Wie Spezis einander auf der Karriereleiter helfen

Die Republik wurde wiederholt Zeuge eines Vorgangs, der eigentlich unerhört ist und der eine Menge Fragen aufwirft: Ein einzelner Mann, nennen wir ihn Horst Seehofer und lassen wir ihn den Vorsitzenden einer Regionalpartei aus dem Süden des Landes sein, nimmt die Politik des ganzen Landes quasi in Geiselhaft und kocht unverfroren sein eigenes Süppchen. Erst wegen einer Handvoll von Flüchtlingen, die er an der Grenze zurückweise will; dafür riskiert er den Koalitionsbruch. Dann erklärt er die Flüchtlingsfrage zur „Mutter aller Probleme“. Und nun der neueste Akt: Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen wird nicht entlassen, sondern befördert. Aus der Leitung des Geheimdienstes auf den Posten eines Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Seehofers Machtbezirk.

Was war geschehen? Maaßen war auf seinem Posten beim Verfassungsschutz eigentlich zur politischen Neutralität verpflichtet. Trotzdem hat er in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung der Kanzlerin öffentlich widersprochen. Völlig unabhängig von den Inhalten, um die es dabei ging: Dieser Vorgang war beispiellos. Selbstverständlich darf der Präsident der Verfassungsschutzes anderer Meinung sein als die Bundeskanzlerin, aber als Dienstleister des Staates hat er diese Einschätzungen für sich zu behalten und sie lediglich jenen vorzutragen, für die er den Job macht. Das wäre das Innenministerium, dem der Verfassungsschutz nachgeordnet ist, das wäre das Kanzleramt bzw. dessen Chef, der aktuell Helge Braun heißt und von der CDU kommt. Und das wäre last but not least das Parlamentarische Kontrollgremium. Der „Bild“ ist ein Präsident des Verfassungsschutzes nicht auskunfts- oder gar rechenschaftspflichtig.

SeehoferTrotzdem ging Maaßen diesen Weg, konnte die Einschätzungen, die er der Öffentlichkeit dabei zur Kenntnis gab, bei einer späteren Befragung durch das Parlamentarische Kontrollgremium jedoch nicht belegen. Völlig egal, ob man dieser Einschätzungen nun zustimmen oder ihr widersprechen möchte, also ob es sich bei dem, was auf dem Chemnitzer Video zu sehen ist, um eine Hetzjagd handelt oder nicht: In jedem Fall hat Maaßen seine Dienstpflicht verletzt und auf eine Weise in die Politik eingegriffen, die es Horst Seehofer ermöglicht hat, sich wieder einmal in den Vordergrund zu spielen. War die Sache vielleicht sogar abgesprochen? Eine Seehofer-Intrige, um die Kanzlerin in Bedrängnis zu bringen? Seehofer würde Merkel nur zu gern zu Fall bringen. Ob er selbst mitfällt, scheint ihm relativ egal zu sein. Dass er das Flüchtlingsthema nutzt, um damit zu zündeln, ist ja nicht neu.

„Der Gefährder“ titelte der „Spiegel“ und bringt die Sache damit auf den Punkt. Horst Seehofer ordnet alles seinem Primärziel unter, Merkel zu Fall zu bringen. Er spielt mit der Stabilität unserer Demokratie und diskreditiert die Politik insgesamt. Bester Beleg dafür: Um Platz im Innenministerium Platz für Maaßen zu machen, muss der Staatssekretär Gunther Adler (SPD) in den einstweiligen Ruhestand geschickt werden, ein ausgewiesender Experte für das Thema Wohnungsbau. Kein Thema beschäftigt die Deutschen derzeit mehr wie der Wohnungsbau. Das zeigen aktuelle Umfragen, z.B. der ARD-Deutschlandtrend. Seehofer opfert diese dringend benötigte Expertise, um seinen Spezi Maaßen für dessen Attacke auf Merkel zu belohnen.

Nein, die größte Gefahr droht diesem Land nicht von außen, nicht vom Islam oder/und von Terroristen mit religiösen Wahnvorstellungen, die wir bisher als „Gefährder“ bezeichnet haben. Die größte Gefahr droht unserer Demokratie durch Typen wie Seehofer, die alles, aber auch wirklich alles ihren persönlichen Besessenheiten unterordnen. Als hätte Horst Seehofer keinen Amtseid abgelegt und damit geschworen, seine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm zu wenden und das Grundgesetz zu wahren.

Balken 4Leserbriefe

Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt meint:

„Einige Bürger können sich noch daran erinnern: Am 18. Februar 1972 beschlossen die Ministerpräsidenten der Bundesländer den so genannten Radikalenerlass. Er sollte die Beschäftigung von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst verhindern. Nominell richtete er sich gegen Links- und Rechtsextremisten, tatsächlich betraf er vor allem Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei, die im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst bei Staatsunternehmen tätig waren. Legendär wurden zahlreiche Briefzusteller der Deutschen Bundespost, die ihre Arbeitsplätze verloren, ohne dass sie gegen Dienstrecht verstoßen hätten. Verfolgt wurden sie ausschließlich wegen ihrer Gesinnung bzw. wegen Mitgliedschaft in einer politischen Partei, die nicht verboten war. Ab 1979 wurde der Beschluss in Ländern, die von der SPD (teilweise in Koalition mit der FDP) regiert wurden, nicht mehr angewandt.
Würden die Kriterien des Radikalenerlasses bei der Beurteilung des bisherigen Präsidenten des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen zugrunde gelegt, hätte dieser nach seinen Äußerungen zu den Vorgängen in Chemnitz bei Verlust seiner Bezüge und sämtlicher Pensionsansprüche unverzüglich entlassen werden müssen. Eine weitere Verwendung in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes, gar eine Neueinstellung wären wegen der besonderen Schwere des charakterlichen und fachlichen Versagens ausgeschlossen gewesen.
Denn Maaßen sympathisiert mit einer rechtsradikalen und erklärtermaßen verfassungsfeindlichen Partei, der AfD, erteilte ihr sogar Ratschläge, wie sie einer Überwachung durch den Verfassungsschutz entgehen könnte. Seine Diffamierung von Menschen, die in Chemnitz von Rechtsradikalen durch die Straßen gehetzt wurden, ist an Erbarmungslosigkeit kaum noch zu überbieten. Seine juristische Beurteilung des Tötungsdeliktes, das die von Neonazis gesteuerten Vorgänge auslöste und das von der Staatsanwaltschaft bis jetzt noch nicht abschließend bewertet werden kann, widerspricht allen Grundsätzen der Rechtspflege. Hans-Georg Maaßen ist ein Verfassungsfeind. Dass er künftig in einer Staatssekretärsfunktion im Bundesinnenministerium den Staat weiter unterwandern darf, erschüttert die Grundfesten der Demokratie und des Rechtsstaats.
Die SPD hätte das Wegloben und Befördern dieses Demokratiegegners verhindern können, ja verhindern müssen. Doch die Nahles-Clique hat andere Interessen, nämlich den eigenen Machterhalt, so bescheiden er in dieser Koalition auch sein mag. Jetzt schlüge eigentlich die Stunde der Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Noch habe ich deren Signale nicht vernommen.“

