Mit der Grundrente übernimmt die Gesellschaft Verantwortung für ihr Versagen

Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) hat ein Konzept für eine Grundrente vorgelegt, die ein weniger höher sein soll als die Grundsicherung, vulgo Hartz IV genannt. Diese Grundsicherung wird uns demnächst sicher auch noch beschäftigen, da die SPPD gerade deren Reform vorschlägt, aber lassen wir das hier mal zunächst beiseite und konzentrieren uns auf die Grundrente. Und lassen auch das beiseite, was der Minister da über Respekt sagt. Bisschen Marketing muss sein, ist klar, in diesem Fall für eine soziale Idee, denn auch die will verkauft werden. Doch es sollte eigentlich klar sein, dass jeder Mensch Respekt verdient, egal ob er oder sie arbeitet oder nicht, egal ob prekär oder managetär. Wenn sich dieser Respekt in einer angemessenen Rente ausdrückt – umso besser.

Ehe jetzt der Streit darüber losbricht, was aus lauter Respekt angemessen sein könnte und was überhaupt nicht geht, möchte ich den Blick auf das Grundsätzliche richten. Manche Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, erhalten aus ihren Einzahlungen in die Rentenversicherung eine monatliche Rentenzahlung, die unterhalb der Grundsicherung liegt. Nein, nicht manche Menschen, sondern viele Menschen – und künftig noch viel mehr. Das ist ebenso erbärmlich, wie es Fakt ist. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber eine Grundtendenz ist dennoch erkennbar: Schon Otto Graf Lambsdorff, seinerzeit FDP-Wendehals, der von der SPD zur CDU rübermachte und uns viermal Kohl bescherte, hat sich Druck auf die Löhne gewünscht. Er hat ihn bekommen, nicht zuletzt durch Gerhard Schröder (SPD). Ich bezweifle, ob das wirklich der Grund dafür ist, dass Deutschland wieder international wettbewerbsfähig wurde. Das dürfte vielmehr an einer anziehenden Konjunktur der Weltwirtschaft liegen, in der deutsche Produkte verstärkt nachgefragt wurden.

Arbeitskraft ist relativ günstig in Deutschland. Mit weitreichenden Folgen nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit oder die Binnenkaufkraft, sondern auch für die Zukunft. Wer wenig verdient, kann nicht fürs Alter vorsorgen. Jedenfalls nicht allein. Mit besser verdienendem Ehemann kann sich zwar auch die vielzitierte Friseurin dennoch einen gewissen Wohlstand erarbeiten, von dem sie im Alter zehren kann. Die Rente bleibt dennoch schmal. Das ist nicht die Schuld dieser Friseurin, die 35 Jahre lang oder mehr gearbeitet hat, sondern das ist die Schuld derer, die Druck auf die Löhne ausgeübt haben. Dazu gehören nicht nur Arbeitgeber, die Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ und Politiker wie Otto Graf Lambsdorff und Gerhard Schröder, sondern auch die Kunden, die selbstverständlich (?) beim Haarschnitt auf den Cent gucken. Ich nehme mich da nicht aus. In meinem Viertel gibt es zwei Friseure, zu denen ich gehen mag. Der eine kostet (waschen, schneiden, fönen) 21 Euro, der andere (dasselbe Programm) 24,50 Euro. Meistens gehe ich zu dem günstigeren. Am Rande bemerkt: Es ist nicht wegen der 3,50 Unterschied, sondern weil der einfach lustiger ist. Man erfährt da mehr aus dem Viertel.

