Nun ist es offiziell: ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender wird gegangen. Das entschied der ZDF-Verwaltungsrat mit der Mehrheit der unionsnahen Stimmen. Damit setzte sich der hessische Ministerpräsident in dem wochenlangen Gezerre um den Chefredakteur durch. Der Vorgang hatte für erhebliche mediale Aufmerksamkeit gesorgt, da vielerseits geargwöhnt wird, es werde versucht, von Seiten der Politik Einfluss auf die Ausrichtung des ZDF. Koch sagte jedoch, er fühle sich in vollem Maße als Volksvertreter dazu legitimiert, die Verantwortung im Verwaltungsrat auszuüben. Brender, der stets eine unabgängige Linie fuhr, hat durchaus Erfolge vorzuweisen. Allerdings kämpft auch das ZDF mit einem Rückgang der Einschaltquoten, was der offizielle Hauptgrund für die jetzige Entscheidung war, den Vertrag mit ihm nicht zu verlängern. Brender verlässt das ZDF damit im März 2010 nach zehn Jahren.
Auch die FR-Leser hatten den Vorgang kritisch begleitet. So meint Jürgen Kasiske aus Hamburg:
„Der FR sei Dank für ihre pointierte Berichterstattung zum Fall Brender/ZDF. Fortsetzung erwünscht!
In Art. 5 des Grundgesetzes heißt es: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Wie nennt man jemanden, der solche elementaren verfassungsrechtlichen Garantien bekämpft oder untergräbt? Mir fällt da ein: Verfassungsfeind. Ein Wort, das Unionspolitiker nur zu gerne zum verbalen Niederschmettern „Radikaler“ nutzen.
Koch und seinen Spießgesellen geht es ja um viel mehr als um die Personalie Nikolaus Brender. Man muss leider befürchten: um die Gleichschaltung all jener unionsunabhängigen Journalisten im ZDF, deren journalistische Freiheit und Arbeit Brender ermöglicht und schützt, und darüber hinaus um den Einschüchterungseffekt einer Ausschaltung Brenders auf das gesamte öffentlich-rechtliche Funkwesen im Machtbereich der C-Parteien.
Verantwortlich für den drohenden Verfassungsbruch wären nicht nur Koch und andere CDU-nahe ZDF-Verwaltungsräte. Die Kanzlerin scheint das ihr aus DDR-Zeiten vertraute Prinzip, dass Journalisten nichts als Transmissionsriemen der zentralen Machtorgane sein dürfen, stärker verinnerlicht zu haben, als wir alle glauben. Sie kann aber noch das Gegenteil beweisen und Parteifreunden in den Arm fallen, deren Freiheitsliebe derjenigen Walter Ulbrichts artverwandt ist.“
Dieter Hooge, ehem. Vorsitzender des Rundfunkrats des hr, aus Frankfurt:
„Was da unter Federführung des Ministerpräsidenten Koch im Verwaltungsrat des ZDF geplant ist, den Chefredakteur Brender wegzuputschen, ist beispiellos in der deutschen Rundfunkgeschichte.
Es hat schon immer, hauptsächlich von konservativ/schwarzer Seite, Angriffe auf ZDF und ARD gegeben (Rotfunk hr). Nur: Was jetzt ansteht, hat eindeutig eine neue Qualität. Hier wird ein Generalangriff auf die verfassungsmäßige Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der journalistischen Freiheit vorbereitet und höchstwahrscheinlich auch exekutiert. Das ist dann m.E. Verfassungsbruch! Die geplante Vorgehensweise wird nur noch in Italien vom „Geschäftsgebaren“ Berlusconis getoppt. Davon hat sich Koch möglicherweise beeindrucken lassen.
Wer kann diesem Mann noch in den Arm fallen? Zu befürchten ist: niemand. Es sieht nicht so aus, als könne der Brief der renommierten Verfassungsrechtler größeren Eindruck auf ihn machen. Koch ist ja stolz darauf, dass, wenn er unter Druck gesetzt wird, sein Puls langsamer wird.
Wenn auch der Intendant des ZDF laviert, so hat sich doch unter Redakteuren und Journalisten des Hauses in den vergangenen Wochen Widerstand und Solidarität mit Brender gezeigt. Wie wäre es denn, wenn im Verwaltungsrat die Beseitigung Benders gelingen würde, für einige Zeit die Bildschirme beim ZDF-Programm schwarz blieben? Das hätte in jeder Beziehung einen hohen Symbolwert: Man kann für die Rundfunkfreiheit in diesem Land durchaus schwarz sehen.
