Postfach: Die Absicht, die Autobahnen (nicht?) zu privatisieren

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vom 6. April 2017

Wieder sind Leserbriefe liegen geblieben, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Also ab mit ihnen ins „Postfach“ hier im FR-Blog. (Mehr über die Hintergründe –> HIER.) Zuerst wie immer ein kleiner Überblick. Diesmal sind es „nur“ vier Leserbriefe zu „nur“ zwei Themen:

  • „Niemand hat die Absicht, die Autobahnen zu privatisieren? Wirklich nicht?“, fragt Marianne Friemelt aus Frankfurt in ihrer Zuschrift.
  • „In der heutigen Welt spielen offenbar ‚gefühlte Situationen‘ häufig eine besondere Rolle“, überlegt Sigurd Schmidt aus Bad Homburg und widerspricht Leserinnen und Lesern: „Dass die EU-Kommission bereits übermächtig geworden sein soll, kann so nicht im Raum stehen bleiben.“ Das wird Widerspruch geben, Herr Schmidt!
  • Zustimmung hingegen wird Elmar Gleichner aus Frankfurt bekommen. Er schreibt zur Frankfurter Wohnungsbaupolitik: „Hohe Blöcke, wie sie jetzt an der Europaallee stehen, passen auf gar keinen Fall in die Niddaauen.“ Er hat noch ein paar Vorschläge für die Bebauung des Hilgenfeldes.
  • „Die Befürworter einer starken Verdichtung setzen in ihrer Argumentation auch in der FR immer stärker auf emotionale und sogar diskreditierende Mittel“, diagnostiziert Folkhart Funk, ebenfalls Frankfurt, und hat ein paar Beispiele.
  • Und dann noch zwei Leserbriefe zur AfD. Günter Söger aus Eschborn sagt zum „Wehrsportclub“: „Die eigentliche Deutung von AfD scheint wohl ‚Authentic for Disaster‘ zu sein“.
  • Und Manfred Kirsch aus Neuwied nennt es eine Schande, dass „Politiker wie Björn Höcke in unserem Land immer noch ihr faschistisches Gift verspritzen können“.

Was meinen Sie?

fr-balkenDie Absicht, die Autobahnen (nicht?) zu privatisieren

Zu: „Die Autobahn als Profitmaschine„, FR.de vom 5.3.2017

Niemand hat die Absicht, die Autobahnen zu privatisieren? Wirklich nicht? Die Koalitionsparteien planen also schon sehr bald die Verabschiedung eines Gesetzespakets mit zahlreichen Grundgesetz(!)-Änderungen. Verkauft wird dies (wohl auch so manchem gutgläubigen aber uninformierten Bundestagsabgeordneten) als die lang erwartete und zur allseitigen Zufriedenheit ausgehandelte Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Doch es handelt sich um ein „Artikelgesetz“, und da heißt es aufgepasst! Artikelgesetz? Das sind Gesetzesänderungspakete, in denen häufig noch zusätzlich Dinge versteckt werden, die mit dem behaupteten Vorhaben (hier der Ordnung der Länderfinanzen) überhaupt nichts zu tun haben, aber, wenn sie getrennt behandelt würden, möglicherweise kontrovers wären.
Was steht denn Kontroverses drin im Artikelgesetz? Richtig, die Bundesautobahnen sollen in eine bundeseigene GmbH ausgelagert werden. Naja, sagt man sich, sie bleiben ja trotzdem bundeseigen. Ja, aber die GmbH entzieht sich der parlamentarischen Kontrolle. Wer hat daran Interesse? Richtig, diese GmbH kann sich die Unterstützung Dritter holen. Dritte? Das sind Versicherungen und Banken, die der bundeseigenen GmbH im Rahmen von ÖPP-Projekten finanzielle Vorschüsse auf den riesigen Finanzierungsbedarf geben. Finanzanleger haben schon mal den Champagner kalt gestellt, denn es winken hohe Renditen, wesentlich höhere als das gegenwärtige Zinsniveau zu bieten hat. ÖPP-Projekte? Das sind die, die schon vielerorts von Rechnungshöfen als viel zu teuer gebrandmarkt wurden, weil viele daran mitverdienen, die kein anderes Interesse an der Sache haben, als eben: mitzuverdienen. Wer wird das bezahlen? Bürgerinnen und Bürger über Autobahngebühren und ggf. erhöhte Steuern bzw. reduzierte anderweitige Leistungen, wenn der Bundeshaushalt 30 Jahre lang durch die Zahlungen für die ÖPP-Projekte belastet wird.
Martin Schulz, Heilsbringer der SPD, tritt verbal ein für die Interessen der hart arbeitenden Menschen und reißt seine Parteigenossen zu Begeisterungsstürmen hin. Es stünde ihm gut an, als erste wirkliche TAT seine Genossen im Bundestag davon zu überzeugen, die ÖPP-Projekte aus dem Artikelgesetz und der Grundgesetzänderung herauszulösen und diesen Teil abzulehnen. Die hart arbeitenden Menschen würden es ihm danken!