Manfred Kirsch aus Neuwied:

„Nein, so sehen Konsequenzen für einen Verfassungsschutzchef, der in den letzten drei Wochen immer wieder Sympathien für Rechtsextreme gezeigt hat und dessen Fehlerquote in „seinem“ Amt beachtlich ist, nicht aus. Als Sozialdemokrat schließe ich mich der Kritik vieler Genossinnen und Genossen an der Entscheidung, Maaßen durch eine Beförderung zum Staatssekretär im Innenministerium für sein quasi fürsorgliches Verhalten gegenüber der AfD noch zu belohnen, voll inhaltlich an. Jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst, der sich so viele Fehlentscheidungen und Pannen wie Maaßen leistet, würde mit einem Disziplinarverfahren rechnen müssen und würde für seine offenkundige Unfähigkeit nicht noch befördert. Der einzige wirkliche Gewinner ist der Verfassungsschutzpräsident selbst; denn er wird ein viel stattlicheres Salär nach Hause tragen als in seiner jetzigen Funktion. Das Problem Maaßen ist natürlich auch ein Problem Horst Seehofer. Solange jener noch Bundesinnenminister ist, der jetzt einen Staatssekretär bestellt hat, der zumindest den Anschein erweckt, als kollaboriere er mit den Rechten, ist die gesamte Bundesregierung unglaubwürdig im Kampf gegen die braunen Feinde der Demokratie, die in der Geschichte dieser Republik noch nie so dreist aufgetreten sind wie im deutschen Spätsommer des Jahres 2018. Das Problem heißt Maaßen und Seehofer und könnte nur durch einen mutigen Schritt der Kanzlerin, nämlich durch die Entlassung Horst Seehofers, einer Lösung zugeführt werden. Und die Koalition wird nicht zur Ruhe kommen, solange der CSU-Vorsitzende weiterhin dieser Regierung angehört. Das in höchstem Maße Beunruhigende an der derzeitigen Entwicklung ist, dass sich einmal wieder die Rechten die Hände reiben können und das erschütterte Vertrauen in den Rechtsstaat für ihre perfiden Zwecke nutzen werden. Der Feind der Demokratie steht nämlich mal wieder auf der rechten Seite und Demokraten gleich welcher Couleur müssen aufstehen gegen die Tatsache, dass ein offensichtlicher Sympathisant der AfD ausgerechnet im Bundesinnenministerium einen Staatssekretärsposten besetzen wird.“

Werner Geidel aus Bad König:

„Nach Hängen und Würgen haben die Spitzen der GroKo einen (vermeintlichen) Ausweg aus dem Fall Maaßen gefunden. In den Medien ist dabei untergegangen, wie ernst es der CSU und SPD an anderer Stelle um Rechtsstaatlichkeit geht. Ich meine den Umstand, dass mit Ausnahme von Manfred Weber, alle anderen CSU-Abgeordneten im EU-Parlament das Sanktionsverfahren gegen Ungarn ablehnen, das gleichwohl mit großer 2/3 Mehrheit so beschlossen wurde.
Unsere Parlamentarier und Medien haben immer noch weit mehr Einfluss, als der Präsident des Verfassungsschutzes. Herr Maaßen war keine wirkliche Gefahr für unseren Rechtsstaat.
In Ungarn läuft es bekanntermaßen anders. Der Rechtsstaat wird von den Machthabern ausgehöhlt, die Presse an die Kette gelegt. Dass die CSU derartige Machtaneignung/-erhaltung nicht stört, zeigt die wiederholte Einladung von Orban zu deren Treffen.
Andrea Nahles hat so getan, als würde sie die GroKo in Frage stellen, wenn Maaßen nicht entlassen wird. Dass die Kanzlerin dem so nicht nachkommen würde war klar, genauso wie die Angst der SPD vor Neuwahlen. Andrea Nahles hat nur laut gebellt.
Wenn sie und mit ihr die SPD als Verteidigerin des Rechtsstaats ernst genommen werden will, muss Sie das besagte Abstimmungsverhalten der EU CSU-Abgeordneten viel deutlicher kritisieren, als einen Hans-Georg Maaßen und wirkliche rote Linien ziehen.
Sie sollte dies zum Anlass nehmen, die Eignung eines Manfred Weber als möglichen zukünftigen EU-Kommissionchef immer wieder massiv in Frage zu stellen, bis das Wirkung zeigt. Wenn es dem nicht gelingt, seine wenigen bayrischen Kollegen in Brüssel von der Unterstützung eines undemokratischen Victor Orban abzuhalten, wie will der als Kommissionschef verhindern, dass Orban und Co. die europäischen Ideen begraben.
Leider geht es immer zuerst um Posten und statt um Inhalte, ob bei Maaßen, Weber, Seehofer oder Nahles.“

Otfried Schrot aus Ronnenberg:

„Herr Maaßen hätte sich zu dem VIDEO, über das er gestolpert ist, gar nicht äußern müssen. Es war herzlich wenig darauf zu sehen, was man zudem recht unterschiedlich interpretieren kann. Leider ist es bei Politikern so, dass sie meinen, wenn ihnen ein Mikrofon vor den Mund gehalten wird, dass sie unbedingt etwas von sich geben müssen. Die Folge war viel Lärm um recht wenig. Die Entscheidung, die am Ende des Gezeters herausgekommen ist, hat die Qualität eines faulen Apfels, in den man nur mit Widerwillen hineinbeißt. Erkenntnis: die Bundeskanzlerin, die über dieser Entscheidung mit ihrer mehr ratlosen als segnenden Hand schwebt, hat ihren längst überfälligen Ruhestand mehr als verdient. Die Entscheidung, die die Luft gereinigt hätte, hat sie nicht getroffen. Leider hat sowohl die CDU als auch die ganze deutsche Nation ein Problem: es ist keine Persönlichkeit in Sicht, welche die Nachfolge der Kanzlerin antreten könnte.“

Stefan Otto aus Rodgau:

„Fehlleistungen und Unvermögen von Leistung- und Führungskräften sind stets Laufstege der persönlichen Karriereleiter. Das ist nicht nur ein Phänomen in Wirtschaftsunternehmen, sondern gerade auch in der Politik: Hartmut Mehdorn, Roland Koch, Ronald Pofalla und jetzt Hans-Georg Maaßen.“

Klaus Stöcklin aus Schwalbach a.Ts.:

„Die Parteien müssen sich nicht wundern , wenn Wähler nicht mehr zur Wahl gehen und die Politikverdrossenheit immer größer wird. Da wird ein von allen Parteien geschasster Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Lohn für seine unprofessionelle Arbeit mit der Ernennung zum Staatssekretär noch befördert und bekommt dafür rund 3000 Euro mehr Gehalt. Dass er nicht selbst zurücktritt, ist aus versorgungstechnischen Gründen nachvollziehbar. Merkel hätte bei der Ablösung die Reißleine ziehen müssen.
Auch die SPD ist nicht konsequent und hat mit ihrer Haltung sicher keine Stimmen gewonnen. Sie hat zwar die Ablösung forciert, aber auch der Versetzung zugestimmt. Hier hätte sie mehr Front gegen die Unionsparteien zeigen müssen, bis hin zum Koalitionsbruch.
Wie viele Staatssekretäre braucht eigentlich Innenminister Seehofer? Es kann ihm wohl egal sein, da die Bürger die Zeche zahlen! Traurige Politik.“

Peter Leiß aus Berlin:

„Der weise Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU (Merkel), SPD (Nahles) und CSU (Seehofer) am Dienstag zur Causa Maaßen besagte, den nicht mehr haltbaren Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium zu befördern. Dafür solle dann der bisherige, renommierte Amtsinhaber Gunther Adler (SPD), der dieses Amt bislang offenbar untadelig ausführte, in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Es gäbe auch andere „Lösungen“: Wie wär’s denn damit, Maaßen zum Botschafter an der Deutschen Botschaft in Kabul, Afghanistan, zu küren?“

Heimo Posamentier aus Bad Soden:

„Frau Nahles hat vollkommen recht, ihre Zustimmung zu Maaßens Versetzung zu geben, denn sie hat begriffen, dass sie Regierungsverantwortung hat; dafür ist sie gewählt worden. Sie kann nicht das Risiko eingehen, die Koalition und damit die Regierung platzen zu lassen, nur weil ein starrköpfiger alter Mann einen seiner Bediensteten befördern will.
Frau Merkel nimmt ihren Regierungsauftrag offensichtlich nicht so ernst. Für diesen Mut sollte man Frau Nahles loben und nicht kritisieren!“

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25 Kommentare zu “Wie Spezis einander auf der Karriereleiter helfen

  1. Am 1. August 2012 wurde Hans-Georg Maaßen (CDU) auf Vorschlag des damaligen Bundesinnenministers, Hans-Peter Friedrich (CSU), Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) in Köln. Jetzt muss Maaßen wegen der „Chemnitz-Video-Affäre“ seinen Hut nehmen und gehen und wird gleichzeitig über alle Ma(a)ßen von der GroKo 4.0 zum neuen Staatssekretär in Seehofers Bundesinnenministerium mit einer fetten Beamtenbesoldungserhöhung von Euro 2.500/Monat befördert und belohnt. Leistung und Inkompetenz muss sich schließlich in Deutschland wieder lohnen.

    Mich wundert gar nichts mehr in der B eamten R epublik D eutschland (BRD). Da soll der Ex-bin-Laden-Leibwächter, Hassprediger und islamistische Gefährder, Sami A., von Tunesien nach Deutschland zurückgeholt werden und nun soll auch noch Hans-Georg Maaßens Abschiebung und Beförderung in das Bundesinnenministerium vom deutschen Volke geduldet werden. Muss das wirklich unser Rechtsstaat aushalten?

    Ich glaube, nein. Denn Deutschland ist seit der Flüchtlingskrise 2015 und dem kometenhaften Aufstieg der AfD ohnehin schon gespalten. Muss sich das jetzt auch noch in der GroKo-4.0-Bundesregierung wie ein roter Faden durchziehen? Eine GroKo 4.0 mit drei Alphatieren wie Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CDU) und Andrea „Pippi“ Nahles (SPD) ist meines Erachtens nicht gut für Deutschland, weil die wirklichen Probleme in unserem Land nicht angepackt werden. Migration ist nicht die Mutter aller Probleme, sondern das Trio Infernal Merkel, Seehofer und Nahles.

    Maaßens Entmachtung als Präsident des BfV und seine Beförderung zum Staatssekretär ist lediglich ein fauler GroKo-4.0-Kompromiss, damit keiner der drei Protagonisten sein Gesicht verliert. Armes Deutschland!

  2. Am 22. September 2018 beginnt das Oktoberfest in München. Doch bereits jetzt heißt es für die GroKo-4.0-Bundesregierung in Deutschland: „O`zapft is!“ Warum? Andrea „Pippi“ Nahles (SPD) hat sich in dem ma(a)ßlosen Streit um Hans-Georg Maaßen beim Fingerhakeln von Horst Seehofer (CSU) über den Tisch ziehen lassen. Maaßen musste zwar, wie von Nahles gefordert, seinen Stuhl als Präsident des Bundesverfassungsschutzes räumen, er wurde aber gleichzeitig zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium von Horst Seehofer befördert. Dafür wurde sogar ein SPD-Staatssekretär geopfert und in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

    Äußerst fatal an der Causa Maaßen – die GroKo 4.0 stand kurz vor dem Aus, weil Bundesinnenminister Horst Seehofer unbedingt an Maaßen festhalten wollte. Da musste Nahles natürlich einlenken, weil die SPD, wie der Teufel das Weihwasser, nichts so sehr fürchtet wie Neuwahlen. Mein Fazit: Diese GroKo 4.0 ist nicht überlebensfähig. Und die SPD um Nahles und Scholz wird es am Ende bereuen, noch einmal eine GroKo mit Merkel und Seehofer versucht zu haben. Die GroKo 4.0 ist nämlich der Be(ä)rliner Untergang 2.0 für die alte Dame SPD.

  3. Was ich mir von allen Politikern wünschen würde, wäre, dass sie endlich mal das Maul (ja, ich muss diesen harten Ausdruck hier verwenden) halten und nicht immer losplappern und -twittern würden, bevor überhaupt klar ist, was passiert ist, bevor polizeiliche Ermittlungen abgeschlossen und Sachfragen geklärt sind. Früher galt für intelligente und reflektierte Menschen das Prinzip: erst denken, dann reden.
    Aber aufgrund eines einzigen schwer interpretierbaren Videos (das schätze ich so ein wie Otfried Schrot) kann wieder keiner ein paar Stunden die Luft anhalten und abwarten, wie sich die Faktenlage darstellt. Die Bundeskanzlerin und ihr Regierungssprecher wissen schon vor der Polizei, was geschehen ist, flugs muss der Ministerpräsident Kretschmer „seine“ Sachsen verteidigen, woraufhin ihm ein führender Beamter, der eigentlich im Hintergrund agieren sollte, aber möglicherweise die Ehre seiner Behörde retten will (weil die offenbar die zunehmende Radikalisierung am rechten Rand unterschätzt hat) beispringt.
    Und dann natürlich sofort helle Empörung auf der anderen Seite, die darin gipfelt, dass Andrea Nahles, ohne sich vorher mit der Struktur und Stellenbestzung im Innenministerium vertraut gemacht zu haben, sofort lautstark Maaßens Abberufung fordern und diese zur Voraussetzung für den Fortbestand der Koalition erklären muss.
    Leider wurde das Ganze dann zum Eigentor, sie hat sich von Seehofer austricksen lassen und muss nun zusehen, wie ein verdienter Experte aus dem SPD-Lager geopfert und der zum Hauptfeid hochgejubelte Maaßen sogar vom Schlitzohr Seehofer noch befördert wird. Peinlich für die SPD, peinlich aber auch für die gesamte Politikerkaste, die wieder einmal mit ihrem Schmierentheater zu wachsender Politikverdrossenheit beigetragen hat.

