seinem „Eingeständnis“, „Blödsinn“ geschrieben zu haben, in der dümmstmöglichen Weise in den Rücken fiel. Es kann also durchaus sein, dass sich auch Häberle von Guttenberg blenden ließ und nicht annehmen konnte, von ihm in einer derart egoistischen Art und Weise funktionalisiert zu werden. Apropos „egoistisch“ oder „ich-bezogen“ – ganz charmant ist hier die kurze Rezension der Guttenbergschen Dissertation in der FAZ vom 18.03.2009 (ebenfalls über die o.g. Wikipedia-Seite verlinkt).
Damit genug zu Guttenberg – Frau Merkel hat ihn (oder er sich ihr zuliebe?) ja nun politisch „entsorgt“ und hofft vermutlich auf gnädiges Vergessen der Begleitumstände in der Öffentlichkeit. Wobei ich hoffe, dass ihre Hoffnung trügt.
@dreas,
„wenn man auf ein reines Stimmungsbild abzielen wollte“… ich verstehe nicht, auf was die Meinungsforscher in den Szenarien, um die es hier geht, d.h. in Schnellumfragen im Auftrag der Medien, sonst abzielen sollten. Manche Befragte haben ganz fundierte Meinungen, andere Stimmungen aus dem Bauch, wieder andere Stimmungen, die auf Fehlinformationen basieren, der eine hat in 20 Jahren noch dieselbe Meinung oder Stimmung, der nächste morgen eine andere… das alles interessiert die Meinungsforscher nicht im Geringsten, jeder Befragte ist hier gleichwertig. Sie verwechseln diese Umfragen vielleicht mit denen der sog. Motivationsforscher, die tatsächlich nicht nur eine Meinung wissen wollen, sondern auch, warum sie besteht. Oder allgemein Soziologen, die in ihren wissenschaftlichen Untersuchungen natürlich auch nicht an der Oberfläche bleiben wollen: So viele sagen dies, so viele andere jenes, Punkt.
Die Frage, ob Häberle dem G. den Titel geschenkt hat, könnte ja immernoch auftauchen. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß sie mit bloßem Verweis auf die Plagiate nicht so geklärt werden kann, daß man Häberle einen Strick daraus drehen könnte, sondern das man dazu den Wert der Arbeit unter genau den Bedingungen prüfen müsste, unter denen Häberle sie damals prüfte… d.h. unter Annahme der Eigenleistung bei allen Nichtzitaten. Der kurze Absatz von Fischer-Lescano reicht jedenfalls m.E. nicht aus, um G. als Günstling Häberles zu beweisen, und die 2 Sätze Barings in einer TV-Show reichen natürlich auch nicht aus, um Häberle in der Hinsicht zu entlasten… ich habe die nur als Indiz einer Entlastung genommen, da mir weitere Urteile unter Ausblendung der Plagiate nicht bekannt waren.
Einen wichtigen Gesichtspunkt, weswegen der Rücktritt besonders wichtig war: Das Vorgehen Guttenbergs beim Verfassen der Arbeit ist ja von einer gewissen Dreistigkeit, ja Risikobereitschaft (man könnte schon fast sagen Fahrlässigkeit) gekennzeichnet. So dumm ist er ja nicht, daß er die Risiken nicht sehen konnte, wie sie sich für einen Plagiator durch immer weiter zunehmende Digitalisierung, Massen-Digital-Archivierung usw. ständig vergrößern. Er war einfach bereit, dieses große, künftig weiter wachsende persönliche Risiko einzugehen. Für einen Verteidigungsminister hingegen würde ich mir eigentlich eher eine gewisse Risikoscheue wünschen. In der ultimativen Frage, die auf einen Verteidigungsminister zukommen kann, nämlich „Krieg oder Frieden?“, wäre ein naßforsches „Ach, wir probierns jetzt einfach mal mit Krieg“ nicht zu wünschen. Dies unabhängig davon, daß natürlich Verteidigungsminister nie diese Frage alleine beantworten werden… aber ihre Stimme hat in einer solchen Situation schon ein starkes Gewicht. Mit der Sicherheit unseres Landes sollte ein Verteidigungsminister verantwortlicher umgehen als Guttenberg mit der Absicherung seiner Karriere umgegangen ist. Merkels Behauptung, das eine habe mit dem andern nichts zu tun, konnte ich daher nicht nachvollziehen.
P.S. noch nebenbei bemerkt, Arnulf Baring ist nicht nur „so genannter Historiker“, sondern Doktor der Jurisprudenz… aber wenn jemand noch nicht einmal in der Lage ist, zu erkennen, daß es hier um eine Entlastung Häberles geht und nicht um eine Entlastung Guttenbergs, erübrigt sich ja jede Diskussion.
Nach meiner (unmaßgeblichen) Meinung wird es der Uni Bayreuth und ihren Professoren schwer fallen, sich in dieser Angelegenheit allein als hintergangenes Opfer darzustellen. Zu klar sind die Indizien, die darauf hindeuten, dass man Guttenberg gerne zu einer Promotion mit einem guten Ergebnis verhelfen wollte – nicht zuletzt im Hinblick auf deren werbliche Verwertung. Allerdings hatte man sicherlich nicht damit gerechnet, dass das gezeigte Entgegenkommen derart extensiv ausgenutzt werden würde. Es stünde der Universität gut zu Gesicht, auch die Frage der Notenvergabe noch einmal kritisch zu beleuchten. Für die wissenschaftliche Reputation der Hochschule ist es auf jeden Fall bedeutsam, ob mit der Note der schiere Umfang der Arbeit honoriert wurde, die aus Sicht der Prüfer „richtigen“ Schlussfolgerungen, die Herangehensweise oder was auch immer. Für die politische Bewertung des Vorgangs ist hingegen hauptsächlich von Belang, ob die Plagiate nach Lage der Dinge im üblichen Promotionsverfahren hätten erkannt werden müssen oder nicht.
