Bischof Mixa und der Zeitgeist

Der Augsburger Bischof Walter Mixa hat gewatscht. Das hat er nach anfänglichem Dementi jetzt doch zugegeben. Ich als Vater hätte ihn mir gehörig zur Brust genommen, hätte er es gewagt, meine Sprösslinge auch nur zu berühren, denn welche Autorität maßt er sich an? Allerdings geht es hier um Gewalt gegen Waisenkinder – auch wenn man argumentieren könnte, dass eine „Watsch’n“ möglicherweise nicht gleich Gewaltausübung ist. Doch wo fängt die an? (Weiter unten in diesem Blog geht es um psychische Gewalt gegen Schulkinder.) Das eigentlich Problematische an dieser Sache ist allerdings weniger, dass der Bischof geschlagen hat, sondern vielmehr, dass er dies zuerst bestritten hat. Er musste sich selbst korrigieren. Ein PR-GAU. Das wäre zu Dybas Zeiten nicht passiert.

Dazu meint Dr. Klaus Schneider aus Zwingenberg:

„Was für ein Opportunismus! Derselbe Walter Mixa, der Mißbrauchsfälle einem unseligen Zeitgeist anlastet, rechtfertigt seine Handgreiflichkeiten mit nicht mehr und nicht weniger als einem – Zeitgeist! Selbstredend mit einem, der ihm genehm ist. Wollte er nicht stattdessen eine Institution repräsentieren, die gerade den Wechselfällen des Zeitgeistes widersteht? Wäre dem tatsächlich so, dann wäre heute nicht Unrecht, was damals recht geschah; und dann müsste er heute entweder einräumen, damals Unrecht begangen zu haben, oder aber darauf bestehen, dass es diese Rotzlöffel damals nicht anders verdient hatten und er heute genauso dreinschlagen würde, wenn ein vorlauter Firmling der Frohen Botschaft und der Institution ihrer Verkündigung nicht den gehörigen Respekt zollte. Zwischen beiden Positionen zu lavieren, ist die armseligste denkbare Vorstellung.“

Maria-Sylvia Sengen aus Neu-Isenburg:

„Irgendwie finde ich die Kritik etwas in Schieflage. Vor Jahrzehnten war es durchaus üblich und auch nicht weiter ernst genommen, daß Erziehungsberechtigte härter zugriffen. Ich selbst habe das nie für gut geheißen, aber man sollte diese „Taten“ nicht mit den heutigen Maßstäben messen.
Und dann drängt sich mir insbesondere im Fall Mixa die Frage auf, was hat der Knabe denn Unrechtes getan, daß er aus dem Klassenzimmer gerufen wurde, um eine „Watschn“ einzufangen? Es wäre wirklich schön, wenn auch die Ursache dieser Handgreiflichkeit einmal ausgesprochen würde, dann könnten sich evtl. die harten Kritiker, die nach Rücktritt rufen, wieder beruhigen.“

Walter Hürter aus Ingolstadt:

„Wer gnadenlos mit einem seiner Pfarrer, nämlich Bernhard Kroll, wegen seiner Teilnahme als katholischer Priester an einem evangelischen Abendmahl während des 1. Ökumenischen Kirchentags umgesprungen ist, als hätte er schwer gesündigt, muss mit sich bei weit schlimmeren Vergehen ebenfalls gnadenlos umgehen.
Bischof Mixa war ein Karrierist, der beim Vatikan als willfähriger Exekutor, beim Kirchenvolk als überaus eitler Kirchenfürst gesehen wurde, der davon sprach, dass der Priester sich nicht in den Mittelpunkt bei Gottesdiensten stellen dürfe, dies aber wie kaum ein anderer tat. Anspruch und Wirklichkeit klafften bei ihm häufig auseinander. Er watschte nicht nur in einer Zeit, in der es auch in Bayern nicht mehr üblich war, sondern er grenzte Kritiker aus, lebte wie ein Lebemann und umgab sich mit Günstlingen.
Er hat sowohl in Eichstätt als auch in Augsburg bewiesen, dass ihm entscheidende Eigenschaften als Bischof fehlen. Seine Glaubwürdigkeit und die der Kirche hat schweren Schaden genommen, weil seine salbungsvollen Worte im krassen Gegensatz zu seinen Taten standen. Ein unglaubwürdiger Seelsorger hat seine Autorität verloren.“

Edi Schubert aus Frankfurt:

„Es ist – entschuldigen Sie – gerade zu idiotisch, nach Jahrzehnten Vorgänge,  welche damals wirklich ’normale Erziehungsmethode‘ waren, heute dermaßen aufzubauschen. Vielleicht können sich die ‚Geschädigten‘ von damals wenigstens auch noch ‚genau‘ daran erinnern, was der Anlass für die Watschen etc. war. Außerdem kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass die Watschen und auch Stockhiebe plötzlich mit den sexuellen Vergehen der pädophilen Priester gleichgesetzt werden. Vielleicht sollte ich auch meinen Vater und meine Lehrer von damals verklagen. Manchmal denke ich, Eltern, welche ihren Kindern keine Grenze setzen, sollten vielleicht als Eltern zurücktreten. Stattdessen Politiker und Banker … Ja das geht jetzt zuweit, ich weiß!
Ich bin nicht für Hiebe als Erziehungsmaßnahme, aber ich kann mir auch nicht ganz erklären, warum die antiautoritäre Generation so schwierige Kinder hervorbringt, die mir täglich begegnen, glücklicherweise nicht alle, wir wollen ja kein Schubladendenken einführen.“

