Christoph Matschie zieht es nicht in die Arme von Bodo Ramelow. Zwischen den beiden Herren sei keine Vertrauensbildung möglich gewesen, lässt er sich vernehmen. Da muss wohl höllisch getrickst worden sein. Die hohen Hürden, die auch Matschie selbst aufstellte, erwiesen sich als unüberwindlich: Für den angehenden stellvertretenden Ministerpräsidenten Thüringens war es unvorstellbar, Stellvertreter eines Ministerpräsidenten Ramelow zu werden. Doch die Linke stellt in Erfurt deutlich mehr Abgeordnete als die SPD. Nach bisherigem, jedenfalls meist zelebriertem demokratischem Usus hätte sie den Ministerpräsidenten eines Links-Bündnisses aus Dunkelrot-Rot-Grün stellen können. Allerdings hat es auch schon Fälle in der bundesdeutschen Geschichte gegeben, in denen der Spitzenkandidat einer kleineren Partei Ministerpräsident wurde.
Doch nun zieht es Matschie auf das schwarz-rote Kuschelsofa zur CDU-Frau Christine Lieberknecht. Schwarz-Rot, im Bund gerade abgewählt, macht auf Landesebene weiter. Mit dem Ergebnis, dass es in Teilen der thüringischen SPD-Basis nun köchelt. Viele Sozialdemokraten wären lieber mit der Linken gegangen, um eine neue Politik für Thüringen zu beginnen, wie es heißt. Und vielleicht auch, um ein Signal für den Bund zu setzen.
Hermann Bender aus Bad Bergzabern:
„Jetzt reicht’s! Was die Thüringer SPD-Führung sich hier leistet, ist eine menschenverachtende Schmierenkomödie: Wer hat sich denn bis zur Selbstaufgabe demütigen und vorführen lassen? Etwa Möchtegern-Macho Matschie? Nein! Bodo Ramelow. Wer achtet demokratische Spielregeln nicht, die Linke oder eine SPD, die zwar mit der Linken koalieren möchte, aber um den Preis, dass sie ihre politische Minderwertigkeit erklärt? „Verarscht“ wurde die Linke, nicht die SPD. Hätte Matschie sich mit seiner Demütigungspolitik durchgesetzt, wäre Thüringen zu einer Art politischem Apartheidstaat verkommen: Die Mehrheit darf zwar die Drecksarbeit machen, aber gleichberechtigt ist sie deshalb noch lange nicht.
Jetzt genau in jene Koalition einzutreten, für deren Beendigung man angeblich im Bundestagswahlkampf gekämpft hat, zeigt nur, auf welchem Tiefpunkt die SPD angelangt ist. Man hat nichts begriffen, und schlimmer geht immer! Weiter so, dann bekommen wir eine „ganz neue“ SPD, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte. Aber wen wird das dann noch scheren?“
Oliver Laudahn aus Berlin:
„Wer rot wählt, will keine schwarze Regierung, wer schwarz wählt, keine rote. Insofern ist eine „große“ Koalition immer die schlechteste aller möglichen Regierungsvarianten, weil sie keine demokratische Legitimation hat. Der Wählerwille in Thüringen sieht vor, dass fast 70 Prozent der Wahlberechtigten eben nicht die CDU gewählt haben. Insofern entspräche eine rot-rot-grüne Regierung viel mehr dem Willen des Wählers als eine rot-schwarze, in der wirkliche Politikerneuerung gar nicht vorkommen kann, weil die beiden Parteien CDU und SPD viel zu unterschiedliche Ansichten haben (müssten). Eine große Koalition wird in fünf Jahren zu einer Stärkung der Linken führen – ob das gewollt ist?“
Raimund Burgard aus Apelern:
„Es war vorhersehbar, Herr Matschie wollte eine Koalition mit der CDU. Landtagswahl vorbei, vergessen alle Worte nach einem Neuanfang der SPD. Matschie ist der Totengräber der SPD. Er hat ohne Not eine Koalition mit der CDU angeboten, obwohl es bessere Optionen gab. Der SPD ist nicht mehr zu helfen. Die Verräter nach der Landtagswahl in Hessen – verheerend für die SPD. Der Verräter nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein – verheerend für die SPD. Jetzt Herr Matschie, der sein Wahlversprechen gebrochen hat. Ob das Saarland folgt? Den Grünen muss doch inzwischen die Lust an einer Koalition mit der SPD gründlich verdorben worden sein, wen muss es da wundern, wenn sie sich, unter Schmerzen zwar, für CDU-FDP entscheiden? Arme SPD, armes Deutschland.“
Jürgen Kasiske aus Hamburg:
„Überall, wo die Mandatsmehrheit bei Union und FDP liegt, wird die SPD wie ein räudiger Hund vom Hof gejagt. Aber da es in Erfurt für Schwarz-Gelb derzeit nicht reicht, darf die SPD apportieren. Mehr als Ersatz-FDP ist sie nicht, und man wird sie wie in Berlin, Dresden und Kiel wegtreten, sobald die echte FDP in hinreichender Stärke zur Verfügung steht. Klar, es wäre vermessen zu sagen, die SPD in Thüringen habe sich der Union völlig angeglichen. Denn es gibt einen wichtigen Unterschied: Die CDU hat Lieberknecht, die SPD ist lieber Knecht.