Mir fällt zunehmend auf, daß gerade die Leute (und hier ist es egal, ob es um ‚Stimmen aus dem gemeinen Volk‘ oder um Politiker geht), welche meinen, Guttenberg habe eine „zweite Chance“ verdient, auch diejenigen sind, die bei anderen Verfehlungen am lautesten „hang ‚em higher“ rufen.
Sieht aus, als wären manche eben doch gleicher als andere…
@61 Max Wedell
„P.S. noch nebenbei bemerkt, Arnulf Baring ist nicht nur „so genannter Historiker“, sondern Doktor der Jurisprudenz …“
Ist schon klar, Herr Max, warum sollte dieser Baring, neben seiner offenkundigen Hitlerbewunderung, nicht auch noch andere „Qualitäten“ aufzuweisen haben. Denn so ganz ohne Grund werden Sie diesen Herrn ja nicht in die Diskussion eingeführt haben.;-)
„aber wenn jemand noch nicht einmal in der Lage ist, zu erkennen, daß es hier um eine Entlastung Häberles geht und nicht um eine Entlastung Guttenbergs, erübrigt sich ja jede Diskussion.“
„Jemand“ war schon in der Lage Ihre offenkundig bewusste „Schwurbelei“ zu erkennen. Deshalb hatte ich Sie ja auch dahingehend zitiert, dass Sie „erstmal durchaus geneigt“ sind Baring zu glauben. Ist also alles gut bei mir angekommen, Herr Max.;-)
Obwohl Sie wieder vermieden haben, mich direkt anzusprechen, noch einen schönen Tag.
mfg
Jutta Rydzewski
Manche Zeitungen bemühen sich ja, eine Schlagzeile mit Pfiff zum Rücktritt zu bringen. FAZ und Süddeutsche sind da eher blass: „Guttenberg tritt zurück“, „Guttenberg gibt auf“. Der bemühte Humor der taz ist auch in diesem Fall mal wieder schwer erträglich: „Guttenberg schneller als Ghaddafi“ suggeriert eine Vergleichbarkeit der Personen und ihrer Taten. FR bleibt hinter Handelsblatt: „Weggetreten“ hinter „Der Zurückgetretene“. Den Vogel aber schießt in meinen Augen die Financial Times Deutschland ab: „Union verliert ihr Zirkuspferd“. Prägnanter und treffender gehts nicht.
„Weggetreten“ fand ich auch deswegen etwas langweilig weil der ARD-Brennpunkt gestern abend die gleiche Schlagzeile hatte
Der Rücktritt von zu Guttenberg von seinen politischen Ämtern trägt nicht zur Beruhigung der Wissenschaftlergemeinschaft bei, weil bisher keine wissenschaftsethischen und -rechtlichen Konsequenzen gezogen wurden:
– Der Plagiator hat seine Täuschung nicht gestanden, sondern strickt an einer falschen Legende.
– Die Bundeskanzlerin deckt den Täuscher nach wie vor.
– Die Uni Bayreuth hat die Täuschung bisher nicht offiziell aufgedeckt und verurteilt, sie hat nur einen Doktortitel zurückgenommen, den der Titelträger loswerden wollte.
Uni-Präsident Bormann meint laut FR vom 2.3.2011 immer noch, es sei „nicht unstrittig, sondern im Gegenteil strittig“, ob ein Täuschungsversuch vorliege, und die Uni-Kommission benötige noch einige Wochen, um dies zu klären. Dies und andere nebulöse offizielle Mitteilungen der Uni Bayreuth lassen befürchten, dass Bormann weiter versucht, die bewusste vorsätzliche Täuschung des Plagiators zu vertuschen und die Aufklärung und Konsequenz zu verzögern, bis Gras über den Skandal gewachsen ist.
Bormann behauptet, zu Guttenbergs Rücktritt von seinen politischen Ämtern nehme „einigen Druck“ von der Uni. Das ist Unsinn, denn da der Plagiator die Täuschungen bei seiner Dissertation lange vor seiner Tätigkeit als Verteidigungsminister begangen hat, kann ihre Aufklärung nichts mit seinen politischen Ämtern zu tun haben.
Bormann kündigt an, „Fakten, die im Internet veröffentlicht und uns zugetragen wurden“, prüfen zu wollen. In guttenbergscher Art verschweigt er die Quelle: GuttenPlag Wiki hat 891 Plagiatsfragmente auf 82 % der Haupttextseiten entdeckt. Hätte GuttenPlag Wiki in seiner öffentlichen Dokumentation in nur wenigen Fällen geschlampert, so hätten die Freunde des Plagiators genügend Gelegenheit gehabt, diese Schlampereien aufzudecken und damit GuttenPlag Wiki ein für allemal öffentlich zu diskreditieren. Die 36 Doktoranden von GuttenPlag Wiki haben weitaus mehr zur Aufklärung des Plagiatsfalls beigetragen als die Uni Bayreuth. Schon das allein ist beschämend für die Uni Bayreuth.
Nur wenige Bayreuther Professoren wie Prof. Lepsius und Prof. Häberle haben zum Plagiatsskandal klare Worte gefunden. Ihr Präsident lässt sie mit abwertenden Äußerungen wie „ihre persönliche Meinung“ im Regen stehen.
Bormann hofft angeblich darauf, der Plagiator „wolle sich an der Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe beteiligen“ (Medienmitteilung der Uni Bayreuth, 1.3.2011). Soll das mehr sein als eine weitere Nebelkerze zur Irreleitung der Öffentlichkeit? Dieser Uni-Präsident erscheint als die größte Aufklärungsbremse.
Wann endlich bewegt sich die Uni Bayreuth dazu, den Plagiatsfall vorbehaltlos aufzuklären, den Plagiator der bewussten vorsätzlichen Täuschung zu überführen und ihm den Doktorgrad wegen Täuschung zu entziehen, nicht nur großzügig zurückzunehmen?