Manfred Kirsch aus Neuwied:

„Als ob es nicht schon schlimm genug ist, dass Bischof Mixa mit seiner Falschaussage, zu keiner Zeit gegen Kinder und Jugendliche Gewalt in irgendeiner Form angewandt zu haben, als Kirchenmann dreist gegen das achte Gebot verstoßen hat, nicht falsches Zeugnis wider seinen Nächsten zu reden, hat er zudem alle diejenigen, die auch bereit sind, vor Gericht zu beeiden, von ihm geschlagen worden zu sein, erneut zu Opfern gemacht, indem er ihnen unterstellt hat, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Bischof Mixa sollte sich ein Beispiel an der evangelischen Bischöfin Käßmann nehmen.
Jeder Würdenträger der katholischen Kirche, der sich auf Mixas Seite stellt, abwiegelt, beschwichtigt, sich uneindeutig verhält, trägt aktiv dazu bei, dass die Beteuerungen von Papst und Bischöfen über die Ehrlichkeit un den Aufklärungswillen der Kirche nicht glaubhaft wirken. Der weitere Verlauf im Hinblick auf Bischof Mixa wird somit zum Lackmus-Test für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche, denn der Schaden, den Mixa angerichtet hat, ist mit einem GAU für die Kirche gleichzusetzen.“

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12 Kommentare zu “Bischof Mixa und der Zeitgeist

  1. Ich habe einmal einen Tierfilm gesehen. Ganz niedliche kleine Löwenbabies kabbelten sich untereinander, kletterten aber auch auf der Mammi herum, und bissen und knufften sich nicht nur gegenseitig, sondern auch die Mammi und beknabberten ihr sowieso schon ganz bedenklich zerfranstes Ohr (war wohl nicht ihr erster Wurf). Ein gewisser Unwillen der Mama war erkennbar, der sich mit der Zeit steigerte, bis er sich in einem gewaltigen Prankenhieb entlud… das getroffene Kleine kugelte mindestens einen Meter durch die Gegend und schaute anschließend reichlich verdattert aus der Wäsche.

    Jetzt habe ich wirklich Sorge, ob das süße Kleine nicht einen psychischen Schaden davongetragen hat. Hat es denn nicht das Urvertrauen in die Bezugsperson verloren? In einem Einzelgängerlöwen, in einem anderen Naturfilm gesehen, erkannte ich schon das kleine Baby, jetzt erwachsen geworden… die Löwengesellschaft scheuend, verbittert, in sich gekehrt, ein sozialer Krüppel… und das alles nur, weil die Löwenmama sich nicht an die modernen pädagogischen Empfehlungen hielt.

    Es bleibt mir eigentlich nur zu hoffen, daß Löwenbabies psychisch robuster sind als Menschenkinder.

  2. … Er musste sich selbst korrigieren. Ein PR-GAU. Das wäre zu Dybas Zeiten nicht passiert. …

    Das ist ein Blog-Gau (made by FR)

    *murmelt* Bronski, Bronski

    *kopfschüttelnd weitergeht*

  3. @ rü

    Ich gebe ehrlich zu, dass Dyba mir fehlt. Über den konnte man sich wenigstens aufregen, an dem konnte man sich richtig reiben. Er hat mir ständig Stoff für die Satiren geliefert, die ich damals für verschiedene Zeitungen schrieb.

  4. Ich frage mich, wo einige der Leserbriefschreiber, die sich zum Fall Bischof Mixa äußern, zur Schule gegangen sind. Offenbar hatte ich großes Glück, dass ich, deren Schulzeit in die fünfziger und sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts fiel, in Mittelhessen (Dillenburg) zur Schule gehen konnte, wo sogenannte „Watsch’n“ absolut unüblich waren. Außerdem sollte man gerade von der Institution Kirche erwarten, dass sie kritisch umgeht mit dem, was momentan vom Zeitgeist her „üblich“ ist, falls denn eine solche Art von Erziehung überhaupt jemals üblich war und nicht schon damals eher einen Ausrutscher darstellte.
    Wenn, wie in einem Leserbrief gefordert, die Ursache dieser „Handgreiflichkeit“(!) benannt werden sollte, dann hätte das doch Bischof Mixa jetzt selbst tun können. Wenn die Ursache so banal war, dass er sich gar nicht mehr so recht daran erinnert, war das Zuschlagen bestimmt nicht gerechtfertigt.

  5. Naja, Bronski, dann gehe zum hr, dem ersten Programm, kannst morns aufstehn:

    „Herr, gib mir das Gefühlt zurück.“

    … und wunder dich dann nicht, wenn der Nächste ankommt und erzählt: „Unter Adolf wäre das nicht passiert.“ (auch ein Satz von früher).