Trotzdem ist Resignation nicht angesagt. Im Dezember 1995 haben die beiden damaligen Ministerpräsidenten Stoiber und Biedenkopf einen Angriff auf die Programme der ARD gestartet. Als Reaktion wurde unter der Federführung des DGB Hessen und der Gewerkschaft IG Medien die „Initiative für einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – So viel Freiheit muss sein!“ gegründet. Mit bundesweiter Resonanz konnte durch Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und einem Rundfunk-Kongress an der Frankfurter Universität ein Beitrag geleistet werden, die Angriffe abzuwehren. Die Zeit ist reif, diese Initiative wieder zu beleben.“
Wie das gleiche Kriterium sich doch anpassen kann!
Ein Rückgang der Einschaltquoten beim Fernsehen kann einen Chefredakteur den Job kosten,
ein Rückgang der Einschaltquoten in der Demokratie kostet den Verantwortlichen gar nichts.
Liegt wohl bloß an der Definition von „Einschalten“.
Auch wenn es nicht ins Weltbild passt, Fakt ist: Koch will die in den letzten 10 Jahren um sich greifende Linkslastigkeit des ZDF, für die nicht zuletzt Herr Brender verantwortlich zeichnet, wieder zu Ausgewogenheit zurückführen. Dazu besteht angesichts der tatsächlichen Zustände aller Anlass. Es gibt dafür demokratisch legitimierte Mehrheiten, die das Recht haben, sich ihre Repräsentanten selbst zu suchen.
Scheinheilig zu verschweigen, dass als die Mehrheiten anders waren, die Roten in gleicher Weise alle konservativen Formate im ZDF reihenweise genüsslich gekillt und einen ihnen kritischen Journalisten wie Gerhard Löwenthal einfach abgeschaltet haben. Da hat keiner von denen aufgeschrieen, die sich heute über den hessischen Ministerpräsidenten empören.
Der Herr Brender taugt nicht zum Säulenheiligen des Journalismus, sondern ist ein übler linker Quertreiber und Gesinnungsjournalist. Ihn im Amt zu belassen, das wäre verantwortungslos und feige obendrein, weil es gegen den Willen der Wähler wäre, die der CDU nun einmal im ZDF Aufsichtsgremium durch freie Wahlen eine Mehrheit gegeben haben. Koch handelt wie andere vor ihm, nach vorherherrschender juristischer Auffassung und gängiger Praxis in Übereinstimmung mit Recht und Gesetz, von Verfassungsbruch kann keine Rede sein.
Nun hat es der brutalstmögliche Aufklärer mal wieder geschafft. Der Vertrag von Herrn Brender wird nicht verlängert werden. Falls sich Herr Schächter noch dazu aufraffen sollte, diesen Vorgang durch Gerichte auf ihren verfassungsmäßigen Gehalt prüfen zu lassen, so bleibt der Schaden doch erst mal angerichtet.
Egal wie Gerichte im nachhinein die Sache beurteilen werden, durch diese jetzt getroffene Entscheidung wird die Medienlandschaft eintöniger und weniger kritisch werden. In Zukunft wird es sich jeder kritische Journalist in öffentlichen Anstalten zweimal überlegen, wie kritisch er oder sie seine Meinung auf die Mattscheibe bringen möchte.
Das Signal ist klar gesetzt. Einheitliche Meinungsmache nach CDU-Lesart ist gefragt. Das wird sich in den Köpfen festsetzen. Und wer als freier Mitarbeiter, befristeter Journalist oder auch Festangestellter künftig einen Bericht zu verfassen hat, wird sich vorher überlegen, ob seine Meinung nicht irgendwelchen Politikern missfallen könnte und die Schere im Kopf haben. Er oder sie hat Zahlungsverpflichtungen einzuhalten, eine Familie zu ernähren oder sonstige Ausgaben in seinem privaten Umfeld abzusichern und kann sich eine sehr kritische Meinung wegen drohendem Verlust seines Arbeitsplatzes nicht leisten.
Der Demokratie und Meinungsfreiheit wird hier durch die Hintertür ein deutliches NEIN des Landesfürsten Koch entgegengeschleudert, das zu Einheitsjournalismus bzw. verbrecherischer Falschmeldung à la Bildzeitung führen wird.
So wird Demokratie unterlaufen und begraben.
Ähnlich wie bei den Steuerfahndern des Finanzamtes Frankfurt wird jeder eleminiert, der sich kritisch mit den System Koch auseinandersetzt.
Dieser Mensch ist zutiefst undemokratisch und es wird Zeit, dass solche Menschen gestoppt werden.
Es ist eben alles eine Frage des Standpunktes, Herr Bovier.