Ich spekuliere: Die „Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Uni Bayreuth erklärt nach 123 Wochen intensiver Forschung, dass an den von GuttenPlag Wiki entdeckten 891 Plagiatsfragmenten auf 82 % der Haupttextseiten keine Täuschungsabsicht zu erkennen sei. Vielmehr sei den Aussagen des Doktoranden Glauben zu schenken, die 891 Plagiate seien ihm völlig unbewusst und ohne jegliche böse Absicht unterlaufen, weil er in den sieben Jahren seiner mühevollen Kleinst-Schreibarbeit grade mal den Überblick über die Quellen verloren habe, als die Kinder zu laut plärrten.
Variante 1: Nach einer Urlaubsphase betritt der Plagiator wieder die politischen Bühne (vielleicht bei seiner zweiten Chance als Nachfolger von Frau Schavan?) und verbreitet die Legende: Er habe damals wegen einigen unwesentlichen wissenschaftlichen Fehlern, die er selbst entdeckt habe, den Doktortitel freiwillig an die Uni Bayreuth zurückgegeben. Der Titel sei ihm nie entzogen worden, auch sei ihm nie eine bewusste Täuschung nachgewiesen worden. Es sei nur eine Hetzkampagne rot-grüner Neider gewesen.
Variante 2: Einen Tag, nachdem die Kommission ihre Arbeit für erledigt erklärt hat, wird der Ghostwriter der guttenbergschen Dissertation in der SZ enttarnt. Trotz ein paar Euro mehr wurde der Täuscher selbst getäuscht. BILD bemitleidet das Täuschungsopfer.
zu Max Wedell
Ihre weiter oben getätigte Aussage:“ So dumm ist er ja nicht“ würde ich heute nicht ohne ? stehen lassen. Wenn jemand überhaupt keine Ahnung von den Möglichkeiten des Internet hat dann überrascht ihn das was gerade passiert ist komplett.
@hans, gut über „Dummheit“ kann man in diesem Fall natürlich auch einige berechtigte Zuweisungen vornehmen. Gemeint war eigentlich „Informiertheit“. Und ich meinte auch nicht nur das Internet, das ist ja nur Teil des gesamten Digitalisierungsthemas, Teil der entstehenden gigantischen Datenbanken sowie ein Zugriffsweg auf diese.
@hug, ich war immer schon sehr erstaunt darüber, wenn einzelne Stimmen verlautbarten, der Vorsatz wäre doch ganz einfach beweisbar. Einen direkten Beweis des Vorsatzes (sollte G. die Arbeit selber erstellt haben und die vorsätzliche Täuschung nie zugeben) wird es nie geben, das Maximum, was man erreichen kann, sind Indizienbeweise der Art: „Mit zunehmender Menge von Plagiaten, mit bestimmten Anordnungen (z.B. an prominenter Stelle in der Einleitungen usw.) wird es immer unwahrscheinlicher, daß es sich um Schusseleien handelt“. Hier bleibt dann die Frage, wann bzw. ob schon die Grenze überschritten wurde zum Indizienbeweis, welcher gerichtsverwertbar wäre.
Ähnlich sieht es bei Häberle aus. Ab einer bestimmten Menge an Plagiaten aus Publikationen, die sich mit Rechtsfragen befassen, ist zu fragen, ob Häberle denn diese Publikationen, die sich mit Rechtsfragen befassen, nicht auch gelesen hat. Ich kenne die Herkunft der Plagiate nicht im Einzelnen, aber ich denke, bei dieser Menge kann man davon ausgehen, daß es nicht nur Plagiate aus obskuren Kleinstpublikationen gegeben hat (wobei selbst bei denen die Frage bestünde, warum sie einer solchen Koryphäe der Rechtswissenschaft wie Häberle nicht auch als Input dienen). Gut, Texte einer älteren Ausgabe der FAZ nicht mehr im Kopf zu haben ist entschuldbar, wenn es nicht zu den Angewohnheiten des Professors gehört, die FAZ überhaupt oder regelmäßig zu lesen, gleiches gilt für andere allgemeine, nicht rechtsbezogene Publikationen. Aber selbst wenn man dann eine Unterliste der Plagiate aus Publikationen zusammengestellt hätte, bei denen unbedingt davon auszugehen ist, daß Häberle sie hätte gelesen haben müssen, kann man ja nicht unbedingt davon ausgehen, daß Häberle die Wortlaute so erinnert, daß eine Alarmglocke schrillt, und es ist dann die Frage, hätte Häberle die Inhaltsgleichheit so erinnern/bemerken müssen, daß seine Alarmglocken schrillen. Wie dem auch sei, am Ende steht maximal auch nur ein Indizienbeweis einer Schuld Häberles, und Indizienbeweise sind nunmal keine eindeutigen Beweise, die keiner mehr in Frage stellen kann, sondern nur Vermutung, die irgendwie schon fast Gewißheit wurde.
Es wurde in diesem Zusammenhang oft von „Diebstahl geistigen Eigentums“ geredet. Das müsste man differenzierter betrachten. Es ist ganz klar Diebstahl geistigen Eigentums, wenn vollständige Werke anders verwendet werden, als es der Rechteinhaber vorsieht. Wenn also jemand einen Musiksong, einen Film, ein Computerspiel raubkopiert, ist die Sache einigermaßen klar, die monetäre Verwertung durch den Rechteinhaber, die in solchen Fällen ja im Vordergrund steht, wurde behindert, es entsteht ein ganz konkreter finanzieller Schaden (wobei allerdings selbst der von Raubkopiern für gewöhnlich bestritten wird: „Wenn ich es nicht raubkopiert hätte, hätte ich es aber jedenfalls auch nicht gekauft“ wird häufig behauptet… im Einzelfall mag das stimmen, aber wenn diese Raubkopiererei im Millionenmaßstab stattfindet, was ganz häufig der Fall ist, dann ist es unwahrscheinlich, daß Millionen Raubkopierer es ausnahmslos nicht gekauft hätten, wenn sie es nicht hätten raubkopieren können).
