Der Minister reagiert dünnhäutig und unüberlegt. Kritische Fragen? Nein, zu Guttenberg verliest seine Presseerklärung in eigener Sache, betreffend seine Doktorarbeit und die Plagiatsvorwürfe, separat vor Kameraleuten – oder, in den Worten seines Pressesprechers Steffen Moritz, „vor ausgewählten Pressevertretern“. Die nicht ausgewählten Pressevertreter – darunter eigentlich alle Hauptstadtkorrespondenten aller Medien – sitzen derweil in der Bundespressekonferenz, zusammen mit Guttenbergs Pressesprecher, der in der Sache nichts zu sagen hat. Als sie von dieser Gleichzeitigkeit erfahren, ziehen die Berichterstatter empört aus der Bundespressekonferenz aus. Ein Eklat. Sowas hat es noch nicht gegeben, dass die Pressesprecher sitzen gelassen werden. So macht man sich Freunde, Herr zu Guttenberg!

Dabei, was regen sich die Leute auf? Muss man das verstehen? Weiterhin stehen immerhin 68 Prozent der Deutschen hinter Guttenberg, und ist Volkeswille in einer Demokratie nicht ausschlaggebend? Muss sich einer wie Guttenberg trotzdem kritischen Fragen stellen, obwohl zwei Drittel der Deutschen ihn anscheinend bedingungslos lieben? Was hat er denn getan?

Er hat eine Doktorarbeit geschrieben – oder nicht? Sagen wir mal so: Es existiert eine Doktorarbeit, als deren Autor Guttenberg firmiert. Klingender Titel: „Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“. Diese Arbeit habe er „als junger Familienvater in mühevoller Kleinarbeit“ verfasst, sagte er den Kameraleuten. Sie umfasse 1300 Fußnoten und 475 Seiten. (Hier die gesamte Presseerklärung des Ministers.) Das Problem: Auf rund 120 dieser 475 Seiten finden sich teils längere Textpassagen, die teils wortgleich in anderen Publikationen zu finden sind, zum Beispiel in einer Proseminararbeit eines Studienanfängers oder in einem Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig, der am 27.11.1997 in der FAZ erschien. Die Einleitung der Doktorarbeit ist so gut wie wortgleich mit diesem Text. Doch Guttenberg hat diesen Textteil nicht als Zitat kenntlich gemacht. Wie denn auch – schließlich handelt es sich um den Beginn seiner Einleitung, also um den persönlichsten Teil der Doktorarbeit. Und der soll also nicht von ihm stammen? Macht doch nichts – in geisteswissenschaftlichen Arbeiten ist es ohnehin üblich, Zitate über Zitate zu häufen, bis dem Leser die Ohren klingeln, da kann man schon mal vergessen, diese Zitate auch kenntlich zu machen, auch wenn das zweifellos wissenschaftlich sauber wäre.

Na gut, vielleicht kann man das mal vergessen. Aber 120 Mal? Die Netzgemeinde hat sich der Arbeit angenommen, prüft sie zurzeit auf Herz und Nieren und nimmt damit der Prüfungskommission der Uni Bayreuth eine Menge Arbeit ab. Es sieht so aus, als ob der Minister die Kennzeichnung nicht nur einmal vergessen hat, sondern vielmals. Besonders haarsträubend, wenn es denn stimmt: Laut „Spiegel“ soll Guttenberg eine zehnseitige Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages beinahe unverändert in seine Doktorarbeit übernommen haben. Da darf man schon mal fragen: Was an dieser Doktorarbeit stammt denn eigentlich von ihm selbst? Hat er sie überhaupt selbst geschrieben?

Das darf man nicht nur fragen, das muss man sogar fragen. Genau das hätten die Berichterstatter den Minister sicher gern gefragt. Doch diese Fragen wollte er nicht. Also entzog er sich ihnen. Hier ist der Kern der Marke Guttenberg kräftig angekratzt, der da heißt: Glaubwürdigkeit. Oder mit den Worten von FR-Chefredakteur Joachim Frank: „Die Welt der eigenen Ideale, Werte und Tugenden spricht das Urteil gegen ihn.“

Gestern telefonierte ich mit dem Leserbriefautor Volrad Döhner (siehe unten), der es mit der Veröffentlichung seines Leserbriefs, die ich für Montag (im Print) vorbereitete, sehr eilig hatte. Montag werde der Minister schon zurückgetreten sein, meinte Herr Döhner. Nein, der nicht, sagte ich, so schnell gehe der nicht. Aber spätestens dann, wenn die Uni Bayreuth, die die Vorwürfe prüft, ihm den Doktortitel aberkennen sollte, muss Guttenberg zurücktreten.

FR-Leserin Petra Rossbrey aus Frankfurt meint:

„Zur Diskussion um die Plagiatsvorwürfe gegen Minister zu Guttenberg fiel mir spontan die Reaktion von Margot Käßmann ein. Auch hier wog der Vorfall nicht so schwer, als dass ein sofortiger Rücktritt von ihrem Amt angezeigt gewesen wäre. Sie hat aber selbst gemerkt, dass ihre Glaubwürdigkeit und damit ihre Wirkmächtigkeit im Amt beschädigt ist, und hat die Konsequenzen gezogen. Dergleichen erwarte ich von Minister zu  Guttenberg nicht, der Fall liegt auch etwas anders, da seine formale Amtsautorität nicht unmittelbar tangiert ist. Zur Wirkmächtigkeit eines Politikers gehört aber auch die persönliche Glaubwürdigkeit – gerade dann, wenn sich jemand derart als Lichtgestalt inszeniert, wie er dies tut. Diese Glaubwürdigkeit ist – sollten sich die Plagiatsvorwürfe erhärten – auf jeden Fall beschädigt.“

Peter Körtling aus Hamm:

„Da ich mich beim neuesten Vorwurf gegen den Verteidigungsminister gefragt habe, ob Deutschland keine anderen Sorgen hat, habe ich mal den großen Aufklärer, den Professor Andreas Fischer-Lescano, gegoogelt und, oh Wunder, er ist – Überraschung – Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung. Und wem steht die wohl nahe? Na Herr Gabriel, na Herr Lauterbach – kommen Sie, ist doch gar nicht so schwer!  Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …“

Herbert Gaiser aus München:

„Mit ‚Political Correctness‘, einer verlogenen Vulgärideologie,  wird versucht, Karl Theodor zu Guttenberg zu verleumden und ihm Schaden zuzufügen. Es wird aber nicht gelingen, denn es gibt zur Zeit in Deutschland keinen einzigen Politiker, der ihm im Hinblick auf Charakterstärke und Fähigkeiten auch nur annähernd gleichkommt.“

Karola Schramm aus Wetter:

„Gestern redeten meine Nichte und ich über „unseren“ Doc. Ich bin weder CDU- noch CSU-Fan, meine Nichte – irgendwie neutral und Journalistin. Also, überlegten wir, was ist dran an diesem Mann, dass ihm keiner böse sein kann? Mir fiel das richtige Wort nicht ein oder das richtige Beispiel. Heute Morgen ist es mir eingefallen.
Erinnern Sie sich an einen Prozess gegen einen Heiratsschwindler, der sehr viele Frauen betrogen und bestohlen hat? Beim Prozess waren fast alle anwesend, und keine der Frauen war ihm böse. Sie konnten ihm nicht böse sein, wegen seiner feinen Art, ja auch, manchmal so hilflos-schüchtern und so charmant, so lieb. Ja, einfach ein ganz Lieber.
So einer ist das. Ein Mann ohne Ecken und Kanten, ohne Haken und Ösen. Alle Politiker sollten ihn in Ruhe lassen, nicht angreifen, nicht zu Fall bringen wollen – denn dafür sorgt er selbst. Ganz allein er selbst. Wie unser Heiratsschwindler.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Die im Einzelnen noch nicht geklärten Vorgänge um die Korrektheit der Erstellung einer Dissertation werfen eine viel wichtigere, grundsätzliche Frage der Verfasstheit unserer Demokratie auf:  nämlich die Interferenzen, die durch ständige Meinungsumfragen zu Personen und Parteien in den Prozess einer repräsentativen Demokratie hineingetragen werden. Wir haben es in Deutschland längst mit einer generellen medialen Schieflage zu tun. Die Boulevardisierung von großen Teilen der Presse ist dabei lediglich ein Aspekt. Das  fast wöchentliche „Ranking “von Politiker/innen ist albern. Viele Umfrageergebnisse werden auch nicht mit der erforderlichen, kritischen Würdigung der in Umfragen gestellten Fragen verbunden. Es wird Zeit, dass im Lande zur Inflationierung der Umfrageforschung eine Diskussion beginnt.“

Michael G. Hoffmann aus Flörsheim:

„Höher, schneller, weiter und gescheiter! Der zu Guttenbergsche „Dissertationsbeschiss“ ist genauso skandalös wie der Dopingfall um Alberto Contador und seine Absolution durch den spanischen Ministerpräsidenten Zapatero. Beide Affären weisen – im Kontext der betrügerischen Vorteilsnahme betrachtet – nicht wegzudiskutierende Ähnlichkeiten auf. Contador und zu Guttenberg haben Arbeiten mit Hilfe von Mitteln abgeliefert, die strikt verboten sind. Während  Contador den Radsport mit Clenbuterol vergiftet hat, stellt der Plagiator zu Guttenberg die universitäre Wissenschaftslandschaft in das Zwielicht der Scharlatanerie. Beide taugen deshalb in keiner Weise als Vorbilder. Noch unverantwortlicher verhalten sich aber all diejenigen, die ähnlich wie Ministerpräsident Zapatero bei Contador nun versuchen, dem Plagiator zu Guttenberg mit hanebüchenen Argumenten die Absolution zu erteilen, denn durch ihre unreflektierte Unterstützung machen sie betrügerisches Blendertum und damit einhergehende Verkommenheit erst recht gesellschaftsfähig.“

Bernd Marnet aus Worms:

„Natürlich ist Witz im Falle der Plagiatsvorwürfe angebracht. Aber was stimmt nicht mehr, wenn dubiose ‚Leistungsträger‘ selbst wert-, scham-  und schmerzlos Regeln brechen, allen anderen aber stets Opfer und Belastungen abverlangen und täglich Leistung einfordern, die sie selbst nicht erbringen können oder wollen? Die Sache ist belustigend, entlarvend und beschämend zugleich.“

Roland Neumann aus Neu-Isenburg:

„Die FR ist bei denen, die ihn kritisieren, vornean, auf der  Aufmacherseite mit „Guttenberg verteidigt Promotion“ und dann noch zweimal in der heutigen Ausgabe (17.2.). Mich macht das wütend und ich vermute dahinter eine Kampagne – der beliebteste Politiker soll fertiggemacht werden. Was wird nicht alles an Vorwürfen herausgeholt: Wegen der Kundusaffäre, die vor seiner Zeit war, wird ihm Falschinformation des Parlaments vorgeworfen; sein Afghanistanbesuch mit der Ehefrau wird als Selbstdarstellung diffamiert. (Hat jemand die Soldaten gefragt, ob sie das genauso sahen,  oder eher als Anerkennung ihres Einsatzes?)
Jetzt muss seine Doktorarbeit herhalten, um ihn zu diffamieren. Der Kommentator der FR versteigt sich sogar zu der Behauptung, dass, wenn herauskommt, dass er abgeschrieben hat, ohne die Quelle zu nennen, es aus sei  mit seiner politischen Karriere. Muss denn ein Politiker einen Titel haben? Viele haben ihn ohnedies honoris causa.
Ich finde, Guttenberg hat bis jetzt hervorragende Arbeit geleistet. Er hat Ideen, er ist glaubwürdig. Oder steckt hinter der Kampagne gar Frau Merkel selbst, die bekanntlich  keine anderen Götter neben sich duldet?“

Volrad Döhner aus Marburg:

„Doktorarbeiten und literarische Werke mit wissenschaftlichem Anspruch werden seit der Studentenbewegung aufgestöbert, um namhafte Persönlichkeiten, die ihre akademische Ausbildungszeit im Dritten Reich hatten, auf ihre intellektuelle Anpassungsbereitschaft zu überprüfen.
Schon in der 50er Jahren war herausgekommen, dass Adenauers Leiter des Kanzleramts von 1953-63, Dr. Hans Globke, Verfasser des Kommentars zu den Nürnberger Rassegesetzen gewesen war und somit ein politideologischer Multiplikator der nationalsozialistischen Rassenindoktrinierung. Adenauer hielt Globke gegen alle Anfeindungen im Amt.
1978 fiel der niedersächsische Justizminister Dr. Hans Puvogel seiner Doktorarbeit aus 1937 zum ‚Opfer‘. Er hatte mit einer jämmerlichen Schrift von 35 Seiten einige Quellen aus dem abendländischen Kulturkreis zusammengetragen, um die Körperstrafe der Kastration als historisch verankert zu rechtfertigen. Die Arbeit trug den denkwürdigen Titel ‚Die leitenden Grundgedanken bei der Entmannung gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher‘. Da war z.B. zu lesen, dass es im Mittelalter nach dem Mainzer Stadtrecht Juden bei Androhung der Entmannung verboten war, das Stadtgebiet zu betreten. Puvogel musste zurücktreten, als die Medien aus seiner Doktorarbeit zitierten.
Das Problem des „Abkupfern“ ist ein generelles Problem bei allen akademischen Arbeiten. Am Ende einer jeden Examensarbeit muss ein Prüfling erklären, dass er die Arbeit ohne fremde Hilfe ganz eigenständig erledigt hat. Das Zitieren von Gedanken anderer ist immer dann zulässig, wenn sich der das Zitat nehmende Autor mit dem Zitat eigenständig auseinandersetzt.
Ich möchte keine Gleichsetzung betreiben zwischen Puvogel und Guttenberg, aber einen parallelen Punkt markieren: Sollte Guttenberg tatsächlich über unvorsichtige ‚Abkupferei‘ in seiner Doktorarbeit stolpern, wäre er jedenfalls nach Puvogel der zweite Minister in der Bundesrepublik, der sein Amt wegen Irritationen um seine Doktorarbeit aufgeben müsste.“

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83 Kommentare zu “Innocence in danger

  1. Kompliment Bronski,

    der Titel ist erstklassig gewählt!!!

    Zm Thema:

    Einige, wnige, Zitationsfehler sind nicht schön, können aber vorkommen; auch Gutachter können sowas mal übersehen. In der Masse aber wird es unerträglich, hier ist der promovierende Fachbereich gefordert!

    M. E. ist das bei einer Fehlerflut als Nachweis der Fähigkeit zu selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten nicht akzeptabel.

    MfG Karl Müller

  2. Guttenbergs Dissertation ist in einem renommierten rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Verlag, Duncker & Humblot, Berlin, erschienen. Ich arbeite selbst beruflich in diesem Segment und kenne die Punkte, die üblicherweise bei solchen Projekten im Lektorat und in der so genannten Druckvorstufe abgearbeitet werden.

    Der Verlag verlässt sich auf die Angaben von Autor und Fakultät, vor allem auf letztere (Doktorvater, Gutachter), das eigene Lektorat ist meistens nur marginal beteiligt, schließlich will und darf man am Manuskript nichts ändern. Denn eine Doktorarbeit ist eine wissenschaftliche Abhandlung, die auch formal genau definierten Standards zu entsprechen hat. Das Manuskript wird in den meisten Fällen als sogenannte Aufsichtsvorlage (= durchgesehener und layouteter PC-Ausdruck oder druckfähiges PDF) angeliefert.

    Vielfach wird der Druck von Dissertationen, die mit „Summa cum laude“ bewertet wurden, auf Antrag des Verfassers mit Befürwortung des Doktorvaters von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell unterstützt. Der Förderbetrag liegt in der Regel zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Möglicherweise gilt das auch für die Arbeit Karl-Theodor zu Guttenbergs.

    Es erscheint mir als höchst unwahrscheinlich, dass sowohl Herr zu Guttenberg als auch die Gutachter fehlende Hinweise auf Zitate in diesem Umfang übersehen haben könnten. Vielmehr steht der Verdacht im Raum, dass ein Politiker sich durch einen bequem erlangten Doktortitel wissenschaftliches Profil verschaffen wollte. Und dass Verantwortliche der juristischen Fakultät Bayreuth im dabei willfährig zu Diensten waren.

  3. Man braucht nicht zu “googlen“ um herauszufinden, wer Prof.Andreas Fischer-Lescono ist. Man braucht nur die FR aufmerksam zu lesen. Herr Peter Körtling unterstellt in seinem Leserbrief linke Motive bei der Aufdeckung der Fehler in zu Guttenbergs Doktorarbeit. Welches Interesse sollte Prof. Fischer-Lescano angetrieben haben?
    Viel mehr Sinn macht es meines Erachtens zu überlegen, woher die Informationen des Professors stammen. Mir fällt da schlagartig Kanzleramt oder bayerische Staatskanzlei ein. Merkel und Seehofer treibt die Angst vor einem zu großen Grafen mit überfliegenden Sympathiewerten. Außerdem schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Das “Institut für solidarische Moderne“, deren Mitglied Prof. Fischer-Lescono ist und das als Think-Tank der linken Szene angesehen wird, wird diffamiert und Karl-Theodor zu Guttenberg wird auf Normalmaß zurückgestutzt.
    Jürgen Boxan, Frankfurt

  4. Als jemand, der sich oft genug gegen Political Correctness positioniert, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß es KEINE Political Correctness ist, eine Korrektheit beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten, also die Einhaltung der für alle verbindlichen Regeln, zu verlangen. PC so zu definieren würde es sehr erschweren, sie zu kritisieren. Herr Gaiser liegt also mindestens in der Wortwahl völlig falsch.

    Was Guttenberg angeht: Der Bürger erwartet vom Politiker, daß er sich inhaltlich für seine Arbeit engagiert. Letztendlich kann aber der Bürger nie genau sagen, ob ein konkreter Politiker das auch wirklich tut, oder ob er nur das Bild eines Engagierten abgibt, also schauspielert… im letzteren Fall motivieren ihn in Wahrheit ganz andere Dinge als das Eintreten für das, wofür einzutreten er vorgibt… z.B. die Machtausübung an sich usw.

    Beim Verfassen einer Doktorarbeit wird vom Doktoranden ein hohes Engagement, ein starkes Interesse an ihrem Gegenstand erwartet. Längere Passagen einfach aus wechselnden Quellen irgendwo abzuschreiben legt den Verdacht nahe, daß es mit diesem Interesse nicht weit her ist, und daß es eher darum geht, irgendwie an den an die Arbeit gekoppelten Titel heranzukommen.

