Frankfurter Rundschau Projekt

 

„Benda, wir kommen!“

Von Paul R. Woods

 

Ach ja, 1968… im Januar dieses Jahres wurde ich 23 Jahre alt. Für mich persönlich war 1968 so:

Januar 1968 – Umwandlung des „Club Elan“ (linkes Jugendmagazin) in die Kölner Gruppe der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend), womit alle Abonnenten zu Gründungsmitgliedern wurden, darunter auch meine Verlobte und ich.

9. Februar 1968 – Heirat (ich 23, sie 19) – nur ein kleine Feier, aber immerhin brauchte der Vermieter den Kuppelei-Paragraphen nicht mehr zu fürchten.

April 1968 – Einstellung bei einer Krankenkasse. Da sich die Geschäftsstelle auf dem Hohenzollernring in Köln befand und damit nahe am wichtigen Verkehrsknotenpunkt Rudolfplatz, konnten wir vom Büro die Sit-ins der linken Studenten stets gut beobachten.

Nach dem Anschlag auf Rudi Dutschke (11. April 1968) haben meine Frau und ich beim damaligen Drucker der Bildzeitung in Köln, dem Druckhaus Dumont-Schauberg, protestiert. Als die Polizei räumen wollte, hat der Verleger die Protestierenden auf das Firmengelände gelassen und der Polizei mitgeteilt, dass wir eingeladen wären. Springer entzog danach den Druckauftrag, der aber ohnehin für das Druckhaus als Herausgeber des Kölner Express eine etwas seltsam anmutende Sache war.

Mai 1968 – per Anhalter zum 150. Geburtstag von Karl Marx nach Trier. Mitten in der linken Veranstaltung kommt der sowjetische Botschafter Zarapkin herein, offensichtlich von der lokalen Polizei statt zur SPD zu den Kommunisten „fehl“-geleitet. Aber die „Internationale“ klingt auf Russisch sehr gut.

11. Mai 1968 – Sternfahrt nach Bonn zur Demo gegen die Notstandsgesetze („Benda – wir kommen“).
Bei der Rückfahrt nach Köln war der Zug mit roten Fahnen, die aus den Fenstern gehalten wurden, geschmückt. Leider hatten wir alle den Signalmast am Ende des Bahnsteigs übersehen und so wurden die meisten Fahnenstangen abgebrochen und die Fahnen blieben zurück.

Juni 1968 – Beitritt zum SDS, Köln. Die lokale Gruppe wollte die Fiktion einer Studentengruppe aufrecht erhalten und so wurden alle, die in Arbeitsverhältnissen standen, lediglich als „fördernde“ Mitglieder geführt.

August 1968 – Protest vor der sowjetischen Handelsmission auf der Aachener Straße, Köln, gegen die Unterdrückung des Prager Frühlings, wobei auf Russisch mit kyrillischer Schrift „Lenin, wach auf, sie sind verrückt geworden“ auf die Fassade in rot gepinselt wurde.

Herbst 1968 – Beginn der Mitarbeit in der Organisation „Kölner Notunterkünfte“ um die jugendlichen Mitläufer nach den Demos für die Nacht zu beherbergen. Hieraus entstand im Jahr darauf der Verein „Sozialpädagogische Sondermaßnahmen Köln“ (SSK – später „Sozialistische Selbsthilfe Köln“), dem ich dann als Vorstandsmitglied angehörte.

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woods-kleinDer Autor

 

Paul R. Woods, geboren 1945 in Amsterdam,
lebt in Neumagen-Dhron und
arbeitete für die EU. Er ist verheiratet
und hat zwei Töchter.

 

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Ein Kommentar zu “„Benda, wir kommen!“

  1. Benda, wir kommen. Ja, Benda war damals Justizminister der ersten GroKo und Autor der Notstandsgesetze. Später im Ruhestand, wurde er wie viele andere Ex-Politiker kritisch.

    In Saarbrücken haben wir bei Demos gerufen: „Scherer, wir kommen“ Scherer war damals Saarländischer Kultusminister und für ein reaktionäres Universitätsgesetz sowie für Kürzungen im Bildungsbereich zuständig, ob wohl doch in den siebziger Jahren die Wirtschaft florierte und die Steuern noch flossen – bei anderen Steuersätzen als heute.

    Ich sende Paul R. Woods viele Grüße an die schöne Mosel, wo ich 130 Jahre nach Karl Marx geboren bin.

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