Kindswohl steht nicht im Vordergrund

Der Deutsche Ethikrat fordert die Schließung der Babyklappen. Sie seien verfassungswidrig, da sie das Recht der dort abgegebenen Säuglinge auf spätere Kenntnis ihrer Herkunft verletzten. Das könne psychische Folgen für die Betroffenen haben. Stattdessen schlägt der Ethikrat zur Schließung der de facto vorhandenen rechtlichen Lücke ein „Gesetz zur vertraulichen Kindesabgabe mit vorübergehender anonymer Meldung“ vor. Die Entscheidung des Ethikrates fiel allerdings nicht einstimmig. Sechs Mitglieder gaben ein Minderheitenvotum ab. Die Verfassungsrechtlerin Kristiane Weber-Hassemer sagte: „Im Einzelfall steht der Schutz des Lebens höher.“ Ähnlich äußerte sich auch die EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Margot Käßmann. Der „Sozialdienst katholischer Frauen“ hingegen will nun über die 19 von diesem Verband betriebenen Babyklappen nachdenken. Astrid Hölscher meint im FR-Kommentar: „Vielleicht brauchen wir irgendwann keine Babyklappen mehr; wenn ungewollt Schwangere vertrauensvoll in neuen Institutionen um Rat und Hilfe nachsuchen. Noch weniger aber brauchen wir heute Ethikräte, die um der Grundsätze willen die Wirklichkeit leugnen.“

Zur Forderung des Ethikrats meint Johannes Igel aus Morbach:

„Was Frau Hölscher über die Entscheidung des Ethikrats, die Babyklappen in Deutschland abzuschaffen, in ihrem Kommentar schreibt, enthält mehr ethische Elemente als das, was der Ethikrat darlegte. Ich finde es erstaunlich, dass sich in dem 76-seitigen Papier des Ethikrats nur zehn Seiten mit der ethischen Problematik beschäftigen. Diese Tatsache allein macht deutlich, dass sich der Ethikrat gar nicht die Mühe machte, das Wohl des Kindes in den Vordergrund seiner Überlegungen zustellen. Im Gegenteil! Der Ethikrat handelt, wie es für elegante Juristen üblich ist. Streng nach Aktenlage. Das ethische Gewissen wird dabei ausgeschaltet.
Was mich an der Tatsache jedoch mehr als bedenklich stimmt: dass die Vorsitzende des „Sozialdiensts katholischer Frauen “ Maria Elisabeth Thoma dieser Auffassung folgt. Frau Thoma will wohl in die Fußstapfen eines Herrn Globke treten, der war auch katholisch und hat die Rassengesetze erfunden. Unterstützt wurde er dabei auch von eleganten Juristen, die streng nach Aktenlage handelten. Es ist daher gut, dass die beiden großen Kirchen einstimmig diesem menschenunwürdigen Handeln des Ethikrates die Rote Karte zeigen.“

Ulf D. Posé, Präsident des Ethikverbandes der deutschen Wirtschaft e.V., aus Mönchengladbach:

„Der Ethikrat hat Recht, wenn er auf die Problematik konkurrierender Werte und Güter hinweist. Er hat ebenfalls Recht, wenn er auf die juristischen Probleme hinweist. Im Kern konkurriert bei der Babyklappe das Recht auf Leben mit dem Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft. Das Recht auf Leben kann gewährleistet werden durch Adoption oder durch anonyme Entbindungen in Kliniken. Was jedoch ist mit den Müttern, die sich dazu nicht entschließen wollen oder können? Genau hier ist die Babyklappe eine sinnvolle Alternative, die als zusätzliche Hilfe neben der Adoption ein höher zu schützendes Gut darstellt als das Problem einer nicht bekannten Herkunft.
Leider ist es nicht möglich, ein Baby zu befragen, was ihm lieber sei. Daher sollte aus ethischer Güterabwägung das Recht auf Leben als höherwertig angesehen werden.   Unser Grundgesetz sieht in der Präambel vor, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie zu schützen und zu achten ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt.  Es wäre peinlich, wenn juristische Grundsätze und Gesetze unseren höchsten ethischen Grundsatz dominieren sollten. Es wirkt darüber hinaus etwas feige, wenn ausgerechnet der Ethikrat ein Gesetz als höherwertig ansieht als die davon betroffenen Menschen. Gesetze sind für Menschen, das Menschliche da, nicht gegen sie.
Die Babyklappe hat sich bereits bewährt. Obwohl wir seit Jahren einen Geburtenrückgang verzeichnen, ist die Zahl der in Babyklappen abgegebenen Neugeborenen konstant. Das zeigt, wie wichtig die Babyklappe ist. Es gilt zu fragen, was wäre die Alternative?
Diskussion: frblog.de/babyklappen

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3 Kommentare zu “Kindswohl steht nicht im Vordergrund