    Will man einen Politiker wie Guttenberg in seiner politischen Ehrlichkeit einschätzen, kommt dann eben eins zum andern. Wann die Grenze des noch Akzeptablen überschritten ist, mag Geschmackssache des Einzelnen sein, aber Guttenberg nähert sich ihr jedenfalls mit großen Schritten.

    Daß es immer noch eine große Unterstützung von Bürgerseite gibt… welchen anderen prominenten konservativen Politiker könnte man denn als konservativ eingestellter Bürger alternativ noch irgendwie „gut finden“? Es gibt doch keine mehr, alle sind entweder mit dem Rest der CDU/CSU ins Zentrum gedriftet, oder in die Nichtpolitik abgetaucht. Im Grunde steht nur noch Sarrazin ziemlich allein da auf weiter Flur, und der ist noch nicht mal C-Partei und sowieso politisch kaltgestellt.

  5. Als Liebhaber von Kalauern könnte ich sagen: Gut(t)enberg und Druck gehört einfach zusammen. Wie SPIEGEL-online berichtet bzw. kommentiert, formiert sich eine Wagenburg um den Gegelten, und aus dieser heraus schallt es jetzt “kommunistische Initiative”, “Kampagne”, “politisch motivierter Angriff von ganz Linksaußen”.

    Auch hier im Blog gibt es ja die kritiklosen Huldiger und mit zweierlei Mass-Messer wie jetzt beim Überflieger und neuem CSU-Heiligen von und zu G., siehe Herbert Gaiser aus München:

    ZITAT: “Mit ‘Political Correctness’, einer verlogenen Vulgärideologie, wird versucht, Karl Theodor zu Guttenberg zu verleumden und ihm Schaden zuzufügen. Es wird aber nicht gelingen, denn es gibt zur Zeit in Deutschland keinen einzigen Politiker, der ihm im Hinblick auf Charakterstärke und F ä h i g k e i t e n auch nur annähernd gleichkommt.”

    Aha, Charakterstärke und Fähigkeiten, wozu wohl auch zählt, für eine solche z.T. abgekupterte Doktorarbeit ein „summa cum laude“ (besser als sehr gut) zu erhalten. Für seinen Umgang mit Herrn Schneiderhahn nach der Kunduz-Affäre oder seine Vorverurteilung des Gorch-Fock-Kommandanten kann ja auch wohl weder Charakterstärke oder irgendeine „Fähigkeit“ als positiv gewertet werden. Aber nur nicht am Nimbus kratzen – der Tiger könnte sich ja als Bettvorleger entpuppen. Stellen wir uns doch mal vor, diese Arbeit wäre, sagen wir, von Frau Ypsilanti abgegeben worden – man hätte diese mehrfach geteert und gefedert.

    Mit einem bißchen Nachdenken bin ich jetzt aber darauf gekommen, daß wohl solche Linke wie Lafontaine und Gysi hinter allem stecken, die ja bei der Stasi gelernt haben, wie man fremde Dokumente fälscht und jemandem etwas in die Schuhe schiebt. Diese schlimmen Finger haben sozusagen in die Zukunft geblickt, darin eine junge Lichtgestalt namens von und zu G. entdeckt und dann undercover Textpassagen in dessen Doktorarbeit geschleust, ohne diese mit einem Quellenhinweis zu versehen. Seit wann markiert die Stasi auch etwas als “Quelle”, wenn sie jemand was anhängen will?

    Möglicherweise kommt aber demnächst das neue Buch von Wallraff auf den Markt, in welchem dieser offenbart “I was Barons G. Ghostwriter”.

  6. Gleich welche wissenschaftliche Promotion vollzieht sich nicht anders als mindestens durch die Allgemeinheit. Völlig heillos verliert sich daher jedermann, der sich der lediglichen Fiktion anheim gibt, dass keinerlei objektive Maßgabe für subjektiv erbrachte Leistungen existent sei. Selbst wenn somit insbesondere die Gutachter der von zu Guttenberg an einer juristischen Fakultät eingereichten Arbeit solchermaßen eklatant fehl gegangen sein sollten, kann das nicht dessen öffentliche Beleihung hindern.

  7. Sollte die Universität Bayreuth dies wirklich durchgehen lassen, so wären nicht nur sie, sondern auch alle anderen, die sich der Mühe einer Promotion unterzogen haben, wissenschaftlich schwer beschädigt. Ein Minister, der der Täuschung ganz offensichtlich überführt wurde, und die Öffentlichkeit dann – wie geschehen – so arrogant und ohne Unrechtsbewusstsein abspeist, hat keinen Funken Anstand. Ich schäme mich, dass in Deutschland im Politikbetrieb soviel Charakterlosigkeit immer noch honoriert wird! Sofortiger Rücktritt ist in einer solchen Situation die einzig angemessene Reaktion! Margot Käßmann hat hier Vorbildfunktion und die richtige Messlatte gelegt!

  8. Nachdem nun schon so viel zu den „Stellen“ gesagt wurde, an denen offensichtlich fremde Gedanken ohne Nennung der Quelle repliziert wurden, unter Hinweis auf die Tatsache, daß Guttenbergs Arbeit auch zahllose fremde replizierte Gedanken MIT Nennung der Quelle beinhaltet (was ihm ja ansonsten niemand ankreidet, da eigentlich immer auch darauf hingewiesen wird, daß das so üblich ist… niemand kann heutzutage auf irgendeinem Gebiet bei Null anfangen), würde mich langsam mal interessieren, was denn die „nichtfremden“, d.h. eigenen Gedanken der Arbeit sind.

    Ich bilde mir ein, daß eine solche Doktorarbeit auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse (ob sie nun korrekt markiert sind oder, wie in diesem Fall, teilweise nicht) zum Thema dann auch einen Erkenntnisgewinn produzieren müssten, etwas Neues, ein Vorschieben der Grenzen zum Nichtgedachten/Unbekannten hin bewirken müssten. Oder ist das in den Geisteswissenschaften nicht so, sollte hier eine neue, originelle Permutation bekannter Fakten und Ideen irgendwie schon ausreichen?

    Zu diesem eigentlichen Wert der Arbeit, der ja in diesem Fall außergewöhnlich groß sein muß („summa cum laude“), hört man erstaunlich wenig in der öffentlichen Debatte. FR-Journalist Hebestreit z.B. kann einen „beschränkten intellektuellen Horizont“ allein schon dem Titel der Arbeit entnehmen… aber sich durch den Inhalt der Arbeit durchzuwühlen oder ihn gar zu verstehen, um dann den Horizont des Autors doch noch ein wenig fundierter beurteilen zu können, das kann man von Journalisten natürlich nicht erwarten… ääh, aus Zeitgründen. Letztendlich müsste es aber mal eine größere Anzahl von im Urteil unabhängigen, entsprechend kompetenten Menschen (jenseits der damals mit der Beurteilung der Arbeit befassten Personen) tun, um am Ende Aussagen nicht nur über die Ehrlichkeit Guttenbergs machen zu können, sondern eben auch über sein geistiges Potential. Zitiertes nicht zu markieren, d.h. als eigene Gedanken zu verkaufen ist ein Indiz für geistige Unzulänglichkeit (bezogen auf das Thema der Arbeit), aber noch kein Beweis… einen Beweis bekommt man erst, wenn nur die kopierten Strecken einen Erkenntnis- oder sonstigen Wert enthalten, ansonsten kein nennenswerter Eigenbeitrag VON WERT erkennbar ist. Wer, der alleine durch die momentane Berichterstattung informiert ist, die durch die übliche durch Auswalzung erzeugte Dünne charakterisiert ist (Es ist mal wieder weniges zu hören, das aber ganz viel und oft)… wer wäre sich denn sicher, das Letzteres der Fall ist? Bauchgefühlgetriebene („Der ist ja so eitel, der ist wahrscheinlich auch blöd“ o.ä.) mal ausgenommen.

  9. Die Uni Bayreuth, bzw. Guttenbergs Doktorvater haben hier zwar versagt, die Hauptlast und Verantwortung liegt aber beim Freiherrn. Er hat sicher einen Wisch abgegeben der bestätigt, dass es seine und nur seine Arbeit gewesen ist und wenn nicht, dann hat er kopiert, gelogen und betrogen. Denn mal ehrlich: als aktiver Politiker hat man wenig Zeit und so ein Titel erfordert verdammt viel davon. Er hat ihn sich trotzdem gewünscht aber wieso? Weil er Kompetenz suggeriert, dem Träger Gewicht gibt, Türen öffnet. Der Titel nützt. Wenn er unverdient ist, ist es bereits Betrug.

  10. In der Tat, auch das wird man doch mal fragen dürfen, was und wie bei den Blitzumfragen, die jetzt ins Kraut schießen, überhaupt gefragt wird. In Sachen Lügenbaron ist es für mich nur sehr schwer vorstellbar, dass die Deutschen diesen Herrn zu über 70 Prozent (z.B. ARD-DeutschlandTrend) in seinem Amt belassen wollen würden. So Plem-Plem können doch nur die ganz abgedrehten und obrigkeitshörigsten „Kaisertreuen“ sein. Aber 70 Prozent und mehr, das dürfte auch für ein immer noch oder schon wieder „staatsgehorsames“ Land etwas „happig“ sein. Allerdings, wer weiß, wer weiß, seit Sarrazin scheint in diesem Lande nix mehr unmöglich zu sein. Ein maßlos überschätzter, BILD-medial aufgeblasener, ultra-konservativer Blender, mit einem fragwürdigen, in Teilen reaktionären Geschichts- und verschwurbelten Gesellschaftsbild, hat seine Doktorarbeit, in erheblichem Umfange, zusammengeklaut oder klauen lassen. Damit ist er, schlicht und ergreifend, ein Dieb und Betrüger. Dieser Herr, auch in seinem Ministeramt ein krasser Versager, besitzt nun die bodenlose Frechheit, sich grinsend vor „sein ausgesuchtes“ Publikum zu stellen, und mit „großzügiger“ Geste bekannt zu geben, seinen Doktortitel, natürlich nur vorübergehend, zu „suspendieren“. Ansonsten tut ihm lediglich leid, sozusagen einige Gänsefüßchen vergessen zu haben. Und damit meint dieser Herr, dass die Debatte nunmehr gefälligst zu beenden ist. Unglaublich diese unverschämte, dreiste Ignoranz und Arroganz. Wenn dennoch angeblich über 70 Prozent ihren „Gutti“ behalten wollen, zumal „wir“ ja alle schon mal ein bisschen geschummelt haben, dann ist dieses Land schon erheblich kränker (gemacht worden) als ich befürchtet habe. Dagegen wird eine 58-jährige Altenpflegerin, wegen des „Diebstahls“ von 6 Maultaschen, die für den Abfall bestimmt waren, „gnadenlos“ verfolgt, und trotz 17-jähriger Betriebszugehörigkeit fristlos entlassen. An „gestohlenem“ Brötchenbelag, den „Diebstahl“ eines Kassenbons im Werte von 1,30 Euro, oder „Stromklau“ im Werte von 1,8 Cent sei nur ganz am Rande erinnert.

    Dieser Frei-Herr besteht, richtig hingeschaut, nur aus heißer Luft. Vergleichbar mit einem viel zu prall aufgeblasenen Ballon. Nur ein kleiner Pieks, und von der ganzen „Herrlichkeit“ bliebe lediglich ein verschrumpeltes Stückchen Gummi übrig. Aber solange die BILD und andere „Guttenberger“ glauben, er könnte trotz allem, immer noch der zukünftige deutsche „Führer“ sein, traut sich auch niemand so richtig wirklich den Pieks auszuführen. Und deshalb müssen die Umfragen auch das „hergeben“, was zu diesem BILD passt. In jedem Fall wäre mal interessant zu wissen, wie und was da konkret gefragt wird.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  11. Die weiterhin vorhandenen 70 Prozent Zustimmung für Herrn Guttenberg lassen sich doch recht einfach damit erklären, dass es – wie m. E. Peter Körtling schon andeutete – den meisten Deutschen auf den Keks geht, wenn ein beliebter Politiker, weil aus dem falschen Lager, einfach abgeschossen werden muss.

  12. Würde Guttenberg der Titel nicht aberkannt, könnte sich jeder Doktorand auf den Fall berufen und unter dem Motto „Ich mach mal den Guttenberg“ rund 30 Seiten von anderen kopieren, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Das kann ja wohl nicht wahr sein! Guttenberg hat eben nicht versehentlich mal eine Fußnote vergessen, worüber sich ein paar Korinthenkacker aufregen, sondern systematisch betrogen! Außerdem handelte es sich nicht um eine Hausarbeit in Klasse 9, sondern um eine Doktorarbeit. Es gehört zum Abfassen einer solchen Arbeit dazu, wissenschaftlich sauber zu zitieren und fremde Gedanken eindeutig als Quellen zu kennzeichnen.

  13. @11 Katja Wolf

    Sie scheinen sich ja richtig gut auszukennen. Ich hätte da mal eine Frage, zumal ich damit bei blog.tagegesschau.de, im Hinblick auf den Artikel von Herrn Schönenborn mit dem „göttlichen“ Titel – Guttenberg kann über Wasser gehen – einfach nicht durchkomme. Trotz mehrmaliger Versuche, scheint es den Herrschaften von der ARD nicht zu passen, dass ich u.a. folgende Frage gestellt habe:

    „Vielleicht, sehr geehrter Herr Schönenborn, könnten Sie die TeilnehmerInnen an Ihrem Thema, also die Öffentlichkeit, einmal kurz über die Umfragetechniken aufklären, zumal sich die zahlreichen Stellungnahmen hier doch erheblich von den offiziellen Umfrageprozenten im ARD-DeutschlandTrend unterscheiden. Ich habe zwar nicht alles gelesen, aber die über 70 Prozent scheinen mir hier eher gegen „den über Wasser gehenden Göttlichen zu sein“. Was wird bei diesen so genannten Blitzumfragen exakt gefragt? Lässt sich das ggf. irgendwo nachlesen? Oder ist das sozusagen ein Betriebsgeheimnis? Um sich ein ausreichendes Hintergrund-Bild machen zu können, denke ich schon, dass die konkreten Fragen bekannt sein sollten“.

    Wie gesagt, bei tagesschau.de ist es mir nicht vergönnt, mit meinen bescheidenen Fragen, aus welchen Gründen auch immer, überhaupt an die Öffentlichkeit treten zu können, soll heißen, sie werden nicht freigeschaltet. Aber vielleicht können Sie mir ja weiterhelfen. Wissen Sie was bei diesen Blitzumfragen ganz konkret gefragt wird? Danke für Ihre Mühe.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  14. Was mich an der Thematik rund um Guttenberg maßlos aufregt, ist das zweierlei Maß, mit dem hier gemessen wird. Linke müssen absolute Lichtgestalten sein, denen auch kleine Fehler nicht verziehen werden, und die gnadenlos nicht nur abgewatscht, sondern in Grund und Boden gestampft werden, wenn sie gegen das verstoßen, was das bürgerliche Lager „Political Correctness“ nennt. Beispiel: Frau Ypsilanti.

    Wenn aber solche eine „Lichtgestalt“ wie Herr von und zu Guttenberg Politik nach Gutsherrnart betreibt und jetzt anscheinend auch bei seiner Doktorarbeit auf so eine Art preußischer (oder fränkischer) Junkerbonus besteht, dann ist das völlig in Ordnung, und wird auch von vielen noch verteidigt. Es soll so eine Art „Lex Guttenberg“ installiert werden, die selbstverständlich auf den normalen Bürger (oder Doktoranten) nicht angewandt wird.

    Anscheinend gibt es in Deutschland nur auf der Linken Arschlöcher, aber rechts nicht, oder anders: Die Blindheit auf dem rechten Auge hat bei uns seit mehr als 100 Jahren Tradition.

    Na dann, mal weiter viel Spaß bei der Traditionspflege.

  15. @ Jutta Rydzewski #13:
    Nein, ich kenne die Studie überhaupt nicht, nur die Reaktionen in meinem persönlichen Umfeld und teilweise aus den blogs. So wie Peter Körtling denken nicht wenige (mich eingeschlossen).
    Es ist nämlich genau das gegenteilige Empfinden als das von Wolfgang Fladung #14.
    Im Regelfall ist in den deutschen Medien derjenige gut, der links ist, weil er eben nicht rechts ist.

  16. @ Katja Wolf

    Medienuntersuchungen geben weder Ihnen noch Wolfgang Fladung mit Ihrem generellen Verdacht der Bevorzugung von Politikern eines bestimmten Lagers Recht. Die Debatte um Guttenbergs abgekupferte Doktorarbeit entzieht sich aber gänzlich dem Links-Rechts-Schema. Die kritische Berichterstattung reicht von der FAZ über die SZ bis zur FR.

  17. Ich finde, die FR ist noch recht moderat im Vergleich zu anderen Zeitungen. Aber was ich nicht verstehe: Wenn es so einfach ist, die Plagiate herauszufinden, warum hat das dann der „Doktorvater“ nicht getan? Oder gehört das nicht zu seinen Aufgaben? Kommt mir vor wie ein Lehrer, der in Deutsch ein Diktat schreiben lässt und dann keine Rechtschreibfehler anstreicht.

  18. @15 Katja Wolf

    Da Sie auch nicht wissen, was konkret bei diesen so genannten Blitzumfragen gefragt wird, woher wollen Sie denn dann wissen, was Sie in Ihrer Zuschrift @11 als Begründung für die über 70 Prozent genannt haben? Wenn ich die Frage(n) nicht kenne, halte ich dieses ganze Umfragetheater für teure Volksverblödung. Intellektuell redlich wäre es, nicht nur die Antworten, sondern auch die jeweiligen Fragen zu veröffentlichen. Denn sonst sucht sich jeder das „Passende“ heraus, wie Sie zum Beispiel.;-) Allerdings ist die ganze Guttenbergdebatte genauso bizarr wie dieser Flummi Guttenberg selbst. Erneut erschreckend deutlich geworden ist das gestern bei einer neuen Ausgabe der öffentlich-rechtlichen Talkshow-Verblödungs-Klamauk-Veranstaltung Anne Will. Stephan Hebel hat dazu einen hervorragenden Kommentar geschrieben: http://www.fr-online.de/kultur/fr-fernsehkritik/mitquatschen-ist-alles/-/1473344/7216704/-/index.html

    Diese mitmachen-ist-alles-Quasselrunden sind mittlerweile, sowohl was die Moderation, als auch die Schwatz-TeilnehmerInnen anbelangen, auf dem unterirdischen Niveau von DSDS und Dschungelcamp angelangt. Was interessieren also die Fragen bei Umfragen, Hauptsache der Klamauk ist gesichert. Danke für Ihre Mühe.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  19. @ Abraham:
    Natürlich entzieht sich die Debatte um Guttenbergs abgekupferte Doktorarbeit gänzlich dem Links-Rechts-Schema.
    Ich habe lediglich darauf Bezug genommen, wie sich m. E. die anscheinend noch recht hohe Zustimmung für Herrn Guttenberg erklären lässt.

