Privatisiert die Bundesregierung!

Unser Gesundheitssystem, lange Jahre vorbildlich in der Welt, steht vor einem grundlegenden Wandel. „Kopfpauschale“ heißt die Marschrichtung, und es gibt bereits erste Schritte in diese Richtung. Viele, wenn nicht alle Krankenkassen werden demnächst einen Extrabeitrag von acht Euro auf die Krankenkassenbeiträge aufschlagen, weil sie ihre Ausgaben nicht in den Griff bekommen. Dies ist ein Schritt Richtung Kopfpauschale, weil diese Extrabeiträge nicht mehr wie in der Vergangenheit zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und -gebern getragen, sondern allein den Arbeitnehmern aufgebürdet werden. Für viele Menschen sind diese acht Euro monatlich viel Geld. Die Versicherten sind verunsichert. Die Möglichkeit, diese Zusatzbeiträge zu erheben, wurde den Kassen noch von der Vorgängerregierung eingeräumt, doch der jetzige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, FDP, muss sich trotzdem viel Kritik anhören. Auch aus einem weiteren Grund: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bekommt einen neuen Chef. Dem bisherigen Leiter Peter Sawicki wurde in ungewöhnlich harscher Form erklärt, das seine Amtszeit beendet ist. Intern heißt es im Vorstand des IQWiG, dass Sawicki und sein Institut unter der neuen Regierung unter Beschuss stehen. analysiert internationale Studien und wertet diese zusammenhängend aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen (GBA) entscheidet auf dieser Grundlage, ob bestimmte Medikamente oder Therapien erstattet werden. Bekannt ist vor allem der Beschluss, mit den Insulin-Analoga für Diabetiker zum ersten Mal eine ganze Gruppe von Medikamenten aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen zu streichen. Doch nicht nur seine Studien machen Sawicki zum Feind der Pharmaindustrie. Er macht die Machenschaften der Milliardenindustrie publik: „Manche Hersteller verdrehen Tatsachen, bestechen Wissenschaftler, kaufen Zeitungsartikel und verschweigen unliebsame Ergebnisse von Experimenten“, so Sawicki zur FR. „Ich kämpfe für das Vertrauen der Menschen in die Pharmaindustrie, das sie in den vergangenen Jahrzehnten verspielt hat.“

Jetzt ist der Frage, wer sein Nachfolger werden wird. Die Stelle soll öffentlich ausgeschrieben werden. Zumindest scheint die Regierung nicht so verfahren zu wollen wie bei der Besetzung der Leitung der Atomaufsicht mit dem Ex-Atomlobbyisten Gerald Hennenhöfer.

Rainer Pagel aus Barßel meint zu Sawickis Ablösung:

„Im Idealfall helfen Arzneimittel einfach in Situationen, in denen sich der Körper nicht mehr selbst helfen kann. Arzneimittel sind aber auch ein Geschäft, und mit Arzneimitteln lässt sich sehr viel Geld verdienen.  Um die Verabreichung von Arzneimitteln zu beflügeln, sind in letzter Zeit höchst problematische Wege beschritten worden. So hat sich der Begriff der „erfundenen Krankheiten“ inzwischen eingebürgert, die zumindest auch den Begleiteffekt haben, die Taschen der Pharmaindustrie mit Geld zu füllen. Weil dies so ist, ist es unabdingbar, dass es wirklich unabhängige Institute gibt, die Kosten und Nutzen von Arzneimitteln von der Pharmaindustrie unbeeinflusst prüfen. Dass nun offensichtlich in diesen Kontrollmechanismus eingegriffen wird, ist ein Skandal.
Arzneimittelprüfer mit Rückgrat sind deshalb von unglaublichem Wert für die Gesellschaft, weil sie ihren Einfluss geltend machen können, um Fehlentwicklungen zu korrigieren.“

Michael Weilandt aus Velbert:

„Die FDP nimmt unser Land als Geisel zur Durchsetzung der Interessen ihrer Minderheitsklientel. Es ist zum Kotzen. Wer übrigens Steuern als Geschenk der Bürger an den Staat deklariert, wie Westerwelle das tut, lässt ahnen, was da noch auf uns zukommt. So einer positioniert sich aber auch außerhalb unserer Gesellschaft und unseres Staatswesens, ja außerhalb unserer Verfassung. Die FDP unterhöhlt systematisch den Solidargedanken, der für jede Gesellschaft unerlässlich und in unserer Verfassung vielfältig verankert ist, indem sie scham- und respektlos eine Umverteilung von der Gemeinschaft hin zum Individuum betreibt. Sinnigerweise zugunsten der Individuen, die sowieso schon genug haben. Da kommt dann die Umverteilung von unten nach oben hinzu. Wann nimmt also der Verfassungsschutz die FDP ins Visier?“