Marianne Friemelt, Frankfurt

fr-balken„Gefühlte Situationen“ spielen heutzutage eine besondere Rolle

EU: „Das Vermächtnis des Jean-Claude Juncker„, FR.de vom 1.3.2017

Es ist unbestreitbar, daß Jean-Claude Juncker einer der ganz großen Gestalten und Gestalter der Europapolitik seit Coudenhove-Kalergi ist. Wenn er jetzt als ein erstes Vermächtnis fünf unterschiedliche Entwicklungs-Szenarien für Europa vorlegt, so ist dies salomonisch. Denn auch Juncker hat erkannt, daß Europa nicht „par octroi“ den nationalen Bevölkerungen auferlegt werden kann, sondern von den europäischen Bürgern gewollt werden muß.
Dass Brüssel, also die EU-Kommission, bereits übermächtig geworden sein soll, kann so nicht im Raum stehen bleiben. Denn selbst in München wird so – leider teilweise – gedacht, aber zu Unrecht! In der heutigen Welt spielen offenbar „gefühlte Situationen“ häufig eine besondere Rolle. Man nennt dies neuerdings „post-faktisch“. Wenn Juncker sich einmal völlig zurück gezogen hat, wird er Europa sehr fehlen. Das nächste Hauptziel der EU von – nach dem Brexit – 27 Mitgliedern ist: mehr Subsidiarität, also Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedsstaaten. Solidarität kann es nur im Rahmen gemeinsam konkret vereinbarter Projekte, nicht aber im Sinne eines supra-nationalen Finanzausgleiches geben.

Sigurd Schmidt, Bad Homburg

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Hohe Blöcke passen nicht in die Niddaauen

Wohnungsbau in Frankfurt: „Mehr Urbanität wagen„, FR.de vom 17.1.2017

„Der Eingriff in die Landschaft ist zwar schmerzlich – dennoch hat der Entwurf der Architekturbüros Schüler/Landschaftsgrün den Wettbewerb aus meiner Sicht als Bewohner des Hilgenfelds zu Recht gewonnen. Er nimmt die Strukturen der vorhandenen Bebauung gekonnt auf und setzt sie in Richtung der Nidda fort. Der Entwurf enthält wegweisende Ideen wie die Zuwegung zum Bahnhof Frankfurter Berg. Aus der derzeitigen Brachfläche soll eine Grün, Spiel- und Wegefläche werden – die optimale Nutzung.
Die vom Städtebaubeirat geäußerte Kritik überrascht. Dieser will das Gebiet noch dichter, nämlich fünf- bis sechsgeschossig bebauen. Hierfür spräche u. a. die „Lage am Landschaftsschutzgebiet Grüngürtel“. Dies erscheint einigermaßen widersinnig. Hohe Blöcke, wie sie jetzt an der Europaallee stehen, passen auf gar keinen Fall hier in die Niddaauen. Die Bebauung sollte nicht nur die Kassen der Investoren füllen, sondern zur Umgebung passen. Der Beirat scheint sich vor Ort nicht umgesehen zu haben: Direkt neben der zukünftigen Bebauung liegen zwei der letzten Streuobstwiesen Frankfurts, die auch erhalten bleiben sollen. Im Sommer weiden hier Kühe und Fasane und Greifvögel beleben das Feld.
Eine größere Verdichtung würde den Charakter des Gebiets zerstören. Gefragt ist hier, Natur und Mensch zu schützen und den Siegerentwurf umzusetzen. Einige Verbesserungsmöglichkeiten drängen sich aber auf:
Wer durch’s Hilgenfeld wandert, spürt am eigenen Leib, dass sich hier entlang die berühmte Kaltluftschneise zieht. Eine Reduzierung von 850 auf die ursprünglich geplanten 650 Wohneinheiten tut daher not. Die vorgesehenen vierstöckigen Gebäude mit Staffelgeschoss könnten dann auf drei Stockwerke mit Staffelgeschoss begrenzt werden, nicht zuletzt im Interesse der Kaltluftversorgung. Die Quote geförderter Wohnungen sollte 30% nicht überschreiten. Sonst kippt womöglich die ohnehin schon durch Sozialwohnungen geprägte Situation am Frankfurter Berg. Schließlich sollte dem Investor zur Auflage gemacht werden, eine 6 m hohe Schallschutzmauer zu errichten, die bis zum S-Bahnhof reicht. Damit wären die im Grün- und Spielzug spielenden Kinder und die alten und neuen Bewohner des Hilgenfelds besser vor dem Lärm der Güterzüge auf der Main-Weser-Bahn geschützt. Denn trotz vierspurigen Ausbaus der angrenzenden Main-Weser-Bahn ist nur eine 2,5 m hohe Mauer geplant. Die Stadt sollte also Gesundheits- und Umweltaspekte bei Ihrer Planung stärker als bisher berücksichtigen. Das hätten alle Frankfurter verdient.“