Nun gibt es in Berlin Krach wegen dieser Grundrente. Es geht durchaus um einige Milliarden Euro, die das Land sich leisten können muss, um dieses Projekt zu finanzieren. Kann es das? Es sollte dies können, und insofern verdient Minister Heil und die SPD unsere Unterstützung. Die CDU möchte die SteuerzahlerInnen lieber entlasten, indem der Solidaritätszuschlag abgeschafft wird. Ich habe nichts gegen den Solidaritätszuschlag, auch wenn ich gern entlastet werden würde. Wichtiger finde ich gleichwohl, dass etwas gegen die um sich greifende Armut getan wird. Dieses Problem wird sich noch verschärfen. Während auskömmliche Renten bis vor einer Weile noch Normalität waren, werden in absehbarer Zeit nur noch die Hälfte aller RentnerInnen Altersbezüge erhalten, von denen sie auskömmlich leben können. Auskömmlich, das meint keineswegs Luxus, aber die eine oder andere Reise sollte drin sein, um nur ein Beispiel zu nennen. Auskömmlich heißt, nicht auf den Cent schauen zu müssen.

Das Grandiose an dieser Idee

HeilStichwort Bedürftigkeitsprüfung. Damit haben wir Erfahrung durch die Hartz-IV-Praxis. Wer Grundsicherung beantragt, auch als Aufstocker, muss finanziell die Hosen runterlassen. Das ist unwürdig, Ausdruck eines Misstrauens- und Kontrollregimes seitens des Staates. Minister Heil will für EmpfängerInnen seiner Grundrente keine solche Bedürftigkeitsprüfung. Der zusätzliche Betrag soll einfach überwiesen werden. Warum auch nicht? Weil sich da massenhaft RentnerInnen Unmengen von Euro erschleichen könnten, die ihnen nicht zustehen, wenn man sich ihre Gesamtsituation ansieht? Das ist eines der wichtigsten Argumente des ideologischen Gegners dieser Heil-Idee bei CDU und CSU: Missbrauch wird salonfähig.

Das ist natürlich Quatsch. RentnerInnen müssen heutzutage Steuererklärungen abgeben und gegebenenfalls auch Steuern zahlen. Statt eine aufwendige, bürokratische Bedürftigkeitsprüfung an den Anfang des Verfahrens zu stellen, könnte man sehr viel einfacher eine ordentliche Prüfung der Steuererklärungen veranlassen. Anstatt also bei den Finanzämtern zu sparen, sollte dort Personal eingesetzt und dazu befähig werden, diese Millionen Steuerfälle gerecht zu prüfen. Dann wird sich herausstellen, ob jemand wirklich bedürftig war. Alle Einkünfte zusammengerechnet – Einkommen aus Renten, Mieten, Renditen usw. – ergäbe sich für das Finanzamt ein Bild über die gesamte finanzielle Situation eines Steuerzahlers im Rentenalter, das eine Bedürftigkeitsprüfung im Vorfeld erübrigen würde. Sollte der Vertrauensvorschuss, den der Staat leistet, indem er die Bedürftigkeit im Einzelfall nicht prüft, sich als nicht gerechtfertigt erweisen, werden Rückzahlungen fällig, gegebenenfalls auch Bußgelder. Wer betrügt, wird bestraft. Wer ehrlich ist nicht.

Das würde natürlich voraussetzen, dass die Finanzbehörden personell ordentlich ausgestattet werden. Der Wille dazu ist keineswegs erkennbar, aber ein solcher Ausbau wäre auch deswegen notwendig, weil der Staat über die kleinen RentnerInnen hinaus Steuerbetrug und -hinterziehung Einhalt gebieten muss, da, wo er wirklich schädliche Größenordnungen erreicht. Dem deutschen Fiskus gehen jährlich mehr als 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung die Lappen.

Worüber habt Ihr Euch noch gleich aufgeregt, liebe Leute von der CDU und der CSU? Dass der Heil keine Bedürftigkeitsprüfung bei den kleinen Leuten will? Dann fragt Euch: Warum lasst Ihr zu, dass 100 Milliarden Euro jährlich einfach so im fiskalischen Nirwana verschwinden? Wo bleibt eine ordentliche Steuerprüfung der Wirtschaft? In Bayern, so war zu hören, gilt Steuerprüfung als Standortnachteil. Wilhelm Schlötterer hat ausführlich über dieses Prinzip der Wirtschaftsförderung berichtet. Hier gilt es anzusetzen. Wollt Ihr nicht, liebe CDU und CSU? Lieber den kleinen Leuten misstrauen?