Bei den Kleinzitaten, um die es hier geht, ist aber ja eine Möglichkeit der „Kopie“ ohne Entschädigungsleistungen in Form von Geldzaghlungen gesetzlich vorgesehen. Wobei man hier das „ohne Entschädigungsleistungen“ genauer untersuchen muß. Die legale Möglichkeit der „Kopie“ von Texten hat hier die Nennung des Urhebers zur Bedingung. Die könnte man als eine Art Entschädigung sehen: a) könnte ja jemand dann sagen, dazu will ich mehr wissen, ich werde mir das Werk kaufen, in dem das Zitierte steht (das Zitat hat dann also so eine Art Werbungsfunktion), und b) kann ja das Zitieren auch so eine Art Anerkennung sein, von dem der Urheber auch etwas hätte.
b) muß nicht unbedingt der Fall sein, denn ein Autor A kann natürlich auch folgendermaßen zitieren: „Autor B schrieb: „{Zitat}“. Das ist ganz offensichtlich die Meinung eines Idioten.“ Ob dann dieses Zitat eine positive Anerkennung von B darstellt, hängt von der Wahrnehmung ab, die die Leser von Autor A haben.
Dennoch ist es so, daß es schon Programme gibt, die eine Wichtigkeit bestimmter Werke daraus ableiten, wie oft aus ihnen zitiert wird. Ähnlich wie Internet-Suchmaschinen eine Wichtigkeit einer Seite unter anderem daraus ableiten, wie oft auf sie verlinkt wird. Die Arbeit dieser Programme wird stark behindert, wenn Zitate nicht ohne Textvergleiche erkennbar sind, weil sie nicht anderweitig gekennzeichnet sind. Werke (bzw. Autoren), die eine Wichtigkeitskennzeichnung verdient hätten, bekommen sie nicht.
Jedenfalls sind aber die Schäden durch Weglassen der Zitat-Herkunft bei den Urhebern weit schwerer zu beziffern als bei klassischen Raubkopien, wo man sagt: 10.000 mal kopiert, Werk kostet 10 Euro, Schaden 100.000 Euro.
Ein Diebstahl hat aber nicht nur die eine Seite: Jemandem wird etwas weggenommen, sondern auch eine andere: Jemand anderes eignet sich etwas an.
Wer Zitate nicht kennzeichnet, eignet sich die Anerkennung, die der Text verdient, an (wenn der denn welche verdient, aber für gewöhnlich wird ja das besonders wertvolle zitiert und nicht das wertlose). Hier sehe ich das eigentliche Problem, und den weit größeren Schaden. Der direkte Schaden im Einzelfall mag dabei mehr oder weniger marginal sein (eine Person unter Millionen eignet sich eine Anerkennung an, die ihm nicht zusteht), aber es ist hier wichtig, den Einzelfall nicht irgendwie „durchgehen“ zu lassen, denn dann könnte er im Wege der Nachahmung schnell zum „Millionenfall“ werden. Und dann allerdings wären die Fundamente des Wissenschaftsbetriebs, meiner Meinung nach sogar der Gesellschaft betroffen.
zu @ Max Wedell
Um so mehr ich über den Fall G. lese drängt sich mir der Verdacht auf das es sich wirklich nicht um absichtliche Täuschung handelt. Ich denke in zwischen das er im Zustand absoluter Selbstüberschätzung sich an ein Projekt herangewagt hat das für ihn eine Nummer zu groß war, das er aber nach seinen Möglichkeiten bearbeitet hat und dafür auch noch großes Lob bekommen hat. Das erklärt auch sein im Grunde unlogisches Verhalten in den letzten 2 Wochen. In dieser Zeit hat er wohl gelernt das man eine Doktorarbeit so nicht macht. Das sehe ich nicht als sicher an das er das vorher gewußt hat. Wahrscheinlich sieht er auch den Geldfluß und die Sonderzulassung zu einer Doktorarbeit als einen ganz normalen Vorgang an. Deshalb ist er jetzt auch so betroffen. Ich weiß das ist jetzt eine gewagte Theorie sie drängt sich mir aber die letzten Tage auf. Außerdem ist aus seiner knapp 3 jährigen Ministertätigkeit auch nichts anderes als eine gewisse nassforsche kurzfristige Entscheidungsfreudigkeit zu erkennen.
@ Max Wedell
Der Gesetzgeber hat die Fragen des „Diebstahls geistigen Eigentums“ längst entschieden, in dem er hierzu „Spezialvorschriften“ erlassen hat. Im § 106 des Urheberrechtsgesetzes (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) heißt es nämlich:
„(1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.“
Dabei ist unerheblich, ob dem Urheber ein (materieller) Schaden entstanden ist. Falls dies der Fall wäre, steht dem Urheber zusätzlich das Recht auf Entschädigung zu.
Wir Deutschen haben ja Erfahrung im Erfinden von und dem Glauben an Dolchstoß-Legenden. Und eine solche scheint sich mir jetzt auch um Herrn Karl-Theodor von Guttenberg und seinen Rücktritt zu ranken. Es war ja überhaupt nicht sein Verschulden, was seinen Rücktritt erzwang, sondern es waren die bösen bösen ihm übelwollenden Medien, die (linke) Opposition und all die Neider, die nicht wie er im Rampenlicht stehen durften. Er hat ja eigentlich nix gemacht – Lichtgestalten begehen keine Fehler, und wenn, dann nur läßliche. Ihn einen Betrüger zu nennen, einen, gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft Hof ermittelt, ist unverschämt und unangemessen. Und zuzugeben, das hier einer zum Popanz aufgebaut und aufgeblasen wurde, wäre gleichbedeutend damit, einem Schwindler aufgesessen zu sein, dazu noch einem in echt Blaublütigen. Ja, Herrn von G. war zu vielem fähig, aber zu nichts im Stande. Aus einem echten Heiligen wurde nach der Entfernung des (Schein-)Heiligenscheins ein falscher Fuffziger. Man wollte eben an einen Erlöser glauben, und nicht(s) Genaues von irgendwelchen – sicherlich gefakten – Tatsachen wissen, weil man sich damit selbst entblößt und entwertet hätte.
