Die Steigbügelhalter stehen parat

Es ist geschehen, das Tabu ist gebrochen: Die CDU hat eine Abstimmung zum Thema Migration im Bundestag gewonnen – mit Hilfe der in Teilen rechtsextremen AfD. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz beharrt darauf, dass es sich nicht um eine Zusammenarbeit mit der AfD handle, doch er nimmt die rechten Stimmen billigend in Kauf.

Damit zeigt er einmal mehr, was auf der kommunalen Ebene schon offenkundig ist: Das Gerede von der „Brandmauer“ gegen die Rechten ist nichts als Geschwätz. Das gilt genauso für das aufgeblasene Thema Migration. Für die AfD ist es das Kernthema, denn damit lässt sich bestens Stimmung machen. Latente fremdenfeindliche Einstellungen vieler Deutscher werden damit bedient, und wenn eine Partei wie die AfD nun auch noch durch das strategische Desaster, das Friedrich Merz angerichtet hat, gewissermaßen geadelt wird, werden diese Menschen glauben, dass ihr Rassismus nun salonfähig geworden ist. Was man angeblich nie hat sagen dürfen, wird so zur veritablen politischen Haltung. Für diese Menschen spielt es keine Rolle, dass eine solche Haltung mit unserem Grundgesetz und damit der Grundordnung und dem Wertekanon der Bundesrepublik nicht vereinbar ist. Man kann den Menschen den ersten Paragrafen des Grundgesetzes anscheinend nicht oft genug entgegenhalten:

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Wenn da steht, die Würde des Menschen sei unantastbar, dann muss man heutzutage offenbar immer wieder darauf hinweisen, dass es um einen universellen Wert geht. Es ist nicht die Rede von der Würde des deutschen Menschen, sondern des Menschen an sich. Das schließt alle Menschen ein, die sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes befinden. Mehr noch: Daraus ergibt sich für deutsche Regierungshandelnde, dass sie als Organe dieses Grundgesetzes eine Politik machen müssen, die dem Grundgesetz entspricht und ihm zur Geltung verhilft. Sie müssen für die Werte des Grundgesetzes einstehen. Mit anderen Worten: Wenn die Merz-CDU jetzt in ihrem Antrag, der mit Stimmen der AfD angenommen wurde, einfordert, dass Menschen an deutschen Grenzen selbst dann pauschal abgewiesen werden, wenn sie um Schutz ersuchen, stellt diese Merz-CDU klar, dass sie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht.

Dass die AfD dieser desaströsen Vorlage feixend zustimmt, kann niemanden verwundern. Sie hat erreicht, was sie wollte, sie hat den größtmöglichen Schaden erzeugt. Was Alexander Gauland damals sagte („Wir werden sie jagen!“), ist eingetreten. Doch es konnte nur so weit kommen, weil die Entscheider bei CDU und CSU das Spiel offenkundig nicht begreifen, das die AfD treibt. Sie steckt den Rahmen ab, in dem CDU und CSU daraufhin bereitwillig argumentieren. Sie definiert die Parameter, und die einst so staatstragenden Konservativen lassen zu, dass die AfD sie mit dieser Strategie vor sich hertreibt. Markus Söder von der CSU ist nicht besser als sein Vorgänger Horst Seehofer (ebenfalls CSU, Stichwort Obergrenze) oder als Friedrich Merz von der CDU. Der Unterschied ist: Letzterer will Kanzler werden. Die Abstimmung am vergangenen Mittwoch hat jedoch gezeigt: Er kann es nicht. Friedrich Merz sollte nicht Kanzler werden. Doch es gibt nur eine einzige Macht, die das verhindern könnte: das Wahlvotum am 23. Februar.

