Wild gewordene Staatsanwälte

Der Streit um das Steuerabkommen mit der Schweiz ist immer noch nicht beigelegt. Auf Druck der Bundestagsopposition hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nachverhandelt, seine schweizer Verhandlungspartnerin Eveline Widmer-Schlumpf kam ihm entgegen. Deutsches Schwarzgeld auf schweizer Konten soll nun mit bis zu 41 Prozent nachbesteuert werden. Wird das Schwarzgeld vererbt, fallen 50 Prozent Erbschaftssteuer an. Das schweizer Bankgeheimnis bleibt unangetastet. Das sind einige Erfolge, die sich Schäuble ebenso wie die Opposition da gutschreiben lassen können – jedenfalls wenn man bedenkt, dass es bisher kein derartiges Abkommen gab und dass seit Jahren darum gerungen wird. Aber für die SPD ist es noch nicht genug. Die Position des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel: „Wenn die Schweiz bereit wäre, die Schlupflöcher zu schließen und die Möglichkeiten zur Steuerflucht in der Zeit bis zum Inkrafttreten des Abkommens zu verhindern, kann die Zustimmung der SPD erreicht werden.“ Er will dem Abkommen weiterhin nicht zustimmen. Über den Bundesrat könnte die Opposition das Abkommen tatsächlich verhindern. Ob ihr dazu geraten werden soll? FR-Kommentator Markus Sievers ist mit dem Ergebnis eigentlich ganz zufrieden.

Die Schweizer nicht. Die „Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz“ (Auns) will das Abkommen per Referendum verhindern, wie die Basler Zeitung berichtet. Die Schweiz hat den Deutschen erst kürzlich gezeigt, was eine Harke ist: Schweizer Staatsanwälte erließen Haftbefehl gegen drei deutsche Steuerfahnder, die sie der Wirtschaftsspionage beschuldigen. Und das ist noch nicht ausgestanden.

Wolfgang Müller aus Aschaffenburg meint dazu:

„Wenn Schweizer Banken die Steuerhinterziehung von deutschen Vermögenden als Geschäftsmodell betreiben, begehen sie nach deutschem Recht Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Folglich sollte die deutsche Justiz gegen die Bankvorstände ebenfalls Haftbefehl erlassen und diese international ausschreiben, damit die Betroffenen beim Verlassen der Schweiz festgenommen und ausgeliefert werden können. Mal sehen, wem es mehr wehtut, den schweizer Bankern oder den deutschen Steuerfahndern. Der nächste Schritt wäre ein öffentlicher Boykottaufruf für ehrliche deutsche Steuerzahler, die Schweiz in Zukunft als Urlaubsland zu meiden.“

Kai König aus Bad Vilbel:

Ermittlungen gegen hoheitliche Akte (Steuerfahndung deutscher Staatsbediensteter) fremder Staaten außerhalb des eigenen Staatsgebietes sind völkerrechtswidrig und verletzen die Staatenimmunität. Ausnahmen hiervon gelten nur für schwere Fälle wie Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen oder Völkermord. Die diplomatische Immunität basiert auf dem Grundsatz der Staatenimmunität. Das Verhalten der Schweiz ist juristisch das gleiche, wie wenn Saudi-Arabien Guido Westerwelle bei einem Besuch verhaften würde, weil dieser die Rechte saudi-arabischer Homosexueller verteidigt hätte (Homosexualität ist in Saudi-Arabien strafbar).
Es ist schon sehr verwunderlich, dass ein „Rechtsstaat“ wie die Schweiz derart ungeniert internationales Recht bricht. So etwas wäre in Deutschland übrigens praktisch ausgeschlossen, weil Rechtshilfeersuchen immer über das Justizministerium gehen, dass solche wildgewordene Staatsanwälte zur Not stoppen kann.