Nun gut, sagen viele, na ja, ein bißchen hat er schon geschummelt, aber das machen ja alle, war nix Schlimmes. Auch KT war sich da ja lange – und ist es wahrscheinlich immer noch – Volkes Stimme sicher. Dazu paßt dann auch, das hier einer wie ein ertappter Abschreiber bei einer Klassenarbeit dann beim nachmittäglichen Fußballspiel schmollte, nach dem Motto: Ich spiel‘ jetzt nicht mehr mit – ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Aus der Wagenburg heraus, welche vornehmlich in der CSU um ihn gebildet wurde, gehen die Beschimpfungen über die „roten“ Indianer weiter. Indianer werden sogar im Lager der Schwesterpartei verortet. Solidärität, oder eher Nibelungentreue, wurde eingefordert, und dabei übersehen, daß damit die Forderung verbunden war, den bürgerlichen Wertekanon gleich mit zu entsorgen. Alles Strukturen, welche in der bayerischen „mir san mir“-Politmafia seit Jahrzehnten existieren, weil der höchste Wert in diesem Lager immer noch die Teilhabe an der Macht ist. Die Beine, die jetzt gegenüber Schavan und Lammert ausgestreckt werden, sind schon in Bereitschaft.
Jetzt kommen alt- und neutestamentarische Werte ins Spiel, nämlich Glaube, Liebe und Hoffnung. Glaube an die Wiederauferstehung des Freiherrn, gespeist aus der Liebe zu ihm, und Hoffnung, daß dies bald geschieht, und er quasi dann, wie Jesus nach 40 Tagen, in den Himmel auffährt, zu richten dort die Gläubigen und Ungläubigen, oder zumindest all die, welche diese Mischung aus neoliberalem Gesülze und rechtspopulistischem Geschwurbel nicht für eine neue Religion halten (wollen) .
@ Max Wedell @ hans
Täuschung unabsichtlich?: Jeder Student lernt früh die wissenschaftlichen Zitierregeln: Alle Zitate, ob wörtlich oder sinngemäß, sind als solche zu markieren und mit Quellenangaben zu belegen. Nur so kann der Leser nachvollziehen, was fremde, vorgefundene Gedanken und was eigene, weiterführende Gedanken sind. Nur so kann Wissenschaft, die Produktion neuer Erkenntnisse, funktionieren. Ein Student im dritten Semester, der beim Plagiieren erwischt wird, mag versuchen, sich mit blödem „hab ich nicht gewusst“ herauszureden. Mag sein, dass er eine zweite Chance erhält. Bei der zweiten entdeckten Plagiatsarbeit kriegt er die Note 5, bei der dritten droht Exmatrikulation. Völlig ausgeschlossen ist unbewusstes, versehentliches Plagiieren bei Abschlussarbeiten (Diplom, Bachelor, Master usw.), weil der Student eine entsprechende Erklärung unterzeichnet. Wer auf der nächsten Stufe, bei einer Dissertation, plagiiert, weiß genau, was er tut: Er ist ein bewusst vorsätzlicher Täuscher, umso mehr, wenn die Anzahl der Plagiate in die Hunderte geht. Um diese Tatsache sollte es kein Rumgeeiere geben.
@ Max Wedell @ Abraham
Gerichtsverwertbar: Die Regeln korrekten wissenschaftlichen Arbeitens und Zitierens sind wissenschaftsethischer Art, man muss sie klar trennen von großzügigeren juristischen Regeln wie dem Urheberrechtsgesetz. Die Diskussion um Raubkopien, Diebstahl geistigen Eigentums, Schaden in Euro usw. läuft in eine Richtung, um die es im KTG-Fall bisher nicht ging. KTG hat ihm bekannte wissenschaftsethische Standards verletzt, er ist als Täuscher in der Wissenschaft erledigt. Politisch gestolpert ist er, weil sich nach bürgerlichen Wertmaßstäben ein Mensch schlecht in eine „unehrliche Wissenschaftlerhälfte“ und eine „ehrliche Politikerhälfte“ spalten lässt.
Ob KTG mit seinen 891 Plagiaten auch das Urheberrechtsgesetz verletzt hat, ist Sache der Gerichte (100 Strafanzeigen). Ein gerichtliches Nachspiel kann kommen, nachdem Unigremien schwere Verstöße gegen Regeln wissenschaftlichen Arbeitens festgestellt haben. Der Präsident der Uni Bayreuth, Bormann, scheint sein Möglichstes zu tun, um KTG davor zu bewahren, denn eine Vorstrafe würde das politische Comeback des KTG gefährden.
@ Max Wedell
Häberle, Doktorvater: Bitte nicht vom Täter ablenken! Der Täuscher ist KTG. Jedem Prüfer kann es passieren, dass er ein Plagiat nicht entdeckt. Von keinem Prüfer kann man erwarten, dass er 120 Werke Spezialliteratur auswendig weiß, von nicht zitierwürdigen Zeitungsartikeln und unveröffentlichten Berichten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags abgesehen. Man kann auch keinen Softwaretester in den Knast schicken, weil sein Test einen Softwarefehler nicht erkannt hat, der erst Jahre später entdeckt wird. Wissenschaft beruht auf gegenseitigem Vertrauen. Wenn jeder Dozent seinen Studenten, jeder Doktorvater seinen Doktoranden als potenzielle Täuscher misstraut, können wir die Hochschulen dichtmachen. Hinzu kommt, dass KTG mit Fähigkeiten eines Hochstaplers und Heiratsschwindlers ausgestattet scheint: Er sucht sich einen Professor kurz vor der Emeritierung, lullt ihn mit seinem Charme ein, macht für die Uni ein paar Euro locker, und ab geht die Post.
@ alle
Bormann, Präsident der Uni Bayreuth, will die „Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ um externe, bisher unbekannte Berater erweitern (Medienmitteilung der Uni Bayreuth, 1.3.2011).
Variante 1: Prof. Fischer-Lescano und die 36 Doktoranden von GuttenPlag Wiki, die die Aufklärungsarbeit geleistet haben, sind eingeladen. Damit hätte die Uni Bayreuth ein Zeichen gesetzt, dass sie endlich doch gewillt ist, den KTG-Skandal ernsthaft vorbehaltlos aufzuklären.
