Danke, lieber Vulkan, für diese Ruhe und den Frieden!

Es ist schon krass, nicht wahr? Ein eher unbedeutender Vulkan im fernen Island spuckt Asche und legt damit große Teile des europäischen Flugverkehrs lahm. Der Vulkanausbruch ist keine Katastrophe im globalen Maßstab, wie sie etwa der Ausbruch des Tambora im Jahr 1815 darstellte; infolge dieses Ausbruchs war 1816 das „Jahr ohne Sommer“, und 1817 gab es schwere Hungersnöte. Oder wie der Ausbruch des Supervulkans Toba vor etwa 74000 Jahren, der möglicherweise zu einer Dezimierung der Vorfahren des Homo sapiens auf weniger als 10000 Individuen führte. Nein, der Eyjafjallajökull ist ein eher kleiner Vulkan. Die Aschewolke, die den europäischen Luftverkehr lahmgelegt hat, ist nicht mal zu sehen. Und was man nicht sehen kann, ist nicht vorhanden, nicht wahr? Deswegen wettern manche Airlines gegen die – auch politische – Entscheidung, den deutschen Luftraum zu sperren, denn für die bedeutet das Flugverbot natürlich eine ökonomische Katastrophe. Bisher wurden bei früheren Flügen durch solche Aschewolken rund 100 Flugzeuge beschädigt – und jetzt auch ein Nato-Kampfjet, in dessen Triebwerken Glas gefunden wurde, Ablagerungen der tückischen Asche-Partikel. Ist die Komplettsperrung also überzogen? Oder ist es richtig, dass Sicherheit der oberste Maßstab zu sein hat?

Die FR-Leserinnen und -Leser sind jedenfalls nicht unglücklich mit Eyjafjallajökull. So schreibt Peter Vogelgesang aus Walldort:

„Herrlich, diese Tage der Ruhe und Besinnlichkeit. Keine Kondensstreifen am Himmel, kein ununterbrochenes Brummen. Danke, lieber Vulkan! Selbst der Vogelgesang im Naturschutzgebiet Mönchbruch ist wieder zu hören,obwohl auch die Tiere fast erstaunt zu sein scheinen. Hoffentlich bleibt dieses Ereignis den Menschen noch in langer Erinnerung. Nicht Globalisierung, Profitgier und Bankenrettung durch die Steuerzahler sind erstrebenswert, sondern Ruhe, Frieden und Bescheidenheit. Wer erinnert sich noch an die autofreien Sonntage – herrlich!  Dies aber ist die Steigerung des Wohlgefühles.
Es muss ein klares Nachtflugverbot in der gesetzlichen Nacht von 22 bis 6 Uhr  geben – mit nur einer Ausnahme in technischen Notfällen.  Schön, dass die Natur uns Grenzen zeigt, und das sollten auch Gerichte tun, wenn es darum geht die Allgemeinheit vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren. Könnte es nicht auch einen flugfreien Tag in der Woche oder wenigstens im Monat geben?“

Dr. Peter Schlapp aus Frankfurt:

„Bei Ihrer Berichterstattung, Ihren Kommentaren und den Einlassungen der Fluggesellschaften zum allgemeinen Flugverbot wurde bisher eine Frage nicht gestellt: Wem vertrauen die Fluggesellschaften im Normalfall? Wenn keine Staubwolke unterwegs ist? Sie vertrauen den gleichen Wetterdiensten und den gleichen Wettermodellen, denen sie jetzt mit Misstrauen begegnen. Warum tun sie das? Die menschliche Psyche ist so eingerichtet, dass sie der guten Nachricht mehr oder weniger blind vertraut, die schlechte Nachricht, die nicht in den eigenen ‚Kram‘ passt, wird dagegen abgelehnt.“

Anna-Lena Hanker aus Wettenberg dagegen:

„Seit drei Tagen sitzen wir bereits in Seoul, Suedkorea fest und warten. Warten darauf, dass unsere Fragen beantwortet werden und wir hier so schnell wie moeglich rauskommen. Doch keiner interessiert sich fuer unsere Fragen. Unser Flug Ke 905 nach Frankfurt am Freitag wurde gestrichen, ebenso wie zahlreiche andere danach. Was tut Korean Air fuer uns? Nichts. Keine Feldbetten, kein Essen, keine Hoteluebernachtung, nicht mal Decken fuer die erste Nacht am Flughafen haben wir bekommen, obwohl die zu Hunderten in den Flugzeugen liegen die reglos am Flughafen stehen. Wir beneiden die Leute am Frankfurter Flughafen, die nicht allein gelassen werden. Die Nacht von Freitag auf Samstag haben wir vor dem Schalter A22 verbracht. Morgens wurde uns gesagt, dass die Standby-Listen nicht geoeffnet werden und wir am naechsten Morgen wieder kommen sollen. Zur Zeit haben wir eine Flugreservierung fuer Donnerstag, den 22.4., fuer die wir sogar noch 320 Euro bezahlen muessen. Wenn diese Maschine nicht starten kann, muessen wir uns wieder hinten anstellen und einen neuen Flug buchen. Bis Anfang Mai ist bereits alles ausgebucht weil Korean Air einfach die Passagiere von den gestrichenen Fluegen in die naechstbesten Maschinen auf freie Plaetze verteilt, und diese Plaetze werden rar. Von extra Maschinen keine Rede, im Gegenteil, wir muessen noch drauf bezahlen. Korean Air fuehlt sich nicht verpflichtet uns nach Hause zu bringen. Der Stopover in Seoul nach einer sechsmonatigen Australienreise ist zu einer echten Geduldsprobe geworden.“

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7 Kommentare zu “Danke, lieber Vulkan, für diese Ruhe und den Frieden!

  1. Zu Dr. Peter Schlapp:

    Die Wettermodelle berechnen für bestimmte Punkte in der Atmosphäre Luftdruck, Temperatur, Wassergehalt (Feuchte), sowie den Bewegungsvektor (Wind). Über den Wind kann man natürlich die örtliche Verteilung theoretisch berechnen. Zur praktischen Berechnung der Partikeldichte an bestimmten Orten benötigt man aber folgende Informationen:

    a) Einen definierten bzw. vollständig bekannten Anfangszustand
    b) Kenntnisse über den Partikelschwund z.B. durch Abregnen, oder Absinken auf den Erdboden aufgrund des Gewichts der Partikel

    Ich habe meine Zweifel, daß man a) jemals ausreichend genau besaß, und daß die Modelle für Berechnungen der in b) erwähnten Vorgänge überhaupt ausgelegt sind, denn im normalen Wettergeschehen gibt es ja keine Notwendigkeit zur Berechnung der Absink- oder sonstigen Bewegungen von Staub- oder anderen Teilchen schwerer als Luft (von auskondensiertem Wasser mal abgesehen).

    Ein viel größeres Problem kommt noch hinzu: In der normalen Wettervorhersage beobachtet man ja nicht den Zustand der Atmosphäre am ersten Januar, und berechnet dann in den Modellen ausgehend von diesem Zustand das Wetter für den Rest des Jahres. Spätestens nach dem 25. Januar ergäbe das eine Wettervorhersage mit einer Qualität, die auch durch bloßes Raten zustandekommen könnte. Sondern jeden Tag, ja alle sechs oder sogar teilweise alle drei Stunden ermittelt man den Zustand der Atmosphäre aufs Neue (so genau es eben geht, also leider ungenauer als man wünschen würde), und nimmt den neu beobachteten aktuellen Zustand als Grundlage für die numerischen Berechnungen für die Vorhersage.

    Diese sechsstündlich aktualisierten Ist-Aufnahmen des Zustands und der Verbreitung der Vulkanwolke gibt es aber doch nicht, bzw. sie sind durch Satellitenmessungen nicht ausreichend genau festzustellen, wenn die Partikeldichten einfach zu gering sind, und durch die üblichen Wettermeldungen (SYNOP, METAR) schon einmal gar nicht, wenn einem nicht direkt die Asche aufs Haupt fällt (auch Aufstiege von Wetterballons (sog. TEMP) können diese Partikel gewöhnlich nicht messen).

    Die wirklich erstaunlich guten Vorhersagemodelle für flugrelevantes oder anderes Wetter können also nicht verhindern, daß man im Fall der Vulkanaschepartikel doch eher im Dunkeln tappt.

  2. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) unterhält am Offenbacher Kaiserlei eine der leistungsfähigsten Rechneranlagen im Land. Aber von meinen gelegentlichen Berührungen mit der Flugmeteorologie weiss ich, dass
    jeder erfahrene Wetterfrosch bei bestimmten DWD-Produkten (z. B. Meteogramm und Skyview) warnt, dass es sich dabei „nur“ um Modellrechnungen handele, die mit dem zeitlichen und räumlichen Abstand zu den Quelldaten immer ungenauer würden. Erst die richtige Mischung aus Modellrechnungen und aktuellen Messungen ergebe ein zuverlässiges Bild.

    Deshalb war ich am Sonntagabend aufs Höchste erstaunt, als ich in den Nachrichten hörte, dass die aktuelle Vulkan-Gefahreneinschätzung für den Luftverkehr alleine auf einer einzigen Modellrechnung basiert, dass in den 60 Stunden seit Eintritt des (keinesfalls unerwarteten)
    Gefahrenfalls in Deutschland noch kein einziger Asche-Messballon aufgestiegen ist, und dass das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wohl noch bis Montagabend braucht, bis es sein Messflugzeug umgerüstet hat.