Noch gibt es keine Umfragedaten, aus denen sich eine Reaktion der Deutschen herauslesen ließe. Die aktuellsten Umfragen, die derzeit vorliegen (Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, Insa und Yougov, veröffentlicht zwischen dem 27. bis 30. Januar), liefern dazu noch nichts (hier gibt es einen Überblick). Auffällig ist jedoch, dass die CDU nicht vom Thema Migration profitiert, egal was sie tut. Sie dümpelt bei blamablen 29 bis 30 Prozent, und das schon seit Wochen. Die AfD hingegen scheint sich oberhalb von 20 Prozent zu etablieren. Trotzdem springen CDU und CSU weiterhin brav über das Migrations-Stöckchen, das ihnen die AfD hinhält, und machen darin – der AfD-Diktion folgend – die Mutter aller Themen aus, welche die Deutschen umtreiben. Dem ist jedoch nicht so! Die Menschen habe andere Probleme, und davon viele, zum Beispiel Energie, Inflation und Klima, um nur drei zu nennen. Migration spielt nicht die wichtigste Rolle. Dafür gibt es Gründe: Die Zahl der Menschen, die nach Deutschland migrieren, ist stark rückläufig. Dementsprechend schrumpft die Bevölkerung Deutschlands: Bei uns sterben (aus demografischen Gründen) mehr Menschen, als durch Zuwanderung und Migration hinzukommen. Schon jetzt ist erkennbar, welche Probleme für die Zukunft sich daraus ergeben. Folglich brauchen wir Zuwanderung. CDU und CSU sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. Sie begreifen es nur nicht.

Die Mehrheit der Deutschen ist anscheinend klüger als die Wahlkampfstrategen bei CDU und CSU. Die Wählerinnen und Wähler sehen zwar, dass es im Zusammenleben mit Menschen aus anderen Kulturen Probleme gibt, und zwar nicht wenige. Aber sie lassen sich nicht weismachen, dass die fürchterlichen Attentate von Solingen, Magdeburg und zuletzt Aschaffenburg (diese Aufzählung ist nicht vollständig) für das Thema Migration insgesamt stehen. Sie lassen sich nicht erzählen, dass jene Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, zwangsläufig zu Messerstechern werden. Oder das Migranten von vornherein alle so sind. Ein solches Bild versucht die AfD jedoch auf manipulative Weise in den Köpfen aller zu implementieren, und CDU/CSU helfen ihr mit Aktionen wie der Abstimmung im Bundestag dabei.

Es ist eine Schande. Möge uns ein Kanzler Friedrich Merz erspart bleiben.


Schäbig und niederträchtig

Der Messerangriff vor wenigen Tagen in Aschaffenburg kommt der CDU doch wie gerufen. Seit den 1980er Jahren versucht die CDU das Asylrecht zu kappen. Im November 1989 schaltete die CDU-Hessen in der FAZ eine große Anzeige: „Asylrecht: Mißbrauch stoppen“. 1993 gelang es ihr mit Hilfe der Sozialdemokraten: Der Artikel 16 des Grundgesetzes wurde im Wesentlichen abgeschafft. Der CDU geht es aber nicht um Aufklärung dieses schlimmen Vorfalls. Sie missbraucht diese tödliche Messerattacke schamlos zur Verschärfung der Migrationspolitik oder besser zur Abschaffung des Asylrechts. Dazu wird sie gar nicht mit der AfD zusammenarbeiten müssen. Sie wird auf die volle Zustimmung der AfD stoßen. Dieses Gebaren der CDU ist einfach schäbig und niederträchtig, diese kriminelle Tat so zu instrumentalisieren. Die „Brandmauer“ zwischen CDU und AfD ist schon lange mehr als brüchig.