Variante 2: Grenzt die Uni Bayreuth den Sachverstand von Fischer-Lescano und GuttenPlag Wiki aus, so verstärkt sie den Verdacht, der durch die zahlreichen unglaublich dummen und irreführenden Äußerungen Bormanns entstanden ist: der Verdacht, dass er versucht, den Plagiatskandal herunterzuspielen, den Täuscher zu schützen, den Fakt der bewusst vorsätzlichen Täuschung auszublenden. In seiner nibelungenhaften Treue zum Dr.plag. Vorsatz-Täuscher war sich Bormann nicht einmal zu schade, im Webauftritt der Uni Bayreuth direkt neben seiner Seite bis zum Abtritt KTGs von der politischen Bühne mit dessen Foto und Blahblah zu werben. Bormann sollte sich dann nicht wundern, wenn er als der Präsident gelten wird, der die Uni Bayreuth in die Plagiatoren-Schmuddelecke manövriert und so der Uni, ihren Studenten und Dozenten und der Wissenschaft geschadet hat, als Sargnagel für das Vertrauen in die wissenschaftliche Redlichkeit.
@hans, ihre „gewagte Theorie“ wird in den Augen mancher schon deshalb fehlerhaft sein, weil es die ist, die Guttenberg anbietet. Eine Freundin des Hauses erläuterte sie etwas genauer (ich zitiere aus dem Gedächtnis, schmücke evtl. etwas aus dabei): Über den langen Zeitraum der Erstellung von 7 Jahren wären Texte hin und her kopiert worden, von Uralt-Rechnern auf neuere, von Disketten auf CD-Roms und wieder zurück auf Festplatten, von einem Textverarbeitungsprogramm ins andere, und dabei wären dann wohl öfters mal die Bezüge zu den Quellen „abhanden“ gekommen. Daß man nicht wusste, wie eine Doktorarbeit zu verfassen ist, wird man so nicht zugeben… man hat das Wissen nur eben nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zur Anwendung gebracht…. sagt man jetzt. Wie dem auch sei, ich bin jedenfalls gespannt, wie der Vorsatz bewiesen wird.
@Abraham, es gibt für Zitate Spezialparagraphen, was es dann doch wieder komplizierter macht. Deshalb trifft das von Ihnen genannte Gesetz nicht unbedingt zu, denn beim Zitieren ist der von Ihnen genannte gesetzliche Urheberschutz, WENN BESTIMMTE BEDINGUNGEN BEACHTET WERDEN, außer Kraft gesetzt. Gegenüber korrekten Zitaten können Urheber das Recht am eigenen Werk nicht geltend machen, sie sind rechtlich machtlos und müssen das korrekte Zitat zulassen.
Passender wäre hier also der Verweis auf §51 des Urheberrechtsgesetzes:
„Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.“
Eine der Bedingungen ist es, die Quelle des Zitierten unbedingt angeben zu müssen, d.h. am zutreffendsten wäre es vermutlich, §63 dazu zu bringen. Gegen den hat G. eindeutig mehrfach verstoßen.
Ansonsten ging es mir schon auch um die möglichen Hintergründe dieser Gesetze. Ein Gesetz, daß keinen Sinn ergibt, ist zwar nach wie vor gültig und bindend… ist aber hinterfragbar. Ein Recht am Werk würde für mich z.B. genau dann hinterfragbar sein, wenn es auch jenseits einer Absicherung der materiellen oder immateriellen Nutznießung des Werksautors bestünde. Ich habe versucht, zu schildern, was ich persönlich mir als Sinn hinter den Ausnahmeregelungen zu Zitaten, jedenfalls was die Quellenpflicht angeht, vorstellen könnte.
Bestimmte Stimmungen im Volk („Bloß weil er die Gänsefüßchen vergessen hat?“) zeigen doch, daß es schon wichtig wäre, genauer zu erläutern, was die eigentliche Verfehlung in diesem Fall ist (mit Worten, Analogien etc., die auch ein Maurer verstehen kann). Und da bin ich der Meinung, daß man, wenn man mehr als nur den bloßen Verstoß gegen ein Gesetz anführen will (und man sollte es, denn das weiß ja jeder, daß ein abstrakter Gesetzesbruch per se von harmlos bis katastrophal reichen kann), sich weniger auf den Aspekt der Schädigung der ungenannten Zitierten konzentrieren sollte, denn die zu verargumentieren ist schwierig, da der Schaden eben recht geringfügig ist… sondern man sollte sich mehr auf den Gegenpol, den Aspekt der Aneignung dessen konzentrieren, was einem nicht zusteht.
@Hug,
Ihren Post habe ich vor dem Verfassen des meinigen nicht gelesen gehabt. Im Grunde sind wir aber in nahezu allem gar nicht so weit auseinander.
„Die Diskussion um Raubkopien, Diebstahl geistigen Eigentums, Schaden in Euro usw. läuft in eine Richtung, um die es im KTG-Fall bisher nicht ging.“
„Diebstahl geistigen Eigentums“ ist aber doch in aller Munde, wurde auch hier schon geschrieben… was mich veranlasste, darauf hinzuweisen, das das Problem hier diffiziler ist, und auch zu erläutern warum.
Der Ruin des Rufs in der wissenschaftlichen Welt ist recht gründlich, da haben Sie recht, nur hat man ja gesehen, daß dies beim Durchschnittsbürger nur beschränkt als Manko geltend gemacht werden kann. Ich glaube aber ganz einfach nicht, daß es unmöglich ist, das Problem dem Durchschnittsbürger zu erklären, man muß eben nur zum Sinn hinter den Regeln der Wissenschaftswelt und auch der Urheberrechtsgesetze, die hier berührt werden, vordringen, und den dann anschaulich vorbringen. Da tun die Medien u.U. zu wenig.
Einer Frage nach einer Mittäterschaft kann man nicht damit begegnen: „Nicht vom Täter ablenken“… ansonsten gäbe es ja niemals Mittäter, denn man würde sie nie ermitteln, um nicht vom Haupttäter abzulenken.