  1. Oh doch, das Wohl des Kindes steht sehr wohl im Zentrum der Überlegungen des Ethikrates und das kann man natürlich nicht mit der Befragung von Babies – sehr wohl aber mit der Befragung von Adoptivkindern herausfinden. Es gibt gute Forschungsergebnisse über die Stituation von Kindern bzw Erwachsenen, denen es nicht gelingt, ihre Herkunft zu ergründen. Viele leiden ganz erheblich darunter.
    Dazu kommt, daß die in Babyklappen abgegebenen Säuglinge keineswegs von verzweifelten Müttern abgegeben werden, die anderenfalls diese Kinder umbringen oder aussetzen würden. Mütter, die ihre Schwangerschaften verleugnen bzw. massiv ablehnen und dann die Neugeborenen kurz nach der Geburt – in einem absoluten Ausnahmezustand – töten bringen diese Babies eben nicht zur Babyklappe. Andererseits können auch Großeltern, Zuhälter, die dazugehörigen Väter eine Frau dazu zwingen, das Kind zur Klappe zubringen. Darüber hat man dann keinerlei Informationen oder Auskünfte: ist ja alles schön anonym!

    Meiner Ansicht nach sind Babyklappen Einladungen zur anonymen Beseitigung eines wie auch und wen auch immer störenden Säuglings. Es war von Anfang an eine grundfalsche Idee, wieder auf diese mittelalterliche Art und Weise der Babyentsorgung zurückzukommen.

    Gute niedrigschwellige Beratungsmöglichkeiten, ein gutes, aufmerksames Umfeld währen sowohl für die Mutter als auch für die Zukunft der Kinder wesentlich besser. Und da gibt es ausgezeichnete Ansätze und Möglichkeiten.

    Nein, die Zahl der in Babyklappen abgegebenen Babies ist überhautp kein Hinweis auf ihren Nutzen! Zumal die Zahl der getöteten oder ausgesetzten Babies seit Einrichtung der Klappen in etwa gleich geblieben ist.

  2. „Goethes Gretchen — Das Leben und Sterben der Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt“, Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1999 (1. Aufl.). Daten zu S.M. Brandt: Geboren am 08.02.1746 + verhaftet am 03.08.1771 + mündliche Verhandlung am 09.01.1772 + hingerichtet (Enthauptung) am 14.01.1772 + posthum mündlich verhandelt & freigesprochen am 28.08.1998.

    Goethe hat den Prozeß (im Rahmen dar damaligen Gerichtsbarkeit der Stadt Frankfurt/Main) aufmerksam verfolgt, das trug bei zur Gestaltung von Gretchen in Faust. Brandts Verteidiger hat sehr modern, im Geiste der Aufklärung argumentiert (Prozeßakte ist erhalten geblieben) — so Kommentare aus der Nachwelt (z.B. 1998).

    Der Ethikrat hat sich ein sehr komplexes schwieriges („undankbares“) Thema vorgenommen… Die Babyklappe galt & gilt (vielen) als Einrichtung im Geiste der Aufklärung, vielen Betroffenen ist sie die humane Lösung, denn in diversen sozialen Lagen wollen die Kindeseltern gar kein Kind. Wird die Babyklappe abgeschafft, ergeben sich zwangsläufig viele Tragödien, ob daraus resultierende Kindes-Tötungen bzw. -Mißhandlungen statistisch klar erfaßt werden können, ist auch eine Frage.

    Die vom Ethikrat zu Kindeswohl angeführten Argumente sind auch vertretbar, zweifellos. Eine wahrlich schwierige Erwägungsfrage. Es wäre m.E. empfehlenswert gewesen, erst eine öffentliche Debatte einzuleiten; ob der Ethikrat so etwas gemäß Statut machen kann?

    Ob der Ethikrat sich auch dem Adoptionsrecht zuwendet?!

  3. Männer nehmen leider ihre Sexuallität oft weniger ernst als die Frauen. Frauen sind oft diesbezüglich bin vor Lieb bzw. Vertrauen. Männern geht es oft darum, den Geschlechtstrieb zu befriedigen. So passiert ist oft, dass es zu einer ungewollten Schwangerschaft kommt. Dann stehen die Frauen oft -von allen Menschen verlassen- allein da.

    Machnche kommen damit nicht klar und töten dann den neugeborenen Menschen.

    Doch schlimmer als die *Mörderin* sind aus meiner Sicht die Menschen, die sie in diese Lage gebracht und dann allein gelassen haben.

    Die werden leider nicht auf die Anklagebank gesetzt. Ganz im Gegenteil! Die setzen sich auf die Zuschauerbänke und feixen sich eins.

    Aber, das ist in einem Gerichtsprotokoll-fälscher, Hehler und Totschweigerstaat
    nun mal so!

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