  20. @ Jutta Rydzewski, # 10, 13

    „BILD hat mitgeschrieben“ – so oder so ähnlich könnte der Titel einer Glosse zur Causa Guttenberg lauten, die wohl in mindestens gleichem Maße eine Causa BILD ist. Ausnahmsweise stimme ich Jutta Rydzewski bei ihren Beiträgen # 10,13 uneingeschränkt zu, die in diesem Fall auch stilistisch angemessen sind. Ebenso erscheint mir Michael G. Hoffmanns Vergleich mit Dopingsündern à la Contador (einleitende Beiträge) durchaus schlüssig: Ein Betrugsmanöver dieser Art zu akzeptieren kommt einer Verhöhnung all derer gleich, die sich mit legitimen Mitteln um einen Titel bewerben. Konsequenterweise sollte sich die „Guttenberg-Front“ dann auch die Abschaffung aller Dopingkontrollen auf ihre Fahnen schreiben und die Preisverleihung an den fordern, der über das meiste Dope verfügt.
    Dope im Falle Guttenberg hat zweifellos mit BILD zu tun. Und wie wirkungsvoll das ist, stellte nicht zuletzt BILD-Kolumnistin Schwarzer an der Seite der jämmerlich auftretenden Frau Hohlmeier und Herr Wedel in der Diskussionsrunde bei Anne Will unter Beweis.
    Mit Frau Rydzewski ist nicht nur zu fragen, mit welcher Fragetechnik per „Blitzumfrage“ eine Unterstützungsfront für den Herrn Baron aus dem Hut gezaubert wird, sondern auch mit welcher Absicht und vor allem, wer denn die Königsmacher in diesem Lande sind. Zu deren Techniken gehört offensichtlich, „Haltet den Dieb!“ zu schreien, wenn sie selbst erwischt wurden, und die eigenen Methoden, zu „verleumden“ und zu „diffamieren“, was das Zeug nur hält, – so Gerd Geiser und Roland Neumann hier im Vorspann – andern in die Schuhe zu schieben. Wenn die beiden Herren (und mit ihnen die ominösen 70 % Guttenberg-Fanatiker) Kontrolle auf Korrektheit mit Verleumdung verwechseln und somit die Kontrollfunktion einer unabhängigen Presse in Frage stellen und diffamieren, so müssen sie sich wohl nach ihrem eigenen Demokratieverständnis fragen lassen.
    Und ebenso wie man per Blitzumfrage „ermittelt“, dass für die große Mehrheit Betrug nur Betrug ist, wenn es die „Richtigen“ trifft – vorzugsweise den kleinen Mann und politische Gegner – , könnte man auch ermitteln, wie es mit deren Bedürfnis nach einem Ersatzmonarchen bestellt ist sowie mit so charakterfesten Einstellungen wie der, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. – Vorausgesetzt, man wollte dies!

  21. @20 Werner Engelmann

    „Ausnahmsweise stimme ich Jutta Rydzewski bei ihren Beiträgen # 10,13 uneingeschränkt zu, die in diesem Fall auch stilistisch angemessen sind.“

    Ich kann nur hoffen, sehr geehrter Herr Engelmann, dass Ihnen andere TeilnehmerInnen, ob dieser zitierten Anmerkung, jetzt nicht zu „gram“ sein werden. Aber nein, kann nicht sein, denn schließlich haben Sie ausdrücklich von ausnahmsweise geschrieben.;-)) Mit Ihren weitergehenden Ausführungen, Vergleichen und der Glosse stimme ich weitgehend überein, und das ist nicht nur ausnahmsweise so.;-)

    mfg
    Jutta Rydzewski

  22. @ Rydzewski #18:
    ich habe mir überhaupt nichts herausgesucht sondern mir meinen Reim gemacht – das ist etwas ganz anderes.
    Dass es sich bei der Umfrage um ein Stück auf der großen Umfrage-Theaterbühne handelt bezweifle ich hingegen nicht.

  23. Der Fall spitzt sich zu und fängt jetzt an, wirklich bedeutsam zu werden. Ich meine jetzt jene Unterstützer des Herrn Guttenberg, die in Relation zu seinen öffentlichen Verpflichtungen als Minister seine Verfehlungen als irrelevant betrachten. Frau Kanzlerin A. Merkel sagt, sie habe keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter engagiert, sondern einen Minister; und das mache er gut. Andere weisen auf vermeintliche Lappalien hin, die die als Fußnoten – Verfehlung sprachgeregelten Versuche des Herrn Baron im Vergleich zu den drei toten Bundeswehrsoldaten bedeuteten. Das ist in toto Instrumentalisierung; der banalen Art das eine, der ungeheuerlichen das andere.

    Mit diesen Argumenten nämlich instrumentalisiert man den Menschen, er muss nichts anderes als funktionieren, vor welchem moralischen Hintergrund auch immer. In Deutschland ist dies eine historisch bekannte Verhaltensweise. Nach dem 2. Weltkrieg ebenso wie nach 1990. Hier wurde Fachkompetenz vor moralischer Integrität gestellt; Inhalte, Überzeugungen sind und waren gleichgültig, wenn nur der Zweck erfüllt wird.

    Ich hoffe, dass mit einer solchen Strategie langfristig niemand durchkommt. Auch von einem Politiker – ich bin versucht zu sagen, selbst von einem Politiker – kann man erwarten, dass er nicht nur etwas tut, sondern dass er es nach ethischen Maßstäben tut. Eine wissenschaftliche Arbeit zu verfälschen, sollte es denn so sein, ist aber deshalb genau keine Randnotiz im politischen Alltag, weil eine solche Handlungsweise die Werte – wie in diesem Blog schon öfter geschrieben – massiv verschiebt, den Menschen austauschbar macht und ihn reduziert auf seine Funktion, im Bösen wie im Guten. Seine Überzeugungen, Haltungen und Werte hingegen bleiben gleichgültig. Dies darf so nicht sein und bleiben. Was an Herrn Baron zu G. natürlich noch bedeutsam ist, ist die Glitzerwelt, die er jenen 72 % bietet und damit die Entpolitisierung der Politik. Auch dafür wird er noch benötigt. Und genau dafür ist möglicher Weise sein Baron viel, viel wichtiger als der Dr., auf den er übrigens – so kann man es sehen – nicht so einfach folgenlos verzichten kann.

    Ob ich jetzt mit „Dr.“ Hans-Ulrich Hauschild zeichnen soll, glaube ich nicht. Wir sind alle zu Zweifelsfällen geworden und mit uns die Wissenschaft.

  24. Man stelle sich vor:
    Ein fescher junger Mann mit glatt gegeltem Haar braust im Sportcoupé einer bayrischen Automobilfirma mit 120 Sachen durch die Stadt. Er wird von einer Polizeistreife angehalten. Er entschuldigt sich. Er könne ja schließlich nicht dauernd auf den Tacho schauen.
    Und bevor der Polizist den Bußgeldkatalog herausgefingert hat, drückt ihm der junge Mann mit süffisantem Lächeln einen 50 €-Schein als Bußgeld in die Hand und braust, unter teils ungläubigen, teils anerkennenden Blicken der umstehenden Passanten, unbekümmert davon.
    Die beschriebene Chuzpe würde vermutlich in weiten Teilen der Bevölkerung Entrüstung hervorrufen. Nicht aber, wenn der junge Mann ein bekannter Baron und Shootingstar ist. Und nicht in Bayern, wo schon eh und je die Uhren anders ticken.
    Da gab es bekanntlich einen Ministerpräsidenten, der seinen größten Wahlerfolg just in dem Moment verbuchte, als seine Verstrickung in einen Korruptionsfall (genannt „Bäderaffaire“) aufgedeckt worden war.
    Jetzt erst recht! – Die Identifikation mit einem Sünder, zu dem man aufzuschauen gewohnt ist, vermittelt ja ein so erhebendes „Mir-san-mir“-Gefühl. Und sie relativiert die eigenen Vergehen, stuft sie im christsozialen Polit-Beichtstuhl zu verständlichen „Fehlern“ und lässlichen „Sünden“ herab, die mit 3 Vater-unser vor dem barocken Regierungsaltar wieder abgegolten sind. Und das Halali auf die bösen Verleumder, die an der Unbeflecktheit des nationalen Symbols zu zweifeln wagen, kann erneut beginnen. –
    Mag sein, dass die unverfrorene Strategie des christsozialen Supermans und seiner Unterstützerfront, sein eigenes Recht zu setzen und so das Gesetz des Handelns in der Hand zu behalten, kurzfristig parteipolitische Früchte trägt. Der Schaden für eine Gemeinschaft, der das Gefühl für rechtliche Normen und der Respekt davor abhanden kommt, ist aber enorm.
    Welche Folgen es langfristig zeitigen kann, wenn Respekt vor Gesetzen durch falsch verstandenen Respekt vor Untaten „großer“ Menschen ersetzt wird, hat Brecht im Nachwort zum Theaterstück „Arturo Ui“, in dem Nazi-Größen als Chicagoer Gangsterbosse figurieren, eindringlich aufgezeigt:
    „Die großen politischen Verbrecher müssen durchaus preisgegeben werden, und vorzüglich der Lächerlichkeit. Denn sie sind vor allem keine großen politischen Verbrecher, sondern die Verüber großer politischer Verbrecher, was etwas ganz anderes ist.“ (ed. Suhrkamp, S.130)

  25. # 24, Werner Engelmann
    Korrektur:
    Im Brecht-Zitat in der vorletzten Zeile muss es statt „Verüber großer politischer Verbrecher“ natürlich heißen: „Verüber großer politischer Verbrechen“.
    Entschuldigung!

  26. Hauschild bringt die Diskussion auf die richtige Ebene: Was dieser Mitbürger Guttenberg sich leistete, zeigt, dass er einen schlechten Charakter hat, denn erst nach und nach räumt er schließlich ein, „große Fehler“ gemacht zu haben. Seit wann ist bewusste Täuschung – in irgendeiner Art – nur ein Fehler und kein Betrug ? Nun ja, Roland Koch hat ja auch nicht gelogen sondern nur eine „große Dummheit gemacht“,indem er einen ihm bekannt nicht zutreffenden Rechenschaftsbericht seiner Partei als zutreffend unterschrieb.

    Wenn die Kanzlerin den Baron als exzellenten Politiker und seine jetzt offenbarten Charaktermängel für seine Aufgaben als irrelevant ansieht, mag das zu ihrer eigenen Haltung als Physikerin zu den Folgen der Atomkraftnutzung passen. Bei all dem sollte sie aber auch bemerkt haben, dass das Handeln des Herrn Baron insgesamt nicht gerade ein Merkmal für überragende Intelligenz ist. Das konnte man auch schon früher bei seinen Kommentaren und Reden feststellen: Er ist der Vater des Schwurbelns.

    Schließlich sei auch noch hervorgehoben, dass es dem Baron genügte, „sich zu entschuldigen“. Das kann er nicht: Er kann die Wähler um Entschuldigung bitten.

    Und zuletzt: wer einer Opposition vorwirft, in Gestalt des Barons einen politischen Gegner zu Fall bringen zu wollen, sollte sich an die „Dienstwagen-Affaire“ von Ulla Schmidt erinnern, obwohl dort nur gewisse Vorrechte ziemlich extensiv und unwirtschaftlich ausgenutzt wurden.

  27. @ Werner Engelmann:
    Warum fallen Ihnen, der Sie offensichtlich soviel Wert auf Integrität legen, denn statt FJ Strauß z.B. folgende
    (teils ehemalige) Politiker nicht ein:
    – Außenminister Joschka Fischer,
    der sich von seinen Gewalttätigkeiten (klar) NICHT
    distanzierte,
    – IM …, der oft mit Klagen droht.

  28. Der 180 Grad-Abteilung-kehrt-und-Mehrstufen-Minister, oder das System zu Guttenberg:

    1.Stufe: Abstrus.

    2.Stufe: ES sind Fehler gemacht worden, deshalb suspendiere ich mich vorrübergehend, ich betone vorrübergehemd, von meinem Doktorgrad.

    3.Stufe: ICH habe gravierende Fehler gemacht, und möchte mich für den Blödsinn, den ich verzapft habe, bei allen die ich verletzt habe, von ganzem Herzen aufrichtig entschuldigen. Außerdem, obwohl es mich sehr schmerzt, verzichte ich auf meinen Doktor für immer. Amen.

    Ähnliche Stufen der „MeinungsVERbildung“, gab es bei Guttenberg auch im Hinblick auf die tragische Kundusbombardierung, bei der auf deutschen Befehl, durch einen feigen terroristischen Akt, über 100 Menschen, darunter Frauen und Kinder, auf grausige Art ums Leben gekommen sind.

    Und auch beim letzten Handstreich des Lügen- und Schwindelbarons, der Gorch-Fock-Affäre, hat es in rasend schneller Abfolge, völlig unterschiedliche und sich widersprechende Äußerungen gegeben. Aber das Volk huldigt angeblich immer noch dem Strahlemann. Wenn ich jedoch z.B. die nicht repräsentativen Umfragen bei der FR und bei tagesschau.de sehe, so sind die Werte geradezu umgekehrt. Demnach wollen bis zu 90 Prozent den Rücktritt Guttenbergs. Vermutlich soll das Volk als ausgesprochen „umfrageblöd“ hingestellt werden, denn schließlich geht es um den Oberbeliebten und um parteipolitische Taktiererei. Es ist schlicht ein einmaliger Vorgang, dass ein offenkundig lügender und betrügender Mann Minister bleiben kann oder gar soll, und eine Kanzlerin als auch ein Ministerpräsident, dieses erbärmliche Trauerspiel stützen und unterstützen. Dieses Land ist krank, krank gemacht worden von einer politischen und medialen Clique, die zwar im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung zahlenmäßig verschwindend klein ist, aber über große Macht und Einfluss verfügt; womöglich sogar bei einschlägigen Umfrageinstituten. Zu diesen Zuständen trägt auch ein Kapitalismus in der zur Zeit herrschenden Form bei, der menschenverachtend und demokratiegefährdend ist, mit eindeutig faschistischen Zügen. Denn so blöd kann ein Volk nicht sein, dass es zu weit über 70 Prozent einen Lügner und Betrüger weiter in einem hohen politischen Amt sehen will. Wenn Guttenberg auch nur noch einen Funken Anstand hätte, würde er dieses unwürdige Schauspiel endlich beenden und zurücktreten. Da er das offenbar nicht tut, wird deutlich, dass ihm sogar dieser Funken fehlt. Die politische Kultur scheint in diesem Lande immer mehr vor die Hunde zu gehen. Es ist einerseits schier unglaublich, dass so eine Type (angeblich) die Beliebtheitsskala mit großen Abstand anführt, und andererseits ein absolutes Trauerspiel für das Ansehen von Polikern überhaupt. Da sind sogar Versicherungsvertreter höher angesehen, die verkaufen Versicherungen, während Volksvertreter offenbar immer häufiger das Volk verkaufen bzw. verarschen, wobei das Zweitere immer die Vorstufe des Ersteren ist.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  29. @ Katja Wolf, # 27

    Einige Rückfragen zu Ihren Anregungen:
    – Waren die von Ihnen genannten bayrische Politiker?
    – In welche Korruptionsaffairen waren sie verstrickt?
    – Welche Hinweise gibt es, dass sie trotz/wegen offensichtlicher Korruption Wahlsiege errangen?

    1. Es geht schließlich nicht darum (jedenfalls mir nicht), Leuten, die man nicht mag, eins auszuwischen (ich hätte gegen Herrn Guttenberg, wenn es solche Fälle nicht gäbe, persönlich überhaupt nichts).
    2. Es geht vielmehr darum, Verhaltensweisen zu erklären,
    a. warum unlautere Machenschaften oder gar kriminelles Verhalten von Menschen, die zum Idol erklärt wurden, nicht unbedingt abschrecken, sondern diese dadurch für viele sogar noch attraktiver werden (den heute in Russland noch existierenden Stalin-Kult könnte man auch nennen, wäre in diesem Zusammenhang aber viel zu weit hergeholt)
    b. warum Politiker meinen, sich solche Machenschaften (und eben nicht: „Fehler“) erlauben und auch aussitzen zu können
    c. warum Rundumschläge gegen „die“ Politiker gar nichts bringen und auch ungerecht sind, weil solche Verhaltensweisen wie die des Herrn Guttenberg auch die FOLGE von Wählerverhalten sind, solches zuzulassen und sogar noch zu bestärken
    (oder, um Brecht zu interpretieren: Menschen, die – meist aus falschem Respekt – sich nicht wehren, sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter).
    3. Und es geht, wenn man zur Veranschaulichung Beispiele bringt (die nie Selbstzweck sind), schon um den richtigen Kontext: Ein Politiker, der gewählt wird, egal, wie viel Dreck am Stecken er hat (oder gerade deswegen) gehört sicher in diesen Kontext einer irrationalen und politisch gefährlichen Unterstützerfront, die Rechtstaatlichkeit unterminiert. Eine Auflistung irgendwelcher „Jugendsünden“ gehört sicher nicht dazu.

  30. @asdf

    Ganz richtig, der Guttenberg: um an die Macht zu kommen, braucht es leider einen Dr. Titel — sobald man an der Macht ist, lacht man einfach nur noch drüber (und über die Dummheit dieser Arschlöcher überall)…

  31. Tarnen, Täuschen und Verpissen!
    Das war damals unser Motto als W-18er Anfang der 70er Jahre.

    Wenn unser blaublütiger Verteidigungsminister („Adel verpflichtet!) seine „gravierenden handwerklichen Fehler“ bedauert, so meint er doch in Wirklichkeit, dass er seine Plagiate und Fälschungen so plump durchgeführt hat – oder hat durchführen lassen, dass sie in der heutigen Zeit mit Internet und all seinen Anwendungsmöglichkeiten einfach auffallen mussten.

