Sterbenskrank, schmerzgequält, doch das erlösende Lebensende außer Reichweite: So möchte niemand am Ende seines Lebens dahinsiechen. Trotz gesetzlicher Regelungen wie der Patientenverfügung und der Straffreiheit passiver Sterbehilfe besteht weiterhin eine rechtliche Grauzone, in der immer mehr Menschen aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen: Ärzte verschaffen ihnen Zugang zu tödlichen Medikamenten. Es gibt die Organisation „Sterbehilfe Deutschland“ des ehemaligen Hamburger Innensenators, die offenbar auch psychisch labilen Menschen diesen Zugang verschafft hat. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte dazu kürzlich: Es sei ein unerträglicher Zustand, „dass Menschen durch die Republik reisen und Sterbewilligen auf die Schnelle den Schierlingsbecher reichen“. Der Autor des folgenden Leserbriefs, Ubbo Khumalo-Seegelken aus Huntlosen, sieht das komplett anders:
Verengte Sicht der Ärzteschaft
„Wann wird die deutsche Ärzteschaft endlich so weit sein, die Frage der Beihilfe zum Suizid und zur Sterbehilfe vorrangig aus dem Blickwinkel der am meisten Betroffenen, nämlich der Sterbewilligen zu betrachten? Wann wird Schluss sein mit der verengten Sicht ärztlicher Hilfe als Hilfe ausschließlich zum Weiterleben (um jeden Preis)? Wann wird Schluss sein mit der Arroganz, besser als die Betroffenen zu wissen, was für sie gut und hilfreich ist? Die Forderung des Ärztepräsidenten nach einer Gesetzesverschärfung fordert angesichts solcher Defizite in mehrfacher Hinsicht zum entschiedenen Widerspruch heraus.
1. Nicht nur der Sterbewunsch von (körperlich) unheilbar Kranken ist ernst zu nehmen, sondern auch die Wünsche psychisch Kranker. Auch dass einem Sterbewilligen „mutmaßlich geholfen werden könnte“, begründet kein Recht darauf, ihm gegen seinen Willen zum Weiterleben zu „helfen“.
2. Ganz aus dem Blick bleiben Menschen, die nach einem längeren oder kürzeren Leben einfach „todmüde“ sind – also aus welchen Gründen immer meinen, es sei genug der Lebensjahre, oder die zufrieden sind mit dem Erreichten und sich nun nach einem in ihren Augen erfüllten Leben auf die Ruhe danach freuen. Solche Einstellung muss mit Lebensüberdruss oder gar Verzweiflung nichts zu tun haben.
3. Bisher werden Sterbewillige fast ganz allein gelassen, wenn es um die Art und Weise geht, wie sie ihr Leben beenden. Die Folge ist, dass viele Selbsttötungen für die Sterbenden wie für Angehörige und Umgebung viel belastender sind, als sie es sein müssten – etwa wenn sich ein Mensch vor einen Zug wirft oder sich selbst verbrennt.
4. Wenn Sterbewilligen geholfen werden soll, muss das kompetent geschehen, und natürlich muss solche Hilfe wie jede Hilfe gut „organisiert“ sein. Unerträglich ist darum, jedes organisierte Angebot als „in der Schnelle den Schierlingsbecher reichen“ zu diffamieren.
5. Wünschenswert wäre, dass Beihilfe zum Suizid und Sterbehilfe nach gründlicher Selbstprüfung und ruhiger Abwägung mit Dritten, auch Ärzten, angeboten wird. Um Missbrauch so weit wie möglich auszuschließen, sind weitere Sicherungen nötig. Ganz gewiss solte niemand, auch kein Arzt, gegen seine Überzeugung gezwungen werden, sich an entsprechenden gesetzlich geregelten Hilfsangeboten für Sterbewillige zu beteiligen.
6. Solange seriöse Hilfsangebote in unserer Gesellschaft fehlen und wir Sterbewillige weiter so allein lassen, bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig, als nach Angeboten wie dem des in meinen Augen sehr fragwürdigen Herrn Kusch zu greifen – als letzter Strohhalm sozusagen. Auch ich würde, bei allem Vorbehalt gegen Herrn Kusch, mir in entsprechender Situation lieber von ihm beim Sterben halfen lassen als von vermeintlich wohlmeinenden Ärzten zum Weiterleben gezwungen zu werden.“
„So möchte niemand am Ende seines Lebens dahinsiechen. “
Oh doch, ich möchte so „dahinsiechen“, Aus persönlichen, aus religiösen, aus praktischen und philosophischen Gründen und aus Angst vor dem Tod.