Eckhard Kupfer aus Beesten:

„Die Meldungen über das erzwungene Ausscheiden von verdienten hochrangigen Mitarbeitern in den Ministerien häufen sich, deren Positionen nehmen in immer größerem Maße  Lobbyisten  ein. Warum kann man dieses System nicht noch effizienter gestalten? Unsere Bundesregierung ist doch quasi ein bundeseigenes Unternehmen. Im Sinne der FDP könnte man es wie die Post privatisieren.
Bei uns im Emsland gibt es den Frauenfußballverein „Heidekraut Andervenne“. (Wirklich!)   Frau Merkel müsste bei dem Begriff  „Heidekraut“    von Heimatgefühlen ergriffen werden. Sie könnte Vereinsvorsitzende werden, Herr Schäuble Kassenwart, Herr Rösler   Masseur, was bei einer Frauenmannschaft vielleicht auch Spaß macht, und  für die anderen Damen und Herren wird sich sicher auch noch ein Job im Verein finden lassen.
An die Stelle der bisherigen Regierung tritt eine Deutschland AG, in deren Vorstand alle DAX-Unternehmen vertreten sind. Vorstandsvorsitzender wird Herr Ackermann. Herr  Heinrich von Pierer wäre auch geeignet, die Geschehnisse bei Siemens sind noch in guter Erinnerung.  Diese Deutschland AG würde den Umweg über die von der Industrie bezahlten Lobbyisten überflüssig machen, die Bosse könnten nun direkt z.B. die Laufzeit der Atomkraftwerke bis 2100 verlängern, die AOKs und die Ersatzkassen abschaffen und alle Deutsche zwangsweise in der DKV  versichern, so dass man den Rabatt für FDP-Mitglieder von fünf auf zehn Prozent erhöhen könnte. Man könnte zudem vereinbaren, dass in Deutschland angebotene Medikamente in der Regel 20 Prozent teurer als bisher verkauft werden dürfen; der Kündigungsschutz würde völlig abgeschafft und Millionäre in Hessen würden statt alle sieben Jahren nur noch alle zwanzig Jahre durch die Steuerprüfung kontrolliert. Dafür müssten Hartz-IV-Bezieher künftig noch strenger überwacht werden, die Rückforderung der Kindergelderhöhung geht schon in die richtige Richtung. Ich bin sicher, dass den Herren der Deutschland AG noch viele, viele Dinge einfallen würden, die die Position der Unternehmen deutlich verbessern und den Bürgern neue Lasten aufbürden würden.
Bleibt die Frage, was wir mit den Bundestagsabgeordneten machen. Sie erhalten Vorzugsaktien der Deutschland AG. Einmal im Jahr   ist Hauptversammlung, ansonsten könnten sie ihren  Aufgaben in Aufsichtsräten, Gewerkschaften oder den eigenen Firmen endlich ungestört nachgehen und müssten ihre Aufgaben für die eigentlich nur störenden Bundestagssitzungen nicht mehr länger unterbrechen.     Ob wohl jemand einen Unterschied bemerken würde?“

Franz Eikel aus Kelsterbach:

„Da hat es die Pharmalobby mit Hilfe der FDP also geschafft, einen ihr unbequemen Widersacher auszuschalten. Die angeblichen Unregelmäßigkeiten sind doch nur vorgeschoben, um Herrn Sawicki kaltzustellen. Er hat der Pharmaindustrie streng auf die Finger gesehen und manche Machenschaft dieser Branche aufgedeckt. Zum Beispiel wenn ein bekanntes Arzneimittel in seiner Zusammensetzung leicht verändert und dann ohne zusätzlichen therapeutischen Nutzen als Neuentwicklung viel teurer verkauft wird als das ursprüngliche Mittel. Da gefällt es der Pharmaindustrie natürlich nicht, wenn einer daherkommt und sich erdreistet, solche Tricksereien aufzudecken.
Diese Handlungsweise liegt ganz auf der Linie der Klientelpolitik dieser Regierung. Eine Regierung sollte sich dem Wohle des ganzen Volkes verpflichtet fühlen und nicht nur einigen Interessengruppen.“
Diskussion: frblog.de/sawicki

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14 Kommentare zu “Privatisiert die Bundesregierung!

  1. Wenn Herr Kupfer satirisch darauf aufmerksam macht, dass das Privatkapital defakto die BRD regiert, behherrscht und ausbeutet, dann mutet die Überschrift des Threads achon seltsam an:

    Sie lautet : „Privatisiert die Bundesregierung!“

    mit Ausfrufungszeichen.