Herrn Löwenthal ist als Gesinnungsjournalist wie aus dem Bilderbuch eher rechts außen anzusiedeln, „kritisch“ nur gegen alles links von ihm, unfähig, sich und seinen Standpunkt in Frage zu stellen, auch neuere Ideen in Betracht zu ziehen.
Das ZDF ist jetzt zumindest punktuell etwas weniger langweilig nach Durchkochung des HR.
Der ÖR ist ein rechtswidriges Konstrukt das unter Mißbrauch des Ordnungsrechts fett gefüttert wurde.
Der Informationswert entspricht etwa der AK; somit für den demokratischen Diskurs entbehrlich oder maximal als schlechtes Beispiel zu gebrauchen.
Weg damit.
Karl Müller
@2 Joachim Bovier
Also, Sinn für Humor haben Sie, Herr Joachim, das muss ich Ihnen lassen. Was am ZDF links oder linkslastig sein soll ist mir bisher noch nicht aufgefallen. Ganz im Gegenteil. Das einzig Linke beim ZDF ist: Neues aus der Anstalt. Und damit hört es auch schon fast auf. Übrigens, Herr Brender ist alles andere als links. In diesem Zusammenhang ist von den Kochs und Co. mal wieder ein großer Popanz aufgebaut worden. Außerdem brauchen Sie sich auch gar keine Sorgen zu machen, Herr Joachim, was nun die potenziellen Brender-Nachfolger anbelangen. Erster Anwärter soll, wie man/frau hört, ein gewisser Peter Hahne sein, der auch deshalb, sozusagen folgerichtig, die Solidaritätserklärung für seinen Noch-Chefredakteur nicht unterzeichnet hat. Übrigens, dieser Peter Hahne hat auch schon mal einen Menschen (anlässlich der Tragödie von Erfurt), als Monster bzw. Monstrum bezeichnet. Wenn diese offenkundige Menschenverachtung aus einen gelernten Theologen herausplumpst, ist das schon bemerkenswert. Also, Herr Joachim, dieser Herr Hahne ist alles andere aber sicher nicht links oder linkslastig.
Wäre da noch ein weiterer Anwärter auf höhere Weihen. Peter Frey, der sich erst im so genannten Sommerinterview mit Oskar Lafontaine bis auf die Knochen blamiert hat. Offenbar hatte das aber nicht gereicht, denn erst kürzlich blamierte sich dieser Herr erneut. In seinem Bericht zur Krebserkrankung Lafontaines, konnte es sich Frey nicht verkneifen, den schmierigen Klatsch und Tratsch des Spiegels (der Spiegel ist im Übrigen auch nur noch eine Nebenstelle der BILD) zur Grundlage seines „Kommentars“ im ZDF zu machen. Offenbar ist dieser Herr Frey, wie Kollege Hahne, schlicht unfähig, mit pur-menschlichen Dingen angemessen umzugehen. Kurzum, auch dieser Herr Frey ist sicher nicht links oder linkslastig, sondern ganz im Gegenteil, er scheint eher an einer unheilbaren Links- bzw. Lafontainephobie zu leiden.
Wäre da noch die Frau Petra Gerster, sozusagen das „reinliche“ Schmuckstück des ZDF als Nachrichtensprecherin, die erst vor einigen Tagen, ganz cool und taff, bei den 19 Uhr Heute-Nachrichten von aufgefundenen Kadavern gesprochen hat, und damit 11 menschliche Leichen meinte, bei denen es sich (natürlich ganz zufällig) ausschließlich um Schwarze und Drogensüchtige in den USA gehandelt hat, die einem Serienmörder zum Opfer gefallen waren. Also auch bei Frau Gerster können Sie, Herr Joachim, völlig unbesorgt sein, von Links oder Linkslastigkeit absolut keine Spur.
Sie erwähnen, Herr Joachim, in Ihrer Verlautbarung, wie mir scheint fast schon etwas wehmütig, einen gewissen Herrn Gerhard Löwenthal, der vorgeblich einfach abgeschaltet wurde. Ich kenne den Herrn nur vom Hörensagen, ihn selbst in Aktion zu erleben und zu „genießen“, war mir – Gott sei Dank – nicht vergönnt; in der Löwenthal-Zeit war ich noch zu klein. Eines dürfte allerdings klar sein, deshalb bin ich auch personell etwas ausführlicher geworden, eher wird es zukünftig einen kleinen oder sogar großen Löwenthal beim ZDF geben, aber garantiert nix Linkes oder entsprechend -Lastiges. Sie können also unbesorgt sein.
