Ich wage mal eine Vermutung: Kaum jemand aus der Community des FR-Blogs wird Schlecker wirklich sympathisch finden. Da wäre z.B. an die Schlecker-XL-Märkte zu denken, in denen die Angestellten bis zum 1. Juni 2010 ohne Tarifbindung beschäftigt wurden. Ich verlinke hier auf einen Artikel bei stern.de, der von Dumpinglöhnen und Leiharbeit bei Schlecker berichtet und davon, wie das Schlecker-Geschäftsmodell mit der Angst der Angestellten operiert. Davon abgesehen, dürften die Schlecker-Märkte ein überwiegend schlechtes Image haben: klein, muffig, unübersichtlich und unsauber. Und der Schlecker-Familie geht es gut – auch jetzt noch.

34000 Angestellte, überwiegend Frauen, hatte der Konzern bis vor kurzem. Jetzt sind es 11000 weniger. Und bald könnten es nochmals 23000 weniger sein, wenn der Schlecker-Konzern, der im Januar Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hatte, endgültig über die Planke geht. Schuld daran wäre dann wohl die FDP. Deren Landesminister hatten sich allen Bemühungen verweigert, eine Bürgschaft der öffentlichen Hand über Kredite in Höhe von 70 Millionen Euro zu gewähren. Federführend bei diesen Bemühungen war der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), der ein solches Bündnis der Bundesländer zu schmieden versuchte; der Sitz der Schlecker-Konzernzentrale ist im baden-württembergischen Ehingen. Es wäre dabei zunächst kein Steuergeld geflossen. Schlecker hätte eine Transfergesellschaft für die 11000 Schlecker-Frauen schaffen können, die einen bedeutenden Vorteil für den Konzern gehabt hätte: Die hinüberwechselnden Angestellten hätten auf Klagen auf Kündigungsschutz verzichten müssen. So wäre es der Insolvenzverwaltung leichter gemacht worden, für den Rest des Konzerns Investoren zu finden. Die meisten der Schlecker-Frauen hätten das Angebot, in die Transfergesellschaft zu wechseln, vermutlich angenommen, denn das hätte sie davor bewahrt, sich arbeitslos zu melden, und sie hätten wahrscheinlich schneller einen neuen Job gefunden, da es leichter ist, aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus zu suchen. Im Einzelhandel gibt es angeblich genügend freie Stellen. Die Vermittlung übernimmt nun die Bundesagentur für Arbeit – und die Schlecker-Krise dauert an, weil niemand weiß, wie viele der Gekündigten auf Kündigungsschutz bzw. Abfindungen klagen werden.

Die FDP also wieder. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode berief sich auf ein Gutachten von PricewaterhouseCoopers, einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, das bei ihm Zweifel an der Fähigkeit Schleckers hervorrief, die Kredite zurückzuzahlen. Dann hätte allerdings der Steuerzahler einzuspringen. Er äußerte auch Kritik an der Strategie des Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz, die Schlecker-Auslandsgesellschaften nicht bereits verkauft zu haben. Dann hätte sich die Insolvenzverwaltung allerdings völlig bloßgestellt; die Auslandsgesellschaften sind quasi ihr letztes Ass im Ärmel.

Wolfgang Kubicki, der in Schleswig-Holstein gerade für die FDP im Wahllkampf steht, hat wahrscheinlich Recht mit seiner Aussage, dass diese Transfergesellschaft für den Insolvenzverwalter Sinn ergeben hätte. Eine CDU/FDP-Landesregierung, sagt er, hätte sich daran beteiligt. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hatte am 18. März noch gesagt, er werde einen Kredit der staatlichen Förderbank möglich machen, wenn alle Länder mitzögen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen argumentierte er ordnungspolitisch: Es sei nicht Aufgabe des Staates, für Transfergesellschaften zu sorgen. Er habe „ordnungspolitisch darauf hingewiesen“, dass es „viel schneller und viel einfacher für die Beschäftigten von Schlecker gewesen wäre, auf die Bundesagentur für Arbeit zurückzugreifen. Sie habe die Instrumente, die Möglichkeiten und das Fachwissen. Die Arbeitsmarktsituation im Einzelhandel sei sehr gut.