    Wenn darunter dann die Politik der Bundesregierung im Gesundheitswesen und am „Aufstieg“ der jeweiligen „Expolitiker“ in dr privatwirtschaft Kritik geübt wird, dann hätte die Überschtift sinnfälligerweise wohl heißen müssen:

    „Verstaatlicht die Schlüssel- und Energieindustrie, das Sozial- und Schulwesen!“

  2. De facto ist die Bundesregierung schon lange privatisiert.

    „Verstaatlichen“ ist da sicher nicht die Lösung…

  3. Es geht wohl weniger um privatisieren oder verstaatlichen sondern mehr um Ehrlichkeit und Transparenz.

    Die Bundesrepublik ist hat doch fast kein Stückchen Land mehr, dass nicht privatisiert wurde. Selbst der kleinste Wald ist doch schon privat. Die Regierung kann nur noch versuchen, die paar Steuergroschen, die sie von ehrlichen Steuerzahlern -die Unehrlichen zahlen keine Steuern und lassen sich das Geld in der Schweiz oder sonst wo vermehren- erhält, so gerecht wie möglich zu verteilen.

  4. Wenn heute Angestellte von Firmen die Gesetze schreiben und der Bundestag nur noch zutimmt ist die Privatisierung des Gesetzgebers wohl schon fast abgeschlossen.

  5. @#2. BvG

    Wenn Du schon so sicher bist, dass Verstaatlichung, beser noch Vergesellschaftung „ganz sicher nicht der richtige Weg“ sei, dann bäte ich schon um eine Erklärung dafür, die über die Allgemeinplätze der Neocons hinausginge und wüsste gerne Deine Alternative, wenn es nicht die herrschende Privatisierung ist, die Du stillschweigend vorziehst.

  6. @byby
    Reden wir jetzt von Verstaatlichung oder von Vergesellschaftung?

    (die Du stillschweigend vorziehst.
    Können Sie solcherlei nicht unterlassen?
    Wovon ich schweige, ist nicht zu Ihrer Interpretation freigegeben. (Punkt )

  7. @ BvG

    A) Bitte Die Luft rauslassen und rational bleiben:

    Verstaatlichung im Sinne eines demokratischen Staates ist identisch mit Vergesellschaftung, da der Staat im Auftrag des Souverains, d.h. des Volkes, der Gesellschaft handelt. – Ansonsten machen Sie klar, welchen Unterschied Du da siehst und deshalb meine Frage bisher nicht beantworten konntest.

    B) Bitte genau lesen und die Galle nicht mit dem Verstand verwechseln:

    Ich habe nicht geschrieben, dass Du die Privatisierung stillschweiegend vorzögest, sondern dass ich dies in dem Fall annehmen müsste, dass Du keine eigene Alternative vorschlügest, während Du meine These zurückweist. Warum solltest Du Deinen Alternative erschweigen wollen, die Agumente dazu ungesagt lassen? Wozu schreibst Du hier im Blog?

    Im Übrigen: Wer öffentlich im Blog schreibt hat nichts zurückzuweisen, oder andere Blogger zum Schweigen zu verurteilen, bloß, weil er selber nichts sagt, sondern er hat seine Gedanken und Argumente zum Thema und den Fragen dazu vorzuweisen. – Was sollte sonst hier sein?

  8. Bitte Die Luft rauslassen und rational bleiben..
    Ja wenn ich das täte, wär‘ ja der byby weg … wäre doch schade!

    Verstaatlichung im Sinne eines demokratischen Staates ist identisch mit Vergesellschaftung, da der Staat im Auftrag des Souverains, d.h. des Volkes, der Gesellschaft handelt.
    Stimmt nicht, weil die Prämisse war, dass die Regierung privatisiert sei, eine Verstaatlichung der (…) also die völlige Privatisierung von allem zur Folge hätte (nochmal Logik studieren?).
    Wenn es so wäre(da der Staat im Auftrag des Souverains,…) wo hätten wir dann Grund zur Kritik?