Peter Friedl, Darmstadt

Union kalkuliert mit der AfD

Friedrich Merz wird, um die Macht zu erreichen o. um sie zu behalten, wenn es später einmal dazu notwendig werden würde, auch einen Pakt mit dem Teufel (Hier AFD)schließen.
Kein Problem–bei der nachfolgenden Beichte wird ihm bestimmt Absolution erteilt werden. Eine höhere Macht, in diesem Fall seine Anhängerschaft wird schon dafür sorgen. Sein treuer Knappe, der Herr Rhein aus Hessen, wird ihm gerne folgen , unabhängig davon ob die von Herrn Merz vorgeschlagene Lösung überhaupt den Gesetzen der BRD und der EU gerecht wird.
Genauso wie Boris Rhein den Passus „Die Linke ist SED-Nachfolgepartei“ widerspruchslos übernommen hatte. Ganz offensichtlich wird beider Vorstellung nach Bodo Ramelows Denken und Handeln stets von den beiden Erichs (Honecker und Mielke) direkt aus dem fernen Jenseits bestimmt.
Man muss es halt nur glauben, so wie man es damals (um 1990) mit der Seligsprechung der Ost-CDU getan hatte und der damit alle Sünden augenblicklich vergeben werden konnten.
So wie es aussieht, ist Herrn Merzens Sprache sehr hastig und oft unüberlegt-kein Vergleich mit der hanseatischen Noblesse von Olaf Scholz. Im Grunde genommen muss man sich davor fürchten, dass der „Alte Fritz“, seinem preußischen Vorvorvorgänger einmal ähnlich,- quasi aus Versehen einem Land den Krieg erklärt-diesmal halt Russland oder auch wie 1745 einmal Österreich. (Freund Herbert Kickl wird sich nicht freuen…)

Rolfrüdiger Traub, Frankfurt

Populismus braucht immer Sündenböcke

Es ist mal wieder so weit! Rechte, Grundsätze, Ideale von Humanität wirft man mal schnell in den Papierkorb, wenn es gilt, Stammtischen zu folgen, den Faschisten der AfD nach dem Mund zu reden. In dieses Horn blasen all diejenigen, die finden, jetzt sei es an der Zeit, Herta Kante zu zeigen Trump ermutigt, Victor Orban lächelt und Österreich lässt grüßen. Dabei wissen alle, auch die ganz rechten, das das so gar nicht geht, rechtlich erst einmal, vom Menschlichen, von Humanität ganz zu schweigen. Nicht nur unsere Gesetze, die unserer EU, die Rechtsprechung auf nationaler und EU-Ebene lassen das nicht zu, auch die Tatsache, dass eine Abschiebung nur dann erfolgreich sein kann, wenn einerseits der Staat, in den es gehen soll, aufnahmebereit ist, und andererseits dieser nicht zu den Statten gehört, in die gar nicht abgeschoben werden darf. Das wissen Herr Merz, Herr Söder, Herr Spahn, Frau Wagenknecht, Frau Weidel nur zu gut. Aber sie tun so aus Gründen des Populismus, als könne man das so umsetzen. Da verbreiten diese Herrschaften lieber Populismus im Wissen, dass sie nach erfolgter Bundestagswahl wieder am Anfang stehen und zugeben müssen, dass es nicht geht. Da sind wir gespannt, wer da zum Schuldigen gemacht werden wird. Zum Glück haben wir eine Brandmauer um unser Bundesverfassungsgericht kürzlich gelegt.

Karl Stengler, Norderstedt

Die AfD wird der CDU den Gefallen gern tun

Es ist Wahlkampf, und wieder werden die Töne schärfer, und die Merz-CDU will das Wahlergebnis verbessern. Als künftiger Kanzler will er egal mit wem – also auch mit den Stimmen der AfD – abschieben und keinen mehr reinlassen ohne gültige Papiere. Damit ist die „Brandmauer gefallen. Dazu muss man keine große „Kalkulation“ anstellen. Die AFD wird der CDU den Gefallen gerne tun.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

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5 Kommentare zu “Die Steigbügelhalter stehen parat