Elmar Gleichner, Frankfurt

fr-balkenEmotionale und sogar diskreditierende Mittel

Stadtentwicklung in Frankfurt: „Stadt bedeutet Dichte“ , FR.de vom 1.2.2017

„Die Debatte um Raum- und Stadtplanung auf der einen, sowie die damit verbundenen Umweltschäden und Beeinträchtigungen auf der anderen Seite nimmt in der Frankfurter Rundschau –dankenswerterweise– breiten Raum ein. Dabei kommen, wie in dem Artikel „Lärm so schädlich wie Rauchen“ (FR vom 2.3.17), auch Kritiker der städtischen Baupolitik und ihrer Folgen in Bezug auf Lärmentwicklung und Umweltschäden zu Wort. Die Befürworter einer beschleunigten und starken Verdichtung Frankfurts setzen in ihrer Argumentation allerdings auch in der FR immer stärker auf emotionale und sogar diskreditierende Mittel. Zwei Beispiele aus der letzten Zeit mögen dies belegen.
Albert Speer begründet seinen Rückzug aus der Frankfurter Stadtplanung in seinem Interview (FR vom 27.2.2017) unter anderem wie folgt: „Die vielen Bürgerinitiativen, die gegen alles kämpfen, animieren mich nicht, mich zu engagieren.“ Man beachte den feinen Unterschied zwischen ‚kämpfen‘ und ‚engagieren‘. Auch das Wort ‚alles‘ legt dem Leser ein mitgedachtes ‚unterschiedslos alles‘ fast nahe. Da wird bereits in der Sprache deutlich, dass Bürger, die sich inzwischen ja tatsächlich häufiger gegen städtische Planungen und die damit verbundenen Belastungen wehren (meist leider oft begrenzt auf ihren Lebensbereich,) eigentlich nur als Störfaktoren, als Spaßbremsen gesehen werden. Aber für wen wird denn gebaut, wenn nicht für die Bürger? Ist es nicht geradezu eine demokratische Verpflichtung, auch die Kritiker ernsthaft in die Planung einzubeziehen? Auf die Nachfrage, ob er den Lärmschutz lockern würde, antwortet Herr Speer mit einem einsilbigen „Ja“. Ändert man, wenn die Bürger zu viel Sand ins Getriebe der Planung streuen, einfach die Regeln?
In einem Artikel über den Ausbau der Main-Weser-Bahn (FR vom 1.3.2017) geht es direkter und polemischer zur Sache: Pro Bahn Sprecher Thomas Kraft findet es absurd, dass „diverse Einzelakteure ihre Partikularinteressen jahrelang“ durchsetzen. Die Verkehrsgesellschaft Oberhessen wiederum führt gegen das Schlagwort der „Autobahn für Güterzüge“ treuherzig ins Feld, dass „ausreichend freie Fahrplantrassen außerhalb der Hauptverkehrszeit und nachts“ zur Verfügung stehen“. Nachts? Lärm? Mit solchen Sätzen werden die Bürgerinitiativen (‚Einzelakteure‘) schnell zu den ‚Hyänen‘ der Partikularinteressen gemacht, Lobbygruppen, Politiker und Investoren aber zu engagierten Verfechtern des Gemeinwohls. Die Planer und erst recht die Profiteure des Frankfurter Baubooms haben aber ebenfalls nur partikulare Interessen. Die Kunst der Politik wäre es, zwischen diesen vielfältigen partikularen Interessen von den Bürgerinitiativen und Anwohnern, über die Kommunen, bis zur Industrie einen Ausgleich zu versuchen, einen Ausgleich, der jedoch nicht auf Kosten der Umweltstandards und der engagierten Bürger gehen darf.“

