Wenn wir am Computer sitzen und unser Gehirn gerade erst anfängt, eine Frage zu formulieren, von der wir das erste Wort in eine Suchmaske eintippen, weiß Google schon, was wir wollen könnten. Weil wir uns nicht so sehr unterscheiden von den Millionen anderen, deren Daten Google schon gespeichert hat. Gibt man bei Google ein Wort ein, erscheint eine Auswahlliste möglicher Fragen. Noch unverfrorener geht Facebook vor: Wer einmal bei Facebook war oder auf einen „Gefällt-mir“-Button in einer anderen Internetseite geklickt hat, muss davon ausgehen, dass er von dem Unternehmen zwei Jahre lang bei seinen Aktivitäten im Internet verfolgt – „getrackt“ – wird, sagen Datenschützer. – Mehr? Zum Text „Informationelle Fremdbestimmung“ meint Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:

„Matthias Thieme fordert zu Recht, dass sich die Internetnutzer ihre Rechte von Facebook und Konsorten zurückerobern müssen. Und dieser Kampf sollte mit der Rückkehr zu einer Sprache beginnen, die ausdrückt, um was es geht und die nicht länger der Verschleierung dient.
Also Schluss mit der verharmlosenden Bezeichnung „soziale Netzwerke“! An Facebook ist allenfalls sozial, dass dadurch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe definiert wird: Nämlich zu jener von exhibitionistischen und voyeuristischen Schlichtdenkern, die durch nullwertige Geschwätzigkeit auffallen. Und welche die Errungenschaften, die mit dem Internet verbunden sind, auf dessen technische Funktionalität reduzieren, ohne dessen innovative Möglichkeiten auch nur annähernd begreifen zu können.
Diesen Internet-Junkies geht es nicht um Inhalte, sondern um Events; Kommunikation wird zum banalen Small Talk, zur permanenten Party. Sie verwechseln Öffentlichkeit mit öffentlicher Preisgabe der eigenen Person und damit zum Verlust von Individualität und Persönlichkeit. So werden Facebook und andere zu des „Kaisers neuen Kleidern“ und lassen ihre Nutzer ziemlich nackt und armselig aussehen.
Suchmaschinen wie Google liefern mittlerweile „Treffer“, die zu 95 Prozent eine zu vernachlässigende inhaltliche Substanz aufweisen – eben weil sie die Geschwätzigkeit des antiintellektuellen Teils der Gesellschaft widerspiegeln (streng sortiert nach Konsumklassifizierungen).
Mir ist durchaus bewusst, dass sich auch vermeintlich seriöse, etwa öffentlich-rechtliche Sender, mittlerweile dieser Netzwerke bedienen. Weil sich die verantwortlichen Gremien, Intendanten und Chefredakteure in ihrer Quotenbesessenheit von der Reduktion von Information einen Wettbewerbsvorteil erhoffen. Dieses Kalkül wird langfristig den eindimensionalen Zuhörer- bzw. Zuschauertyp produzieren, dessen kulturelle Bedürfnisse ARD und ZDF überflüssig machen.“

Stephan Steinhoff aus Bonn:

„Matthias Thieme hat Recht, dass es ein Recht braucht, dass uns vor Facebook und Konsorten schützt. Aber es braucht noch mehr: die kritische Einstellung der Menschen zu dieser Art von so genannten sozialen Netzwerken. Facebook täuscht und betrügt. Von einer guten Bekannten wurde ich eingeladen, mir ihre Fotos auf Facebook anzuschauen. Ich registrierte mich auf Facebook, aber dort gab es keine Fotos von ihr. Auch die Mail mit der Einladung war nicht von ihr, Facebook hatte sie automatisch generiert, indem es ihre E-Mail-Adressen gestohlen hatte, unter anderem auch meine. Sofort legte ich meinen Account bei Facebook still. Um dann erfahren zu müssen, dass stilllegen nicht löschen bedeutet. Meinen äußerst mühsamen, zuletzt aber erfolgreichen Versuch, den Account ganz zu löschen, begleitete das „soziale“ Netzwerk Facebook mit hämisch-dämlichen Kommentaren, so als würde die Löschung meinen Abschied aus der zivilisierten Welt bedeuten. Meine Schüler mobben sich gegenseitig auf Facebook auf das Übelste. Die Beschwerden und Hilferufe landen bei mir. Wer dort nicht registriert ist, wird nicht mehr zu Feten und Feiern eingeladen, als ob es keine anderen Kommunikationswege mehr gäbe. Uns aber verfolgt der allgegenwärtige Facebook-Button allüberall; übrigens absurder Weise auch auf dieser Seite hier, auf der ich gerade meinen Kommentar schreibe zu einem Facebook-kritischen Artikel. Auch die FR ist verseucht.
Facebook sollte per Gesetz dazu verpflichtet werden, jedem Mitglied jeden Monat eine DVD mit seinen persönlichen, bei Facebook gespeicherten Daten zur Verfügung stellen zu müssen und unaufgefordert zuzuschicken, so dass jeder, der auf Facebook hereingefallen ist, seine Daten zeitnah kontrollieren kann. Und von den FR-Seiten sollten alle Facebook-Buttons schleunigst verschwinden. Ein Armutszeugnis!“