    Offensichtlich hat er in massloser Selbsüberschätzung und Arroganz seine Mitmenschen für tumber gehalten, als sie sind.

    Diejenigen, die ihn jetzt immer noch für eine Lichtgestalt im Politbetrieb halten, werden früher oder später hoffentlich durch das weitere Agieren dieses begnadeten Selbstdarstellers eines Besseren belehrt werden.

    Alfred Bein

    Neu-Isenburg

  32. Was von den so genannten politischen Spitzen des Landes, in Sachen Guttenberg, verlautbart wird, ist nicht weniger schlimm als das erbärmliche Verhalten des Schwindel- und Lügenbarons selbst. Da stellt sich ein MP Seehhofer vor eine öffentlich-rechtliche Kamera, und schwatzt in das Mikrofon: „Ein Minister stürzt nur, wenn es die eigene Partei will. Die eigene Partei will es nicht.“ Unglaublich. Demnach kann ein Minister lügen und betrügen, dass sich die Balken biegen, spielt alles keine Rolle, Hauptsache die Partei will es nicht. Aber klar doch, die Partei, die Partei hat immer Recht. Genauso unterirdisch argumentiert die Bundeskanzlerin, wonach sie keinen wissenschaftlichen Assistenten, sondern einen Minister berufen habe. Haarsträubend. Weitere Schwadronierer aus dem Guttenberg-Lager will ich mir ersparen. Irgendwie bin ich an die Sarrazin-Debatte erinnert, die genauso schräg, sogar erbärmlich schräg verlaufen ist. Der allseits hoch geschätzte Altkanzler, Helmut Schmidt, fand es völlig normal zu dem rassistischen Sarrazingeschmiere zu verlautbaren: „Wenn er sich ein bisschen tischfeiner ausgedrückt hätte, hätte ich ihm in weiten Teilen zustimmen können.“ Und die Neukanzlerin Merkel interessiert offenkundig auch nicht, dass es ihr Verteidigungsminister, schlicht und ergreifend, an Anstand fehlen lässt, schon an den Grundbegriffen von Anstand. Jeder kleine Beamte, der sich Ähnliches wie Guttenberg „geleistet“ hätte, könnte mit Sicherheit weitreichende (dienst)rechtliche Konsequenzen erwarten. Aber für die so genannte politische Klasse gehen die Uhren anders. „Wir“ haben doch so einen tollen Verteidigungsminister, der den „Mut“ hatte, Krieg auch Krieg zu nennen, obwohl damit das Grundgesetz eindeutig verletzt wird, der Handelswege militärisch „schützen“ will, auch das verletzt das Grundgesetz, der selbstherrlich alles rausschmeißt, was sich für seine Fehler als Sündenbock verwenden lässt, und wenn es sein erschwindelter Doktortitel ist, weil sonst nix zur Verfügung stand. Dem fehlt zwar jeder Funken Anstand, denn dann würde er längst selbst schon die Konsequenzen gezogen haben, aber der ist ja so toll. Krank, absolut krank, der ganze Laden, angefangen bei der Kanzlerin, müsste herausgeschmissen werden. Aber dann wundern sich die Herrschaften über Wahlbeteiligungen die in Kürze unter 50 Prozent liegen.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  33. In der am 17.2. unter „Gefallene Helden“ aufgestellten Liste von prominenten Unionspolitiker/innen, die mit Plagiatsvorwürfen oder anderen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Entstehung oder im Umgang mit ihren Dissertationen aufgefallen sind – vergleichbare Regelwidrigkeiten bei prominenten Mitgliedern anderer Parteien sind bisher erstaunlicher Weise nicht ans Licht gekommen – fehlt der ehemalige schleswig-holsteinische CDU-Landtagsabgeordnete Trutz Graf Kerssenbrock (auch ein Angehöriger des niederen Adels), der sich 1987 in der für einen Angehörigen des bedrohten Lagers außerordentlich mutigen Weise in der Aufklärung der Barschel-Affäre hervorgetan und einen Namen gemacht hat. Vergleichbare Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit seiner Dissertation wie im Falle Guttenberg (auch Kerssenbrock hat im Übrigen Jura studiert, wenn auch nicht in Bayreuth) haben seiner Zeit diese verdienstvollen Anstrengungen und zugleich einen beginnenden politischen Höhenflug dieses „jungen Wilden“ jäh gestoppt. Kerssenbrock erhielt bei den Landtagwwahlen 1988 keinen sicheren Platz mehr auf der CDU-Landesliste und wurde nicht wieder in den Landtag gewählt. Ein begrenztes Comeback gelang ihm im Jahre 2000 mit seiner erneuten Wahl in den Kieler Landtag, dem er bis 2005 angehörte. Kerssenbrock hat aber offenbar nie wieder eine vergleichbare poliitsche Rolle spielen können wie in dem turbulenten Jahr 1987. Er arbeitet heute als Notar und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in einer Kieler Sozietät, die auch seinen Namen trägt. sic transit gloria mundi!

  34. @ Jutta Rydzewski, # 21,28
    Liebe Frau Rydzewski,
    Ich weiß nicht, ob Sie den Eindruck haben, dass es mir vor allem darauf ankäme, zu vermeiden, dass mir jemand „gram“ sein könnte oder in die falsche Schublade gepackt zu werden – in diesem Fall mit Ihnen. Meiner Ansicht nach muss man damit wohl leben, wenn man auf freie Meinungsäußerung – auch unchiffriert – Wert legt, besonders, wenn man manchmal auch zwischen den Stühlen sitzt. Und man kann dies auch.
    Übrigens stimme ich auch Ihrer Einschätzung in # 28 im Prinzip zu – allerdings mit der Einschränkung, dass man m.E. mit möglichst wenig Verallgemeinerungen und weniger Empörungston mehr erreicht. Aber bitte verstehen Sie das nicht falsch als grundsätzliche Kritik an Emotionalität. Ich finde diese nicht nur nötig, sondern auch erfrischend. Und ich hasse niemand mehr als Leute, die mit ihrer „coolness“ hausieren gehen, mit der sie eigene, vor allem emotionale Defizite zu kaschieren suchen. Und von dieser Sorte gibt es ja genug.
    Was die inhaltliche Sache angeht (vielleicht auch, was meine Einschätzung der Verbindung von „Mut“ und „intellektueller Klarheit“ angeht), finden Sie die Antwort im neu eröffneten Thread „Schlagseite“.
    Mit freundlichen Grüßen
    Werner Engelmann

  35. Ergänzend zu # 35:
    Zu diesen vielen Schubladen gehört übrigens auch der „Gutmenschen“-Topf, der sich schon begrifflich selbst ad adsurdum führt (als wenn ein „Schlechtmensch“ zu sein einem zur besonderen Ehre gereichen würde) und der, nach meinen Beobachtungen, immer dann angefahren wird, wenn das eigene Unterbewusstsein rebelliert und vermeldet, dass man im Begriff ist, unverzichtbare „moralische“ Prinzipien aufzugeben, um dieses mit Pseudokritik am andern (Utopist u.a.) zum Schweigen zu bringen.
    Wenn auch meist verschlüsselt, geht die Verteidigungslinie der Guttenberg-Verehrer ja auch in diese Richtung. Erkennbar z.B. am Beitrag # 27 von Katja Wolf, nach dem ich (wenn auch nur angedeutet ein unverbesserlicher Moralist und Gerechtigkeitsfanatiker sein muss.
    Und das von einer Seite, die sich – zumindest nach außen hin – mit christlichen Werten verbunden fühlt!
    – Verkehrte Welt!

  36. In so einer Situation kann man G. eigentlich nur empfehlen, die Klappe völlig zu halten. Mit nahezu jeder Äußerung reitet er sich tiefer rein. Ich zitiere z.B. aus der Rede in Kelkheim, wie sie die FR heute auszugsweise abdruckt:

    „Ich habe diese Arbeit selber geschrieben, weil ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich darin geschrieben habe. (…) Von daher ist es eine schmerzliche Entscheidung, aber es ist eine wichtige Entscheidung, weil es
    auch (…) darum geht, dass man bereits eingetretenen Schaden, etwa für eine Universität eingetretenen Schaden, bei meinem hoch geschätzten, honorigen Doktorvater und einem Zweitkorrektor auch entsprechend zu begrenzen weiß. (…)“

    Schwurbeligkeiten im Ausdruck mal außen vor, G. hält es also für eine Ehrenrettung des „honorigen Doktorvaters“, wenn er dessen Rolle erweitert: Vom Professor, dem man in dem Maße, wie die Plagiate schwierig aufdeckbar sind, nur beschränkt Vorwürfe machen konnte, jetzt zu einem Professor, der einen, wie Guttenberg es ja bezeichnet, „Blödsinn“ mit summa cum laude bewertete. Tolle Schadensbegrenzung.

  37. Herr Engelmann, Sie haben leider völlig falsche Vorstellungen davon, was ein „Gutmensch“ ist. Hier ist aber nicht der Platz, das zu diskutieren, weswegen ich es auf eine der künftigen Gelegenheiten verschieben werde, wenn ich diesen Begriff zu gebrauchen genötigt bin… die so sicher kommen werden wie das Amen in der Kirche.

    Eine ausgesprochene „Verteidigung“ Guttenbergs kann ich bei Katja Wolf nicht erkennen, sie weist nur auf den Umstand hin, daß es schon gewisse Eigentümlichkeiten in diesem Fall gibt, die über seine besonderen Eigenschaften nicht mehr vollständig erklärbar ist. Wenn ich z.B. sehe, mit welcher Verve sich viele Bürger gleich in so einer Art Bürgerinitiative zusammenfinden, und fieberhaft anfangen, selber nach Plagiatsstellen zu suchen, oder die Suche nach Plagiatsstellen infrastrukturell zu unterstützen (siehe z.B. Guttenplag), so kommt mir das doch schon etwas merkwürdig vor… geht man dann z.B. in den Guttenplag angeschlossenen Chat, der so eine Art Bühne für Haßtiraden des kleinen Mannes gegen den leibhaftigen Gottseibeiuns Guttenberg zu sein scheint, so fragt man sich wirklich, welche BESONDEREN Kräfte hier am Wirken sind.

    Es ist ja nicht so, daß der Bürger vermuten müsste, daß es ansonsten niemanden gäbe, der die Arbeit der genauen Analyse der Dissertation auf sich nehmen wird… nein, es scheinen viele ein besonderes Lustgefühl daraus zu ziehen, an der Demontage persönlich teilzunehmen, indem sie selber Stellen suchen o.ä. Die Frage ist berechtigt, ob das bei politisch anders als eher konservativ orientierten Politikern in gleicher Weise geschehen würde.

  38. @ 38. Max Wedell

    Das liegt daran, dass es ein wesentliches Element konservativer Politik ist, gesellschaftliche Ungleichheit als „gerechtfertigtes“ Resultat unterschiedlicher persönlicher Anstrengungen darzustellen. Wer solche Positionen nach außen hin vertritt, selbst aber die illegale Abkürzung zu Anerkennung und Erfolg wählt, möge sich nicht wundern über die Reaktionen, wenn dies auffliegt.

  39. Max Wedell, # 38: „Die Frage ist berechtigt, ob das bei politisch anders als eher konservativ orientierten Politikern in gleicher Weise geschehen würde.“

    Nur zur Erinnerung – schon vergessen: Die Hasstiraden, leider auch in der FR, über Frau Ypsilanti = Lügilanti, bis hin zur Ausforschung, in welche Schule denn ihr Sohn ginge.

    Ich habe in den letzten Jahren eher feststellen müssen, daß nach wie vor mit zweierlei Maß gemessen wird. Schwächen, Fehler und kleinere Vergehen (Bonusmeilen) werden – zu Recht! aufgedeckt, aber dann gnadenlos aufgebläht, um noch besser abzuwatschen. Und bei den „Helden“ des rechten Lagers werden die bürgerlich-konservativen Tugenden (eher Untugenden) bis zur Unkenntlichkeit geschönt und gebogen. So ist es eben im bürgerlich-christlichen Lager: Hat sich ein Heiliger als Scheinheiliger entpuppt, wird er trotzdem weiterhin angebetet. Wahrscheinlich, weil man ansonsten – siehe Fehrle-Kommentar in der FR von heute – seine eigene Bigotterie und Scheinheiligkeit genauso hinterfragen müßte.

    Selbst ein gerechter Richter hat nicht das Recht, bei Rot über Ampeln zu fahren. Und ein Buchhalter, der unterschlägt, und die Hälfte des Geldes frei nach Robin Hood wohltätigen Organisationen spendet, kann nicht deshalb von der Strafbarkeit seiner Handlungen freigestellt werden. Ich sehe bei Herrn von Guttenberg bis heute kein Unrechtsbewußtsein, eher ein „bei diesen strengen Prüfungsordnungen kann ja ein Fehlerchen mal vorkommen“. Es ist also nicht der Betrüger, sondern das falsche System, welches Schuld ist.

  40. @35/36 Werner Engelmann

    Zunächst, lieber Herr Engelmann, was das „gram“ sein können anbelangt, wird Ihnen sicher aufgefallen sein, dass ich den Satz mit einem netten Zeichen abgeschlossen hatte, dem hier.;-) Ihre Beiträge lese ich sehr gerne, völlig unabhängig davon, ob wir in der Sache immer übereinstimmen. Was Ihre umfassende Stellungnahme in dem neuen Thread anbelangt, ich möchte fast sagen, lieber Herr Engelmann, zwischen uns passt diesbezüglich kein Blatt Papier. Verallgemeinerungen erscheinen manchmal nur als solche, und ich beabsichtige sie sicher nicht. Aber sehr häufig, richtig und genau hingeschaut, hängen mehrere Dinge miteinander zusammen. Oder um es salopp auszudrücken, von nix kommt nix. Ich weise immer gerne auf die Zusammenhänge hin, z.B. in @33 die Parallelen bei der aktuellen Guttenberg- mit der Sarrazindebatte. Was den Empörungston anbelangt, so ist das schon eher Ausdruck meines großen Ärgers. Ich halte es schlicht für unerträglich, mit welchen Argumenten z.B. die Bundeskanzlerin Herrn zu Guttenberg schützt. Das ist schlicht eines dreiste Unverschämtheit. Was sollen eigentlich junge Menschen mit diesen haarsträubenden Auffassungen der so genannten politischen Elite anfangen? Sollen sie dem tatsächlich nacheifern? Alles der Macht, der Karriere unterordnen? Glaubwürdigkeit, Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Toleranz, Solidarität, Hilfsbereitschaft, alles Luxus, für den mensch sich nur noch Spott und Häme einhandelt? Ich werde nicht nur ärgerlich sondern zornig, wenn ich diese Heuchler in Politik, Medien, Wissenschaft, in den Kirchen, oder wo auch immer erlebe. Es gibt keine öffentlichen Vorbilder mehr, weil alles dem Erfolg, dem Einfluss der Macht, und natürlich besonders dem Geld unterzuordnen ist. Ja, lieber Herr Engelmann, das macht mich wütend. Und diese schrägen Debatten, ob nun Sarrazin, Guttenberg oder andere, sind ein Ausdruck für die politische und auch sonstige Unkultur, wie sie in diesem Lande mittlerweile herrscht. Eines hängt mit dem Anderen zusammen. Zuerst kommt das Wort, und irgendwann folgen die Taten: Der Verderb der Sprache, ist der Verderb des Menschen. So, nun soll aber Schluss sein, denn sonst „empöre“ ich mich noch mehr.;-)) Ach, ja, noch ein Wort zu den Gutmenschen. Seit Jahren rege ich mich über diesen Blödsinn auf. Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen: „Als wenn ein „Schlechtmensch“ zu sein einem zur besonderen Ehre gereichen würde“. Das sind die Auswüchse einer Zeit, in der nur noch dämliche Schlagworte und leere Phrasen zur weiteren Verblödung beitragen, und wohl auch beitragen sollen. Irgendein Schlagwort wird in die Welt gesetzt, dazu gehören auch die angeblichen „sozial Schwachen“ (womit natürlich nicht z.B. Herr Zumwinkel, Herr Clement und gewisse Professoren, sondern ein Hartz IV-er gemeint ist), und alles schnattert und klappert den Unfug nach, Politiker, Journalisten, bis zum „kleinen Mann“ auf der Straße oder in einem Blog. Was soll auch von einer Gesellschaft erwartet werden, wenn schon die Bundeskanzlerin, Minister und andere „Leistungsträger“ so einen intellektuell mehr als nur dünnen Kram abliefern, wie aktuell in Sachen Guttenberg. Die so genannte Fragestunde gerade im Bundestag mit dem Schwindel- und Lügenbaron war mal wieder eine Katastrophe. Dieser Freiher mimt immer noch den „Dicken“ und der Rest, im wahrsten Sinne des Wortes, lässt das auch zu. Zu Guttenberg mimte teilweise sogar den Oberschulmeister, verwahrte sich gegen die Vorwürfe wie Täuschung, drohte gar mit dem Strafrecht, von wegen übler Nachrede und so. Also, Herr zu Guttenberg, ich würde mich über eine Strafanzeige freuen, denn mit Schwindel- und Lügenbaron meine ich Sie, ja, genau Sie, Herr Dr. zu Guttenberg.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  41. @ Werner Engelmann #36:
    Was Sie so über mich zu wissen glauben; wann habe ich mich jemals zu christlichen Werten geäußert?
    Woran Sie festmachen, ich sei ein „Guttenberg-Verehrer“ entzieht sich mir ebenfalls.
    Hingegen finde ich interessant, was Sie (siehe # 40)als „Jugendsünden“ abtun (vom Mandantenverrat an die Stasi einmal ganz zu schweigen).
    Ihnen gehe es darum, Verhaltensweisen zu erklären,
    warum unlautere Machenschaften oder gar kriminelles Verhalten von Menschen, die zum Idol erklärt wurden, nicht unbedingt abschrecken, sondern diese dadurch für viele sogar noch attraktiver werden.
    Wenn Joschka als (ehemaliges) Idol da kein gutes Beispiel ist!