Eine Passage von Ihnen muss ich aber unbedingt noch zitieren:
„Koch handelt wie andere vor ihm, nach vorherherrschender juristischer Auffassung und gängiger Praxis in Übereinstimmung mit Recht und Gesetz, von Verfassungsbruch kann keine Rede sein.“
Entweder haben Sie wirklich Sinn für großen Humor, oder Sie meinen einen anderen Koch. Wenn Sie allerdings DEN Koch meinen, sollten Sie sich unbedingt über seine Rechts- und Gesetzestreue einmal näher informieren. Wenn Sie nix finden sollten, melden Sie sich ruhig noch mal. Ich werde Ihnen gerne mit entsprechenden Informationen behilflich sein. Sie werden stauen, was das für ein Rechts- und Gesetzes-Früchtchen ist.;-))
mfg
Jutta Rydzewski
Es werden noch andere Skandale folgen. Die
Vergangenheit und Gegenwart sind zuverlässige Indikatoren. Verlassen Sie sich darauf. Sonst bin gerade ich kein Schwarzseher, aber hier. JG
P.S. Ich fühle mich an Franz Josef aus Bayern erinnert.
Wie heißt es doch so schön ? Wer an der Regierung ist, besitzt die Macht.
Die Macht wird ausgenützt bis an die Grenzen.Manchmal auch ein bisschen darüber.
Wir wählen (noch?) unsere Regierungen in freier, geheimer Wahl. Wie ich finde, auf sehr demokratische Art.
Unsere Gesellschaft bekommt dann die Regierung, die sie sich wählt. Wenn sie all die unschönen Affären ertragen kann – was soll man dazu sagen ? Wir sind das Volk, das frei wählen darf…
Vorschlag für eine Schlagzeile der BILD-Zeitung (eher Koch- und somit meinungsfreundlich):
„HessenPutin schlägt zurück!“
Die Bezeichung „HessenPutin“ finde ich gut – richtig gut. Wer nun immer noch sein Kreuz hinter den Namen Roland Koch bzw. die hessische CDU macht, liegt nicht viel an Demokratie.
Herr Koch interessiert dies wahrscheinlich herzlich wenig getreu dem Motto: „Bevor isch misch uffrehsch, iss ess mir liebä egal“ (Koch-Intimus Volker Hoff, Quelle: http://www.fr-online.de/top_news/1660894_Der-Albtraum-von-Roland-Koch.html)
Lug, Betrug und Zerstörung der Rundfunkfreiheit – Danke für nichts Herr Koch.
Warum wird überhaupt vom „Fall Brender“ gesprochen ? Das ist ein Fall Koch !
Und warum, Ihr lieben Hessen, kümmert sich kein Mensch (mehr) darum, wie Koch und sein Ober-Sprecherz beim HR schon seit Jahren in das Programm und in die Personalentscheidungen hineinregieren. Der Intendant dort, Helmut Reitze, kam vom ZDF, ist ein Schwarzlicht und war stets Intimfeind von Brender. Und der HR TV-Chefredakteur Theisen(auch vom ZDF) wurde von KOch direkt bestellt, Reitze durfte nur noch ausführen.
@Ansgar: Dem wirke ich ganz einfach entgegen- ich schaue diesen Käsesender HR gar nicht, da er mit Abstand das schlechteste dritte Programm in ganz Deutschland darstellt. Fängt beim Inhalt an und hört bei den Redakteuren/Moderatoren auf. Da ist ja Rhein-Main-TV fast schöner anzusehen *räsuper*
Aber Querdenker: wegschauen ist auch keine Lösung. Es reicht doch schon, wenn sich jetzt die SPD wegduckt (siehe Oppermann Spiegel online), um noch ein paar Pfründe zu sichern.
Irgendein Rotlicht, pardon Nahesteher, wird es beim ZDF schon werden, damit in Berlin schwarz beim ZDF durchregiert werden kann. Die nächsten Schachzüge stehen auch schon fest.
Merkels Wilhelm wird BR-Intendant und CDU Hanni Hüsch kommt danach. Es bleibt nur noch die Öffentlichkeit, die Presse, die gedruckte.
Ja, schaut auf den HR, auch Bembel TV genannt und was die Koch Combo dort anrichtet, aber traut euch etwas.
Eben und für „Bembel-TV“ ist mir meine Zeit zu Schade. Da kann ich auch RTL2 oder Vox schauen, viel schenken die sich nicht mehr.
Und der Emig macht es wie Landesvater Koch, nur dass der gute Jürgen dafür in den Bau wandert. Jung, Koch, Hoff & Co. dagegen dürfen munter weitermachen. Schön in einem Land zu wohnen, dass von Verbrechern regiert wird!