    Da kann ich es schon verstehen, dass der Lufthansa irgendwann der Kragen platzt und sie selber einen Flieger (immerhin einen
    Hundert-Millionen-Wertgegenstand) zum Testflug losschickt – mit einem positiven Negativ-Ergebnis. Was war nun höher, die Aschekonzentration über Deutschland oder die Feinstaubbelastung freitags um vier in der
    Frankfurter Bleichstraße?

    Beeindruckt war ich von dem Ramsauer-Auftritt auf allen Kanälen, weil er alle meine Vorurteile bestätigt hat. Er mag ja ein Star in bayrischen Bierzelten sein, aber seit gestern vertraue ich, wenn ich in einen
    Flieger steige, doch lieber dem Lufthansa-Chef Mayrhuber als dem Minister Ramsauer.

  3. Hallo Herr Blinten,

    daß meteorologische Vorhersagen mit steigendem zeitlichem Abstand zur Ursprungslage, die die Basis für die Berechnungen ist, immer ungenauer werden, ist keine große Neuigkeit und wird auch vom DWD nicht geheimgehalten. Wie sie aber eine Modellrechnung für z.B. morgen mittag mit aktuellen Messungen mischen wollen, um dann eine bessere Vorhersage für morgen mittag zu bekommen, bleibt mir ein Rätsel, denn für morgen mittag gibt es doch noch keine aktuellen Messungen, und das bleibt auch bis morgen mittag so.

    Der Ansatz von Ramsauer ist ein anderer als der von Mayrhuber. Ramsauer interessiert ausschließlich die Sicherheit der Fluggäste (von Amts wegen jedenfalls). Mayrhuber interessiert diese Sicherheit natürlich auch in gewissem Umfang, er hat aber auch noch die Abteilung fürs Betriebswirtschaftliche in der Firma, aus der heraus er jetzt aufgeregtes Winken in seine Richtung wahrnehmen kann. Ob ihn das vertrauenswürdiger macht, ist die Frage.

    Die zentrale Frage ist jedenfalls, soll man bei unklaren Datenlagen das Worst Case Szenario die Entscheidung bestimmen lassen oder alles mal nicht so eng sehen. Das hängt ja von der Schwere möglicher Konsequenzen ab. Datenqualität und Konsequenzen sind auch nicht objektiv eindeutig bestimmbar, sondern werden abgeschätzt, und zwar von jedem scheinbar anders. Daß man also im Fall der Vulkanasche das ganze Spektrum hat, von „Alle Vögel bleiben unten“, bis „Alle Vögel sollen fliegen“, ist von daher nicht verwunderlich.

  4. Ich hatte jedenfalls einen schönen Tag bei der Gartenarbeit – ohne nervige Jets.
    Komisch dass ich über den Tag nur zwei Flieger gesehen habe, obwohl sie doch per Sichtflug dürfen?!

  5. oh schön, wenn die welt mal still hält. alle hektik ruht und wir mal wieder zur ruhe kommen. kann diese wolke nicht auch mal frieden bringen? den wir uns doch alle so sehr wünschen?

  6. …wie ist doch unsere hoch technisierte Welt so empfindlich !

    Da „hustet“ fern im Norden ein Vulkan, und Europa liegt mit schwerer Grippe darnieder.

    Jedenfalls hat die himmlische Ruhe gut getan.

    Das Nachtflugverbot sollte keineswegs gelockert werden.

  7. Merkwürdig… die gestrandeten Urlauber jammern, aus begreiflichen Gründen, aber alle anderen scheinen es nur herrlich zu finden… wo sind bloß all die Vielflieger abgeblieben? Na dann machen wir mal Butter bei die Fische und erheben endlich eine Steuer aufs Kerosin, wie sie z.B. auf Autobenzin üblich ist, von mir aus gern auch in derselben Höhe… Fliegen würde dann nicht unmöglich, wie durch Asche in der Luft, aber das schnelle Mallorcawochenende würde sich der eine oder andere dann doch überlegen… mit anderen Worten, der Gesamtverkehr würde reduziert, was auch vernünftig ist, nicht nur aus Natur/Klimaschutzgründen… und die wahren Menschenmassen, die jetzt die Ruhe und den blauen Himmel wiederentdeckten, könnten jubeln.

    Leider wird es aber genau andersrum kommen. Um die Verluste auszugleichen, werden die Fluggesellschaften um steuerliche oder andere Erleichterungen bitten statt ums Gegenteil… und damit den Fliegerwahnsinn noch weiter intensivieren.

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