    Wie wär’s, liebe Politiker und Vertreter der Exekutive, wenn ihr einfach mal still und kompetent eure Arbeit machen würdet?

  4. Die Causa Maaßen ist doch viel mehr als eine Personalie, die es – laut Andrea Nahles – nicht rechtfertigten könne, die GroKo zu beenden. Was sich Herr Maaßen anmaßte, war doch ein „Entschuldigung“ der Vorgänge in Chemnitz und damit eine Verharmlosung rechten Treibens auf deutschen Straßen. Und dass ist eben mehr als eine Personalie, das ist ein veritabler Skandal und der ist ein guter Grund, eine Koalition zu verlassen, in der ein Mann Innenminister ist, dem eben dieses Gedankengut auch nicht völlig fremd zu sein scheint. Ich gebe Klaus Philipp Mertens völlig Recht, wenn er an den Radikalenerlass aus den 70ern erinnert und daran, dass nach dessen Kriterien Herr Maaßen wohl kaum noch im öffentlichen Dienst wäre. Aber – so ändern sich die Zeiten – heute gibt sogar die SPD klein bei und opfert für Maaßens Aufstieg einen eigenen Staatssekretär, anstatt aufzustehen und zu gehen. Das wäre „in die Fresse“ gewesen, wie Andrea Nahles es doch so vollmundig einst versprochen hatte und hätte ihr und der SPD Respekt eingebracht. Aber so! Im ARD-Deutschlandtrend hat die AFD jetzt die SPD überholt und die CDU stürzt ab auf unter 30 %. Klar eigentlich, bei solchen Politikpossen. Und weil Seehofer und Co. die rechte Ecke nun auch nicht in die Schmuddelecke gestellt haben, ist es jetzt auch nur eine „lässliche“ Sünde, seine Stimme „alternativ“ zu vergeben in unserem Land mit unserer Geschichte. So weit ist es gekommen. Und die Rechten mussten eigentlich nichts tun, als die anderen machen lassen.

  5. @Brigitte Ernst
    Hallo Frau Ernst,
    die Zeiten sind vorbei, in denen erst gedacht und dann gesprochen wurde.
    In Zeiten von Twitter etc. kommt es mir wie ein „Wettrennen“ vor, als erster seine Meinung kund zu tun, der Letzte hat verloren.
    Das, was sich innerhalb der GroKo abspielt zeigt aber auch ein für mein Gefühl nie da gewesenes Versagen unserer Politiker auf, die sich eher wie sinn- und planlos Getriebene verhalten und die Schnellschüsse eher noch zunehmen werden. Gleichzeitig ist es der Abgesang für die SPD. Was tritt an deren Stelle? Mir graut!

  6. Was mich an dieser Angelegenheit fast schon verstört, ist die vollständige Blindheit, die sich hier offenbart.
    Auf die Linken wird eingedroschen als wenn es sich um den Antichristen handelt, verbal und tatsächlich. Einige der Bilder des G20-Gipfels bekomme ich nicht mehr aus dem Kopf. Besonders das eine, als ein Polizist wie ein wildgewordener Bulle mit erhobenem Schlagstock auf die Demonstranten losstuermt und dann sehe ich das Verhalten der Polizei in Chemnitz, das wie das Zuschauen Unbeteiligter wirkt. Was soll ich davon halten? Einverständnis mit dem Verhalten der Rechten?
    Blind ist die Politik auch in diesem Bereich schon lange und es ist für dieses Land nicht tragbar, auch jetzt noch zu versuchen, diese Vorgänge zu verharmlosen, bzw. vom obersten Verfassungsschützer, diese als Fake News zu bezeichnen.
    Jeder Normalo, also Nichtpolitiker, fasst es nicht, dass es für Herrn Maaßen eine Beförderung geben soll, nach dem Motto, Politiker können sich alles erlauben? Aber auch das ist noch zu „weich“ gesagt. Wegen Unfähigkeit aus dem Amt entlassen, die Bezüge auf ein Drittel reduziert und arbeitssuchend melden ist die einzige Alternative. Leider ist das für unsere Politiker so nicht eingerichtet. Wenn Herr Maaßen entlassen würde, dann bei vollen Bezügen. Glaubt da noch irgendjemand an eine Verbesserung der Gemeinschaft in diesem Land oder sind unsere Vorturner nicht Teil der selben und das „neue Gemeinschaftsgefühl“ ist eine Leistung die von den Bürgern alleine zu erbringen ist?

  7. Jetzt heißt es also noch einmal „Kommando zurück“. Die Begründung von Andrea Nahles macht schier fassungslos: „Es ist offensichtlich mit dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen nicht vereinbar, dass Herr Maaßen als Ergebnis seiner Arbeit zwar abgezogen werden muss, gleichzeitig aber – wenn auch an anderer Stelle – befördert wird.“
    Hat diese Frau denn selbst kein Gerechtigkeitsempfinden, dass sie erst von den „durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung“ darauf gebracht werden muss, dass der Deal, den sie da mit Seehofer geschlossen hat, unmöglich ist? Man glaubt es nicht!

  8. Unverzeihlich, auf was sich Nahles-SPD bei dem Postengeschacher eingelassen hat!
    Ich habe wirklich nicht auf einen Grund gewartet, um auf die SPD herumzuhacken. Aber sie kann’s und will’s einfach nicht. Deren Geschichtsverlauf wird immer destaströser. Wo ist hier noch das Problem, diese Groko-Regierung platzen zu lassen? So taugt sie keinen Schuss Pulver und die Amtsgeschäfte können eine Weile weitergeführt werden.
    Wie kann man einen eigenen Mann im Innenministerium so opfern, um diese schreckliche Maaßen-Seehofer-Affäre zu legitimieren??? Das versteht doch der dümmste Populist, dass diese Politik nicht mehr haltbar ist!!
    Wie Bertram Münzer oben schreibt: Die Rechten können in aller Ruhe zuschauen, und die Regierung einfach machen lassen, bis sie sich von alleine ausre(a)giert hat.