# 6, Jutta Rydzewski, # 2 Joachim Bovier
Frau Rydzewskis gut informiertem Beitrag kann ich nur zustimmen. Fragt sich nur, ob Herrn Boviers Auslassungen so eine ausführliche Antwort verdienen. Wieviel Humor der Herr besitzt, erscheint mir ziemlich belanglos, wichtiger ist schon die Frage, woher ein solches Weltbild kommt.
Dass Sie, Frau Rydzewski Herrn Löwenthal nicht aus eigener Anschauung kennen, ist wirklich kein Bildungsmangel. Zudem befleißigt sich Herr Bovier der Löwenthal-Diktion in Reinkultur („die Roten“, „gekillt“, „übler Quertreiber“, „Gesinnungsjournalist“). Nun ist zwar dem Löwenthal-Bewunderer schon seit einiger Zeit nicht nur sein Idol, sondern auch sein Feindbild abhanden gekommen, das dazugehörige Kalte-Kriegs-Vokabular aber noch lange nicht. Das bestätigt meine These, dass Anti-Kommunismus keines existierenden Kommunismus bedarf und diesen um Längen überlebt. Wohl aber bedarf er eines neuen Feindbilds. Und wer wäre da passender, als „Roter“, „übler Quertreiber“ und „Gesinnungsjournalist“ verketzert zu werden, als ein Journalist, der seine Unabhängigkeit bewahrt und und sich nicht vor den rechten Karren spannen lässt?
Herrn Bovier sei dennoch gedankt, das Lügengebäude eines Roland Koch bez. der „notwendigen“ Ablösung Herrn Brenders mit seinem offenen Bekenntnis zu politisch abhängigem Journalismus (wenn auch unfreiwillig) entlarvt zu haben. („Ihn im Amt zu belassen, das wäre verantwortungslos und feige obendrein, weil es gegen den Willen der Wähler wäre, die der CDU nun einmal im ZDF Aufsichtsgremium durch freie Wahlen eine Mehrheit gegeben haben.“)
„Als Verwaltungsrat wird in Deutschland das zumeist ehrenamtlich besetzte Gremium mit Kontroll- und Lenkungsfunktion in einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts bezeichnet.“
„Aufgabe des Verwaltungsrates ist es, die Interessen des Senders zu fördern, die Geschäftsführung des Intendanten zu überwachen und diesen dem Rundfunkrat zur Wahl oder ABBERUFUNG vorzuschlagen.“ (Hervorhebung von mir)
Kontroll- und Lenkungsfunktion schön und gut, Abberufung auch OK, kontrollieren und lenken soll auch jeder können, aber bitte nicht, wenn er Koch heißt. Das scheint der Tenor hier zu sein. Nicht im Geringsten geht man auf die Gründe ein, die Koch zur Abberufung Brenders gab, dieser Herr passt einem nunmal von der politischen Ausrichtung nicht, warum also sich ums Detail kümmern, der politische totale Antagonismus reicht doch völlig, von einer semi-faschistoiden Rundfunkübernahme von rechts zu fantern und Berlusconi als Vergleich zu bemühen.
Dieses Koch-Bashing, daß sich mit Argumenten gar nicht aufhält, hat in linken Kreisen scheinbar eine ganz wichtige psycho-hygienische Bedeutung, dennoch sollte die Diskussion in diesem Fall zu den zentralen wichtigen Fragen, die eigentlich gestellt werden müssten, zurückkehren.
Die wichtigste Frage scheint mir zu sein, wie man die Interessen des Senders definiert, die der Verwaltungsrat zu verfolgen verpflichtet ist. Hier liegt meines Erachtens die Krux, denn momentan scheint es so zu sein, daß die gesellschaftliche Akzeptanz, wie sie sich z.B. in Marktanteilen ausdrückt, tatsächlich die Interessen der Sender berührt. Wer also Marktanteile verliert, hat dem Sender geschadet, um es kurz zu fassen.
Wir sollten im Öffentlich-Rechtlichen von diesem Zustand wegkommen, d.h. Zustände herbeiführen, bei denen der Marktanteil nicht mehr zu den vordringlich wichtigen Interessen eines Senders gehört. Das Hauptinteresse eines öffentlich-rechtlichen Senders sollte werden, beim Inhalt, zu dessen Herstellung er gesetzlich verpflichtet ist, eine möglichst hohe Qualität zu erreichen. Was genau „hohe Qualität“ ist, müsste im Einzelnen, filigran und alle Inhalte separat betrachtend, definiert werden. Ob ein Sender diese Qualitätsmerkmale dann aufweist, muß ganz anders gemessen werden als über Marktanteile, wie das bisher zu geschehen scheint, weil Qualität nur in wenigen Fällen etwas ist, was die Masse vor Radio und TV lockt.