  42. Ein Herr Bosbach meint, es sei den Christdemokraten egal, was ein christsozialer Minister privat in der Freizeit so treibt. Heißt das, Lügen und Betrügen als normale Freizeitbeschäftigung eines christdemokratisch-christsozialen Kabinets???? Bei der Atomlaufzeitverlängerung tauchte dieser Verdacht ja schon mal auf.
    Frau Rydzewski, ich stimme Ihnen zu. Aber wenn man diese Skandale moniert, kann es passieren, daß man als „Gutmensch“ abgetan wird.

  43. Ich bin ja meist anderer Meinung als Max Wedell, aber seinem Beitrag #37 stimme ich vollauf zu. Was Guttenberg der Wissenschaft und der Hochschule angetan hat, ist schon übel genug. Alles, was er danach zu seiner „Verteidigung“ vorgebracht hat, belegt, dass der Mann offensichtlich nicht würdig und/oder fähig ist, ein Ministeramt auszuüben.

    Angefangen beim etappenweisen Einräumen von „Fehlern“ über die der vergiftete Entschuldigung für geschriebenen „Blödsinn“ bis hin zum scheinbar zerknirschten Eingeständnis im Bundestag, er sei „hochmütig gewesen zu glauben, dass [ihm] die Quadratur des Kreises [gelinge], als junger Familienvater die politische und wissenschaftliche Arbeit in Einklang bringen zu können.“ Also der Versuch, sich als „tragisch an der Größe der Aufgabe Gescheiterten“ zu verkaufen.

    Tatsächlich besteht seine „Tragik“ lediglich darin, dass er mit dem Versuch gescheitert ist, trotz eigener Unzulänglichkeit (ob nun prinzipiell oder in Folge der Umstände, das spielt hier keine Rolle) sich die Doktorwürde mit unlauteren Mitteln zu erschleichen. Entweder spielt er uns diese Zerknirschung nur vor – dann ist er unWÜRDIG, ein politisches Amt auszuüben, erst Recht eines, bei dem er Verantwortung für Leben und Tod der ihm untergebenen Soldaten trägt. Oder er glaubt tatsächlich an das, was er sagt – dann ist er eindeutig unFÄHIG, ein derart verantwortungsvolles Amt auszuüben.

    Was Katja Wolfs Vergleich mit Joschka Fischer bezwecken soll, erschließt sich mir nicht. Letzterer ist ja wohl nicht wegen, sondern trotz seiner Vergangenheit in der „Putzgruppe“ zu politischen Ämtern und Würden gekommen.

  44. Sehr geehrte Damen und Herren,

    Meine kurze und spontane Reaktion nach der heutigen Sendung „Hart aber Fair“:

    Mich erzürnt die Diskussion um und die bisherige Nachsicht eines größeren Teil des Volkes mit Guttenberg.
    Es ist eine maßlose Untertreibung von Schummelei zu sprechen. Herr von Guttenberg hat seine Doktorarbeit schlichtweg durch Betrug und Diebstahl erworben.
    Es ist selbstherrlich und anmaßend mit zweierlei Wertmaßstäben zu messen. Dies ist ein Skandal.
    Das Volk möchte gerne glauben, dass hier ein schnittiger Adliger reumütig ist. Ich glaube ihm nicht.
    Er ist kein Vorbild und tritt ethische und moralische Werte als Grundfeste unserer Demokratie mit den Füssen.
    Ein solcher Mensch darf nicht Minister sein.
    In Zukunft wird sich die wissenschaftliche Intelligenz mit diesem „Vorbild“ immer fragen lassen müssen, ob sie ihr Wissen ehrlich erworben hat oder ob wissenschaftliche Darstellungen Schabernack und Diebstahl sind. Auch hier wird der größte Teil derer, die ihre Titel ehrlich erworben haben, mit Füssen getreten.
    Die Uni Bayreuth scheint schnell den Mantel des Vergessens über die unangenehmen Vorgänge decken zu wollen. Nur nicht weiter nachforschen, ist die heutige Aussage. So kann es nicht gehen. Ich hoffe innig, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Herr von Guttenberg muss zurücktreten.

    Michaela Weickelt

  45. @Katja Wolf

    Ich lese immer die Beiträge, auf die ich mich beziehe.

    „Außenminister Joschka Fischer, der sich von seinen Gewalttätigkeiten (klar) NICHT distanzierte“

    Natürlich gab es eine solche Distanzierung. Die fand in dem Moment statt, in dem sich Joschka Fischer entschloss, für seine politischen Ziele fürderhin im Rahmen des parlamentarischen Systems einzutreten. Und eine derartige Distanzierung auf dem Feld des Handelns ist sicherlich um ein Vielfaches glaubwürdiger als noch so viele Worte (hinzu kommt, dass man sich von seiner persönlichen Geschichte sowieso nicht im eigentlichen Wortsinn „distanzieren“, sondern bestenfalls seine Lehren daraus ziehen kann).

    Das moralische Defizit der genannten konservativen Politiker liegt zudem gerade nicht darin, dass sie es versäumt hätten, sich von irgendeinem „Fehlverhalten“ zu „distanzieren“. Es besteht vielmehr darin, dass man einerseits beansprucht, die Gesellschaft nach den eigenen konservativen Werten auszurichten, während man andererseits diesen Wertekanon für sich selbst gerne einmal außer Kraft setzt, wenn es dem eigenen Nutzen frommt. Auch davon kann man sich nicht so eben „distanzieren“. Da müsste man vielmehr Verantwortung übernehmen und Konsequenzen für die eigene Person ziehen. Das sieht man bei konservativen Politikern nicht unbedingt häufig. Die seilen sich eher dann aus der Verantwortung politischer Ämter ab, wenn es in der Wirtschaft mehr Geld zu holen gibt.

  46. @dreas, #39

    ich würde eher sagen, daß als Merkmal des Konservatismus eine gewisse Werteorientierung wahrgenommen wird, in der Werte wie „Anstand“ oder „Ehrlichkeit“ hoch bewertet werden. Fehlt es an Ehrlichkeit beim Konservativen, so ist die Aufregung natürlich größer als bei solchen Defiziten bei jenen, die Ehrlichkeit oder andere ähnliche Werte nicht in gleicher Weise in den Vordergrund stellen, da gebe ich Ihnen recht.

    Meine Erklärung zur auch immer noch recht hohen Zustimmung beim Bürger zur Person G.s ist, daß a) die Vorstellung des Systembeschisses und seine Einstufung als Kavaliersdelikt leider um sich gegriffen hat, und b) (jedenfalls beim eher „einfacheren“ Bürger) das in diesem Fall beschissene System, die „Großkopferten von den Unis“ sowieso irgendwie als natürliche Feinde wahrgenommen werden… sie gehören zu „denen da oben“, kriegen dicke Gehälter und schwätzen die ganze Zeit nur dummes Zeug… ein irgendwie elitärer Zirkel, der sich mit esoterischen Aufnahmeriten klein halten will… Ich habe schon mehrfach im Gespräch mit Mitbürgern, die ich jetzt einmal nur als eher bodenständiger beschreiben möchte, so etwas wie heimliche Bewunderung gespürt… der einzige Fehler, der G. von diesen Menschen angelastet wird, ist „die Blödheit, sich erwischen zu lassen“. Unnötig zu erwähnen, daß in diesen Zirkeln auch reine Äußerlichkeiten eine sehr mitbestimmende Rolle spielen.

    Ich werte die immer noch recht hohe allgemeine Bürgerunterstützung Guttenbergs also nicht als „Fälschung des faschistischen Systems, denn die Leute können doch nicht so bekloppt sein, zu G. eine andere Meinung als ich zu haben“ (wie ich dies hier schon las), sondern eher als ein Indiz, daß eine Werteorientierung, zumindest um den Begriff „Anstand“ herum, jetzt dringender vonnöten ist als jemals, besonders bei den Personen des öffentlichen Lebens mit Vorbildfunktion. Ein guter Anfang könnte gemacht werden, wenn gezeigt würde, daß zum Anstand auch das Tragen einer Verantwortung gehört, wenn man sich unanständig verhalten hat. Das fehlt bei G. bisher.

  47. @Wolfgang Fladung, #40.

    Auf Ihre Anregung hin erweitere ich meine Aussage:

    „Die Frage ist berechtigt, ob das bei politisch anders als eher konservativ oder vielleicht noch ganz links orientierten Politikern in gleicher Weise geschehen würde.“

    Mit „ganz links“ meine ich in diesem Fall nicht Ypsilanti, sondern die Partei Die Linke.

  48. @Max Wedell

    Der politische Konservativismus basiert ja nachgerade auf der Behauptung, alleiniger oder zumindest mit Abstand führender Garant für Werte wie „Ehrlichkeit“ und „Anstand“ zu sein. Insofern findet hierdurch schon eine erste Usurpation dieser Werte statt, weil suggeriert wird, sie seien ein Element konservativer Welt- und Politikanschauung, anderen politischen Überzeugungen aber nicht unbedingt wesenseigen. Was Guttenberg und andere unrühmliche Vorgänger betreiben, ist nun eine Art zweite Usurpation dieser Werte, wenn sie diese zum eigenen Nutzen umdefinieren. Herr Guttenberg hat zwar all die Passagen aus Zeitungen, fremden Ausarbeitungen usw. in den eigenen Text hineinkopiert und als eigene Gedanken ausgegeben, vermag darin aber keine Täuschung/Unehrlichkeit zu erkennen. Herr Kohl hat wissentlich illegale Zahlungen für seine Partei entgegengenommen, vermag aber nicht einzusehen, dass sein privates Ehrenwort ihn nicht legitimiert, die Namen der Spender zu verschweigen. Und so weiter und so fort…

    Dass selbst politische Hohlkörper wie Guttenberg in solchen Situationen ein erstaunliches Maß an Unterstützung erfahren, könnte meiner Einschätzung nach auch mit der oben genannten ersten Usurpation der moralischen Werte durch den politischen Konservatismus zusammenhängen. Ein möglicher (ggf. auch nur teilweiser) Machtverlust wird dann gleichgesetzt mit einem Werteverlust auf globaler Ebene, demgegenüber die „Verfehlungen“ des Einzelnen unbedeutend bleiben. Zumindest bei den Koalitionsabgeordneten im Bundestag und bei den Regierungsmitgliedern ist dieser Mechanismus deutlich zu erkennen.

    Anti-Intellektualismus allein sehe ich nicht als hinreichende Erklärung für die Ergebnisse der Umfragen zu Guttenberg. Dazu passt schon sein smartes äußeres Erscheinungsbild nicht wirklich. Bedeutender scheint mir zu sein, dass dieser Mann (zusammen mit seiner Frau) von diversen Medien gleichsam wie ein Markenartikel etabliert wurde. Zum Bild dieses Markenartikels gehört auch, dass Guttenberg gleichermaßen „anders“ wie „gut“ sei, wobei nicht ansatzweise definiert wird, worauf sich das „Anders“-sein beziehen und welche Maßstäbe dem Qualitätsmerkmal „gut“ zu Grunde liegen sollten. Und dieser Markenartikel wird nun gezielt NICHT heruntergeschrieben (obwohl BILD auch anders könnte – siehe http://www.bildblog.de/28079/dr-albern/), was sich logischerweise in den Anschauungen, derer niederschlägt, die besagte Medien für ihre Meinungsbildung heranziehen.

    Auch in diesem Kontext kann ich Ihrem letzten Absatz und speziell Ihrem letzten Satz zustimmen. Allerdings bedarf es hierfür der Befreiung des Wertes „Anstand“ aus der Usurpation durch einzelne politische Anschauungen.

  49. @ Katja Wolf, # 42, Max Wedell, # 38
    Bei genauem Hinsehen gebe ich Ihnen, was meine flapsige Bemerkung in # 35 angeht, Recht, und ich nehme diese ausdrücklich zurück. Da sind zwei unterschiedliche Gedanken in der Verkürzung ineinandergeflossen, und das war sicher eine Fehlleistung. Der Hintergrund des „Christlichen“ und der „Gutenberg-Verteidiger“ waren natürlich Äußerungen, wie sie z.B. in der Bundestagsdebatte zu hören war.
    Ursache für die Fehlleistung war vermutlich mein unterschwelliger Ärger über zwei Dinge: (1) die offensichtlich ironische Äußerung „der Sie offensichtlich soviel Wert auf Integrität legen“ (Ist das etwas Schlimmes?) und (2) das unfaire Verfahren, nicht Kritik zu üben an dem, was da steht, sondern an dem, was NICHT da steht und was der andere nach der eigenen Meinung hätte schreiben sollen oder müssen.
    Das erinnert mich (auch nach vielen Jahren noch) an unfaire Verhaltensweisen von Prüfern gegenüber Referendaren, nach denen keinerlei vernünftige Diskussionen mehr möglich waren und die immer in Besserwisserei einmündeten, bei der natürlich der Mächtigere immer „im Recht“ war.
    Betr. Joschka Fischer, über den mich zu äußern ich keinerlei Veranlassung habe, da ich nie zu seinen „Bewunderern“ gehörte, hat dreas in #47 schon einiges gesagt.
    Nur so viel: Wenn man in diesem Zusammenhang, ohne auch nur ein Wort über die Zeitumstände zu verlieren, von vornherein von „kriminellem Verhalten“ ausgeht (ich verweise in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Stalin und Brecht natürlich auf Hitler), dann ist auch hier keine vernünftige Diskussion mehr möglich. Ich vermute mal, dass Sie nie die Erfahrung gemacht haben, wie es ist, bespitzelt zu werden (und zwar nicht von der Stasi, sondern in West-Berlin oder, wie erst neulich publik wurde, Studenten in Heidelberg durch die christdemokratische Innenministerin von Baden-Württemberg). Sonst wäre ich mir ziemlich sicher, dass Sie da anders urteilen würden.

    Zu Max Wedell.
    Es mag ja sein, dass die Motive für die Überprüfung der nun offensichtlich erschwindelten Doktorarbeit Plagiats nicht alle von reiner Lauterkeit geprägt sind. Das ändert aber überhaupt nichts an den erwiesenen Fakten des Betrugs, der eben kein „Fehler“ ist, sondern ein strafrechtlich (bzw. dienstrechtlich) relevantes Vergehen, wie Herr zu Guttenberg es an seinen Untergebenen, z.B. der Bundeswehrhochschulen, praktiziert.
    Die Koalitionsstrategie im Bundestag mit klar erkennbarer Sprachregelung und Umkehrung des Spießes mit viel künstlicher Erregung (vor dem Hintergrund höchst dubioser „Umfragen“ kann ich da nur als lächerlich bis skandalös bezeichnen.

    @ Jutta Rydzewski, # 41
    Im Prinzip stimme ich da zu, besonders, was die Einschätzung des Verhaltens von Frau Merkel angeht (wie auch in meinem Beitrag im Thread „Schlagseite“ erkennbar). Dies ist nicht nur mit Populismus zu erklären. Mit der zynischen Abtrennung des Menschen zu Gutenberg vom Minister hat sie die Basis (zumindest rhetorisch noch hochgehaltener) Grundwerte verlassen, die nicht nur konservative, sondern allgemeine gesellschaftliche Grundwerte sind (Max Wedell nennt hier in # 48 „Anstand“ und „Ehrlichkeit“. Ich würde lieber von „Wahrhaftigkeit“ sprechen.) Es kann sogar sein, dass sie mit dieser demagogischen Strategie, welche die Gesellschaft aushöhlt, kurzfristig noch Erfolge erzielt. Langfristig – diese Prognose möchte ich wagen – hat sie damit ihren eigenen Niedergang vorbereitet, nicht anders als Kohl mit seiner Spendenaffaire. Diese sich selbst zugefügte Achillesverse wird sie nicht mehr los – gleichgültig, ob Guttenberg Minister bleibt oder nicht. Denn welcher Konservative wird künftig noch, ohne rot zu werden und Gelächter zu ernten, von den angeblich konservativen Grundwerten sprechen können? – Freilich: Bis sich eine solche Erkenntnis durchsetzt, das braucht seine Zeit – und vielleicht auch unangenehme Fragen, auch in Blogs.

  50. @Werner Engelmann

    „Es kann sogar sein, dass sie [Merkel] mit dieser demagogischen Strategie, welche die Gesellschaft aushöhlt, kurzfristig noch Erfolge erzielt. Langfristig – diese Prognose möchte ich wagen – hat sie damit ihren eigenen Niedergang vorbereitet, nicht anders als Kohl mit seiner Spendenaffaire.“

    Auch als Linker sollte man hoffen, dass sich der Konservatismus nicht gänzlich von seinen „konservativen Grundwerten“ ablöst. Das Beispiel Berlusconi zeigt nur zu klar, wie ein solcher „wertbefreiter Konservativismus“ aussehen und was er mit einer Gesellschaft anrichten kann.

  51. @dreas,

    Anti-Illektualismus und die Gewohnheit, seine Denkinhalte an BILD-Vorgaben zu orientieren, gehen ja wohl gern auch Hand in Hand.

    Wie dem auch sei, angesichts eines beim Mogelversuch Ertappten gibt es ja zwei mögliche Hauptrichtungen der Reaktion: Strenge, Festhalten am Prinzip, und Kritik… oder man stellt sich auf die Seite des Ertappten… vielleicht wenn man selber beim Mogeln oft genug ertappt wurde und sich daher eher mit dem Ertappten identifiziert, oder wenn man die konkrete Mogelei als nicht wesentlich erachtet, als Kavaliersdelikt eben, wenn nicht gar als Sache, bei der eigentlich derjenige schön blöd ist, der sie nicht versucht, wenn er es kann… nur erwischen lassen sollte man sich halt nicht.

    Das ist eben die Frage, wie viele Menschen tatsächlich verstehen, daß der Rahmen einer bloßen Mogelei hier schon gesprengt wurde.

    Was ich schade finde ist, daß mittlerweile die notwendige Propagierung des Werts „Anstand“ durch eine Person mit Vorbildfunktion noch nicht einmal durch einen Rücktritt stattfinden könnte. Um den Wert „Anstand“ einigermaßen noch zu retten, hätte der Rücktritt sofort und unmittelbar nach Aufkommen der Vorwürfe erfolgen müssen. Wenn es jetzt oder später einen Rücktritt gibt, dann weiß bzw. ahnt ja wohl jeder, daß der nicht aus einem Gefühl heraus erfolgt ist, man müsse Anständigkeit zeigen, sondern aufgrund des Drucks, der auf G. einwirkt. Mit anderen Worten, man ist nicht anständig, weil man Anständigkeit für wichtig hält, sondern man erweckt den Eindruck des Anstands dann, wenn ansonsten die Dresche zu groß wird, die angedrohte oder tatsächliche schon erfolgte. Und das ist eben kein echter Anstand, genauso wie es keine echte Ehrlichkeit ist, wenn jemand nur deshalb darauf verzichtet, andere zu beklauen, weil er die unangenehmen Gefängnisstrafen vor Augen hat, die ihm evtl. blühen.