  9. Regelung der Angelegenheiten Deutschlands durch verbindliche Entscheidungen!
    Diese Kernaussage ist eine Basis der Definition von Politik. Daran muss man sich orientieren, wenn man die Handlungen aller beteiligten Politiker am „Maaßen-Skandal bewertet. Der Konflikt schwelt seit Wochen und verbindliche Entscheidungen wurden nicht getroffen. Frau Merkel sitzt beharrlich aus und Ihre Koalitionäre handeln im Sinn ihres politischen Amtserhalts faule Kompromisse aus. Maaßen, Seehofer, Nahles und Merkel in vorderster Front erschrecken nun vor der Reaktion ihrer Wähler, die offensichtlich mehr Gerechtigkeitsgefühl und Menschenverstand haben und deshalb die Dinge anders bewerten. Eine verbindliche Entscheidung und damit auch Konsequent, wäre es gewesen, Herrn Seehofer für seine Illoyalität schon vor Wochen fristlos aus seinem Ministeramt zu entlassen und Herrn Maaßen für seine unqualifizierten Aussagen ebenfalls. Und heute ist es Konsequent, wenn Frau Merkel, Frau Nahles und alle weiteren, direkt verantwortlichen Regierungsmitglieder von Ihren Ämtern zurücktreten und den Weg für einen Neuanfang in CDU, CSU und SPD freigeben.
    Neue Leute braucht das Land! Bitte nicht falsch verstehen, denn rechte Menschenverächter, Dummschwätzer, Vorteilsnehmer und Aussitzer gibt es neben der AFD auch in anderen Parteien des Bundestags und im ganzen Land. Wir müssen als Wähler sorgfältig prüfen und nachfragen, ob die Kandidaten in unserem Wahlkreis auf dem Boden des Grundgesetzes stehen sowie ethisch, moralisch und ehrlich unsere Interessen vertreten. Das Kreuz alle vier Jahre bei den Wahlen darf uns aber nicht ausreichen. Wir müssen selbst politisch handeln, indem wir uns vor Ort in sozialen Organisationen, Gewerkschaften und Parteien, oder Bürgerinitiativen ehrlich engagieren und dort Machterhalt und Postenjagd, Lügen und Korruption, Unterlaufen von Gesetzen und Vorteilnahme konsequent unterbinden. Das geht nicht durch Aussitzen zu Hause, sondern nur mit verbindlichen Entscheidungen in unseren gesellschaftlichen Organisationen.

  10. Man wird bald Neuwahlen herbei geredet haben. Mir fehlt halt der Optimismus zu glauben das bei einer Regierung mit FDP Beteiligung irgendwas besser wird. Der Markt wird das mit den fehlenden Wohnungen schon regeln zum Beispiel

  11. Es ist ja alles richtig, was bisher hier im Blog gesagt wurde. Aber ich gebe zu bedenken, bei aller berechtigter Kritik an den politisch Agierenden, dass Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt sehr schlecht für unsere Demokratie wären. Die Stimmung ist sehr aufgeheizt und mir scheint, die AfD-Wähler, die aus Protest und Unmut diese Partei wählen, sehen nicht die Gefahr, die mit dieser Entscheidung einhergeht. Die scheinbar in viele Gruppen zersplitterten Rechten haben in Chemnitz deutlich gezeigt, wie sie auf Knopfdruck eine gemeinsame Großdemo auf die Beine stellen können, wobei sich die Intellektuellen der Partei dezent im Hintergrund halten und ihre bösen Buben agieren lassen. Ein „Verfassungsschützer“, der gleichzeitig AfD-Funktionär ist und die Identitären für eine intelligente Bewegung hält (Panorama Sendung vom 20.09.), das alles befeuert meine Angst, dass unsere Institutionen schon längst unterwandert sind von nationalistisch denkenden Menschen mit einer autoritären Gesinnung, von der wir geglaubt haben, sie überwunden zu haben. Ja, das beunruhigt mich wirklich sehr. Unter diesen Gesichtspunkten finde ich es doch richtig, dass Frau Nahles zurückgerudert ist, um den Seehoferschen Kompromiss wieder rückgängig zu machen. Auch wenn das mit einem gewissen Glaubwürdigkeitsverlust einhergeht. Wir haben in unserem Land und in der Welt viele Zukunftsprobleme zu lösen. Die erfordern ganz sicher eine gute Zusammenarbeit mit allen Koryphäen aus aller Welt. Die AfD löst sie nicht. Sie denkt national.
    Ich schließe mich der Forderung der Linkspartei an, die Verfassungsschutzbehörde ganz neu aufzubauen und sie viel schärfer einer parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen, damit solche sonderbaren Geschehnisse wie Aktenschreddern, weil man links mit rechts verwechselt hat, nicht mehr vor kommen.

  12. @ I.Werner

    Sie haben recht, Neuwahlen würden nur Stimmengewinne für die AfD nach sich ziehen. Die derzeitigen Koalitionäre müssen sich endlich am Riemen reißen und, statt sich in lächerlichen Scharmützeln zu verlieren, miteinander die wirklich wichtigen Probleme unseres Landes, Europas und der Welt bearbeiten.

    Zu ihrer Sorge, dass unsere Institutionen bereits rechtslastig unterwandert sind:
    Es ist ja leider bekannt, dass die Istitutionen, deren Aufgabe es ist, „law and order“ durchzusetzen, also die Polizei, das Militär und auch der Verfassungsschutz, immer eher attrakriv sind für Menschen mit rechtskonservativen Ansichten. Das trifft nicht nur auf Deutschland zu. Und solange die AfD als verfassungsmäßige Partei gilt, die ja immerhin im Palament sitzt, dürfen ihre Mitglieder und Sympathisanten auch als Polizisten, Soldaten und Verfassungsschützer arbeiten, auch wenn es in letzterenm Fall grotesk wird, wenn AfD-Wähler oder gar -Mitglieder über die Verfassungsmäßigkeit dieser Partei wachen sollen.
    Da kann die Stärke unseres Rechtsstaats durchaus auch zur Schwäche werden, weil Rechtsverstöße ja immer bewiesen werden müssen.

    Auch ich würde es begrüßen, wenn der Verfassungsschutz einer stärkeren parlamentarischen Kontrolle unterworfen würde. Dafür, ihn ganz neu aufzubauen, findet sich derzeit sicher keine parlamentarische Mehrheit, zumal neben der Bundesbehörde ja jedes Bundesland noch einmal seinen eigenen Verfassungsschutz hat.

  13. Warum eigentlich soll nicht der Souverän entscheiden? Neuwahlen also. Mit riskantem Ausgang – glaubt man den aktuellen Umfragen. Herr Schäuble will uns – laut Zeit online von heute – die Angst vor einer Minderheitsregierung nehmen. Doch dann würfeln die Gewählten – und auch Herr Schäuble – wieder mit Stimmen von gestern. Wollen Altes neu mischen und glauben, dann wäre alles wieder gut. Mitnichten. Wir erleben ja nicht den Streit um eine Person allein. Wir erleben eine Regierung, in der Eigensinn vor Gemeinsinn geht. Persönliches dem Gemeinwohl übergeordnet wird und drängende Themen – ich nenne hier nun den Klimaschutz – hinter dem Migrations- und Flüchtlingsthema verschwinden. Was soll denn daran eine Minderheitsregierung ändern, in der womöglich Herr Seehofer wieder ein Amt bekleidet und auch andere Protagonisten weitermachen. Ich will meine Stimme zurück und sie neu vergeben, denn ich habe das Vertrauen in diese Regierung und ihr Personal verloren. Es gibt Alternativen in Deutschland, die nicht für Deutschland allein, sondern für eine internationale, weltoffene, soziale und moderne Politik stehen. Und wer sich – mit Recht – vor den Rechten fürchtet, hat doch die Wahl. Schütteln wir also den „Muff aus den Polit-Talaren“ und wagen auf dieser Basis einen Neuanfang. Und dann darf es auch gerne eine Minderheitsregierung sein, aber bitte erst dann.