Zur Definition dessen, was „Qualität“ überhaupt bedeutet, müsste man auch noch mal dringend die gesellschaftlich wünschenswerten Ziele Revue passieren lassen, denn mit „Qualität“ meine ich das Maß, mit dem die Inhalte diesen Zielen zuarbeiten.
So wäre dann ausgeschlossen, daß im Großen das passiert wie es mir mal im Kleinen passierte, als ich mir im Streit darüber, welcher Kanal in eine Satelliten-Hausanlage eingespeist werden sollte (zur Auswahl standen „3sat“ versus „vox“) anhören lassen musste (in etwa wortwörtlich): „3sat ist doch große Scheiße, das sieht doch kein Mensch, da kommt doch nur Mist“.
Ist dann am Ende in einem politischen und gesellschaftlichen Diskussionsprozeß jenseits von „Marktanteilen“ festgelegt, was die gesellschaftlichen Ziele, d.h. die Qualitätsmerkmale, d.h. letztendlich das Interesse des Senders ist, so ist anschließend die Politik gefragt:
a) gesetzliche Verhältnisse einzuführen, die auf lange Sicht die Finanzierung der Sender von der Akzeptanz völlig entkoppeln, d.h. eine Finanzierung unabhängig von der Akzeptanz sicherzustellen, und
b) Mechanismen, wissenschaftliche Gremien z. B., einzurichten, die regelmäßig auf die Erfüllung der objektiv und klar definierten Qualitätskriterien überprüfen, und die Marktanteilszahlen bei diesen Prüfungen komplett außen vor lassen.
Der Vertrag eines künftigen Intendanten würde dann nicht mehr dann nicht verlängert werden, wenn sein Sender Marktanteile verloren hat, sondern dann, wenn sein Sender im produzierten Content an Qualität verloren hat.
„Das bestätigt meine These, dass Anti-Kommunismus keines existierenden Kommunismus bedarf und diesen um Längen überlebt.“
Ja, aber ist das denn nicht ganz gut so? Wenn man die Auswirkungen des real existierenden Kommunismus als schädlich für den Menschen ansieht, was sie das ja in der Praxis durchweg waren?
Sie werden es doch auch in Ordnung finden, daß Anti-Nazismus keines existierenden Nazismus bedarf. Warum soll man die gleichen Fehler immer wieder machen?
P.S. @15, Herr Engelmann,
meinen Sie wirklich allen Ernstes, eine Privatmeinung eines Herrn Bouvier bzgl. dessen, was ein Grund sein sollte, Brender nicht zu verlängern, könnte „entlarven“, was Koch im Geheimen denkt, aber nie öffentlich behauptet hat, weswegen er Brender nicht verlängern will?
Wenn Sie das tasächlich meinen, dann ist Ihnen wirklich nicht mehr zu helfen…
Und was hätten Sie denn überhaupt dagegen, wenn jemand Feindbilder suchte, haben Sie denn keine, oder dürfen nur Sie welche haben?
@Max Wedell, #17,18
Seher geehrter Herr Wedell!
Sie erweisen mir die Ehre, an meinem Verstand zu zweifeln. So muss ich wohl Ihre Bemerkung verstehen,“dann ist Ihnen wirklich nicht mehr zu helfen…“. Wie ich aber Ihrem Disput mit Frau Rydzewski u.a im Thread „Wie es in die Berge schallt“ entnehme (#22 u.a.), sind Sie ja nicht nur mit pausenlosen Belehrungen anderer Diskutanten, sondern auch mit Zuweisungen zum Psychiater recht fix. Da muss ich mir Ihre Aufmerksamkeit wohl erst noch „verdienen“ (um eines Ihrer Lieblingswörter zu benutzen)? – Bleibt nur die Frage, wie unsicher sich jemand in Wahrheit fühlen muss, der solche Rundumschläge und persönliche Beleidigungen nötig hat.
Wenn es Sie beruhigt: Das ist nicht der Grund meiner Antwort. Ihre Behauptung, es sei doch wirklich gut, dass Anti-Kommunismus den Kommunismus um Längen überlebt, kann aber nicht unwidersprochen stehen bleiben.