    @Werner Engelmann,
    die „Fakten des Betrugs“ will ich doch überhaupt nicht bestreiten. Die Phänomene rund um Guttenplug („Wie kann ich helfen“, und viele strömen auch herbei und helfen) machen auf mich jedoch den Eindruck einer Art „Bürgerwehr“. Wenn sich angesichts irgendwelcher Verbrechen eine Bürgerwehr bildet, und man dies hinterfragt, so hat man doch nicht auch schon automatisch in Frage gestellt, ob es sich beim Verbrechen überhaupt um eines handelt.

    Bürgerwehren bilden sich aus einer Ohnmacht des Bürgers heraus, einem Gefühl, von den eigentlichen Ordnungskräften im Stich gelassen zu sein, und ich habe schon angedeutet, daß ich dieses „im Stich gelassen sein“ hier nicht sehe. Es gibt die Aberkennung des Doktortitels, und daß die parlamentarische Opposition diese Sache verschläft kann man ja auch nicht behaupten.

    Wie dem auch sei, es gibt hier jedenfalls bei aller berechtigten Kritik an G. auch ein Feld, auf dem es von unzulässigen Verallgemeinerungen, Übertreibungen u.ä. wimmelt. Gegen Satire oder Humor habe ich da ja nichts, etwa (gerade im Guttenplag-Chat gelesen):

    „Der hätte dem Häberle auch vor die Tür kacken können. Wär auch „summa cum laude“ gewesen…“

    aber leider sind viele andere dieser Übertreibungen,Verzerrungen, Verallgemeinerungen, ja Verschwörungstheorien bitterernst gemeint. (Z.B. gerade im Guttenplag-Chat: „Vor allem sollte man diese Drecksuni dichtmachen. Diese Amigo-Uni sollte sich in Buy-Reuth umbenennen. […] Ich wette da war viel Geld im Spiel, Herr Häberle hat sich eine goldene Nase verdient. Als ob er als C14 Prof nicht schon genug Geld gehabt hat. Wahrscheinlich leidet er unter demselben Syndrom wie Guttenberg: nie den Hals vollkriegen können.“ uswusf.).

    Je schrecklicher man einen Einzelfall empfindet, umso größer die Bereitschaft, ihn aufs Allgemeine zu übertragen, vor allem, wenn man schon eine gewisse Paranoia gegenüber „den Systemen“ in sich trägt… so wird dann aus dem Verhalten eines Professors, daß man hinterfragbar sehen kann oder auch nicht, gleich abgeleitet, es müsse sich um eine Drecksuni handeln (demnächst wird vielleicht die Behauptung auftauchen, dieser Fall hätte gezeigt, wie verrottet doch das gesamte akademische System in D ist), das Verhalten von Guttenberg beweist die komplette Verkommenheit des politischen Personals der C-Parteien, wenn nicht gar aller Parteien usw.

  52. Mir erscheint es bereits seit geraumer Zeit so zu sein, daß im christlich-konservativ-rechtsliberalen Lager sich, gestützt auf Wählervoten (und die Wahlenthaltung ist auch ein Votum), eine Art breitärschig ein- und ausgesessene Verachtung des Normalbürgers (auch des BILD-Lesers) breit gemacht hat. Man schwafelt zwar von Werten, hat aber die Doppelmoral, das diese Werte nur nach außen hin für das gemeine Volk und den zur Gesetzestreue verpflichteten Normalbürger gelten, nicht jedoch für die neue Gutsherrenkaste, für die ja der Freiherr ein (noch) vom Volk gefeierter Prototyp ist.

    Allerdings scheint es der Herr jetzt etwas übertrieben zu haben. Mangels Alternative, und weil die „falschen“ Wahlausgänge befürchtet werden, hält man an ihm weiter fest. Dazu gehört auch die Auffassung, daß es sich bei Wahlentscheiden, an denen nicht CDU/CSU zumindest den Kanzler stellen, um Fehlentscheidungen handelt. Die CDU ist Deutschland und Deutschland die CDU, und Springer und Bertelsmann garantieren, das dies so bleibt.

    Das System ist inzwischen so korrupt und die Adepten so korrumpierbar, daß dem Machterhalt auch das Recht untergeordnet wird. Und wenn es nicht passt, wird es mit allen – legalen und illegalen Mitteln – passend gemacht.

    Falls das Volk irgendwann nicht mehr mitziehen sollte, beim Einseifen-lassen, durch den Kakao gezogen werden und der gesteuerten Selbst- und Gegenseitig-Verarschung (die Kontraste der neuen Kasten) mithilfe williger und fähiger Medien, gibt es ja noch den in den Lissabonner Verträgen festgehaltenen Notausgang: Bei Unruhen wird scharf geschossen.

  53. @Max Wedell

    „Was ich schade finde ist, daß mittlerweile die notwendige Propagierung des Werts “Anstand” durch eine Person mit Vorbildfunktion noch nicht einmal durch einen Rücktritt stattfinden könnte. Um den Wert “Anstand” einigermaßen noch zu retten, hätte der Rücktritt sofort und unmittelbar nach Aufkommen der Vorwürfe erfolgen müssen.“

    Ja, für Guttenberg ist es nunmehr zu spät, sich mit „Anstand“ aus seiner Lage zu befreien. Angesichts seines höflich als „taktisch“ zu beschreibenden Umgangs mit den von dritter Seite aufgezeigten Defiziten seiner Arbeit, seiner frivol-leichtfertigen Haltung zur Wissenschaft und zum wissenschaftlichen Arbeiten (eine Dissertation sollte nur in Angriff nehmen, wer absehen kann, alle intellektuellen, formalen und zeitlichen Vorgaben einhalten zu können) und nicht zuletzt seiner Versuche, sich stets als Opfer (zuerst: Opfer ungerechtfertigter Anschuldigungen, dann: Opfer der Verhältnisse) darzustellen, darf sich das Mitgefühl in Grenzen halten.

    Weitaus schlimmer ist allerdings das Fehlen jedweden Anstands in der Regierung und den sie tragenden Bundestagsfraktionen (ausgenommen vielleicht Norbert Lammert), die, indem sie Guttenberg pauschal verteidigen, überdeutlich signalisieren, dass für sie „Werte“ nur dann von Bedeutung sind, wenn sie den eigenen Politikvorstellungen nicht im Wege stehen. Es ist damit faktisch eingetreten, was ich in der Diskussion „Innocence in danger“ in Beitrag #52 angesprochen habe – ein Konservativismus, der sich seiner Wertebindung entledigt hat und sich auf Machterhalt um des Machterhalts Willen reduziert.

  54. Vor langer, langer Zeit, als das FR-Magazin noch nur am Samstag als einzelnes Buch erschien und die FR noch groß und unhandlich war, gab es in eben diesem Magazin eine Rubrik mit „Deutschlands Talenten“, die an den falschen Stellen säßen. Eines zeigt doch die Lichtgestalt zu Guttenberg: Show ist sein Ding – und das seiner Frau auch. Lockerer Talk mit Kernen in Afghanistan und „Tatort Internet“ waren ihre TV-Bühnen. Und wer im Fernsehen ist, braucht auch nicht viel schreiben. Das Zitieren überlässt man dort den Produzenten oder Senderchefs. Nun begab es sich aber zu der Zeit, dass Deutschlands Aushängeschild im eurovisionären Fernsehen einen neuen Star braucht, nachdem der alte Gottschalk bald zum letzten Mal Wetten möchte. Hat das ZDF, dieser von der CDU am liebsten zusammengestutzte Sender, oder das deutsche Fernsehen überhaupt einen halbwegs glanzvollen Nachfolger für diese Sendung von Weltrang? Ich sehe da nur einen: Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg mit seiner Stefanie als Comoderatorin als Ersatz für die ebenblonde Michelle Hunziker. Bild und Bunte hätten weiterhin ihren Glamourfaktor und Guttenberg ein äußerst repräsentatives Betätigungsfeld, das perfekt auf ihn zugeschnitten ist. Bei «Wetten Dass..?» zählen genau die Dinge, die er kann. Guttenberg for Gottschalk, yes he can!

  55. Ich möchte auf den Verdacht von Jutta Rydzewski, in ihrem Beitrag # 8 im Nachbarblog 22.2.11 verweisen, in welchem sie vermutet, daß hier eine (meine Worte) ziemliche Sauerei abläuft, um den Freiherrn aus der Schußlinie zu holen und ihn vor Strafverfolgung zu bewahren.

    Zitat Frau Rydzewski: „Aber so war der verabredete Plan. Im Gegenzug für die “Freiwilligkeit” hat ihm die Uni zugesagt, dass zwar offiziell aberkannt wird, aber von der Promotionskommision ausdrücklich NICHT mehr geprüft wird, ob Guttenberg BEWUSST getäuscht hat. “Folgerichtig” bzw. absprachengemäß sagte der Präsident der Uni bei der gestrigen PK dann auch: “Die Uni habe darauf verzichtet zu prüfen, ob Guttenberg bewusst getäuscht habe, WEIL GUTTENBERG SELBST UM DIE RÜCKNAHME SEINER DISSERTATION GEBETEN HABE. Außerdem wäre die Prüfung, um eine Täuschung dezidiert nachzuweisen, ein längerer Prozess gewesen”.

    Das würde in alle Abläufe passen. Zuerst die Vorwürfe als „abstrus“ bezeichnen, dann nur das zugeben, was ohnehin nicht mehr zu verheimlichen ist, bis hin zu all den „Fehlern“ (neue Sprachschöpfung, Betrug ist jetzt nur ein „Fehler“). Als die Vorwärtsverteidigung dann an dem Punkt angelangt war, an dem voraussichtlich der Doktortitel wackelte, kam dann der Deal: Doktortitel zurück gegen Verzicht auf Nachweis der Täuschung – was dann strafrechtlich verfolgt hätte werden können.

    Man hoffte eben im Regierungslager zumindest sich über die Hamburg-Wahl zu retten, und vielleicht sogar solange zu verzögern, bis Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz abgehakt werden konnten.

    Allerdings sitzt Madame Merkel jetzt mit im Boot, und falls dieses ein größeres Loch bekommen sollte, säuft sie selbst mit ab. Interessant auch die Meinung unserer Schweizer Nachbarn, hier: http://www.schweizmagazin.ch/news/ausland/6136-Guttenberg-Debatte-Deutschland-schwer-beschdigt.html. In diesem Beitrag wird Guttenberg gleich mit Deutschland gleichgesetzt (zu weit hergeholt???) und bemerkt, Zitat: „Der Unterschied zu den stürzenden Despoten in den arabischen Staaten verschwindet täglich immer mehr.“.

    In diesem Online Magazin wird auch gleich die Frage nach dem Doktorvater von zu Guttenberg gestellt: „Wo ist Professor Häberle.“

    Vielleicht hängt ja Häberle irgendwie als Ghostwriter mit drin. Warum aber dann ein Akademiker keine Fußnoten setzt, ist mir noch nicht ganz klar. Was meinen Sie, Frau Rydzewski oder auch Sie, Herr Engelmann?

  56. @ Jutta Rydzewski, # 9,11, Wolfgang Fladung, # 57 (Innocence …)

    Zunächst vielen Dank für die interessanten Informationen und den Links. Viele Augen sehen mehr, und wenn die Bestätigung aus einer gewissen Distanz mit neutraler Sicht kommt, dann ist das umso besser.
    Wie schon an meinem Beitrag 5 erkenntlich ist, gehen meine Beobachtungen und Vermutungen exakt in die gleiche Richtung, besonders, was die Bundestagsdebatte angeht: eine Schmierenkomödie par excellence.

    Nach meinem Eindruck war dabei alles auf drei Elementen aufgebaut:
    a. das per Blitzumfrage „ermittelte“ „gesundene Volksempfinden“ gegen die „Nörgler und Miesmacher“ auszuspielen (Part Friedrich u.a.)
    b. Mitleid für einen „reuigen Sünder“ erwecken (Part Guttenberg)
    c. Herunterspielen und Verharmlosen („Fehler“, bloße „Fußnoten“)
    Die Spiegelfechterartikel bestätigen offenbar, dass die so flugs parstaten und passgerechten Blitz-Umfragen Teil des abgekarterten Spiels waren. Ihr Eindruck in # 10 und 13 (Innocence…) hat Sie also nicht betrogen, Jutta. Dafür Kompliment.
    Ich würde Sie bitten, hier am Ball zu bleiben. Erkenntnisse über die internen Verflechtungen (personeller, finanzieller Art usw.) und die Möglichkeiten der Manipulation scheinen mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr wichtig.

    Ziemlich klar scheint mir zu sein:
    1. Was im ersten Moment als bloßes Affentheater erscheint, kann nur im Zusammenhang mit dem Schock von Hamburg (aus Sicht der Union) verstanden werden.
    2. Es handelt sich nicht nur um ein abgekartertes Spiel, sondern um einen Strategiewechsel von Merkel & Co. in Hinblick auf Machterhalt mit allen nur denkbaren Mitteln.
    3. Zu diesem Zweck wird auch eine tiefe Beschädigung der Rechtskultur in diesem Land in Kauf genommen.
    Während ich dem Vergleich mit Berlusconi bisher sehr kritisch gegenüberstand, erscheint mir dieser, nach den neuesten Erkenntnissen, gar nicht mehr so abwegig.

    Besonders wichtig erscheint mir im gegenwärtigen Stadium:
    a. über das Stadium des bloßen „Dampfablassens“ hinauszukommen
    b. Beobachtungen und Erkenntnisse auszuweiten und zu koordinieren, um zu einem exakten Bild der Akteure sowie der Strategie zu kommen
    c. eine demokratische Gegenöffentlichkeit gegen die Geheimbündelei zu organisieren (BILD ist nicht das einzige Medium in diesem Land).

    Um von Schritt a zu Schritt b zu kommen, erscheint es mir notwendig und hilfreich, die bisherigen Erkenntnisse zusammenzufassen und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
    Zu diesem Zweck möchte ich im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Zeit spätestens bis Samstag (dann bin ich voraussichtlich für eine Woche erst mal weg vom Fenster) thesenartig ein vorläufiges Gesamtbild erarbeiten.
    Für weitere Hinweise und Informationen in dieser Hinsicht wäre ich dankbar.

    Freundliche Grüße
    W.E.

  57. # 58, Engelmann
    Korrektur nach c: die so flugs paraten und passgerechten Blitzumfragen…

    Das Ganze sollte eigentlich in den Parallelblog.
    Ich kopiere ihn da nochmal rein.

  58. # 58 u. 59, Werner Engelmann: Einen Hinweis habe ich im Parallelblog gegeben. Bezüglich Umfragen halte ich es mit demjenigen, der gesagt hat: Trau keiner Umfrage, die du nicht selbst gefälscht hast.

    Inzwischen scheint ja das Netz, und die brains von CIA, NSA & Co. scheinen da ganz fix und vorne dabei zu sein, über bestimmte Programme die Möglichkeit zu bieten, wundersam aus einer Person und deren Beitrag deren viele zu machen, so auch bei Abstimmungen über Homepages. Und was diese Programme können, kann schon lange die Wahlwiederholungstaste unserer Telefone. Rund um Wahlen war dies gut zu beobachten – Beispiel: die letzte hess. Landtagswahl, wo auch in der FR plötzlich die Ypsilanti-zustimmenden Kommentare durch Verrisse überlagert und verdrängt wurden.

    Zu glauben, die Bataillone der Neoliberalen wären nicht 24 Stunden täglich im Einsatz, wäre zutiefst naiv. Schließlich gibt es dort mehr Macht, Geld und Möglichkeiten als im linkeren Lager.

  59. Ein entscheidender Moment der deutschen Demokratie

    Die Zusammenfassung dieses Blogs will Engelmann schreiben – verdienstvoll und höchst notwendig; denn: dieses Blog zeigt, wie man „sachlich“, genau ohne Neidreflexe – was als Vorwurf ja kommen kann gegen die Kritiker des Vorgangs Guttenberg – und weiterführend im Sinne unseres Gesellschaftssystems an diese Causa herangehen sollte. Wenn irgend jemand etwas über die geistige Verfassung unserer Landes, soweit nicht zu jenen vermeintlich 87 % zu zählen – wissen will, lese er hier nach. Diese intellektuelle Verfassung ist darauf ausgerichtet, nicht mehr und nicht weniger zu tun als unser Gemeinwesen vor den wertelosen Blendern, den vermeintlich Konservativen, die keine sind, zu schützen. Alle, die hier geschrieben haben – welche parteipolitische Richtung auch immer vertreten ist – haben den Versuch unternommen, die demokratischen Werte der Bundesrepublik zu verteidigen – zu verteidigen gegen jene, deren vermeintlich konservatives Weltbild genau diese Werte zu verraten drohen.

    Ja, es ist richtig: man hat sich decouvriert. Die Verteidiger jenes höchst bedenkenswerten Vorgangs um Guttenberg können sich weder auf die Traditionen der Aufklärung noch auf die eines von ihnen immer herbeigeschwafelten christlichen Abendlandes berufen. Das, was sie tun, ist genau das Gegenteil von Aufklärung: Mythenbildung. Konservativ also sind sie nicht, die Guttenberg – Fans, auch wenn zu sagen ist, dass auch die Verteidigung natürlich nichts anderes ist als Taktik, Ränkespiel, unehrlich also und wiederum wertelos. Wenn sie nicht konservativ, nicht christlich sind, was denn dann? Genau richtig wurde gesagt, dass hier Prinzipien – so weit von solchen in jenen Kreisen überhaupt noch die Rede sein kann – eines neoliberalen Weltbildes verteidigt werden: also das Funktionieren ohne – genau ohne – Prinzipien, ohne Verantwortung für die grundlegenden Werte eines Gemeinwesens.