„Von keinem Prüfer kann man erwarten, dass er 120 Werke Spezialliteratur auswendig weiß“
1. was in unseren Augen „Spezialliteratur“ ist, sollte es für die Beteiligten eigentlich nicht bzw. weit weniger sein.
2. es geht bei Häberle nicht um einen „Prüfer“, dessen intensive Beschäftigung mit der Arbeit zeitlich begrenzt ist, sondern um den Doktorvater, der sich über 7 Jahre mit Begleitung der Entstehung der Arbeit befasste, womöglich Vorfassungen beurteilte usw. das geht über die Aufgabe eines bloßen „Prüfers“ hinaus
3. „auswendig“ wusste Fischer-Lescano wahrscheinlich auch nichts, und trotzdem fiel ihm was auf. D.h. Es reicht ja ein Aufmerken a la „diesen Gesichtspunkt hast du doch schonmal wo gelesen“… ein „diesen Wortlaut hast du doch wortwörtlich schonmal wo gelesen“ hingegen verlangt ja gar keiner…
4. 120 mal hätte Häberle ja auch nichts auffallen müssen, 1 oder 2 oder 3 mal hätte ja schon gereicht.
zu @ Max Wedell
ich glaube nicht das die Familie G. mir mir die gleiche Meinung hat. Da ich im Kern den Verdacht geäußert habe das H.zu G. nichts anderes ist als ein Hochstabler der zwar gut reden kann wie wohl alle Hochstabler aber mit der Aufgabe eine Doktorarbeit zu schreiben so überfordert ist das er zu einer bewusten Täuschung gar nicht fähig war.
@ Max Wedell
Freilich ist es für Häberle unendlich peinlich, keins von 891 Plagiaten entdeckt zu haben. Auch für den Zweitprüfer, der zuerst das Gutachten des Doktorvaters gelesen hat, statt sich eine unabhängige Meinung zu bilden. Auch die Promotionskommission, die das nach dem Prinzip Vertrauen statt Kontrolle durchgehen ließ, hat sich blamiert. Trotzdem: Der Täter ist und bleibt KTG. (Mir ist mal der Geldbeutel mit allen Ausweisen und Karten geklaut worden, weil ich in der Hitze einer Sommernacht ein Fenster offen ließ. Schön blöd! Aber der Dieb war nicht ich.)
Das aktuelle Problem ist, dass die Promotionskommission der Rechtsfakultät der Uni Bayreuth JETZT versagt hat, indem sie den Doktortitel von KTG nur „zurückgenommen“ hat, ohne die Täuschungsabsicht festzustellen, anstatt den Doktorgrad wegen Täuschung zu entziehen, wie es die Promotionsordnung vorsieht. Die Klärung der Täuschungsabsicht hat sie an die „Kommission zur Selbstkontrolle der Wissenschaft“ abgegeben, ein Diskussionsforum ohne hochschulrechtliche Relevanz. Das ist der Skandal! Uni-Präsident Bormann versucht JETZT NOCH zu erreichen, dass auch diese Kommission KTG von Täuschungsabsicht entlastet. Das ist der Skandal!
Zum Glück hat sich inzwischen ein Kommissionsmitglied klar geäußert: „Was er gemacht hat, ist Täuschung im Sinne dessen, was die Verwaltungsgerichte bisher geurteilt haben.“ Die Kommission habe keinen Zweifel daran, dass Guttenberg mit Vorsatz gehandelt hat (Stern 10/2011 v. 3.3.2011, S. 42). Das lässt ein wenig Hoffnung keimen, dass sich vernünftige, aufklärerische Mitglieder der Kommission gegen den Täuscher-Schützer Bormann durchsetzen werden.
Herr Wedell, schauen Sie mal auf Bormann, nicht nur auf Häberle, der sich längst von seinem Täuscher-Doktoranden distanziert hat. Öffentlicher Druck auf den Legendenzulieferer Bormann wäre jetzt viel nützlicher als die Diskussion um das Verhalten des 76-jährigen Häberle vor fünf Jahren. Häberle soll seinen Altersbonus für frühere Patzer erhalten. Bormann steht JETZT in der Verantwortung, den KTG-Skandal ethisch und hochschulrechtlich einwandfrei aufzuklären.
@Karlheinz Hug,
ich kenne mich leider mit der Praxis an den Hochschulen bei solchen Täuschungsversuchen nicht aus. Aus dem Bauch heraus würde ich jedoch sagen, daß es doch durchaus ausreichen müsste, eine Täuschung nachzuweisen, um z.B. einen Doktor abzuerkennen, und daß eine bewiesene Täuschungsabsicht da nicht vonnöten sein sollte. In Guttenbergs Arbeit gibt es Teile, die nicht als Zitate gekennzeichnet sind, und daher den Eindruck erwecken, sie stammten von ihm, aber in Wirklichkeit stammten sie gar nicht von ihm. Das ist die objektive und ganz klare und erwiesene Täuschung.
Diese Täuschung müsste ausreichen, um den Doktortitel abzuerkennen. Wie sie zustande kam, müsste da doch eigentlich völlig irrelevant sein, da die Promotionskommission kein Detektivbüro ist: Schusseligkeit, Unzurechnungsfähigkeit, Unterzuckerung des Gehirns, geistige Insuffizienz, abgestürzte Rechner, Hund sprang auf die Tastatur und löschte die Zitate, oder was auch immer, was Studenten so an Entschuldigungen sich ausdenken mögen… oder eben dann auch die Absicht… erstmal völlig egal in meinen Augen, was die Aberkennung des Titels angeht.
Die von Ihnen angesprochene Promotionsordnung spiegelt das in meinen Augen erstmal auch wieder:
§16 Ungültigkeit der Promotionsleistungen
[…]
(2) Wird die Täuschung erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so kann nachträglich die Doktorprüfung für nicht bestanden erklärt werden. Die Entscheidung trifft die Promotionskommission.