Balken 4Leserbriefe

Bertram Münzer aus Gütersloh:

„Hubertus Heil zäumt das Pferd beim Schwanze auf. Das Kind ist doch schon längst in den Brunnen gefallen, wenn seine Hilfe einsetzt. Diese Vorschläge sind nur Balsam auf die Wunden der sozialdemokratischen Seele. Wer hat denn den Niedriglohnsektor auf breiter Front initiiert? Wer hat, nach dem Motto „Fördern und Fordern“, tausende in diese Jobs getrieben? Wer hat es denn damals unterlassen, dieses Paket mit einem Mindestlohn zu flankieren? Selbst Ex-Kanzler Schröder hält dies in der Rückschau im „Spiegel“ für einen Fehler.
Nun, heute gibt es einen Mindestlohn. Aber er reicht nicht, um auskömmlich zu leben und schon gar nicht, um damit eine auskömmliche Rente zu erwirtschaften. Hier muss ein Sozialdemokrat ansetzen. Er muss der Anwalt dieser „kleinen“ Leute sein, der übersehenen Unterklasse. Einen prekären Niedriglohnsektor darf es nicht geben. Mindestens aber muss der Mindestlohn deutlich steigen, und er muss konsequent durchgesetzt werden. Falls nicht, gleichen wir mit Steuermitteln die Folgen zu niedriger Löhne im Alter aus. Das ist – weil die Not da ist – korrekt, es ist aber gleichzeitig auch eine gewaltige Umverteilung von Sozialleistungen in die Taschen derjenigen, die höhere Löhne vorher für nicht machbar hielten, sie nicht zahlten und die daraus folgende Not nicht – via vernünftiger Löhne – vermieden, sondern jetzt uns alle zahlen lassen. Und das soll gerecht sein? Da habe ich meine Zweifel.

Ernst Niemeier aus Wentorf:

„Die Kritik am Grundrentenkonzept von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) vernachlässigt die Ursache für die Armut, in die prekär Beschäftigte, Langzeitarbeitslose und erziehungsbedingt Teilzeitbeschäftige im Rentenalter geraten. Es geht primär nicht, wie von Politikern argumentiert wird, um die Anerkennung der Lebensleistung der Betroffenen. Es geht vielmehr um die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung für ein gesellschaftliches Versagen.
Langzeitarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung sind – von Ausnahmen abgesehen – Folgen eines nicht perfekten Wirtschaftssystems, die die Politik nicht zu beherrschen vermochte. Im Fall der angesprochenen Teilzeitarbeit hat die Gesellschaft versäumt, die gesellschaftliche wichtige Erziehungsleistung angemessen zu honorieren und damit die Grundlage für eine auskömmliche Rente zu schaffen. Allgemein formuliert: Die prekäre Einkommenslage dieser Bevölkerungsgruppen ist die Folge gesellschaftlichen Versagens.
Deshalb liegt es in der Verantwortung der Gesellschaft, eine auskömmliche und menschenwürdige Alimentierung dieser Menschen sicherzustellen. Das kann nur und muss in Verantwortung für das gesellschaftliche Versagen aus dem Steueraufkommen finanziert werden und darf nicht an einer behaupteten Nichtfinanzierbarkeit scheitern. Sie schließt auch eine Bedürftigkeitsprüfung aus.

Enno Sandner aus Mörfelden-Walldorf

„Wenn die SPD unbedingt bei der nächsten Wahl unter zehn Prozent fallen will, muss sie in diesem Stil nur weitermachen. Statt die Ursachen der teilweise geringen Altersrenten anzugehen, versucht Heil den Rundumschlag über eine Mindestrente. Renten errechnen sich aus Dauer und Höhe des Einkommens. Wenn das dann nicht ausreichend ist, gibt es z.Z. nach einer Bedürftigkeitsprüfung eine Aufstockung auf die Grundsicherung, die durchaus angehoben werden kann. Die Bedürftigkeit sollte nicht nur bei der Grundsicherung, sondern ebenfalls beim Kindergeld geprüft werden. Es macht keinen Sinn, vermögende Menschen zu alimentieren. Wer genügend eigenes Vermögen besitzt, benötigt keine Hilfe aus Steuermitteln, die nun nach den fetten Jahren auch weniger werden.“