    Das alles eben ist der erkennbare Bruch der CDU mit den von ihr behaupteten Grundlagen ihres Redens und Handelns. Sie ist weder wertekonservativ noch irgendwie christlich: sie fungiert nur noch als politische Front von Interessen, die nicht die der Allgemeinheit sind, jedenfalls nicht objektiv. Und deshalb ist dieser Moment für die weitere Entwicklung der Demokratie hier bei uns so bedeutsam. Wenn – dies als Metapher für den Vorgang – Frau Merkel zu erkennen gibt, dass ihr die Werte, die sie immer in ihre Politik „hineinharft“, im Fall Guttenberg vollständig gleichgültig sind, wenn die Verteidigungsfront, zu der leider auch die Evangelische Kirche – sie hat es aber noch nicht gemerkt – gehört, nur von Fehlern, Sünden könnte man dann sagen, die lässlich sind, redet, wenn diese Front drei tote Soldaten instrumentalisiert, um ihre Umfragewerte zu retten, dann, ja dann entscheidet sich, wenn man damit durchkommt, ob wir wirklich eine Wertegemeinschaft im Sinne der Grundgesetzes und der wirklichen Tradition der europäischen Aufklärung sind oder nur noch ein Operetten – Staat zur Sicherung der Macht von Partikularinteressen.

    Noch zwei Anmerkungen zu zwei diskutierten Begriffen: Gutmenschen und Intellektuelle. Um 1765 herum sind zwei wegweisende Schriften in Europa erschienen. Kants „Von den Krankheiten des Kopfes“ und Smith’ An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations – bei Kant steht sinngemäß: der “gute Mann” hat hinsichtlich seiner moralischen Werte gegen die Ränkeschmiede und Gauner, die geistigen Schnäppchenjäger keine Chance, weil diese skrupellos und an keine Werte als ihren eigenen Egoismus sich gebunden fühlen. Gleichzeitig behauptet Smith, dass sein homo oeconomicus zwar ein krasser Egoist sei, sein müsse, um die Wohlfahrt aller zu befördern, er – Smith – hoffte aber, das die anthropologische Verfassung des Menschen Ausnahmen zuließe. Kant hatte recht, Smith sich mit verheerenden Folgen geirrt. Wie schon Westerwelle sagte: der Gutmensch gehört ins Theater. Schon diese Verachtung gegenüber Menschen mit moralischen Werten und die bedauernde Feststellung Kants, dass alles am Egoismus der Menschen scheitere, zeigt, wohin dieser entscheidende Moment hier bei uns 2011 führen kann. Intellektualität erschöpft sich nicht im Geisteswissenschaftlichen. Intellektuelle denken ganzheitlich, lösen sich vom Fall und verknüpfen die verschiedenen Erkenntnisse zu einer einheitlichen, hoffentlich gut begründeten Gesamtaussage. In diesem Sinne ist dieses Blog das Blog jener, die wesentlich von dieser Guttenberg – Debatte getroffen werden sollen, weil sie eben den herrschenden Interessen entgegenstehen. Nicht, weil sie die parteipolitischen Werte der verschiedenen Akteure verachten würden, sondern einfach nur, weil sie störende Gesichtspunkte in das Leben der Mehrheit bringen. Intellektuelle gibt es auch in der CDU, in den Kirchen: wo seid ihr???

    Die beschädigte Wissenschaft, die beschädigte Demokratie und letztlich die beschädigte Gesellschaft in gespannt, was als nächstes kommt.

    An Sie alle herzliche Grüße
    Hans-Ulrich Hauschild

  60. In den heutigen Nachdenkseiten fand ich folgende Anmerkung des NDS-Lesers H.-G. B.:

    „Ein an der Universität tätiger Professor meint: Ich halte es ebenfalls für sehr wahrscheinlich, dass der Titel gekauft wurde bei einem überaus schlampigen Ghostwriter. Mich verblüfft jedoch, dass bisher niemand (jedenfalls für mich erkennbar) nach den beiden Gutachtern der Uni Bayreuth gefragt hat. Jede Dissertation wird von mindestens zwei Professoren des Faches geprüft, möglicherweise auch noch einem Externen – die müssen doch gemerkt haben, was da los ist, oder – der wahrscheinlichere Fall – sie arbeiten mit dem Ghostwriter zusammen, gegen Geld natürlich und vermutlich nicht zum ersten Mal. Natürlich muss Guttenberg dazu befragt werden und seinen Ghostwriter nennen, dem man auf diese Weise vielleicht das Handwerk legen kann. Folglich gäbe es gute Gründe, deutlich tiefer nachzugraben. Wieso wird das so auffällig ruhig aus der Diskussion herausgehalten? Die Gutachter sind übrigens in der Regel in der Dissertation genannt, es kann also nicht schwer sein, sie herauszufinden.“

    Zu dieser Anmerkung paßt auch die Meldung über den „verschwundenen“ Doktorvater Prof. Häberle.

    Ich bete zu Gott, Manitou, Allah oder welchem Mehr- oder weniger-Mächtigem auch immer, daß trotz – möglicher – Zahlungen des Guttenberg-Clans irgendwann sich herausstellt, daß hier gekaufte Ghostwriter am Werk waren. Das wäre dann der Supergau für den Freiherrn, und für Angela Merkel gleich mit.

  61. Genial, die SPD schreit keine Mehrwertsteuererhöhung, nach der Wahl dann drei Prozent…. und so weiter durch alle Parteien Lügen und Täuschen (die sollten alle mal zurücktreten fürs Lügen und Täuschen). Dann ist da ein zu beliebter Politiker. Nun wird in seiner Vergangenheit (aus seiner aktuellen Arbeit kann man ihm ja leider nichts vorwerfen) gesucht – bis man einen Schatten findet. Scheinbar ist das nicht gelungen – und wenn Herr zu Guttenberg keine anderen dunklen Geheimnisse hat, als „mal abgeschrieben“ zu haben, dann werfe der den ersten Stein……

  62. @63 matthias Heister

    In der Tat, genial, Herr Heister, was Sie da verlautbart haben. Könnte es sein, dass Sie aus der BILD abgeschrieben haben? Aber klar doch, „wir“ haben alle mal abgeschrieben, „wir“ sind ein Volk der Abschreiber, seit der Schwindel- und Lügenbaron mit seinen Betrügereien aufgekitscht ist. „Wir“ sollten sogar stolz darauf sein, alle ein bisschen „Gutti“ sein zu dürfen, nicht wahr, Herr Heister. Miese Charaktereigenschaften werden, mit dem „Gutti-Stempel“ versehen, einfach mal zu großen Tugenden umdefiniert. „Wir“ sind Guttenberg!!! Einverstanden, Herr Heister? Nun müssen Sie nur noch diejenigen von Ihrer „Botschaft“ überzeugen, die ihre Doktorarbeit wirklich mühevoll, auch als junge Familienväter, im Beruf stehend, ohne großes Vermögen im Hintergrund, ohne Beziehungen und Kontakte, sondern, schlicht und ergreifend, lediglich korrekt verfassen, und dabei auf Lügen und Betrügen völlig verzichten. Welche Steine schlagen Sie oder die regierungsamtliche BILD für diesen Personenkreis vor? Übrigens, dass man dem Schwindel- und Lügenbaron aus seiner aktuellen Arbeit nix vorwerfen kann, sehe ich anders. Wenn Sie mögen, können Sie diesbezüglich einmal in die Zuschrift unter @33 hineinsehen; aber bitte nicht abschreiben.;-))

    mfg
    Jutta Rydzewski

  63. In Ordnung Frau Rydzewski. Der Wähler wird nach seiner Meinung gefragt, und wählt die Partei, welche ihm vor der Wahl suggeriert seine Interessen am Besten durchzusetzen – danach machen diese das Gegenteil – diese Herren sind in Amt und Würden und werden von dem Volk bezahlt die sie soeben ver…. haben. Ich bin so ein Familienvater den Sie erwähnen……..
    Der Neid auf Herrn Guttenbergs Kontakte, Geld etc bringt unsere Gesellschaft nicht wirklich weiter.

    P.S. Bildzeitung lese ich nur im Vorbeilaufen im Supermarkt…

  64. Nach ein paar Tagen Auslandsaufenthalt bin ich nun wieder zurück in Plemplemland. Was ich verstanden habe: da hat sich ein Politiker mit akademischen Federn geschmückt, die ihm nicht zustehen. Das ist schlimm und möglicherweise ein Straftatbestand. Das muss schnell und vollständig aufgeklärt werden. Danach müssen – bei allen Beteiligten – entsprechende Konsequenzen gezogen werden.

    Was ich aber nicht verstehe:

    Wieso erwarten erwachsene Menschen von Politikern, sie sollten „Vorbilder“ sein? Von einem Ingenieur erwarte ich, dass er ein sicheres Auto baut, der Bäcker soll nahrhafte und gutschmeckende Brötchen backen. Ob sie Strapse tragen oder wegen häufiger Verkehrsverstöße zur MPU mussten, hat mit ihrer Leistung als Ingenieur oder Bäcker nichts zu tun. Ob Aussenminister schwul oder zig-mal geschieden sind: was soll das Rumgehacke? Brioni-Anzug und Zigarre – was soll daran verwerflich oder auch nur vorwerfbar sein?

    Von Politikern erwarte ich, dass sie ihren Job machen und sich – wie jeder andere Bürger auch – an die hier geltenden Gesetze halten. Sie sollen ihre Steuererklärung richtig ausfüllen und ihre Miete pünktlich zahlen. Und sie sollen, wie jeder andere auch, die von ihnen aufgestellten Forderungen zuallererst selbst erfüllen. Ob sie Haargel verwenden oder die Eltern ihnen 15 Vornamen verpasst haben, solch ein yellow-press-Quatsch ist mir völlig schnurz.

    Was tragen Begriffe wie „der Baron“, „der Freiherr“, „der Gegelte“, „Guttenzwerg“ usw. zur Klärung des Sachverhalts und zu einer möglichen Lösung bei? Was haben derartige Herabsetzungen mit dem – auch hier – vielbeschworenen „Anstand“ zu tun? Ist für Politiker die Grundlage unseres Zusammenlebens, dass die Würde des Menschen unantastbar sei, ausser Kraft gesetzt? Da wird anderen der Spiegel des christlichen Abendlands entgegengehalten, um dahinter umso ungehemmter die eigene Niedertracht auszuleben.

    Warum sollen Politiker auch noch so etwas wie Anstand an den Tag legen, wenn bei Migranten als Minimalkonsens die Anerkennung der ersten anderthalb Dutzend Grundgesetzartikel langen soll? Einerseits den Gedanken an eine „Leitkultur“ als eine Art Verstoß gegen die Menschenwürde diffamieren, sie andererseits hinterrücks ins Spiel bringen, wenn es denn nur der eigenen moralinsauren Taktik nützt – würdelose Einäugigkeit, sowas.

    Das deutsche Wahlvolk hat Helmut Kohl 16 Jahre gewähren lassen und Barschel hat vor fast einem Vierteljahrhundert sein Ehrenwort in die Welt posaunt – von konservativer Seite erwarte ich in dieser Hinsicht also keine moralische Orientierung. Die von links betriebene Unterscheidung zwischen „Gewalt gegen Personen“ und „Gewalt gegen Sachen“ sowie die jahrelang geübte undifferenzierte Diffamierung der sog. „Sekundärtugenden“ hat zu einer weiteren moralischen/ethischen Verwahrlosung beigetragen.

    [Exkurs]
    Nach Platons Kategorisierung gelten Klugheit (Weisheit), Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung als die vier klassischen Kardinaltugenden. Als Sekundärtugenden bezeichnet man Charaktereigenschaften, die den Kardinaltugenden nachgeordnet werden, die aber selbst keine eigene ethische Bedeutung haben. Sie gewinnen ihre Bedeutung in der Umsetzung der Kardinaltugenden, indem sie zum Gelingen eines Vorhabens (oder einer Gesellschaft als ganzer) beitragen. Zu den Sekundärtugenden zählen insbesondere Fleiß, Hartnäckigkeit, Treue, Gehorsam, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Gewissenhaftigkeit, Höflichkeit, Sauberkeit usw.
    [/Exkurs]

    Ob es überhaupt noch einen gemeinsamen gesellschaftlichen Wertekanon gibt, auf den man sich berufen könnte, weiss ich nicht. Was jedoch bleibt, ist der in Rechtnormen gegossene und dadurch bislang noch gültige Wertekatalog. Das hieße im vorliegenden Fall: Strafanzeige wegen Betrugsverdachts, uneidlicher Falschaussage usw..

  65. Was sind Sie denn für einer, Herr Heister? Haben Sie ein Heiligenbildchen vom Gutti auf dem Vertiko stehen? Neidisch auf Herrn Guttenberg, oder Friede Springer, oder Herrn Maschmeyer & Co., wegen des Geldes bin ich nicht, höchstens beneide ich den politischen Einfluß von einigen, welchen sie sich mit diesem Geld erkaufen. Was ich jedoch unsäglich finde, ist diese „nur mal ’n bißchen abgeschrieben“-Verharmlosung. Wissenschaftliche Arbeiten sind geistiges Eigentum, schon mal gehört? Und wenn da einer „nur“ abschreibt, begeht er – gerichtsverwertbaren – Diebstahl. Über den Unterschied bei den Werten wurde hier ja im Blog schon genügend geredet.

    Und ihr „(aus seiner aktuellen Arbeit kann man ihm ja leider nichts vorwerfen)“ ist ja wohl völlig daneben geraten. Allein sein Umgang in den diversen Affären, sich Bauernopfer zu suchen, anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen, spricht nicht gerade für menschlich korrekten Umgang. Ich zitiere aus der FAZ: „Der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Peter Wichert haben vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages Darstellungen zurückgewiesen, sie hätten Verteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) im vergangenen November belogen. Schneiderhan sagte, er habe Guttenberg ebenso wie dessen Vorgänger Jung (CDU) „so beraten, dass sie stets entscheidungsfähig waren.“

    Dazu paßt auch, das er erst sich hinter den Gorch-Fock-Kommandant Norbert Schatz stellte, und dann, man könnte sagen, auf Geheiß der BILD-Zeitung, am nächsten Tag diesen feuerte, ohne ihn persönlich angehört zu haben, war eine Vorverurteilung, und contra zum Grundsatz „in dubio pro reo“.

    Aber wenn Sie meinen, daß wäre so in Ordnung…Aber vielleicht bleiben Sie ja im Supermarkt beim Lesen der BLÖD im Vorbeigehen manchmal ein bißchen zu lange stehen…

    Im Übrigen gibt es wohl unter den FR-Lesern nur wenige, welche die Volte der SPD, erst gegen eine MWST.-Erhöhung in den Wahlkampf zu ziehen, und dann als schwarz-rote Regierung einer 3%igen Anhebung zuzustimmen, n i c h t als Wahllüge betrachten und sich dadurch in ihrer Verachtung des Polit-Betriebs bestärkt fühlen. Nur, was soll der Vergleich? Wahllüge der SPD sticht Lebenslügen des Freiherrn Karl Theodor von und zu Guttenberg?

  66. Ich möchte auf einen Beitrag der heutigen NachDenkSeiten hinweisen, (Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 ), in welchem vermutet wird, daß von Guttenberg als Verteidigungsminister gehalten werden soll und muß, um “den Krieg als eine akzeptable Möglichkeit zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen erscheinen zu lassen und die Bundeswehr auf die Funktion einer Interventionsarmee hin zu trimmen.”

    Unwahrscheinlich bzw. Unmöglich? Was, wenn die Unruhen im Nahen und Mittleren Osten massiv unsere Öl- und Gasversorgung in Europa gefährden? Dann könnte man doch versucht sein, im Zuge des Schutzes von Ausländern im Lande, der Unterstützung demokratischer Kräfte (das “Nation Building” der Bush-Administration) und der Sicherung der Grundversorgung in den Ländern (Lebensmittelversorgung in Libyen gefährdet) ein wenig helfend einzugreifen. Muß ja nicht immer, wie im Irak, schief gehen, und wenn wieder mal Blut für Öl fließt, ist es ganz sicher kein blaues.

  67. Ist es nicht eigentlich alles recht einfach und übersichtlich?

    1. Herr Guttenberg behauptet, er habe nicht plagiiert, da er nicht absichtlich getäuscht habe. Mal ganz abgesehen davon, daß diese Sichtweise eigentlich keinen rechtlichen Rückhalt hat, möchte man ihn gerne fragen: wie kann man hunderte von Passagen wörtlich oder leicht abgeändert übernehmen, das Ganze dann auch noch zu einem nicht unwesentlichen Teil als eigene Leistung bezeichnen und das auch noch UNABSICHTLICH tun?

    2. Anderer Leute geistiges Eigentum als eigene Arbeit darzustellen, ist eine Urheberrechtsverletzung. Es handelt sich hierbei um einen Straftatbestand, der mit bis zu drei Jahren Haft geahndet wird.

    3. empfehle ich allen, die dieses Vergehen als Lappalie bezeichnen (möchten), folgenden SZ-Artikel: http://www.sueddeutsche.de/karriere/guttenberg-und-die-plagiatsaffaere-die-verachtete-wissenschaft-1.1064590

    FRettchen

    P.S. nach allem was ich weiß, sind ‚Fußnoten‘ je nach wissenschaftlichem Fach etwas vollkommen anderes. Handelt es sich hier bei einigen Fächern lediglich um nähere Erläuterungen, so sind andere Fußnoten immer auch Quellenangaben. Dies scheint bei den Juristen der Fall zu sein.

  68. Den Verdacht, auf den Sie, Herr Fladung in #68 hinweisen, habe ich auch. Es geht schon länger darum, Krieg wieder hoffähig zu machen, auch um unseren transatlantantischen „Kolonialherren“ zu gefallen.
    Ich bin schon einige Zeit an dem Punkt, Politikern kaum noch Uhrzeit und Datum zu glauben. Die berühmte Umfrage hat ja wohl unter BILDZEITUNGSLESERN stattgefunden.
    Der Vergleich unserer Politikdarsteller mit nordafrikanischen Potentaten ist nicht weit hergeholt. Der Korruptionsindex soll hier höher sein als dort; hier heimlicher und dafür umfangreicher und mit höheren Summen, dort allseits bekannt und mehr im Kleinen. Die Deutschen sind vom Lebensstandard – noch – korrumpiert und schläfrig.

  69. Die „alten Tugenden“ sind nicht parteigebunden, aber eine so unverfrorene Verachtung dafür haben jetzt besonders die „christlichen“ Parteien gezeigt.