    Ansonsten machen Sie klar, welchen Unterschied Du da siehst und deshalb meine Frage bisher nicht beantworten konntest.
    Ich muss dero Gnaden Fragen nicht beantworten, habe es dennoch getan, wovon dero Gnaden gnädigst Kenntnis nehmen wollen..?
    Bitte genau lesen und die Galle nicht mit dem Verstand verwechseln:
    Wenn mir die Galle nicht überginge angesichts Ihres Verstandes, gäbe es gar keine Antwort auf Ihre Galligkeiten.
    Ich habe nicht geschrieben, dass Du die Privatisierung stillschweigend vorzögest, sondern dass ich dies in dem Fall annehmen müsste, dass Du keine eigene Alternative vorschlügest, während Du meine These zurückweist. Warum solltest Du Deinen Alternative erschweigen wollen, die Agumente dazu ungesagt lassen?
    Ein verflixter Konjunktivismus, vieleicht einer Konjunktivitis geschuldet?
    Im Übrigen: Wer öffentlich im Blog schreibt hat nichts zurückzuweisen, oder andere Blogger zum Schweigen zu verurteilen, bloß, weil er selber nichts sagt, sondern er hat seine Gedanken und Argumente zum Thema und den Fragen dazu vorzuweisen.
    Wer öffentlich im Blog schreibt, hat sich an das Geschriebene zu halten, nicht an seine Vermutungen über das nicht Geschriebene. Er hat weiterhin andere nicht zurechtzuweisen .
    Was sollte sonst hier sein?
    Was sollte sonst hier zwischen uns sein? Willkommen im nächsten“ byby vs. BvG.“

    Macht auch Spass.

  9. 8. Kommentar von: Jörg Nazarow

    Sieht mann von den wesentlichen Dingen ab, die in BvGs Postings sowieso nicht aufkommen, dann hat BvG sicherlich einen gewissen Unterhaltungswert (Niveau Kurt Krömmer oder so), aber da hab ich nur begrenzt Spaß dran.

    Blog als Satireersatz müßte für mich dann anderen Standards entsprechen, so wie z.B. bei Urban Priol)

    Nachsatz: Mein Posting #1 war übrigens ernst gemeint.

  10. „A) Bitte Die Luft rauslassen und rational bleiben:
    B) Bitte genau lesen und die Galle nicht mit dem Verstand verwechseln:“

    Das sollte dann wohl „niveauvoll“ sein?

  11. Meine Tochter, 6 jahre, leidet seit ihrem 4.Lebensjahr an Diabetes Typ 1. Seitdem ist unser und natuerlich insbesondere das Leben unserer kleinen Maus voelligst aus den Fugen geraten. Viele Sorgen,Traenen und schlaflose Naechte ueber ihre Zukunft, damit sie trotzdem in Wuerde gross werden darf wie alle anderen auch. Mit Hilfe einer Insulinpumpe wird nach jeder Mahlzeit ein kurzwirksames Insulin-Medikament verabreicht. Dies bedeutet, dass unsere Tochter weitgehendst normal essen darf .
    Ohne dieses von der Krankenkasse finanzierte kurzwirksame Insulin-Medikament waere es uns nicht moeglich, ihren Energiebedarf mit ihren gerade mal 17 Kilo zu decken. Einfach gesagt waere das eine Katastrophe und Rueckfall in die medizinische Steinzeit.
    Umso dreister das Gutachten der Pharmapruefer-Clique unter Herrn Sawicki, welche in kurzwirksamen Insulin-Medikamenten keinen Sinn erkennen und die Empfehlung aussprechen, diese durch die Krankenkassen nicht mehr zu finanzieren.
    Was diese Herren entscheiden, grenzt an vorsaetzliche Koerperverletzung und Verletzung gegen die Menschlichkeit.
    Haben diese sogenannten Pharmapruefer der iqwig noch ein Gewissen oder einfach keine Ahnung von den Entscheidungen, die sie fuer unsere Gesellschaft treffen? Es sieht so aus!!

  12. Pingback: Devisenhandel
  13. Zu Herrn Erlachers Komentar ist fast nichts hinzuzufügen. Die Ergenisse mancher „Prüfungen“ waren schlicht merkwürdig. Die Kampagne, dass die modernen Insuline krebserzeugend seien passt ins Bild. Es geht nicht um Wahrheit. Wenn das Iqwig den Herstellern vorwirft, Studien zu manipulieren, möchte ich dazu sagen: das iqwig kann es besser. Wie sonst ist zu erklären, das das Institut beipielsweise zu der Auffassung kommt, Bluthockdruck ließe sich am besten (nur ?) mit Diuretika behandeln. Für mich dienst die Gründung nur dazu, den Patienten Arzneimittel vorzuenthalten und dafür Gründe zu suchen. Dabei gäbe es warhaft bessere Gründe, denn manche Preise für Arzeimittel sind tatsächlich schwer nachzuvollziehen und unsozial, wenn man bedankt, dass hohe Preise eine „Selektion“ verursachen. Teures kann nicht jeder bekommen, das würde der Kostenrahmen sprengen. Wer bekommt alos was und warum?

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