Es mag jeder seine Antwort finden, solange er diese nicht verallgemeinert und sie mir aufzwingt.
Dies nur zur Klärung der Begriffe: Auch ich bin ein Sterbewilliger, oder eher: Ein Sterbenswilliger, der darin auch nicht allein gelassen werden will.
Dies zur Abgrenzung, damit man nicht am Ende mit dem Bade ausgeschüttet wird.
Ich finde den Leserbrief sehr gut. Ich finde auch das die „Hilfe zum Weiterleben“ sich oft nur menschenverachtend äußert. Wenn z.B. Geräte nicht ausgeschaltet werden, obwohl es kaum noch Hoffnung gibt und Angehörige sich das Wünschen. So kann kein Trauerprozess bei den Angehörigen beginnen. Ganz grundsätzlich fand ich die Aussage dieses Artikels echt gut: Vor dem Unfall/Koma etc. eine Entscheidung treffen und diese soll dann auch akzeptiert werden.
So ganz deutlich wird es im Einleitungstext und im Leserbrief nicht gesagt, aber es scheint doch gemeint zu sein, daß Ärzte für die Entscheidung und Beihilfe zum Sterben zuständig seien oder zumindest ihre „verengte Sicht“ verlassen sollten, um den Weg frei zu machen für die Entscheidung zum Sterben.
Sie sind aber weder zuständig noch stehen sie der Entscheidung im Weg. Sie sind dem Leben und der Heilung verpflichtet; Wer den Tod sucht, der muss ihn woanders suchen.
Es ist eine seltsame, perverse Erwartung, von einem Menschen (oder Berufsstand) zu erwarten, den Inbegriff seines beruflichen Scheiterns,(und persönlichen Scheiterns, denn unmenschlich distanziert kann man diesen Beruf nicht ausüben) auch noch in den eigenen Handlungsrahmen zu integrieren. Es schon unerträglich, den Tod als ständigen Konkurrenten zu haben, ihn dann auch noch als Kollegen zu begrüßen ist schlicht unzumutbar.
Warum erklärt man nicht die Kirchen zuständig für die Sterbehilfe, sind sie nicht Experten des Übergangs zum Jenseitigen? Das ist keine abwegige Frage.
Ärzte sind Experten für das Überleben, nicht für das Sterben. Die Formulierung für das Ende der ärztlichen Kunst ist: „Ich kann nichts mehr für Sie tun.“ Das ist schmerzlich genug, für beide Seiten. Dieses „für Sie“ verschwindet aber mit dem Willen zum Selbstmord, da der Wille zum Leben die Bedingung für das ärztliche Tun ist. Übrig bleibt nur ein „Ich kann nichts mehr tun“.
Jeder hat das Recht sein Leben ein Ende zu setzen. Wann und wo immer er will.
Mein Lieblingstod wäre mit der Flasche Whisky, (natürlich Schottisch) oder einem guten Calvados auf einem verschneiten Berg zu sitzen, noch mal einen schönen Sonnenuntergang genießen, und dann langsam bei Eiseskälte das Bewustsein verlieren. Ich glaube ich wär ziemlich sauer, wenn mich dann ein Notarzt von der Bergwacht retten würde.
@Klaus Lelek
Und, lieber Klaus, ein Retter ist ziemlich sauer,wenn er sich um solche freiwilligen Sterber kümmern muß, obwohl er besseres zu tun hat; Ich wäre ziemlich sauer, wenn ich mich auf einen verschneiten Berg setzen würde um die Aussicht zu geniessen und den Müll und die Reste Ihres romantischen Ablebens vorfinden würde.
Sorgen Sie also dafür, daß ein Retter nicht in die unangenehme Lage kommt, Sie zu retten, denn er muß dies tun, wenn er sie findet. Dazu genügt ein kleines Schild oder sorgfältige Tarnung und ein Informaition an besorgte Mitmenschen.
Sorgen Sie ferner dafür, daß ihre Reste und Überreste pietätvoll entsorgt werden, schließlich läßt man mitgeführte Verpackungen, nach einem Ausflug in’s Leben, nicht einfach so herumliegen!