  70. @Schnippsel

    Ich zitiere mich mal, als ersten Versuch einer Antwort, leicht abgewandelt selbst (Beitrag #47): Das moralische Defizit bei Guttenberg und denen, die ihn unterstützen, besteht darin, dass man einerseits beansprucht, die Gesellschaft nach den eigenen konservativen Werten auszurichten, während man andererseits diesen Wertekanon für sich selbst gerne einmal außer Kraft setzt, wenn es dem eigenen Nutzen frommt. Mit anderen Worten – um moralisches Fehlverhalten von Politikern zu kritisieren, brauchen weder Sie noch ich diesen eine Vorbildfunktion zuzuschreiben, denn den Anspruch, an dem sie sich messen lassen müssen, haben sie selbst formuliert.

    Zweiter Versuch einer Antwort: Wenn Sie Ihre Brötchen bei einem Bäcker kaufen, der damit wirbt, nur Zutaten aus biologischem Anbau oder regionaler Herkunft oder in irgendeiner anderen Weise besonderer Art zu verwenden, wenn womöglich gerade dies Ihre Kaufentscheidung bedingt, dann wären Sie zu Recht erbost, stellte sich heraus, dass die Zutaten in Wahrheit die gleichen wären wie bei allen anderen Bäckern. Auch dann, wenn die Brötchen „nahrhaft und wohlschmeckend“ wären. Im Vergleich dazu ist Politik deutlich mehr als eine „externe Dienstleistung“, sondern gestaltet die Gesellschaft. Da kann es nicht egal sein, welchem Wertekodex die politischen Akteure folgen.

  71. Die „alten Tugenden“ sind nicht parteigebunden, aber eine so unverfrorene Verachtung dafür haben jetzt besonders die „christlichen“ Parteien gezeigt. Die Verachtung gilt auch dem Wissenschaftsbetrieb. War Frau Merkel nicht auch Wissenschaftlerin?
    Ich gehöre da auch zu denen, „die in mühsamer Kleinarbeit….“etc. sich bemüht haben.

  72. @Dr. Hans-Ulrich Hauschild,

    das hatten wir schonmal hier, daß jemand seine Privatdefinition von „Gutmensch“ hernahm und anschließend Kant zitierte. Ich fände es schön, wenn Sie sich bei künftigen Demontagen des Gutmenschenbegriffs auf die Wikipediadefinition dieses Begriffs zu stützen (d.h. diese zu verwenden oder erklären, warum sie eine eigene verwenden). Das nächste Mal könnten Sie dann Kants Ideen zum „guten Willen“ beiseitelassen und Kant zum „vermeintlich oder vorgeblich guten Willen“ zitieren, das würde dann passen.

    @Schnippsel,
    leider hat dieses Blog keine Goldener-Rahmen-Funktion, aber allein wegen Ihrem Satz:
    „Einerseits den Gedanken an eine “Leitkultur” als eine Art Verstoß gegen die Menschenwürde diffamieren, sie andererseits hinterrücks ins Spiel bringen, wenn es denn nur der eigenen moralinsauren Taktik nützt – würdelose Einäugigkeit, sowas.“ müsste man eigentlich sowas einführen. Auch Ihre Beobachtungen zu den mittlerweile üblichen Haßtiraden bzw. den ins vermeintlich harmlosere sublimierten Verächtlichkeiten finde ich treffend. Mit diesen Gedanken hätte Bronski jedenfalls überraschenderweise zu diesem Thema doch noch einmal völlig neues Material für die Leserbriefseite, d.h. nicht schon wieder dasselbe schon 100mal Hergebetete.

    Auch die gängige Diffamierung der Sekundärtugenden (z.B. weil man mit Ihnen ja auch ein KZ betreiben kann, oder „weil man bei Hitler gesehen hat, wohin das führt“, oder auch nur weil sie, wenn man sie nicht schon erlernt hat, so mühevoll zu erlernen sind… aus welchen Gründen auch immer) ist zu kritisieren.

    Ansonsten: Ich habe hier mehrfach von Vorbildfunktion gesprochen. Damit meinte ich NICHT gegeltes Haar, Schwulsein oder Kleiderordnungen, und ich meinte NICHT Ingenieure und Bäcker (jedenfalls außerhalb ihrer eventuellen Funktion als Eltern). Ich meinte die Primär- und Sekundärtugenden bzw. ein Verhalten, daß sie reflektiert, und ich meinte Politiker (sowie andere öffentliche Personen, Lehrer und Eltern, um die es aber hier nicht geht). Ich bin allerdings der Meinung, daß ihr Gesamtpost darauf hinweist, daß auch Sie eigentlich die Vorbildfunktionen und die Wünschbarkeit von Vorbildlichkeit sehen, und ihre „Warum Vorbilder?“-Frage entweder aus einer gewissen zynischen Verbitterung angesichts einer von Ihnen empfundenen verbreiteten Defizitlage in dieser Hinsicht gestellt haben oder satirisch-provokativ meinten oder beides.

  73. P.S. Möglicherweise liegt hier ein Fehler im System vor, nämlich eine positive Rückkoppelung… je mehr Halunken in der Politik auftauchen, umso mehr wird der Politikerberuf verpönt. Je mehr er verpönt wird, desto mehr sind eigentlich nur noch Halunken bereit, sich in die politische Arena zu begeben.

    Positiv rückgekoppelte Systeme neigen stark dazu, in einer Katastrophe zu enden.

  74. @ dreas #72

    Im Fall G. sehe ich als juristischer Laie zwei verschiedene „Betrugs“sachverhalte, die aber fröhlich durcheinandergewirbelt werden.

    Der eine (ich nenne es mal „Erschleichung eines akademischen Titels“) ist ein ggf. strafrechtlich zu verfolgender Betrug. Genauso würde ich es bezeichnen, wenn mir der Bio-Bäcker Backwaren aus konventionellem Anbau und gentechnisch verändertem Mehl unterjubelt. Hier geht der Weg über eine Anzeige etc.

    Der zweite Fall wäre, die eigenen Ansprüche nicht einzuhalten, verschieden interpretierbare Bezeichnungen zu verwenden („Schaden vom deutschen Volk abwenden“) oder vorab deklarierte Ziele („Wahlversprechen“) aufzugeben. Also das, was ich mit dem Satz „Und sie sollen, wie jeder andere auch, die von ihnen aufgestellten Forderungen zuallererst selbst erfüllen.“ ausgedrückt hatte.

    Wenn mir industriell gefertigte Waren als „Nach Hausmacher Art“ angedreht werden sollen oder wenn „natürliche Aromen“ durch Pilzkulturen auf Sägemehlabfällen der Möbelproduktion erzeugt werden, dann ist das kein justiziabler Sachverhalt – ich fühle mich dennoch betrogen und würde es daher ebenfalls als „Betrug“ bezeichnen. Hier hilft aber keine Strafanzeige, sondern z.B. ein Boykott des Produkts, ein Wechsel des Ladens oder eine sachliche Aufklärungskampagne.

    Manchmal fallen Gesetz und Moral zusammen, manchmal halt nicht. Abhängig davon, was jeder einzelne persönlich als moralisch bzw. ethisch definiert.

    Auch wenn ich selbst nicht gegen die Versuchung gefeit bin (und ihr gelegentlich leider auch nachgebe): den Betrugsvorwurf dadurch aufzupeppen, dass man den Täter durch persönliche Herabsetzungen abwertet („der glatzköpfige Körnerbäcker mit seiner ausgebeulten Hochwasserhose und der lächerlichen Brille“) – das muss, bei aller verständlichen Enttäuschung, nicht sein.

    @ Max Wedell #74

    „Ich bin allerdings der Meinung, daß ihr Gesamtpost darauf hinweist, daß auch Sie eigentlich die Vorbildfunktionen und die Wünschbarkeit von Vorbildlichkeit sehen, und ihre “Warum Vorbilder?”-Frage entweder aus einer gewissen zynischen Verbitterung angesichts einer von Ihnen empfundenen verbreiteten Defizitlage in dieser Hinsicht gestellt haben oder satirisch-provokativ meinten oder beides.“

    Ja, ich muss zugeben, dass ich mich immer noch manchmal bei dem Wunsch ertappe, zu irgendwem aufschauen zu wollen und mir das Leben durch Vorbilder und Vordenker etwas einfacher zu machen. Ja, ich muss zugeben, dass ich von Zeit zu Zeit immer noch wider besseres Wissen auf das Märchen von der Vorbildfunktion von Politikern hereinfalle. Aber ich bin ja auch blöd genug, einem rothaarigen Mann, der einst seine Beine und seinen rechten Arm gekonnt koordinieren konnte und in einer Wäschekammer Samen spendete, eine unverdiente Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, wenn er in jedes hingehaltene Mikrofon hineinnäselt.

    Die Enttäuschung ist dabei quasi vorprogrammiert. Herrlich, unsere deutsche Sprache: Ent-Täuschung. Da hilft mir dann die – einem vietnamesischen Sprichwort entnommene – Maxime weiter, die ich für mich und meine Nachkommen zu beherzigen versuche. Sei nicht besser als andere, sei besser als du gestern warst!

    Ansonsten haben Sie mit den beiden letzten Worten Ihres obigen Zitats völlig recht: es ist beides.

    @ Max Wedell #75

    Früher war es vielleicht offensichtlicher: bestimmte Berufe ziehen bestimmte Charaktere an und bestimmte Charaktere suchen sich entsprechende Berufe. Der klassische Buchhalter mit Ärmelschonern. Auf ein damit zusammenhängendes Problem stößt jeder von uns in seinem Alltag. Der tertiäre Sektor (Dienstleistungssektor) wächst, aber die Menge an dienstleistungsbereitem oder -fähigem Personal wächst nicht im gleichen Maße. Servicewüste Deutschland. (Dazu kommen schlechte Bezahlung, unsichere Vertragsverhältnisse, führungsunfähige Vorgesetzte und überkandidelte Kundenansprüche). Haben sich auch viele Berufsbilder geändert, das des Politikers ist jedenfalls ziemlich gleich geblieben.

  75. @Schnippsel,

    die Vorbildfunktion von Politikern ist kein Märchen. Was meinen Sie denn, warum Kritiker Guttenbergs jetzt z.B. ganz richtig meinen, der Wissenschaftsbetrieb hätte Schaden genommen… Wenn G. damit durchkäme, dann wäre das nur deshalb schlecht, weil eine Person damit durchgekommen ist? (Dann wäre aber der Wissenschaftsbetrieb ziemlich fragil) Oder wäre es vielleicht nicht auch deshalb schlecht, weil die Menschen sehen, daß man damit durchkommen kann? Ich denke letzteres ist der Fall, und das hat doch mit der „Vorbildfunktion“ schon direkt zu tun. Dabei ist übrigens die Frage, ab welchem Punkt der Schaden für den Wissenschaftsbetrieb in Nutzen umschlagen könnte. Irgendwann kann es eine Vorbildfunktion derart geben, daß die Studenten sagen: So was machst Du besser nicht, siehst ja, was für einen enormen Ärger das geben kann. Das wäre aber etwas, wofür man sich bei G. nicht bedanken sollte. Bei einem verknackten Massenmörder würde sich ja auch niemand für die Tat bedanken, für die er ins Gefängnis wanderte und daß dies den Menschen nochmal recht schön vor Augen führte: Verbrechen lohnt sich nicht.

    Die Vorbildfunktion sollte genausowenig durch ein Reduzieren aufs „Aufschauen“ diffamiert werden wie z.B. die Pünktlichkeit durch die Behauptung, es handele sich um die Verhaltensweise eines zwanghaften Charakters, um nur mal eine der gängigen Diffamierungen der Sekundärtugenden herauszugreifen.

    Schaut man in weit ursprünglichere Gesellschaften als unsere, wird man feststellen, daß das, was sie „Aufschauen“ nennen, eine andere, viel WICHTIGERE Rolle spielt als in der unseren… die Orientierung an Menschen, die die Werte einer Gemeinschaft besonders gut erkennbar verkörpern bzw. vorleben, bringt nämlich einen, allgemein ausgedrückt, Überlebensvorteil. Das ausgesprochene NICHTORIENTIEREN am Vorbild hat aber auch eine wichtige Funktion, es entspricht der Mutation in der Biologie… und wie sie kann es scheitern, oder eine Weiterentwicklung bedeuten und sich durchsetzen.

    Bei Wikipedia kann man lesen:
    „Laut aktueller Jugendstudien haben derzeit knappe 60 % der Jugendlichen in Deutschland ein Vorbild. Bei der Mehrheit der Vorbilder handelt es sich um Prominente und Stars aus den Massenmedien: Sportler, Sänger, Schauspieler.“

    Und das sind nur die Fälle, in denen Vorbilder so bewusst sind, daß sie von dem, der sie hat, benannt werden können. Ob die verbreitete Orientierung Jugendlicher an Sängern oder Schauspielern noch einen Vorteil für die Gesellschaft bedeutet, ist allerdings zu hinterfragen… handelt es sich für gewöhnlich doch eher bloß um Eintagspiepser sowie GZSZ-Mimen oder ähnlichen „Stars“. Erkennbar wird hier jedenfalls in meinen Augen sogar ein deutliches BEDÜRFNIS nach Vorbildern…

  76. @ Max Wedell #77

    So gesehen gebe ich Ihnen tatsächlich recht: nichts ist so schlecht, als dass es nicht noch als Beispiel dienen kann. Zwischen „Beispiel“ und „Vorbild“ würde ich allerdings einen Unterschied machen. Und zwischen „sein“ und „werden“ (Sekundärtugenden) ebenso.

    Das „Bedürfnis“ nach Vorbildern kenne ich als Suche nach Orientierung – einschließlich möglicher Alternativen! – und als Wunsch nach Zugehörigkeit oder Abgrenzung. Also das, was Sie in Absatz 3 benennen.

    Und jetzt gehe ich nicht nur einkaufen, sondern auch auf einen Spaziergang in meinem Kopf, um mal zu sehen, welche Vorbilder ich eigentlich habe (oder mal gehabt habe).

  77. Wenn Herr zu Guttenberg einen Dienstherrn hätte wie der Kapitän der Gorch-Fock, wäre er längst suspendiert.

  78. Ich möchte die Mitdiskutanten des Blogs darüber informieren, dass ich im Paralletlblog „Schlagseite 22.2.“ soeben unter # 31 die versprochene Zusammenfassung der Faktenlage mit Diskussionsthesen eingeloggt habe.
    Mit freundlichen Grüßen
    Werner Engelmann

  79. „Ist Volkeswille in einer Demokratie nicht ausschlaggebend?“

    Dieser Satz bringt ein sehr weit verbreitetes Mißverständnis genau auf den Punkt .

    Viele verstehen Demokratie dahingehend ,daß die Mehrheit immer Recht hätte und an diesem Punkt geht es um nicht weniger als um eine Grundsatzdiskussion, die wir bald werden führen müssen.
    Die Mehrheit hat nicht immer Recht ,Demokratie ist vielmehr die Hoffnung ,daß die Beteiligung Vieler was Gutes hinten rauskommen läßt – gravierende Irrtümer eingeschlossen.
    Wenn die Mehrheit debil sabbernd an Guttenbergs Lippen hängt ,dann ist das bescheuert und nicht demokratisch.

  80. @ Agent 010 #81

    Sie setzen in Ihrer Argumentation „ausschlaggebend“ mit „Recht haben“ gleich. Das sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe.

    Erstens ist hierzulande häufig offensichtlich, dass bei politischen Entscheidungen ganz andere Faktoren und/oder Person ausschlaggebend sind und eben nicht der Volkswille. Stichworte: Lobbyismus, Vetternwirtschaft, Parteienfilz, Macht der Banken und der multinationalen Konzerne usw.

    Zweitens muss die Mehrheit weder Recht noch überhaupt fundierte Begründungen für ihre Entscheidungen haben. Solange keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt werden, entscheidet – im Prinzip, s.o. – die Mehrheit. Schlimmstenfalls muss dann wieder das Bundesverfassungsgericht (oder auch andere oberste Gerichte) ran.

    „die Hoffnung ,daß die Beteiligung Vieler was Gutes hinten rauskommen läßt“ ist einer dieser sinnfreien Schwurbelsätze. Ich persönlich kenne jedenfalls niemanden, der sich wünscht, dass am Ende etwas Schlechtes herauskommt.

    Eine Grundsatzdiskussion über einen demokratischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess ist sicher spannend. Ob dafür allerdings mehr als ein paar Wenige zu begeistern sein werden, wage ich zu bezweifeln.

  81. @Schnippsel #82

    Ich habe das „Recht haben“ als Mißverständnis kritisiert ,es ist nicht meine Ansicht, ich habe es allerdings auch selber so formuliert,da haben Sie wiederum Recht.

    Ausschlaggebend ist die Verfassung, richtig, Viele denken jedoch ,daß bereits der Wille der Mehrheit alleine genügt ,ohne weitere Prüfung .
    Keine fundierten Gründe ?
    Selbstverständlich braucht die auch der Volkswille, wer mitentscheiden will ,muß auch mitdenken und die Verantwortung übernehmen für seine Entscheidung. Das sagen Sie ja selber, die Einhaltung der Verfassung ist ein fundierter Grund.

    Der Satz
    “die Hoffnung ,daß die Beteiligung Vieler was Gutes hinten rauskommen läßt”

    ist keineswegs sinnfrei ,Demokratie bedeutet oft nicht mehr als dieses.

    Einzelne können sich gefährlich irren ,mit bekanntermaßen schlimmen Folgen.
    Viele Menschen denken ,mit der Demokratie können solche Irrtümer nicht mehr passieren.

    Ich will darauf hinaus ,daß das sehr wohl möglich ist und daß auch die Mehrheit -ganz demokratisch- Entwicklungen einfordern kann ,die selbst Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Folge haben könnten.
    Übrigens kann die Mehrheit auch eine Regierung an die Macht fordern ,die auf die Verfassung einfach pfeift ,auch diese ist kein Allheilmittel auf ewige Zeiten.

    Also erhöht die demokratische Beteiligung Vieler einfach die Chance ,daß was bei rauskommt ,was gut ist für Alle oder zumindestens die schlimmsten Fehlentwicklungen verhindern helfen kann.
    Übrigens gibt es sehr wohl Menschen ,die „Schlechtes“ als Ergebnis wollen,Viele warten nur darauf ,ihre niederen Instinkte ausleben zu können.

    Eine Grundsatzdiskussion finden Sie interessant ,also lassen Sie es sich einfach scheißegal sein ,wieviele sich daran beteiligen werden.
    Wieviel Niveau die Mehrheit mitunter aufweisen kann ,zeigt sich deutlich an der Guttenberg-Debatte.

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