Heinz Abraham aus Kronberg:

„Wenn die Steuerfahnder selbst beschließen, inländische Großbetrüger zu verfolgen, werden sie als geisteskrank behandelt – wie in Hessen. Wenn sie aber auf Weisung derselben Vorgesetzten sich DVDs von Steuersündern beschaffen, die in der Schweiz geschützt Steuern „vermeiden“, dann ist man empört über Haftbefehle der Mitwisser und Mitbetrüger dort. Eine verrückte Welt! Es kommt also immer drauf an, ob der zuständige Minister und sein in Gehorsam vorauseilender Behördenchef einige Freunderl schützen wollen und andere Kriminelle zahlen lassen möchten. Das ist vielleicht ein Rechtsstaat!“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Es ist schon sehr erstaunlich, wie sehr rote und grüne Politiker unter Beschuss genommen werden, weil sie die Ausstellung von Haftbefehlen durch die Schweizer Staatsanwaltschaft gegen drei deutsche Steuerfahnder aus NRW mit scharfer Kritik überziehen. Die Quasi-„Befürworter“ des Schweizer Vorgehens argumentieren, daß die Schweiz nun einmal dem Bankgeheimnis große Bedeutung zumesse. Man könne es der Schweiz deshalb nicht verdenken, dass sie ihren Rechtsstandpunkt auch strafrechtlich durchsetzen wolle. Diese Sicht der Dinge entspricht aber in keiner Weise deutschen Interessen. Steuerhinterziehung ist nun einmal in Deutschland ein Vergehen, das nicht dadurch relativiert wird, dass unversteuerte Vermögenssubstanz in das Schweizer Rechtsgebiet verschafft wird. Auch auf anderen Rechtsgebieten – zum Beispiel im Familienrecht – bestehen zwischen verschiedenen Staaten unterschiedliche Rechtsauffassungen, mit einander scharf konfligieren. Man kann von Deutschland nicht erwarten, dass es die mehr als eigentümliche Handhabung des Schweizer Bankgeheimnisses einfach als gegeben hin nimmt. Die USA fahren im Übrigen gegen die Schweiz viel schärferes Geschütz als Deutschland auf. Das Thema „Steueroasen“ bleibt als Ärgernis für die Länder, die Steuersubstrat verlieren, auf der Tagesordnung. Man kann das Ärgernis nicht einfach weg reden.“

Aber verhält Deutschland sich denn immer richtig bzw. vertragsgerecht? Aus schweizer Perspektive sieht das ein wenig anders aus.  Peter-Jürg Saluz aus Wetzikon schrieb mir folgenden Leserbrief:

„Was der Anstand und die Integrität von Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zustande gebracht haben, genügt den Kavalleristen nicht. Wenn die deutschen Erpressungsversuche nicht endlich aufhören, sind alle schweizerischen Zugeständnisse hinfällig. Staatsverträge mit Deutschland haben ohnehin einen geringen Wert.
Warum führen wir der deutschen Öffentlichkeit beim nächsten Kavallerieausritt nicht einmal vor Augen, dass zum Beispiel ein im Jahr 1996 mit der Schweiz abgeschlossener Staatsvertrag von deutscher Seite nicht einmal teilweise erfüllt worden ist? Deutschland hat sich seinerzeit verpflichtet, für den rechtzeitigen Ausbau der Neat-Zubringerstrecke zu sorgen und dafür innerhalb von zehn Jahren vier Milliarden Euro bereitzustellen.
Wenn meine der Presse entnommenen Informationen stimmen, sind bisher aber höchstens 400 Millionen zweckbestimmt zurückgestellt und die wichtigsten Arbeiten noch nicht einmal begonnen worden.
Vermutlich ist Peitschenpeer mit seiner Gefolgschaft längst am Ende seines Lateins. Den Satz „Pacta sunt servanda!“ versteht er auf jeden Fall gar nicht – oder er versteht ihn höchstens dann, wenn er ihn auf Schweizerdeutsch hören möchte.“

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3 Kommentare zu “Wild gewordene Staatsanwälte

  1. Da fehlt es den Schweizer Banken schlicht an Phantasie.

    Wenn man als Hartz VI – Bedrohter sein Vermögen flugs in die Schweiz transferieren könnte, die Stütze zinsgünstig anlegen und den Ertrag steuerfrei zum Lebensunterhalt verwenden könnte, da wäre vielen geholfen.

    Aber da scheitern sie am Grundgesetz der alpinen Milchwirtschaft: Aus viel Milch kann man nur wenig Sahne schöpfen. Wieder ein Mythos weniger. Auch Schweizer Banken leben bloss von dem, was ohne ihr Zutun oben schwimmt.

  2. Nur Geduld, Bronski wird das schon löschen. Er sitzt ja nicht 24 Stunden hinter seinem Blog. Das ist manchmal so, vielleicht ein Schlupfloch, gar ein Boykotteuro aus Offenbach? Immerhin gibt es ja die Offenbacher Rundschau aus Frankfurt 😉

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