Hier steht „Täuschung“ und nicht „Täuschungsabsicht“. Dort, wo ich diese Auszüge herbekam, stand in einem Kommentar: „… Täuschung (die natürlich eine Täuschungsabsicht voraussetzt)…“ So natürlich finde ich das nicht. Wikipedia schreibt zu „Täuschung“:
„Täuschung ist die falsche Auffassung eines Sachverhalts, unabhängig davon, ob die Täuschung bewusst […] herbeigeführt wird […] oder nicht.“
Das ist auch meine Auffassung von „Täuschung“, und ich gehe einfach mal davon aus, daß das auch die Auffassung derjenigen war, die die Promotionsordnung verfassten, und die den Promotionskommissionen sicher nicht irgendwelche detektivischen Ermittlungsarbeiten aufhalsen wollten.
Ich verstehe aber den verbreiteten Wunsch völlig, eine Feststellung der Täuschungsabsicht offiziell zu machen. Schusseligkeit ö.ä., die G. geltend macht, ist ja weit weniger ein verpöntes Persönlichkeitsmerkmal als z.B. Hochstaplerei. D.h. es besteht (aus ganz nachvollziehbaren Gründen) der Wunsch, G. über die Aberkennung des Doktortitels und über den Verlust der politischen Karriere hinaus zu bestrafen, und zwar mit einem Ruin des persönlichen Rufs, wie er über „G. ist mindestens ein ziemlicher Schussel“ schwerer erreichbar ist als über „G. ist erwiesenermaßen ein Hochstapler“.
Wie dem auch sei, ich kann es verstehen, wenn Bormann es vermeidet, aus einem „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ein „erwiesenermaßen“ zu machen, wenn das für die Entscheidung, die hier getroffen werden musste, ganz unerheblich ist: die Aberkennung des Doktortitels.
Ansonsten verstehe ich den Unterschied nicht zwischen „zurücknehmen“, und „entziehen“. Inwiefern wäre es wichtig, G. den Doktortitel zu „entziehen“, und ihn nicht „nur zurückzunehmen“? Für mich klingt das als wäre das eine dasselbe wie das andere.
@ Max Wedell
Klar, Täuschung geschieht absichtlich, nicht versehentlich. Fehlen auf 400 Seiten wirklich nur ein paar Gänsefüßchen, kann man diskutieren. Aber meist finden sich dann noch viele andere Plagiate, wie bei KTG eben auch.
Die Promotionsordnung der Rechtsfakultät der Uni Bayreuth steht hier:
http://www.uni-bayreuth.de/universitaet/leitung_und_organe/Universitaetsverwaltung/abt1/amtliche-bekanntmachungen/konsolidierteFassungen/2010/2010-058-kF.pdf
Der wichtige, von der Promotionskommission NICHT angewandte Paragraf komplett, relevant sind (2) und (4):
„§ 16 Ungültigkeit der Promotionsleistungen
(1) Ergibt sich vor der Aushändigung der Urkunde, daß sich der Bewerber im
Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht hat, so erklärt die
Promotionskommission alle bisher erworbenen Berechtigungen für ungültig und stellt
das Verfahren ein.
(2) 1Wird die Täuschung erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so kann
nachträglich die Doktorprüfung für nicht bestanden erklärt werden. 2Die Entscheidung
trifft die Promotionskommission.
(3) Waren die Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion nicht erfüllt, ohne daß
der Kandidat hierüber täuschen wollte, und wird diese Tatsache erst nach
Aushändigung der Urkunde bekannt, so wird dieser Mangel durch das Bestehen der
Doktorprüfung geheilt.
(4) Wird die Prüfung für nicht bestanden erklärt, ist die Promotionsurkunde einzuziehen.
(5) Im übrigen richtet sich der Entzug des Doktorgrades nach dem Gesetz über die
Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 (BayBSErgB, S. 115).“
Rücknahme = Gegenstück zu Rückgabe = KTG hat den Titel freiwillig zurückgegeben, weil er ihn nicht mehr haben wollte = die Uni hat den Titel passiv zurückgenommen, ohne dass Täuschung vorlag.
Entzug = die Uni entzieht den Titel aktiv, weil der Titelträger sich der Täuschung schuldig gemacht hat.
Für die Legendenbildung ist der umgangssprachliche Bedeutungsunterschied wesentlich. Ein Jurist meinte: Zurückgenommen wurde der Verwaltungsakt, der den Doktorgrad verliehen hat; das sei ebenfalls „Entzug“ oder „Aberkennung“, aber beides seien keine juristischen Begriffe.
Die Uni Bayreuth hat heute ihre Medienmitteilung Nr. 36 vom 22.2.2011 mit dem Titel „Guttenberg bittet die Universität Bayreuth um Rücknahme seines Doktor-Titels“ verschwinden lassen.
@ Max Wedell Nachtrag:
Die Medienmitteilung Nr. 37 vom 23.2.2011 mit dem Titel „Universität Bayreuth erkennt zu Guttenberg den Doktorgrad ab“ steht hier: http://www.uni-bayreuth.de/presse/info/2011/040-037-gutten.pdf
Darin heißt es:
„Stellen sich
solche Mängel, wie im vorliegenden Fall, erst nachträglich heraus, kann
der Doktorgrad auf der Grundlage des Artikels 48
Verwaltungsverfahrensgesetz zurückgenommen werden.
Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes konnte die
Kommission letztlich dahinstehen lassen. Für die Kommission war
entscheidend, dass unabdingbare wissenschaftliche Standards objektiv
nicht eingehalten worden sind. Im Fall ihrer Verletzung ermächtigt
Artikel 48 Verwaltungsverfahrensgesetz zur Rücknahme des
Doktorgrades, ohne dass ein Täuschungsvorsatz nachgewiesen werden
muss.“
Mit dem § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz hat jemand ein Schlupfloch für KTG gefunden, aus dem er ohne Täuschungsabsicht entwischen und seine Legende stricken kann.
@Hug
Ein Täuschungsvorsatz ist tatsächlich unerheblich, da schon das unwissenschaftliche Arbeiten die Täuschung darstellt.