Fritz Brehm aus Frankfurt:

„Wer 35 Jahre im Niedriglohnbereich (Friseurhandwerk u.a.) gearbeitet hat, hat wohl eher nicht so viel Vermögen aufgebaut, dass sie/er ihre/seine Sparguthaben einfach still genießen kann, denn das mehr als magere „Verdienst“ ging komplett für die Lebenshaltungskosten drauf. Dagegen kann Daimler-Chef Zetsche sein Sparguthaben still genießen, wenn er im Dezember 2019 in Rente geht, bekommt er doch rund 4200 € Rente. Pro Tag. Die wird aber auch nicht aufgestockt.“

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11 Kommentare zu “Mit der Grundrente übernimmt die Gesellschaft Verantwortung für ihr Versagen

  1. Wie fast immer beim Thema Rente wird an den Symptomen herumgedoktert, statt endlich eine grundlegende Reform anzugehen. Das Problem des demographischen Wandels ist seit weit mehr als 40 Jahren bekannt. Außer „Nachhaltigkeitsfaktoren“ ist dazu nichts getan worden. Eine auskömmliche Rente ist wichtig, muss aber auch finanziert werden. Bleibt man bei dem seit 1957 praktizierten Umlageverfahren (auch gern Generationenvertrag genannt), dann muss die Einnahmebasis deutlich verbreitert werden. Ein einfaches Mittel dazu wäre u. a. die Streichung der Beitragsbemessungsgrenze, natürlich bei Deckelung der Rentenansprüche. Ein massives Rückführen des Berufsbeamtentums (ja, auch bei Lehrern) ist unausweichlich. Auch wenn das inzwischen abgegriffen sein mag, der Blick nach Österreich (um nur eines der besseren Beispiele zu nennen) könnte uns lehren, wie es geht.

    Es ist ohnehin müßig, über den Plan von Hubertus Heil zu diskutieren, da dessen Wahrscheinlichkeit, umgesetzt zu werden, gegen Null tendiert. Zumindest scheint die SPD langsam aus dem GroKo-Koma zu erwachen. Wenigstens das ist positiv.

  2. @Napez:
    Eine Streichung der Bemessungsgrenze bei gleichzeitiger Deckelung der Ansprüche widerspräche dem Versicherungsprinzip in eklatanter Weise. Die Wahrscheinlichkeit, gut verdienende Leistungsträger damit zur Auswanderung zu animieren, stiege damit beträchtlich. Im gleichen Maße würde sich die Einwanderung derselben verringern. Es gibt eh schon genug attraktivere Einwanderungsländer für Spezialisten als Deutschland.
    Eine Steuerfinanzierung kann deshalb nicht ausbleiben. Und hier sollte bei Erhöhung des Spitzensteuersatzes gleichzeitig endlich ein Familiensplitting eingeführt werden.

  3. @ Napez

    Bei meinen Recherchen zum österreichischen Rentensystem treffe ich auf eidersprüchliche Informationen. Die einen behaupten, auch die Beamten zahlten in die Rentenversicheung ein, andere Quellen schränken das insofern ein, als es der Arbeitgeber, d.h. der Staat, sei, der für sie einzahlt. Was aber richtig ist: das Pensionsniveau der Beamten wird an das der Rentner angepasst und liegt nicht wie in D. höher.
    Nicht vergessen darf man beim Blick nach Österreich, dass Ö. eine höhere Geburtenrate hat, dass es mehr junge Arbeitnehmer gibt und dass die Arbeitgeber prozentual einen höheren Beitrag zur Rentenkasse leisten. Das trägt natürlich ebenfalls zum höheren Rentenniveau bei.

