„Wir wünschen uns Anerkennung für unseren Berufsstand“

Der Kita-Tarifstreit ist nicht beendet. Bei zunächst letzten Verhandlungen konnten sich die Gewerkschaften und der kommunale Arbeitgeberverband VKA nicht auf eine Übernahme des Schlichterspruchs verständigen. Die Schlichter hatten eine Gehaltserhöhung für Erzieher/-innen und Sozialarbeiter/-innen vorgeschlagen, die für die unterschiedlichen Tarifgruppen zwischen zwei und 4,5 Prozent hätte liegen sollen — bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von fünf Jahren. Das Kita-Personal ist eine der Berufsgruppen in Deutschland, bei denen der gesellschaftliche Wert nicht im Einklang mit der Bewertung durch die Gesellschaft steht. Es gilt als tendenziell unterbezahlt und überlastet. Zu diesem Thema ein Gastbeitrag von 36 Studierenden des zweiten Fachsemesters (berufsbegleitend) im Studiengang „Pädagogik der frühen Kindheit B.A.“ der Hochschule Koblenz.

„Wir wünschen uns Anerkennung für unseren Berufsstand“

Beim Erarbeiten und Erproben der Methode „Szenariotechnik“ im zweiten Semester des Studiengangs „Pädagogik der frühen Kindheit“ entstanden folgende Szenarien. Sie zeigen deutlich, was uns als Erziehern wichtig ist, was unsere optimale Vorstellung (Positiv-Szenario) ist und wo wir nicht hinwollen (Negativ-Szenario). Es geht bei diesen Szenarien um folgende Schlüsselfrage:  „Welche Bereiche erscheinen aus heutiger Sicht bedeutsam, wenn es um die Sicherung und den Erhalt der personellen Ressourcen geht?“ Herausgearbeitet haben wir folgende Schlüsselfaktoren, die für uns eine große Bedeutung haben, wenn es darum geht, den Beruf des Erziehers wieder attraktiver zu machen:

  • Qualitätskonzepte
  • Gesundheit
  • Betreuungsschlüssel

Die daraus entstandenen Szenarien sind frei erfunden und stellen nur eine Zukunftsvision dar. Hier das Negativ-Szenario/worst case Scenario in Form eines Zeitungsberichts.

Negativ-Szenario im Jahr 2030

In den Kitas in Deutschland herrscht massive Personalnot. Durch viele anfallende Überstunden hat der Träger die weitere Ausarbeitung des angestrebten Qualitätskonzeptes gestoppt – Weiterbildungen der pädagogischen Fachkräfte wurden als zu teuer gekürzt. Durch die massive Personalnot bei gleichbleibenden Kinderzahlen wurde der Betreuungsschlüssel gesenkt = nach außen ist das Problem mangelnder Fachkräfte somit gelöst, viele Kinder sind untergebracht, jedoch zu welchem Preis? Aus dieser Situation bilden sich viele gute Fachkräfte weiter (z.B. berufsbegleitendes Studium) und wandern so aus den Kitas ab.

Zu viele Kinder, zu wenig Personal! Die ständige Überlastung der verbleibenden Fachkräfte sowie keinerlei Aussichten auf einen beruflichen Aufstieg haben nicht zuletzt eine hohe gesundheitliche Belastung (Burnout) und große Frustration zur Folge. Dies wiederum bedeutet, dass sich immer weniger junge Menschen zu pädagogischen Fachkräften ausbilden lassen, zumal auch nichts für eine bessere Ausbildung getan wird.
Mit Investitionen im Bildungsbereich und guten Überlegungen seitens der Ministerien könnte es 2030 aber auch besser aussehen und entspräche so unseren Vorstellungen.

Positives Szenario im Jahr 2030

Hier die neuesten Meldungen aus dem deutschen Bildungsministerium: Nach der Auswertung unserer neuesten Zahlen können wir erfreut berichten, dass allen Kindern in unserem Land ein Kitaplatz zur Verfügung steht. Dies betrifft sowohl die drei- bis sechsjährigen Kinder als auch die unter drei Jahren. Der Betreuungsschlüssel konnte angehoben werden, kleinere Gruppen wurden geschaffen. Zusätzliche Stellen für FSJler (Freiwilliges Soziales Jahr) wurden ebenfalls eingerichtet. Durch gut ausgearbeitete Qualitätskonzepte der Träger, die in den letzten Jahren bundesweit vereinheitlicht wurden, konnten mehr qualifizierte Fachkräfte gewonnen werden, nicht zuletzt auch durch eine bessere Bezahlung und bessere Ausbildungsinhalte. Die Zahl der studierten pädagogischen Fachkräfte nimmt zu, da diese ebenfalls deutlich besser bezahlt werden. Somit nimmt auch die Akademisierung dieses Berufsstandes zu, was wiederum dazu beiträgt, dass wir uns im europäischen Vergleich sehr gut positionieren können.

