Zum Scheitern verurteilt

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen will die „die Datenautobahn für Kinderpornografie schließen“. Das soll bewirkt werden durch technische Sperren im Internet, doch Experten bezweifeln die Wirksamkeit solcher Maßnahmen in einer global vernetzten Welt. Denn: Der Teufel steckt in der Datei. Für diesen Text hat Marius Kirschke aus Bremen viel Lob:

„Man mag es kaum glauben. Eine große deutsche Zeitung berichtet über die aktuelle Internet-Zensurdebatte, ohne blind die teilweise falschen Aussagen von Ulrike von der Leyen oder dem Europol Chef zu wiederholen.  Ein Journalist macht sich die Mühe, wirklich zu verstehen, wie Sperren auf verschiedenen Ebenen funktionieren, und erklärt anschaulich, unterstützt von einem Experten, warum die technischen Sperrmaßnahmen nutzlos sind. Danke, Herr Schindler, dass Sie nicht wie andere Journalisten beim Wort Kinderpornographie das Gehirn abschalten und wild drauflos schreiben, sondern Ihrer Pflicht nachkommen und die Bürgern aufklären. Genau diese technische Aufklärung vermeidet die große Koalition im Moment, eventuell weil sie die technischen Hintergründe selber nicht genau verstanden hat.
Schade ist nur, dass im Moment wohl niemand Frau von der Leyen überzeugen kann, dass ihr Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist. Aber ich bin mir sicher, dass gerade auch nach Artikeln wie diesem Bürger teilweise zweimal überlegen, ob sie diesen Kurs der großen Koalition auch nach der Wahl möchten.“

Sebastian Laiblin aus Berlin:

„Dass die Internetsperren einfach und von jedermann umgangen werden können, sagen uns alle Experten. Pikant nur, dass die Listen mit den gesperrten Seiten nun vom BKA ständig aktuell gehalten werden sollen. Die Herausforderung wird sein, die Liste geheim zu halten. Ach nein, sie soll ja allen Providern zur Verfügung gestellt werden. In Zukunft werden es an Kinderpornographie Interessierte einfacher haben. Anstatt die Bilder aus dunklen Quellen zu beziehen oder selbst im Internet aufzuspüren, können sie auf die umfassende Adressliste des BKA zurückgreifen, die sicher bald an die Öffentlichkeit gelangen wird. Dass so das BKA letztlich zum unfreiwilligen Helfer der Pädophilen werden wird, daran hat offenbar noch keiner gedacht.“

Christian Hennecke aus Bochum:

„Was Europol-Chef Ratzel betreibt, könnte man als arglistige Täuschung bezeichnen. Er erweckt den Eindruck, als müsse der skizzierte Sperrmechanismus mit Hacker-Methoden geknackt werden. Tatsächlich reicht es, ihn einfach zu umgehen, was ein leichtes ist. Dazu bräuchte nur ein VPN (Virtual Private Network) zu einem ausländischen Server aufgebaut zu werden, der dann die Verbindung zu den gesperrten Seiten vornimmt. Eine Standardtechnik im Bereich Vernetzung. Und mit überall im Netz und in der Computer-Literatur verfügbaren Anleitungen kann dies auch ein Laie in einer halben Stunde bewerkstelligen.“

Dieter Deinert aus Dortmund:

„Ziercke sagt: Nicht nur die Konsumenten von Kinderpornografie, sondern auch die Täter kommen zunehmend aus Deutschland. ‚Wenn wir Jahr für Jahr rund 13000 Fälle von Kindesmissbrauch registrieren müssen, wird das erschreckende Ausmaß des Problems sehr deutlich.‘ Ähm, das sind mehr als 35 Fälle pro Tag! Herr Ziercke, da machen Sie mal Ihre Arbeit, hier, jetzt, in Deutschland und schrauben nicht mit unsinnigen/unwirksamen Mittteln am Internet rum!
Nehmen Sie diese Fallzahlen und fordern von den Politikern bessere personelle, technische Ausstattung der Polizei. Oder sind das nur angenommene Daten a la ‚Bush und die Massenvernichtungswaffen‘? Es ist sehr eigenartig, dass die Presse solche schlimmen Zustände seit Jahren verschweigt!“

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2 Kommentare zu “Zum Scheitern verurteilt

  1. Nachdem die Angstindustrie mit der Terrorismusaufblaserei versagt hat, muß es nun KP richten. Ein schöner, leider sehr durchsichtiger Versuch Zensur zu implementieren. Mit freiem Zugang zu Informationen hat das nichts mehr zu tun. Und, sobald eine BOS-Behörde von Straftaten, KP, Kenntnis erhält gebietet das Legalitätsprinzip hier sofort tätig zu werden. Das bloße Weiterreichen irgendwelcher Sperrlisten weist dagegen schon Tatbestandsmerkmale der tätigen Unterlassung, bzw. Strafvereitelung im Amt auf.

    So nicht Frau VdL!

    Karl

  2. Mittlerweile liegt ja alles ziemlich detailliert vor, kommt nun zum Vorschein was sein soll.

    Es geht nur um Nicht-Europäische Seiten. Was auf den europäischen Servern liegt, davon ist nicht die Rede, aber das macht nun mal den Hauptbestandteil neben den USA und australien aus.

    Medienhype, Wahlkampfgetöse, die Opfer sind nach wie vor nur Spielball der Politik – uninteressant.

    Statt sperren, den Laden ausheben… macht man aber nicht.

    Mehr Info wieder bei mir 😉 Internet-Filterung

    Vor allem die Kommentare (Amsterdammi) mit einbeziehen, die weiterführenden Links nicht vergessen. Sehr aufschlußreich.

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