  4. Auch ich halte es für notwendig, prekäre Arbeitsbedingungen abzuschaffen und den Mindestlohn so zu gestalten, dass er zu einer auskömmlichen Rente führt. Ich bin aber wie Enno Sandner dagegen, die Bedürftigkeitsprüfung abzuschaffen. Wieso soll es erniedrigender sein, seine Vermögensverhältnisse vor der Rentenbehörde offenzulegen als vor dem Finanzamt?
    Als ich noch für meine studierenden Söhne Kindergeld bezog, musste ich jedes Semester deren Studienbescheiniging vorlegen. Ich habe das nicht als erniedrigend empfunden. Wenn ich vom Staat Geld möchte, ist es für mich selbstverständlich, auch meine Berechtigung dazu nachzuweisen.
    Das Schonvermögen soll ja gerne erhöht werden, aber reiche Erben und Lottogewinner, die ihr Geld auf der Bank geparkt haben und dies (heutzutage ohne Zinsgewinn) bei der Steuer gar nicht angeben müssen, sollten schon von vornherein von der Grundrente ausgeschlossen werden. Das schließt strengere Steuerfahndungen für Reiche ja nicht aus.

  5. Es ist geradezu aberwitzig, wenn die Union, die sonst nicht müde wird, gegen „Bürokratie“ – z.B. bei Steuerfahndung – zu Felde zu ziehen, ausgerechnet bei kleinen Rentnern einen monströsen bürokratischen Aufwand der „Bedürftigkeitsprüfung“ für unverzichtbar hält. Noch abstruser, wenn die FDP, die sonst, sobald ein adäquater gesellschaftlicher Beitrag von Besserverdienenden eingeklagt wird, mit dem Vorwurf der „Neidgesellschaft“ kontert, in diesem Zusammenhang plötzlich das Hohe Lied von der „Gerechtigkeit“ anstimmt, das verletzt sei, wenn jemand, weil nicht ganz so bedürftig, „zu Unrecht“ Grundrente erhalte.
    Nun ist, wie Bronski schon auf gezeigt hat, der Verdacht völlig unbegründet.
    Und falsch schon deshalb, weil – wie der Name „Respektrente“ deutlich macht – dies weder ein Geschenk oder Almosen ist, sondern ein hart erarbeiteter Verdienst, der mit Respekt zu behandeln ist: worauf, wer die Bedingungen erfüllt, einen legitimen Anspruch hat – völlig unabhängig von Besitzverhältnissen.

    Da besteht wohl Veranlassung, nach den Hintergründen und Zwecken solcher ideologischer Verrenkungen zu fragen.
    Zum Vergleich der Vorwurf des „Schmarotzens“ an Flüchtlinge: Der hat erkennbar die Funktion, benachteiligte Gruppen der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen, nach dem Prinzip: Teile und herrsche!

    Nicht anders hier:
    Mit Verdächtigung kleiner Leute, auf unredliche Weise ihnen angeblich nicht zustehende Bezüge erschleichen zu wollen, wird von dem tatsächlichen Missbrauch, und zwar in großem Stil, der eigenen Klientel abgelenkt:
    Ein Friedrich Merz hat seine Millionen natürlich allein durch harte Arbeit redlich verdient und darf um Gottes willen nicht durch höhere Steuern „bestraft“ werden. Aber die Krankenschwester, die sich ihr Leben lang kaputt gearbeitet hat, hat gefälligst auf ihre erworbenen Ansprüche zu verzichten, wenn sie das Glück hatte, einem etwas begüterteren Zahnarzt zu begegnen.
    „Quid licet Iovi non licet bovi“, sagte der Lateiner.
    Was den Merzens, Maschmeyers und Mövenpicks zusteht, ist den Kleinrentnern und andere Gelackmeierten dieser Gesellschaft noch lange nicht erlaubt. –

    Höchste Zeit, solche widerwärtige Heuchelei schonungslos aufzudecken!