  14. @ I. Werner / Brigitte Werner

    So oder ist die AfD zur Zeit nicht stimmenanteilsmäßig aufzuhalten.
    Es geht jetzt um Haltung und Entscheidung.

  15. @ Jürgen Malyssek

    Mit der AfD ein Stück dem Abgrund näher – aber Hauptsache, wir haben Haltung gezeigt.

  16. Zum Vergleich der Affäre Maaßen-Seehofer mit dem „Radikalenerlass“ durch Klaus Philipp Mertens:

    Ein Vergleich, der durchaus zu Verständnis beitragen kann. Allerdings muss man dazu schon über die recht oberflächliche Betrachtung hinausgehen.

    Zum „Radikalenerlass“:

    1) Betroffene:
    Es war ja keineswegs so, dass vor allem DKP-Mitglieder betroffen wurden. Auch das äußere Kriterium der Mitgliedschaft erfasste so ziemlich alle kapitalismuskritischen linken Gruppierungen, so die unterschiedlichsten K-Gruppen. Darunter waren z.B. auch der VVN (Verband der Verfolgten des Naziregimes), die ADSen (Aktionsgemeinschaften von Demokraten und Sozialisten) und, neben dem SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund), sogar dessen (eher rechte) Gegengründung an den Unis, der SHB (Sozialdemokratischer Hochschulbund). (Ein Hinweis übrigens, wie masochistisch SPD-Politik damals schon angelegt war.)
    (2) Ziele:
    Weit über die bloße antikommunistische Stoßrichtung hinausgehend ging es um massive Einschüchterung kapitalismuskritischer Kräfte mittels Berufsverbot oder zumindest Drohung desselben.
    So wurde z.B. bei meinem eigenen über 3 stündigen Verhör versucht, mir eine schriftliche Distanzierungserklärung von der (legal kandidierenden) SEW abzupressen, was ich auch in Hinblick auf die zu erwartenden Konsequenzen verweigerte. Ich kenne einige Fälle, bei denen diese Erpressungsstrategie zu zerbrochenem Rückgrat, Selbstzensur bzw. Anpassung an antikommunistische Weltbilder geführt hat.
    (3) Rechtliche und administrative Grundlage:
    Rechtlich basierte der „Radikalenerlass“ auf der Verschiebung des juristisch klaren Begriffs „verfassungswidrig“ in Richtung Gesinnungsjustiz im Sinne von „verfassungsfeindlich“. Höchst problematisch insbesondere dadurch, dass darüber von einem subalternen Verwaltungsapparat entschieden wurde, der sich so verselbständigen und hysterische Formen annehmen konnte.
    (4) Zum politischen Hintergrund:
    In die als Hatz gegen Linke zu bezeichnende Atmosphäre waren relevante Kräfte von Verwaltung, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eingebunden. So, wenn die NOFU in Berlin („Notgemeinschaft für eine Freie Universität“ – zu der auch eine Gesine Schwan und Prof. Alexander Schwan gehörten) umfassende Spitzeldienste leistete, um allen von ihnen als „Linke“ Ausgemachten nicht nur die Einstellung in den Staatsdienst, sondern jegliche gesellschaftlich irgendwie relevante Tätigkeit zu verwehren.
    (5) Politischer Charakter
    – Der ist in angemessener Weise als eine Form des Mc.Carthyismus zu beschreiben, bei dem sich Rachegelüste gegen eine aufmüpfige 68er Bewegung ungehindert austoben konnten.
    – Grete Dutschke hat in ihren jüngst erschienenen Erinnerungen „Worauf wir stolz sein können“ die hysterische Stimmungslage der Zeit sehr anschaulich beschrieben.
    – Symptomatisch dazu auch „Anklagepunkte“ aus meinem Verhör:
    Dazu gehörte auch mein – offensichtlich als „Majestätsbeleidigung“ empfundenes – Projekt, Novellierungsvorhaben des Senats unter pragmatisch-linguistischen Kriterien in einem linguistischen Tutorium zu analysieren. Oder der Eingriff in wissenschaftliche Forschung, indem der Einbezug sowjetischer Forschung, in der Folge maßgeblich auch für westliche Psycholinguistik und Pragmatik sowie „kompensatorische“ Erziehungskonzepte (Wygotski, A.A. und A.N.Leontjev, Galperin) zu „verfassungsfeindlichen“ Intentionen uminterpretiert wurde: „E. stützt sich auf von sowjetischen Wissenschaftlern ‚Erwiesenes‘.“ (wörtliches Zitat). Und bei der bloßen Erwähnung von Marx („Deutsche Ideologie“) nahm ich bei dem mir gegenübersitzenden Landesschulrat (Stellvertreter des Senators) deutliche Erregung und Zittern wahr.
    – Der entscheidende Unterschied zu ähnlichen Praktiken in der DDR war eine in der BRD noch funktionierende Gewaltenteilung einerseits, die Einbindung in ein übergeordnetes europäisches Rechtssystem andererseits.
    – So wurden auch in meinem Fall die Exzesse von Beamten der Schulbehörde durch ein juristisches Gutachten zurückgeschraubt, welches zur Erkenntnis kam, dass diese vor einem Gericht keinen Bestand haben würden.
    – Die Beendigung dieser Praxis (in Bayern erst 1991, nach 19 Jahren!) ist keineswegs irgendwelcher Einsicht geschuldet, sondern den verheerenden Auswirkungen auf das Renommee der BRD in Gesellschaft und im europäischen Ausland, so auch der Verurteilung der BRD durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Hinzu kam, dass die Fortführung dieser Praxis (1,4 Mio. Überprüfte, 11000 Verfahren) praktisch zu einer Lahmlegung des Justizapparats geführt hätte.

    Zum Vergleich mit der heutigen Situation:

    Die genannten Punkte und Hintergründe des „Radikalenerlasses“ eignen sich in mehrfacher Hinsicht zum Vergleich mit heutigen Entwicklungen.