Das wirft allerdings die Frage nach der wirtschaftspolitischen Kompetenz der FDP auf. Nicht nur, weil sie sich bei der Mehrwertsteuer für Hoteliers oder bei den Durchleitungsgebühren für Strom-Großabnehmer sehr viel generöser gezeigt hat, sondern auch, weil der Schlecker-Insolvenzverwalter mit der Bürgschaft im Rücken relativ unbelastet auf die Suche nach Investoren hätte gehen können. Nun aber könnte die Schlecker-Pleite noch richtig teuer für den Steuerzahler werden, meint Robert von Heusinger im FR-Kommentar: „Unter dem Deckmäntelchen des freien Marktes hat die FDP dafür gesorgt, dass der Wettbewerb im Einzelhandel verringert wird.“ Schlecker werde pleite gehen. Darüber dürften sich Schlecker-Konkurrenten wie Rossmann und dm natürlich freuen.

Hans Oette aus Neuenstadt meint:

„Die FDP ließ die Hilfsaktion für die Schlecker-Frauen platzen und sparte damit den von ihr mitregierten Bundesländern einige Millionen. Warum ist aber die FDP munter bei den Euro-Rettungsschirmen dabei, wo die Staaten hunderte von Milliarden in den Ring werfen? Nun ja, dabei wird nicht den kleinen Leuten in Spanien oder Griechenland geholfen, denn die leiden unsäglich unter den auferlegten Sparmaßnahmen. Gerettet werden dort Staaten, die von korrupten Eliten in die Überschuldung manövriert wurden, weil sie ihre Gewinne steuerfrei auf Schweizer Konten bunkern. Und es werden Banken gerettet, die sich verzockten, weil sie diesen Staaten Kredite ohne Ende gaben. Die FDP ist allein der Anwalt der Reichen, der Aktionäre der Banken und Konzerne, die nun weiterhin z. B. Waffen nach Griechenland liefern können. Sie ist zugleich der Feind der Marktwirtschaft, die nur funktioniert, wenn genügend Nachfrage vorhanden ist. Denn vereinfacht gilt die Regel: Kleine Leute geben ihr Geld wieder aus, während die hohen Einkommen der Reichen zu Billionen auf die Finanzmärkte abwandern. Und die Steuersenkungspartei bedroht den Rechtsstaat, der im Sumpf der Überschuldung zu ersticken droht.“

Jutta Rydzewski aus Bochum:

„Wer glaubt, dass es tiefer nicht mehr geht, muss lediglich auf die FDP schauen. Das bezieht sich jedoch nicht nur auf die prozentualen Tiefstände bei Umfragen und Wahlen, sondern auch immer mehr auf den fehlenden Anstand. Nach dem „spätrömischen-Dekadenz-Vorsitzenden“, der döringschen „Tyrannei der Massen“, schwadroniert Herr Rösler nun von der „Anschlussverwendung“ ehemaliger Schleckerverkäuferinnen. Der Verderb der Sprache ist der Verderb des Menschen, in diesem Fall der FDP. Tief, tiefer, am tiefsten, FDP.“

Karsten Otto aus Stockstadt:

„Diese ganze Debatte über Hilfe für Schlecker Beschäftigte. Mal ganz ehrlich, wem hätte dieser 70 Millionenkredit denn wirklich geholfen, wirklich den Beschäftigten oder doch eher nur Herrn Anton Schlecker ? Wenn dieser ganze Insolvenzplan von Herrn Geiwitz doch so toll und ohne Risiko für die Länder gewesen wäre, warum hat er dieses Geld nicht von irgendeiner Bank bekommen ? Da hat er ja vorher gefragt und hat ganz klar ein nein bekommen, da das Risiko zu gross ist. Da muss man doch nur 1 und 1 zusammenzählen und erhält das Ergebnis = Gewinner ist Anton Schlecker. Bravo FDP, ich denke Ihr habt damit mehr Arbeitnehmerinnen gerettet, als viele glauben. Ihr habt deren Ansprüche gerettet. Denn Geld auszugeben für etwas, das schon da und auch finanziert ist, dieses würde auch keine Privatperson machen. Oder kauft sich jeder ein zweites Auto, um das erste nicht zu benutzen?“

Jürgen Sieler aus Bad Breisig:

„Der Hotellerie/Gastronomie schiebt die FDP Steuervorteile von rund einer Milliarde in den Rachen. Potentielle Wähler und freigiebige Parteispender müssen schließlich umsorgt werden. Doch bei der Bürgschaft für einen Kredit über den im Verhältnis zum Milliarden-Dankeschön geradezu lächerlichen Betrag von 70 Millionen Euro sagen die Liberalen unbarmherzig Nein. Scheinheilig werden für diese Haltung ordnungspolitische Zwänge vorgeschoben. Wer will das glauben? Die Pflege der Hotel- und Gaststättenbranche war dann ja wohl ordnungspolitisch gesehen der größte anzunehmende Sündenfall. Aber im Fall Schlecker geht es ja „nur“ um Frauen. Spenden sind von ihnen nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die FDP treibt diese von Anton Schlecker und seinen Kumpanen schon genug ausgebeuteten 11000 Angestellten ohne Skrupel ungebremst in die Arbeitslosigkeit. Röslers fast schon höhnischer Verweis auf Arbeitsverwaltung und genügend freie Stellen ist für die Frauen wie ein zusätzlicher Tritt. Jetzt sollte auch dem letzten Bürger klar sein: Diese FDP hat ihre Existenzberechtigung nun vollends verspielt. Ob demnächst in Schleswig-Holstein oder NRW: Eine Partei, die völlig ungeniert Interessenpolitik zu Lasten anderer betreibt und dafür das Prinzip der Solidarität, die unsere Gesellschaft zusammenhält, mit Füßen tritt, ist nicht mehr wählbar. Jede Stimme für das unter dem Deckmantel „liberal“ operierende gesellschaftspolitische Abbruchunternehmen FDP ist eine zu viel.“

Otto Michael aus Frankfurt:

„Wie beschämend ist das denn? Während die FDP in Berlin mit der CDU im Eilverfahren hunderte Millarden schwere Rettungsschirme für marode EU-Staaten durchwinkt, ist für die eigenen Landsleute nichts zu machen? Klar die Damen und Herren der Politprominenz sitzen ja auch gut gepampert auf ihren Pöstchen und brauchen sich um ihre „Anschlußverwendung“ keine Sorgen zu machen. Falls es mit dem Posten nicht mehr klappt, winken ja fette Pensionsansprüche. Und die Angestellten von der Firma Schlecker schauen in die Röhre und können sehen wie sie ihre Zukunft meistern. Ich wünsche der FDP das sie nun endgültig in der Versenkung verschwindet und das hoffentlich auf Nimmerwiedersehen.“

Dr. Monika Jonas aus Darmstadt:

„Herr Philipp Rösler ist der Vorsitzende der
F rauenfeindlichsten
D eutschen
P artei.
Für die nächste (Ab-)Wahl vormerken!“

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6 Kommentare zu “Das unbarmherzige Nein

  1. Alles was man in den letzten Tagen an Meinungen und Veröffentlichungen gelesen hat halte ich für eine Face. Die Intressen die vertreten werden sind ganz sicher nicht die der Arbeitnehmer die ihren Arbeitsplatz verlieren.Der Insolvenzverwalter hat nur das Intresse die Beschäftigten dazu zu bewegen auf ihre Klagerechte zu verzichten. Das ist das Ziel um das es Herr Geiwitz geht. Wenn über den Verkauf der Auslandsanteile des Unternehmens noch eine nennenswerte Menge an Kapital vorhanden ist, dann sollte der Insolvenzverwalter dieses Kapital dazu benutzen einen gerichtsüberprüfbaren Intressenausgleich und daraus folgend einen Sozialplan zu entwickeln.Die Beschäftigungsgessellschaft hat nur die Aufgabe dieses zu vermeiden. Wenn man dann sieht wie sich öffentlichwirksam manche Politiker anscheind auf Seite der Arbeitnehmer einschalten dann sollten sie sich überlegen ob man die Position für alle Arbeitnehmer die durch eine Insolvenz ihren Arbeitsplatz verlieren verbessern kann und nicht nur in einem Fall der so wie bei Schlecker eine große Wirkung in der Öffentlichkeit hat. Die Aufgabe der Politik ist es nicht in erster Linie sich um die 10000 Schleckerbetroffenen zu kümmern sondern um Regeln die für alle gelten die von so einem Schicksal betroffen sind. Wenn man das unter diesem Gesichtspunkt sieht kann man erkennen wie scheinheilig manche Aussagen dieser Herren der letzten Tage waren.Sollen sie doch die Rahmenbedingungen unter denen die Arbeitsagentur in solchen Fällen arbeitet verändern das zu tun oder nicht zu tun ist ihre Aufgabe nicht sich in den Nachrichten hinzustellen und darüber sich zu beklagen wie schlecht die Rahmenbedingungen bei der Agentur sind.