  6. @ Werner Engelmann

    Die Rente einer Krankenschwester, die sich ihr Leben lang kaputtgearbeitet hat, übersteigt ohnehin die Grundrente, da haben Sie ein falsches Beispiel gewählt. Und es gibt auch Leute, die weder CDU-Mitglieder sind noch diese Partei wählen und dennoch dafür sind, keine staatlichen Zusatzleistungen an Leute zu verteilen, die ihrer nicht bedürfen. Es reicht doch im Antrag eine Erklärung der Vermögenssituation, wo ist das Problem?
    Sind ärmere Menschen denn moralisch besser als reiche, dass man nicht auch bei einem Teil von ihnen befürchten muss, dass sie schummeln? Die hart arbeitenden kleinen Steuerzahler sollten schon ausschließen dürfen, dass ihr Geld in die Hände von Leuten fällt, die in besseren finanziellen Verhältnissen leben als sie selbst.

    Dass in der Gesellschaft an anderer Stelle Ungerechtigkeit herrscht, ist für mich kein Argument. Das muss selbstverständlich ebenfalls beseitigt werden, z.B. durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und das Stopfen von Steuerschlupflöchern bzw. strengere Steuerfahndung.

    Aus der Nähe betrachtet halte ich das gesamte Konzept für undurchdacht. Warum soll nicht auch jemand eine Grundrente erhalten, der (wohl eher die) keine 35 Jahre zusammenbekommt, weil er/sie ein krankes Familienmitglied gepflegt hat und/oder selbst krank oder unverschuldet arbeitslos war?

  7. @ Deutscher Michel: Soweit ich weiß, hat die Schweiz genau dieses System, d. h. Beitragszaghlungen sind in die AHV sind nicht gedeckelt, sehr wohl aber die Renten. Und die Schweiz ist kein Land, dass von umfangreicher Auswanderung gekennzeichnet wäre. Für Deutsche ist die Schweiz das Einwanderungsland Nr. 1!

    @ Brigitte Ernst: Österreichs Geburtenrate liegt ebenfalls bei ca. 1,5. Für einen funktionierenden Generationenvertrag zu wenig. Aber es zahlen eben mehr Personen mehtr Beiträge ein, die Unternhmen sogar noch höheren Anteil. Das Berufsbeamtentum in D gehört länsgt auf den Prüfstand.

  8. @ Brigitte Ernst

    Da Ihre Einwände wieder am Problem vorbei gehen, hier noch einmal Hubertus Heil im Wortlaut:
    „Deshalb soll es auch keine Bedürftigkeitsprüfung geben. Schließlich geht es nicht um Almosen, sondern um Lebensleistung.“ (Interview mit der „Rheinischen Post“)

    Mit einer Leistung hat man sich ein RECHT auf Gegenleistung erworben, deren Maßstab ausschließlich die erbrachte Leistung ist. Da hat schon aus Prinzip keine Überprüfung der persönlichen Umstände zu erfolgen. Dementsprechend ist in einem solchen Ansatz dieser Aspekt auch nicht verhandelbar.

    Warum Union und FDP wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen auf diesen elementaren Grundgedanken reagieren, bevor überhaupt ein Gesetzentwurf vorliegt, habe ich in meinem Beitrag gerade zu erklären versucht.
    Nicht nur, weil dieser Grundgedanke auf außerordentliches Interesse und die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung stößt. Mehr noch, weil damit eine tragende Säule einer Ideologie entlarvt wird, mit der (insbesondere die FDP) die prinzipielle Parteinahme für Interessen der Besitzenden und damit fundamentalen Verstoß gegen das Gerechtigkeitsprinzip zu verschleiern sucht.
    Selbst eine Maybritt Illner hat die Doppelzüngigkeit am Beispiel des besonders plump agierenden Ziemiak aufgedeckt:
    „Maybrit Illner legte nach: Die Christdemokraten wollten doch den Solidaritätszuschlag abschaffen? Die CDU wolle „was machen für die Menschen, die den Laden am Laufen halten“, tönte Ziemiak. Ob er da auch die Gebäudereinigerinnen gemeint hat?“
    (https://www.fr.de/politik/heil-verteidigt-sein-grundrenten-konzept-zr-11741931.html)