Doch zunächst zur Affaire Koch – Brender:
Ich würde mir nie anmaßen, über jemanden wie Herrn Brender, dessen Arbeit ich nicht im Einzelnen kenne, ein Urteil zu fällen, schon gar nicht in der pauschalisierenden und denunziatorischen Weise wie Herr Bovier (#2). Sehr wohl aber traue ich mir zu, mir ein Urteil über die Glaubwürdigkeit von Verlautbarungen von Insidern wie Mitarbeitern, Rundfunkratsvorsitzenden u.a. einerseits, einem Herrn Koch andererseits zu bilden. Dabei hilft ja auch die Sprache. (Und die verrät mehr über die Person als Ihnen lieb sein mag.)
Wie war das doch mit dem „brutalstmöglichen“ Aufklärer, dessen Aufklärerqualitäten regelmäßig dann versagen, wenn es – siehe Weimar-Gutachteraffaire – um seine Macht oder die seiner Kumpanen geht, der, ohne mit der Wimper zu zucken, ausgerechnet „jüdische Vermächtnisse“ für seine miesen Geschäfte einspannt? Es ist also abwegig, bei ihm andere Motive als die von ihm geäußerten zu vermuten? Und zwar eben die, von denen auch oben genannte Insider sprechen. – Wie Sie sehen, bin ich bei meiner Anwartschaft für die Klapsmühle in guter Gesellschaft.
Doch nun zu Ihrer Behauptung vom „guten“ Antikommunismus.
Es gab in der Tat schon kluge Antikommunisten. So Herr Bahr, Architekt der deutsch-deutschen Annäherung und wohl auch Mitbegründer der deutschen Einheit. Der sagt von sich selbst, er sei zu Beginn seiner Tätigkeit als Berater und dann als Außenminister das gewesen, was man einen „kalten Krieger“ nennt. Aber eben ein kluger und lernfähiger! Einer, der wusste, dass man auch mit Menschen völlig anderer Denkungsart sprechen und verhandeln muss statt sie als ewiges Feindbild vor sich herzutragen! Einer, der wusste, was Feindbilder (selbst, wenn sie vielleicht ursprünglich berechtigt waren!) anrichten können, wenn man sie aus dem historischen Kontext löst und auf andere Menschen überträgt, deren Meinung einem grade mal nicht passt.
Eben das war der Sinn meines Beitrags #15. Und auch, dass es des Abstands und der historischen Einordnung bedarf, wenn man eine Sache adäquat beurteilen will.
Herr Wedell! Sie setzen pauschal die „Auswirkungen des real existierenden Kommunismus“ mit „Faschismus“ und die Formen ihrer Bekämpfung gleich, meinen, so einen anachronistischen Antikommunismus rechtfertigen zu können. – Wer wirklich an einem rationalen Dialog interessiert ist, der sollte wenigstens Äpfel von Birnen unterscheiden.
Man sollte sich vielleicht darüber einigen können, dass Bekämpfung faschistischen Gedankenguts eine Daueraufgabe ist und bleibt, weil „Faschismus“ eben kein einmaliger Betriebsunfall war (und auch kein alleiniges deutsches Privileg), sondern weil – um mit Brecht zu sprechen („Arturo Ui“) – „der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem das kroch“. Weil es (im Kern) eine menschenverachtende Grundeinstellung ist, die ihr Selbstbild im wesentlichen aus einem komplexbeladenen und übersteigerten Nationalismus sowie aus Vorurteilen und Antihaltungen – also Feindbildern! – bezieht: Anti-Semitismus, Anti-Kommunismus, Anti-Liberalismus, Anti-Intellektualismus.
Schon diese noch sehr allgemeine Definition zeigt, wie schwach und unstimmig die „Totalitarismus“-These ist, welche „Kommunismus“ als einer in sich selbst begründeten gesellschaftlichen Utopie mit „Faschismus“ gleichsetzt. Sie erfasst bestenfalls gewisse Analogien in den Techniken der Machterringung und –erhaltung sowie der Propaganda. Ganz abstrus aber wird es, wenn man – wie Sie – die Selbsteinschätzung einer verknöcherten und verspießerten Bürokratenclique (die sprach übrigens vom „real existierenden Sozialismus“!) einfach übernimmt und zum Modell des „Kommunismus“ erklärt. Das ist sicher praktisch zum Schüren und Verbreiten alter und neuer Feindbilder, zum Verständnis der Realität trägt es aber gar nichts bei.
Aber, wie ich bei Ihnen lese (# 17,18), ist das ja auch der Zweck der ganzen Übung, und Sie finden es auch ganz „in Ordnung“, sich neue Feindbilder zu suchen.
Da kann ich Ihnen ein paar Beispiele wohl nicht ersparen.