    Zu (1/2):
    Rechtsradikale Terminologie (wie „Gutmenschen“, „linksgrün versifft“, „Sytemparteien“, „Lügenpresse“, „Asyltourismus“, „Anti-Abschiebungs-Industrie“ usw.) und politische Denkweisen prägen mehr und mehr den allgemeinen Sprachgebrauch. Sie werden insbesondere gegen engagierte Verteidiger des Rechtsstaates und von Menschenrechten (wie z.B. Flüchtlingshelfer) gerichtet, scheuen auch nicht vor mehr oder weniger versteckten Mordaufrufe in Online-Foren. Flüchtlingshetze ist erkennbar in ein breiteres politisches Konzept der „Systemüberwendung“ (Dobrindt: „Konservative Revolution“) im Sinne von Systemzerstörern wie Steve Bannon eingefügt.
    Zu (3):
    Der Fall Maaßen und das Eindringen rechtsradikaler Kräfte in Polizei und Verfassungsschutz, besonders in Sachsen, zeigen ähnliche Elemente des Gesinnungsterrors und administrativer Praktiken zur Durchsetzung „völkischer“ Weltanschauung – und hier auch der Systemüberwindung – auf wie zu Zeiten des „Radikalenerlasses“.
    Zu (4):
    Die Ausbreitung rechtsradikaler Einschüchterungs- und Terrormethoden und das Einwirken auf breitere Bevölkerungsschichten werden mit den Ereignissen von Chemnitz und der offenen Kooperation der AfD mit Neonazis und Hooligans erkennbar.
    Zu (5):
    Funktionierende Gewaltenteilung erwies sich zu Zeiten des „Radikalenerlasses“ als Barriere für sich ausbreitende gesellschaftliche Hysterie. Dies macht verständlich, warum rechtsradikale Kreise diese mit einem Konzept vermeintlicher „direkter Demokratie“ zu beseitigen und nicht nur Fremde, sondern auch Verteidiger des Rechtsstaats dem Wüten aufgehetzter Meuten auszusetzen suchen.

    Fazit:
    Man gebe sich keinen Illusionen hin: Wenn die rechtsradikale Machtergreifung tatsächlich Wirklichkeit werden würde, ginge dies weit über Verhältnisse zu Zeiten des „Radikalenerlasses“ hinaus. Menschen, die z.B. in diesem Blog Wert auf ungeschützte, offene Aussprache legen, hätten mehr als Veranlassung, sich sehr warm anzuziehen.

  17. @ Brigitte Ernst

    Wenn wir uns dem (politischen) Abgrund nähern, dann wird es schon längst nicht mehr nur um die AfD und deren Macht gehen. Ein Blick auf das Ende der Weimarer Republik scheint mir nicht so abwegig.

  18. @ Brigitte Ernst

    Das ändert ja nichts an der Haltung und dem, was der Einzelne durch Widerstand und Praxis verhindern oder beeinflussen kann. Ich wundere mich, dass Haltung und Kritisches Denken so einen geringen Stellenwert zu haben scheinen, so denn Ohnmacht, Wut und Frustration (einzeln und allgemein) soviel Raum einnehmen?
    Warum konnte es denn zum Ende der Weimarer Republik und nahezu willfährig zum Dritten Reich kommen?

  19. @ Jürgen Malyssek

    Lieber Herr Malyssek,
    wir sollten uns hüten, die Weimarer Republik so einfach mit der heutigen Zeit zu vergleichen. Das war eine komplett andere ökonomische und gesellschaftliche Situation, die Demokratie war jung und traf auf eine Mehrheit von Skeptikern, während heute – bei allem Rechtspopulismus – die Mehrheit der Zivilgesellschaft von diesem politischen System überzeugt ist.

    Zum Stichwort „kritisches Denken“ eine kleione Anmerkung:
    Bei aller – mehr oder weniger – berechtigten Empörung über Hans-Georg Maaßen sollte man sich doch, bevor man kein gutes Haar mehr an ihm lässt, richtig informieren. In der FR vom 24. September, S.3, kommt der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, im Interview mit der Überschrift „Zu unsensibel für Gefahren von rechts“ zu der Einschätzung:
    „[…] Zum anderen ist Herr Maaßen offenbar der Meinung, dass es „den Rechtsextremismus“ in Deutschland als Gefährdungspotenzial so nicht wirklich gibt.“
    Falsch, Herr Schuster. Im Tagesspiegel vom 14.07.2018 in einem Interview zum Ende des NSU-Prozesses antwortet Herr Maaßen auf die Frage: „Wie groß ist die Gefahr, dass Neonazis und andere Rassisten Mord- und Sprengstoffanschläge verüben?“:
    „Trotz des Rückgangs der Gewalttaten ist die Gewaltbereitschaft in der rechtsextremen Szene nach wie vor hoch. Sinkende Gewalttatenzahlen dürfen nicht über das anhaltend hohe Gefährdungspotenzial hinwegtäuschen. Ein Indikator hierfür ist nicht nur der erneut hohe Anteil von etwas 12.700 am gesamten Potenzial von 24.00 Personen. Auch regelmäßige Waffenfunde bei rechtsextremisten belegen diese Einschätzung.“
    Auch hier wieder mein Rat: Gut informieren, bevor man losplappert.

  20. @ Brigitte Ernst

    Liebe Frau Ernst,
    ich muss richtig stellen, dass ich Hans-Georg Maaßen nicht in die Rechte Ecke gestellt habe. Unbenommen seines Blickwinkels und seiner Erklärungen zu Chemnitz. Aber was er als Verfassungsschutzchef im Gemauschel mit AFD-Führenden da geleistet hat, geht gar nicht!

    Ansonsten vergleiche ich die Weimarer Republik nicht 1:1 mit der heutigen Zeit. Aber diese Historie kann trotzdem nicht unerwähnt bleiben, gerade hinsichtlich der gefährlichen Entwicklungen von Demokratiegefährdung (-feindlichkeit), Politikverdrossenheit, AfD-Aufstieg, Rechtsextremismus und „Volkeszorn“. Nicht zu vergessen, der gefährliche Anstieg der Armut und Abgehängten im Lande.
    Und an der Gefahr der weiteren Rechtsentwicklung und des Angriffs auf die Demokratie-Strukturen können ja wohl keine Zweifel sein.

    Nehmen Sie Weimarer Republik als hisorische Metapher und nicht als Identifikaktion. Das reicht schon.

    Ich wäre mir übrigens nicht so sicher ob eine Mehrheit auf Dauer wirklich von „diesem politischen System“ so überzeugt sein wird!?

    Wenn Maaßen auf die Gefahr von rechts und die des Gewaltpotenzials so geantwortet hat, wie Sie es zitieren, dann ist es ja gut.
    Die jüngste Geschichte ist aber zurecht indiskutabel.

  21. @ Jürgen Malyssek

    Bezüglich der von Ihnen genannten Parallelen zwischen der Weimarer Republik und heute kann ich Ihnen folgen, auch wenn ich andererseits große Unterschiede sehe.