    Auf dümmere Weise wie Ziemiak kann man nicht selbst seine Ideologie von den angeblichen „Leistungsträgern“ entlarven, für die als Maßstab nicht tatsächlich erbrachte Leistung, sondern manipulativ erzeugter Schein von „Bedeutsamkeit“ gilt (exemplarisch verdeutlicht an abstrusen Vorstandsgehältern und -boni, die mit der Realität überhaupt nichts mehr gemein haben).
    Nun wird freilich diese Ideologie einer Scheinwelt des Kasino-Kapitalismus seit Jahrzehnten gepredigt und verbreitet, der „Respekt“ vor den „großen“ Betrügern einfordert und den Millionen „Leistungsträgern“, die wirklich „den Laden am Laufen halten“, Verachtung zollt.
    Was wundert es also, dass es Menschen gibt, die auf eine solche „Neidkampagne“ hereinfallen, die den Neid von Bedürftigen auf noch Bedürftigere schürt? (Die „Flüchtlingsdiskussion“ gibt dazu ja genügend Hinweise.)
    Das belegt natürlich überhaupt nichts, außer vielleicht, wie leicht es ist, Menschen entgegen ihren eigenen Interessen zu manipulieren. Und dazu gehört wohl auch, dass dümmliche Aufrechnungen, wer „moralisch besser“ sei, kaum ausrottbar erscheinen.

    Zur Frage der Gewährleistung von Steuergerechtigkeit (die auch die Frage der Verhinderung von Missbrauch einschließt), hat sich Bronski einleitend bereits ausreichend geäußert, weshalb sich weitere Erklärungen erübrigen.
    Dass es sich bei der „Bedürftigkeitsprüfung“ um alles andere als eine einfache „Erklärung der Vermögenssituation“ handelt, sich diese vielmehr als ein demütigendes bürokratisches Monster erweist, bei dem Aufwand und Ergebnis in einem krassen Missverhältnis stehen, hat sich in der Diskussion bei Maybritt Illner deutlich gezeigt.

    Dass an Einzelheiten des noch nicht einmal vorliegenden Entwurfs noch viel zu feilen sein wird, natürlich auch an der Frage der Finanzierbarkeit und der Festlegung von Berechtigungsgrenzen, hat niemand, und auch Herr Heil nicht bestritten. Darum geht es aber auch nicht.
    Worum es geht, ist freilich auch offensichtlich geworden: Dass ein Gedanke, der eine wirkliche Alternative zu Verkrustungen in ideologischem Denken aufzeigt, schon im Ansatz zerstört werden soll, bevor er überhaupt das Licht der Welt erblickt.
    Allein dafür, dies deutlich gemacht zu haben, gebührt Herrn Heil unser Dank.

  9. @ Werner Engelmann

    Solange der Begriff „Lebensleistung“ nur im Zusammenhang mit Erwerbsarbeit genannt wird, greift er m.M.n. zu kurz. Dazu kommt noch, wie ich bereits erwähnte, die willkürliche Festlegung auf 35 Jahre.
    Es gibt viel mehr Fälle, in denen eine hohe Lebensleistung im weiteren Sinne in Armut endet, die aber von Herrn Heil nicht bedacht werden.
    Ich bleibe dabei: Alles sehr undurchdacht.

  10. @Napez:
    sie haben wohl Recht damit, dass in der Schweiz die Beitragszaghlungen sind in die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) nicht gedeckelt sind.
    https://www.ch.ch/de/saulen-vorsorge/

    Allerdings möchte ich auf die 3. Säule (die Private Vorsorge) hinweisen, die in der Schweiz auch dazugehört.
    Diese ist in Deutschland – im Gegensatz zur Schweiz – aufgrund der EZB-Politik so gut wie nicht mehr möglich.
    Wenn dann demnächst noch mehr die gezielte Inflation zuschlagen wird
    https://youtu.be/uvthAAGjUGY
    werden viele, die noch jung und ausgebildet genug sind, die EU verlassen.

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