Die gesamte Situation in den Kitas hat sich durch diese Entwicklung geändert. Die Krankheitstage der pädagogischen Fachkräfte sind deutlich zurückgegangen, der Umgang mit Ressourcen stimmt und nicht zuletzt hat sich die Qualität der pädagogischen Arbeit in den Kitas stark verbessert. Ein weiteres Ziel unsererseits ist nun, den gesamten Kitabereich an das Schulsystem anzugliedern, um noch weitere Verbesserungen dieser wichtigen Arbeit zu erreichen.

Wenn die Regierung zuhören würde …

Was könnte passieren wenn die Regierung, die Träger und weitere Verantwortliche sich der Situation in den Kitas und der Arbeitssituation der Erzieher annehmen, ihnen zuhören und entsprechend handeln? Dieses Handeln liegt jedoch immer im Ermessen der einzelnen Träger und so kann es, im Gegensatz zum Positiv-Szenario, zu unterschiedlich Bedingungen bei unterschiedlichen Trägern kommen. Wenn Träger sich, wie im vorliegenden Fall, entschließen könnten, in ein Qualitätsmanagement und in eine bessere Weiterbildung ihrer pädagogischen Fachkräfte zu investieren und den derzeitigen Betreuungsschlüssel überdenken würden, ist die Chance, neue Fachkräfte zu gewinnen, recht hoch. Dazu das Trendszenario in Form einer E-Mail.

E-Mail einer pädagogischen Fachkraft einer Kita an eine befreundete Kollegin einer anderen Kita.

Liebe Jana,
bei unserem Gespräch letzte Woche ist mir aufgefallen, wie unglücklich und überlastet du in deiner Kita bist. Das ist ja auch kein Zustand. Deshalb wollte ich dich fragen, ob du nicht Interesse an einer Stelle in unserer Kita hast? Bei uns in der Kita ist nämlich gerade eine 100% Stelle frei. Unser Träger hat sich in den letzten Jahren sehr für eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen eingesetzt und den Betreuungsschlüssel erhöht. Zusätzlich haben wir zwei FSJ’ler in unserer Einrichtung, die uns unterstützen. Jeder pädagogischen Fachkraft stehen sechs Fortbildungstage im Jahr zu. Die Fortbildungen werden bis auf einen kleinen Eigenanteil bezahlt. Ich fände es toll, wenn du zu uns in die Kita kämst! Hier die Internetadresse zum Nachlesen. Denk dran: Wir müssen uns als pädagogische Fachkräfte nicht alles gefallen lassen und auch mal an uns und unsere Gesundheit denken – also lieber mal die Stelle wechseln, wenn dort bessere Bedingungen sind.
Liebe Grüße
Sabrina

Wir, 36 Erzieherinnen und Erzieher und gleichzeitig berufsbegleitend Studierende im Alter von 22 bis 54 Jahren, wünschen uns Anerkennung und Verständnis für unseren Berufsstand und laden alle Leser dazu ein, sich für die Hintergründe und Arbeitsbedingungen in den Kitas zu interessieren. Sprechen Sie Erzieher an, schauen Sie genau hin! Die Arbeit in den Kitas ist wichtig! – Denken Sie daran, Erzieherinnen und Erzieher legen in unserem Land den Grundstock für die Bildung der Kinder und setzen wichtige Akzente beim Erwerb der kindlichen Kompetenzen, besonders im emotionalen und sozialen Bereich.

 

Studierende des zweiten Fachsemesters (berufsbegleitend), Studiengang „Pädagogik der frühen Kindheit B.A.“, Hochschule Koblenz

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Ein Kommentar zu “„Wir wünschen uns Anerkennung für unseren Berufsstand“

  1. Gut, daß dieses Thema auch hier aufgegriffen wird, obwohl ich nicht so recht weiß, was man dazu sagen soll.

    Wer könnte gegen eine Aufwertung dieser Berufsgruppen sein ?

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