1. Anfang der Fünfziger Jahre wurden in den USA Hunderttausende verdienter Bürger, Intellektuelle, Wissenschaftler, Künstler – so ein Thomas Mann mitsamt Familie, ein Charly Chaplin, ein Robert Oppenheimer („Vater der Atombombe“) u.s.w. „anti-amerikanischer Umtriebe“ verdächtigt, denunziert, verhört und auch ausgewiesen – im Namen eines Anti-Kommunismus, der sich zur Hysterie auswuchs. –
Alles „in Ordnung“, Herr Wedell? –
Man mag einwenden, dass das eine Zeit war, in der man – mit gewissem Recht – machtpolitisch die sowjetische Konkurrenz fürchtete. Eine Rechtfertigung für eine Demokratie ist dies sicherlich nicht.
2. Der gleiche Wahn mit Bespitzelung, Gesinnungsüberprüfung, Verhören, Berufsverboten zehntausender Bewerber für den Öffentlichen Dienst – und den habe ich selbst erlebt – wiederholte sich in unserer freiheitlichen Bundesrepublik zwanzig Jahre später, bis in die 80er Jahre hinein, und endgültig erst nach 25 Jahren in Form von Verurteilung bundesrepublikanischer Praxis durch den EuGH gestoppt. – Verteidigt man die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ mit Hysterie und imaginierten Feindbildern von „Kommunisten“ indem man sie aushöhlt und partiell außer Kraft setzt? – mit verheerenden menschlichen Folgen bis zur Selbstverleugnung und Selbstaufgabe (wovon ich selbst Beispiele erlebt habe). – Reale Bedrohung, das wusste man schon damals, ging zu dieser Zeit schon ausschließlich von gegenseitigem Wettrüsten aus, in keiner Weise mehr von irgendwelchen „kommunistischen“ Ideen.
Alles „in Ordnung“, Herr Wedell? –
3. Doch, so meine These, Antikommunismus bedarf gar keines existierenden Kommunismusmus, weil es um den nämlich gar nicht geht. Er ist nämlich ein patentes Mittel zur Erzeugung von Hysterie (wie auch die Beispiele zeigen). So kann man auch einen Erzkonservativen wie weiland Bismarck zum „Sozialisten“ mutieren lassen. Der hat bekanntlich in Deutschland die allgemeine Krankenversicherung eingeführt – nach Diktion der US-Republikaner in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um eine Gesundheitsreform rein „sozialistisches“ Teufelszeug. – Wie schön doch, dass „Anti-Kommunismus“ sich auf so vieles anwenden lässt! Wie sonst auch sollte man ein System verteidigen, das Hunderttausende zu menschenunwürdigem Leben verurteilt?
4. Und mit solchen neuen alten Feindbildern lassen sich auch hierzulande wunderbar Kampagnen führen: Kampagnen gegen „doppelte“ Staatsbürgerschaft (wäre auch zu gefährlich, wenn man auf einmal über seinen Tellerrand schaut), „Lügilanti“-Kampagnen (wie sollte man sonst verhindern, dass unpassende Wählervoten zu neuen machtpolitischen Konstellationen führen?). Und warum nicht auch Kampagnen gegen Menschen, die einfach nicht nach unserer Lebensart leben wollen? Oder vielleicht eine schöne kleine Kampagne gegen Chefredakteure, die nicht nach der rechten Pfeife tanzen wollen? –
Ja, Herr Wedell, wenn man das für „gut“ befindet, haben Sie sicher Recht: So schöne Feindbilder, die so vielseitig Anwendung finden können, sollte man nicht einfach aufgeben! Das wäre viel zu schade. Und hol‘s der Teufel, wenn dabei die Diskussionskultur drauf geht!
Bevor Sie mich nun endgültig zum Psychiater schicken, noch eine kleine Bemerkung: Ich möchte mir den doch bitte selbst aussuchen. Ich bin ja nicht Untergebener von Herrn Koch oder Herrn Weimar.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Engelmann
@ Werner,
auch wenn Sie sich den psychiatrischen Gutachter selbst aussuchen, wird Ihnen das nicht viel bringen. Zumindest, wenn es Ihnen so geht wie mir. Die Richterin hat das Gutachten einfach nicht anerkannt. Ob wohl es von einem bei dem Gericht zugelassenen Gutachter (Facharzt) ausgestellt wurde. Sie hat zu mir wortwörtlich gesagt: *Das nützt Ihnen doch alles nichts. Ich werde Sie so lange zu einem Arzt schicken bis ich ein dementsprechendes Gutachten habe*.
Bitte lesen Sie auch:
*Der Pakt mit dem Teufel
und seine Vorgeschichte*.
Mit freundlichen Grüßen
Erhard Jakob