    Zur Person Hans-Georg Maaßen: Sie sagen, Sie hätten ihn nicht in die rechte Ecke gestellt. Dennoch unterstellen Sie ihm „Gemauschel“ mit der AfD.
    Dass es zu den Aufgaben des obersten Verfassungsschützers gehört, Gespräche mit Parlamentariern zu führen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Er spricht von 196 Gesprächen mit Politikern aller im Parlament vertretenen Parteien seit seinem Amtsantritt 2012. Dass er, seit die AfD im Bundestag sitzt und im Rahmen der Parteienfinanzierung von Ihren und meinen Steuergeldern unterstützt wird, auch mit deren Abgeordneten spricht, ist deshalb weder verwunderlich noch verwerflich. Ob es da zu „Kuscheleien“, wie sich Frau Göring-Eckardt ausdrückt, oder „Mauscheleien“, wie Sie es nennen, gekommen ist, ist noch nicht geklärt. Es gibt zum Vorwurf der „Beratung“ die Aussage einer AfD-Aussteigerin und zu angeblichen Vorinformationen über den Verfassungsschutzbericht die Aussage eines AfD-Abgeordneten. Auch ich plädiere wie viele Abgeordnete unterschiedlicher Parteien dafür, dass Herr Maaßen dazu den zuständigen Bundestagsgremien Rede und Antwort steht. Dazu hat er sich auch bereiterklärt. Solange sich diese Vorwürfe der Mauschelei auf der Ebene von unbewiesenen Behauptungen und Gerüchten bewegen, sollten wir uns vor Vorverurteilungen hüten. So verlangt es unser Rechtsstaat.
    Genau solche Vorverurteilungen sind es im Übrigen, die unzufriedene Bürger der AfD zutreiben. Seit ich mir vor anderthalb Jahren ein Smartphone angeschafft habe und regelmäßig Pressestimmen aller möglichen Nachrichtenmedien, die mir dort aufgespielt werden (Welt, Focus, Spiegel, FAZ, Zeit, Tagespiegel etc.), verfolge, einschließlich der Leserbriefe, bekomme ich mit, wie empfindlich bis verärgert viele Leser eher konservativ ausgerichteter Medien auf die von Seiten grüner und linker Politiker regelmäßig in Gang gesetzten Empörungswellen gegen alles, was diese als rechts oder rassistisch einordnen, reagieren. Bei allem Misstrauen und aller Ablehnung gegenüber der AfD müssen wir akzeptieren, dass sie, solange sie nicht verboten ist, die gleichen Rechte besitzt wie alle anderen Parteien im Parlament und dass Gespräche mit ihr nicht per se des Teufels sind.

  22. @ Brigitte Ernst

    Vorab: Ich habe kein Smartphone und schaue deshalb auch nicht rein und deshalb verfolge ich auch nicht alle Nachrichtenmedien. Das ist mir ehrlich gesagt auch zuviel. Irgendwo muss es auch reichen, um auf dem Laufenden zu sein.
    Die Empfindlichkeit „besorgter Bürger“ in den digitalen Netzwerken sind für mich zwar Zeitzeichen, aber dieser schnelle Schuss aus der Hüfte, den sich soviele Verärgerte leisten, nicht der Ausgangspunkt, von dem aus ich versuche mir einen Reim auf die Dinge zu machen.

    Da ich zur Zeit noch im Umzugsmodus bin, anworte ich jetzt kurz auf Ihre Einwendungen und hoffe, dass keine Irritationen entstehen:

    – Mit der „Weimarer Republik können wir’s wohl so stehen lassen.

    – Zur Person Hans-Georg Maaßen: Ich habe ihn insofern nicht in die rechte Ecke gestellt, die gemein ist mit dem was sich die Spitzen der AfD leisten und was sich auf den Straßen der Republik abgespielt hat. Ganz zu schweigen von den inzwischen vielen rechtsextremen Bewegungen.
    Sie haben seine Aussagen zu REchts zitiert. Das nehme ich so hin. Mir ist es auch egal, ob es nun „Mauschelei“ oder „Kuschelei“ oder „Beratung“ genannt wird, was Maaßens offensichtliches Praxishandeln in diesem sensiblen Amt ist. Da ich ihn sowieso nicht verurteilen kann, so kann ich mit vielen anderen Lesern hier, meine Ablehnung von Maaßen in seinem Amt zum Ausdruck bringen. Ich glaube, da muss man nichts mehr relativieren. Im Laufe dieser Entwicklung, die so öffentlich wurde, wie nur sonst etwas, muss ich denn auch nicht von dem von mir Gesagten etwas zurücknehmen.
    Was glauben Sie denn, was da noch Bemerkenswertes rauskommen kann, wenn Herr Maaßen bei den entsprechenden Gremien Rede und Antwort stehen muss? Ich lasse mich (gerne) überraschen.

    – Zu AfD: Zunächst muss ich als anständiger Bürger akzeptieren, dass die AfD eine der legitimierten Parteien im Parlament ist.
    Das ist aber für mich schon alles. Ich habe aufgrund meines bereits oben Gesagten wirklich kein Interesse, weitere Zugeständnisse und Relativierungen zu machen. Ich bleibe dabei, solange mein Frühwarnsystem noch funktioniert: Wehret den Anfängen! Der Feind steht rechts!
    Zumal diese Partei und all die anderen rechten Gruppierungen im Lande immer mehr Oberwasser bekommen, gerade weil die regierenden Parteien und deren Großleuchten alles dafür tun, die AfD noch attraktiver zu machen.

    jetzt ist es doch länger geworden.

  23. @ Jürgen Malyssek

    Genau der „schnelle Schuss aus der Hüfte“, den sich viele weniger links als Sie Stehende im Internet leisten, ist es, den ich auch bei Linken wahrnehme und bemängele. Ich habe das bereits am Anfang dieses Thread geäußert (21. September 13:30). Gerade weil im Netz oft mit unbewiesenen Behauptungen operiert wird, sollten verantwortungsbewusste Demokraten versuchen, auf dem Teppich zu bleiben und sich nicht zu voreiligen Schlüssen und Vorverurteilungen hinreißen zu lassen. In der Causa Maaßen stellen sich meiner Ansicht nach leider überreagierende Linke mit schnell und unreflektiert schießenden „besorgten Bürgern“ auf eine Stufe. Das überzeugt diejenigen, die sich außerhalb des linken Spektrums bewegen, kaum, und die gilt es doch, aufzurütteln, nicht diejenigen, die sich ohnehin einig sind.

  24. Brigitte Ernst

    „In der causa Maaßen“ habe ich jetzt aus dem Spektrum der Linken keine Überreaktionen wahrnehmen können. Sie sind deutlicher vielleicht als aus der konservativen Ecke, aber erwarten tue ich es da auch.
    Harte Kritik muss auch nicht unbedingt einer Vorverurteilung gleichkommen.
    Bei Maaßen geht es schließlich auch um seine Tauglichkeit für dieses Amt, das sich wiederum als Apparat schon lange an der Tauglichkeitsgrenze bewegt hat (siehe NSU und Amri und so weiter …).

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