Folkhart Funk, Frankfurt

fr-balkenAfD steht für „Authentic for Disaster“

Wiesbaden: „AfD will ‚Wehrsportclub‘ gründen“ ,FR.de vom 21.2

„Ein AfD-Mitglied aus Wiesbaden will eine sogenannte Wehrsportgruppe gründen u. a. mit dem Argument: Der nächste Bürgerkrieg kommt! Das predigt die AfD schon lange und jetzt muss er endlich kommen, man kann ja auch nachhelfen. Selbstverständlich kommt postwendend die Distanzierung und Aufforderung an ihn, die Partei zu verlasen, wohlwissend, das wird nicht passieren. Die allseits bekannte Masche: Stinkblasen loslassen, warten, bis sie wirken und dann die Beschwichtigung, getreu nach dem Motto von Frau Petry: Wir müssen provozieren! Auch das Ausschlussverfahren gegen Herrn Höcke ist nur ein Scheingefecht. Man weiß genau, es dauert mindestens ein Jahr. Bis dahin ist die Bundestagswahl gelaufen und man kann beruhigt auf das Verfahren verweisen. Herr Gauland wird es schon zu verhindern wissen, dass Herr Höcke die Partei verlassen muss. Alles nur Scheingefechte zur Wählertäuschung und Stimmenfang. Die eigentliche Deutung von AfD scheint wohl „Authentic for Disaster“ zu sein. Ich frage mich immer wieder, wieso Menschen ihr eigenes Desaster wählen!“

Günter Söger, Eschborn

fr-balkenFaschistisches Gift

Möglicher Ausschluss von Höcke: „Eine Zerreißprobe für die AfD“ , FR.de vom 13.2.2017

„Ja es ist richtig, Björn Höcke ist ein ganz übler Nazi. der gezielt die Demokratie und Demokraten provoziert. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin ist keine Schande. Aber eine Schande ist die Tatsache, dass so genannte Politiker wie Björn Höcke in unserem Land immer noch ihr faschistisches Gift verspritzen können. Wenn es in diesem Land immer noch Leute geben sollte, die die AfD für eine demokratische Partei halten, so müssten die jüngsten Äußerungen jedem klar gemacht haben, dass es sich bei dieser Vereinigung um braune Brandstifter handelt, die vor nichts zurückschrecken. Die FR und andere Presseorgane liegen daher völlig richtig, wenn sie dieser braunen Kloake die Stirn bieten und Gegenhalten.. In Koblenz treffen sich in diesen Tagen Europas Rechte, um gegen Europa und gegen die Demokratie mobil zu machen. Ich werde zu den Gegendemonstranten gehören und ebenfalls eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen Höcke stellen. Auch ich hätte, wie der Zentralratsvorsitzende der Juden, ,Josef Schuster nicht für möglich gehalten, dass Bemerkungen wie die Höckes Land siebzig Jahre nach der Shoa noch auf Zustimmung stoßen könnten. Doch die bittere Erkenntnis für Humanisten ist wohl, dass in diesem Wahljahr dumpfes nazistisches Gedankengut wieder salonfähig geworden ist. Es gilt, sich schützend vor die Demokratie zu stellen.
Die Tatsache, dass Björn Höcke trotz seiner skandalösen und antisemitischen Äußerungen in der AfD bleiben kann verwundert mich nicht. Ich fühle mich vielmehr darin bestätigt, dass es sich bei dieser „Partei“ um ein Sammelbecken alter und neuer Nazis handelt, die bereit ist, sämtliche demokratischen Tabus zu brechen. Spätestens jetzt müssten die Sicherheitspolitiker in unserer Republik Konsequenzen ziehen. Sigmar Gabriel hat vor wenigen Monaten erklärt, dass die AfD nicht in Talk-Shows, sondern in den Verfassungsschutzbericht gehört. Dieser Einschätzung kann man nur voll und ganz zustimmen. Es ist geradezu unerträglich, dass AfD-Funktionäre auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen ihre volksverhetzerischen Parolen von sich geben können, während den Vertretern der ARD und des ZDF der Zugang zu dem Propagandatreffen der europäischen Rechten in Koblenz verweigert wurde.“

Manfred Kirsch, Neuwied

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