  2. Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, eine Phantasie zu verwirklichen.

    Die Infrastruktur ist da, die Menschen sind da, der Wille ist da.
    Was hindert uns also daran, aus den Schleckerfilialen ein Netz von Regionalläden zu machen, mit 34000 motivierten Ich-Agentinnen, die das Wichtige am Einzelhandel, nämlich die persönliche Beratung und den persönlichen Einsatz gerne weiter anbieten würden?
    Es würde nur wenig mehr kosten, als die Arbeitslosigkeit der Beschäftigten zu finanzieren, und es würde eine Menge Möglichkeiten eröffnen:
    Postfilialen, E-Post-Terminals, Frankfurter Rundschau-Verteiler, Demoskopie-Terminals, Biolandwaren-Verteilerpunkte, Herstellerregalmeter, Regionalwarenbestell- und Lieferservice, alles Mögliche, und im Beschallungsradio könnten Merkels Anmerkungen und sonstige Bildungsbeiträge laufen.

    Einfachste Lösung: Regionale Finanzierung der Angestellten, bundesweite Finanzierung der Infrastruktur und: ein Zeitungsregal.

    Tante Emma 3.0 !

  3. Ansich könnten die Frauen von Schlecker entspannt in die Zukunft sehen – 25.000 offene Stellen warten auf sie, die sie besetzen können. Diese Stellen halten die Arbeitsagenturen bereit… Jetzt fragt man sich natürlich, wieso diese Stellen noch offen sind. Die Lösung: Es geht noch besser als Schlecker XL. Aber mit diesen 25.000 Stellen läuft die FDP um die Häuserblöcke, begründet ihr Nein auch damit, daß die Arbeitsagenturen das alles viel besser managen, als die angedachte Transfergesellschaft, da die 11.000 Frauen zudem auch noch über das ganze Land verteilt, nicht auf einem Fleck anzutreffen sind.

    Die andere Frage, warum muß immer der Steuerzahler für Mißmanagment aufkommen und das Managment selbst sitzt in der Sonne auf Insel „Ätschibätsch“? Und die vierte Solarfirma geht die Wupper runter – 4000 Jobs stehen da auf der Kippe. Schuld sind da die Atomgegner. oO

    Irgendwo krankt es gewaltig.

  4. Das mit den Beschäftigungsgesellschaften gibt nur dann Sinn wenn man dafür in der Gesellschaft genug Geld für Qualifizierung einstellt. Ansonsten machen die vielleicht weniger als die Agentur. Ohne Geld für irgendwelche hoffentlich sinnige Maßnahmen geht es dabei nur darum den Leuten die Klagerechte abzukaufen und zwar möglichst bevor sie wissen ob sie das überhaupt wollen. Das Thema Solar wäre eine eigene Diskussion wert.Wobei die heutigen Berichte in der FR dazu gut waren.

  5. Um es vor weg zu nehmen: Ich halte die FDP nicht für die Partei der ersten Wahl (was fürn Kalauer). Allerdings stimme ich ihnen komplett zu, die Transfergesellschaften abzulehnen. Ich denke dem Arbeitsmarkt gehts so gut wie nie – wird doch ununterbrochen behauptet. Ich denke die Jobcenter bringen immer mehr Menschen in Arbeit – lese ich doch mindestens einmal im Monat. Das zeigt doch die Qualifikation der Jobcenter in dieser Frage, oder nicht? Dann ist es nur Konsequent eine Doppelstruktur, bei der wieder in Arbeitbringung der Schlecker Angestellten zu vermeiden.

  6. zu @ Nooneb
    Es ist halt die Frage ob man das so einfach verallgemeinern kann. Das kann man nämlich nicht.Eine Transvergesellschaft habe ich un dem Fall auch nicht für hilfreich erachtet. Man sollte aber Mittel und Wege finden das Leute je nach Ihrer Perpektive auf dem Arbeitsmarkt unterschiedlich gefördert werden. Da war es bestimmt ein Schritt in die falsche Richtung z.B. die Fördermöglichkeiten für ältere Arbeitslose am 1.1.12 weitgehend abzuschaffen.

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