  1. Es stockt einem der Atem und man will nicht glauben, dass das lange Befürchtete und Vorhergesehene wirklich eintreten soll: Die Union schleift aus bloßem Machthunger und mit unverhohlener Dreistigkeit die schon lange bröckelnde Brandmauer zu den deutschen (Proto)-Faschisten der sogenannten Alternative für Deutschland. Allen medialen Beteuerungen zum Trotz geht es Union und AfD nicht um das Schicksal der Opfer der letzten schrecklichen Vorfälle in Aschaffenburg und Magdeburg. Die Taten sind offensichtlich willkommener Anlass nun endlich alle zuletzt nur noch mühsam formulierten und kaum mehr glaubhaften Selbstbeschränkungen fahren zu lassen und stattdessen den gemeinsamen Kern der rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien offenbar werden zu lassen: offenen Rassismus, tief verwurzelten Ausländerhass und einen zutiefst fragwürdigen Nationalismus, der sich nicht scheut selbst Verfassung und europäisches Recht zu missachten. Das spült einen braunen Bodensatz in Deutschland an die Oberfläche, den nur gänzlich Naive noch ignorieren können.
    Das Erinnern an Auschwitz passt gut dazu. Auschwitz war der Endpunkt dessen, was mit dem Zusammengehen der nationalen und rechten Kräfte in der Weimarer Republik begonnen hatte. Und Pitt von Bebenburg weist in seinem Leitartikel in aller gebotenen Klarheit darauf hin, „dass die Mechanismen nicht verschwunden sind, die den Schrecken von Auschwitz erst möglich gemacht haben.“
    Ist es nur eine Frage der Zeit, bis Herr Merz auch von „Remigration“ spricht, bis die in Deutschland unerwünschten Menschen in Lagern konzentriert werden, bis Herr Merz Franz von Papen als historisches Vorbild nimmt, die AfD mit Hilfe der Union stärkste Kraft im Parlament wird und Merz unter Höcke Vizekanzler werden darf…? Merz ist wie seine konservativen Claqueure heute schon Mitläufer im historischen Sinne. Ob er sich dessen bewusst ist? Ein böses Erwachen wird es für uns alle geben, das steht heute schon fest. Nie wieder ist jetzt! Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!

  2. Das Positive an den Abstimmungen im Bundestag ist das niemand mehr sagen kann er hätte nicht gewusst was er oder sie macht wenn das Kreuz bei der Union gemacht wird.

  3. Im Interview mit Markus Knall und Andreas Schmidt begründet Jens Spahn die Migrationspoltik der CDU damit, dass „entweder die demokratische Mitte die illegal Migration beendet oder die illegale Migration die demokratische Mitte“. Das ist unzutreffend. Richtig ist, die Politik und der Politsprech der CDU und anderer rechtspopulistscher Kräfte zerstören die demokratische Mitte und nicht die illegale Migration.

  4. Hat denn jemand die Wahlwerbung zur Bundestagswahl der CDU gesehen ? Unglaublich so wie es früher war soll es wieder werden. Heile Welt allenthalben, unsere Kinder sollen eine tolle Zukunft haben. Klima kommt nicht vor, warum auch, stört nur. Und mit solchem Unsinn will Habeck koalieren, geht’s noch ?? Mal abgesehen von der Katastrophe gestern Abend., Damit kann niemand koalieren. Allein die Vorstellung der AfD ihrer überschäumenden Freude ob des gelungenen Coups – CDU vorgeführt – lässt doch ahnen was da noch alles kommen mag. Grauslich.

  5. zu @ Jürgen H.Winter
    Es geht nicht um das Klima und Schwarz/Grün gibt es auch nicht weil die Union das nicht will. Gestern wurde vorbereitet was passiert wenn die Koalitionsverhandlungen mit Rot oder Grün wie geplant scheitern und Schwarz/ Braun oder umgekehrt vorbereitet wird. Man sieht die zu erwartete Mehrheit wohl als so klar an das man das auch schon vor der Wahl einleitet. Es ist zu befürchten das die Überlegung am Ende aufgeht.

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