    Dann brauchts auch keinen Toleranzaufruf in der FR, weder von der Lokal-Redaktion, noch in der Meinungsglosse. Könnts euch schenken, das Gesülze glaubt euch keiner mehr.

    — zum Thema —

    Singen und Schweigen (Kulturzeit/3sat)

    Gab es einen Bericht gestern, mit Gesprächen von ehemaligen Domspatzen. Vielleicht setzen die den noch online.

  6. Der in Deutschland umstrittendste Vertreter der katholischen Kirche räumt sein Machtgebiet. Den Bischof der Wahrheit – so betitelte er sich in der vergangenen Weihnachtsmette demagogisch geschickt – holte seine Vergangenheit ein und die in lügenhafter Manier abgestrittenen Tätlichkeiten gegenüber Heimkindern als pädagogisches Begleit-Instrumentarium zur Spürbarmachung katholischer Moral führten nunmehr zum Aus. Die anstehenden Tempelreinigungen könnten durchaus ein Beweis für die Existenz Gottes sein.

  7. Es war allerhöchste Zeit für den Rücktritt des umstrittenen Augsburger Bischofs Mixa. Leider erfolgte sein Rücktritt nicht aus Freiwilligkeit und eigener Erkenntnis fehlerhaften Verhaltens, sondern musste ihm von den obersten katholischen Kirchenfürsten erst mit Nachdruck nahegelegt werden. Wie sollte ein Bischof auch zukünftig glaubwürdig ex cathedra das 8. Gebot („du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten“) predigen, wenn er selbst in aller Öffentlichkeit hartnäckig Lügen verbreitet und dabei zugleich andere diffamiert. Bis zu dem Zeitpunkt, als er vor wenigen Tagen zumindest die Verteilung einiger „Watschen“ – die nach dem sehr merkwürdigen Verständnis dieses Bischofs aber keine Gewalt darstellen – einräumte, vermittelte er nach außen den Eindruck eines großflächig angelegten Komplotts gegen seine Person und bezichtigte damit mittelbar all diejenigen der Unwahrheit, die ihn – offenbar völlig zu Recht – belastet haben. Mehr noch: im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen im sexuellen Bereich exkulpierte sich namhafte Vertreter der katholischen Kirche mit dem sogenannten Zeitgeist der 68-er Jahre, der angeblich den Nährboden für diese Taten erst bereitet habe. Nunmehr muss auch zur Entschuldigung des Augsburger Weihbischofs ein angeblicher Zeitgeist herhalten, wenn von ihm – auch dies wider besseres Wissen – behauptet wird, in der Zeit seiner Tätigkeit als Pfarrer in Schrobenhausen (1975 bis 1996) sei es in der Pädagogik allgemein üblich und somit sozialadäquat gewesen, Schülern gegenüber nicht mit Worten, sondern auch mit Hand und Faust zu argumentieren. Dies stellt eine ungeheuerliche Verhöhnung und Verunglimpfung all derjenigen Lehrkräfte im schulischen oder kirchlichen Bereich dar, die seinerzeit tätig waren und die es im Umgang mit Schülern bei Sach -anstatt tatkräftigen Argumenten beließen. Ich selbst entstamme der Nachkriegsgeneration und selbst in den 50- gern und 60- er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war es keinesfalls allgemein üblich, vom Pädagogen körperlich gezüchtigt und misshandelt zu werden. Dies trifft umso weniger für den hier relevanten weit späteren Zeitraum zu. Das Verhalten solcher Kirchenfürsten trägt maßgeblich dazu bei, dass sich die Bürger zur Zeit bei den amtsgerichtlichen Abteilungen für die Kirchaustritte die Klinke in die Hand geben.

  8. Es wird nicht gesehen, dass die Katholische Kirche als Organismus krank ist, ähnlich wie die Gesellschaft. So wie der körperliche Organismus Gifte abspaltet, in Entzündungsprozessen loszuwerden versucht, schließlich als Tumor abspaltet, um funktionsfähig zu bleiben, wird der Bischof von der Kirche „abgespaltet“. Dadurch gesunden aber Organismen nicht und drohen so zugrunde zu gehen!

  9. Die Hetzjagd gegen die Katholische Kirche hat ihr Ziel erreicht. Bischof Mixa, der, wie nur wenige unter den deutschen Bischöfen, dem kranken Zeitgeist charakterstark entgegengetreten ist, ist dem öffentlichen Terror gewichen. Zurück bleibt die Schande für die übrigen Bischöfe, die ihn dazu gedrängt haben, anstatt ihn zu unterstützen. Sie haben versagt, ihre Glaubwürdigkeit verloren und der Kirche geschadet.

  10. Ecrasez l“infame! (gilt seit 1760…)
    Die heutige komplexe Welt wird schon längst nicht mehr durch Religionen und Kirchen stabilisiert…

  11. # 9, Herbert Gaiser,

    kaufen Sie sich den „Spiegel“ von dieser Woche, da finden Sie einen sehr interessanten Artikel über den von Ihnen so hochgelobten
    Herrn Mixa.

    Dass alle anderen Bischöffe ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten – ein starkes Stück !

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