Damit das nicht wirklich ganz und gar stimmt, wäre es wichtig, dass die innerparteilichen Kritiker nicht klein beigeben, dass sie den kommenden Parteitag zur Bühne des Protests machen.“
Mit großem Unverständnis nahm ich zur Kenntnis, dass die SPD in Thüringen nun doch eine Koalition mit der CDU anstrebt. Die Art, wie die SPD in den Bundesländern wiederholt der CDU zur Macht verhilft, liegt offenbar an der Angst, durch die Linke vereinnahmt zu werden, zweifellos ein Zeichen fehlenden Selbstbewusstseins.
Sowohl in Hessen wie auch in Hamburg gab es bei den Landtagswahlen 2008 eine linke Mehrheit, mit dem Erfolg, dass in beiden Fällen die CDU das Sagen hat. In beiden Fällen war der Grund für das Desaster die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Linken, obwohl die Programme von SPD und den Linken wesentlich mehr Gemeinsamkeiten aufweisen als diejenigen zwischen SPD und CDU.
Eine SPD, die durch mangelndes Selbstvertrauen der CDU zur Macht verhilft, sollte man nicht mehr wählen, – es sei denn, dass sich die Basis der Partei und die Jusos diesen Schwenk zur CDU nicht bieten lassen und den Koalitionsbeschluss auf einem Sonderparteitag kippen – und so die Partei retten. Hoffen wir, dass diese Rettung gelingt.
Das ist halt das Dilemma der SPD: Vor den Wahlen gross von notwendigen Veränderungen schwadronieren, und wenn der böse Wähler dann tatsächlich so abstimmt, dass Aenderungen möglich wären, kalte Füsse bekommen. Nur, liebe SPD, so braucht Euch kein Mensch. Will ich tatsächlich etwas ändern, muss ich „Die Linke“ möglichst stark machen.
Soll alles so bleiben wie bisher oder noch schlechter werden, bleibe ich beim neoliberalten Original CDU/FDP.Und dass nun die Rechte der Arbeitnehmer/Arbeitslosen gnadenlos demontiert werden, auch daran ist die SPD nicht unschuldig.
Vor 40 Jahren bereits hat der Liedermacher Degenhardt den Zustand der SPD in seinem Lied vom „alten Sozialdemokraten“ treffend charakterisiert: „Ich sage dir so geht das nicht, sagt der alte Sozialdemokrat und spricht und spricht und spricht… bloss ändern, das will er nicht“
Die SPD gibt sich halt mit dem 3.Platz in Thüringen nicht zu frieden.
Dann kann es aber kommen, dass eines schönen Wahlabends die Sozis in Thüringen die 5-Prozent-Hürde nicht mehr meistern. Wird dann solches Tun einst Matschen genannt?
@4
Man könnte vermuten das es Leute in der SPD gibt die das als Ziel haben.
Übrigens nicht nur in Thüringen. Hartz4 war auch ein ernsthafter Versuch von den Herren Schröder und Steinmeier dahin zu kommen.