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6 Kommentare zu “Facebook und Konsorten

  1. Danke, dass dieses Thema auch hier mal endlich aufgegriffen wird. Alle regen sich darüber auf, wenn konservative Politiker Daten von ihren Bürgern sammeln und langfristig speichern wollen. Was aber Google, Facebook und Co. veranstalten, ist eigentlich noch viel schlimmer.
    Mich würde mal interessieren, wie die plötzlich so beliebte Piratenpartei zu dem Mißstand der Datenspionage duch private Unternehmen eingestellt ist?

  2. Erfrischende Kritik und zwei klasse Leserbriefe im Gegensatz zum peinlichen Hype in den meisten Medien.

    Besonders übel wars , als der Eindruck entstand ,die arabischen Revolutionen wären quasi durch Facebook und Twitter ausgelöst worden.

    Allerdings halten diese Netzwerke den Leuten auch den Spiegel vor.
    Klaus Philipp Mertens weist völlig zu Recht darauf hin , daß es der immer weiter zunehmende , krankhafte Hang zur Selbstdarstellung ist und sein Gegenstück , der Voyeurismus, von denen der ganze Quatsch gefüttert wird.

    @ fox

    „Piratenpartei…“

    Das würde mich auch mal interessieren, deren Sichtweise ist vielleicht etwas einseitig und vernachlässigt die negativen Seiten.

  3. Für mich stellt sich erstmal die Frage, inwieweit der Bürger übers stattfindende Datensammeln real informiert ist, oder inwieweit er nur durch die Medien aufgehetzt wurde, deren Geschäftsmodell ja so aussieht: Je mehr man die Menschen aufhetzen und hysterisieren kann, Tatsächliches ins Extrem verzerren, die Wahrheit verdrehen usw., umso größer wird „die Quote“ bzw. „die Auflage“, d.h. umso mehr Geld ist zu verdienen.

    Die Hetze findet nur selten nach Stürmer-Art statt, sondern man macht es ein wenig moderater. Ein Beispiel: Eine deutsche Zeitung 😉 schreibt:

    „Wer einmal bei Facebook war oder auf einen „Gefällt-mir“-Button in einer anderen Internetseite geklickt hat, kann von dem Unternehmen zwei Jahre lang bei seinen Aktivitäten im Internet „getrackt“ werden“

    Dem unbedarften Bürger soll hier ganz offensichtlich weisgemacht werden, Facebook wäre in der Lage, alle Internet-Aktivitäten des Nutzers mitzu verfolgen. Das ist eine klare Lüge!!! Facebook hat keine Möglichkeiten, das Ansörfen von Seiten mitzuverfolgen, die keinen „Gefällt mir“-Button enthalten, und das ist immer noch die ganz, ganz große Mehrheit aller Internetseiten! Den Lesern das zu erklären liegt aber nicht im Interesse der Zeitung, denn das zu tun steht der beabsichtigten AUFWIEGELUNG entgegen. Der Leser SOLL einen Schreck bekommen: Ach herrje, jetzt weiß Facebook wenn ich youporn ansörfe.

    Des weiteren bergen solche Sätzen wie der zitierte natürlich immer die Gefahr, daß der Bürger sie so versteht, als sammle Facebook hier Daten der einwohnermeldeamtsbekannten Person X. Diesen Falscheindruck zu korrigieren liegt nicht im Aufhetz-Interesse der Medien, weswegen man natürlich verschweigt, daß:

    a) bei Personen, die KEIN Benutzerkonto bei Facebook haben, Facebook hier erstmal nur die IP Adresse mitloggen kann, anhand derer es UNMÖGLICH ist, die dahinterstehende einwohnermeldeamtsbekannte Person zu ermitteln (wenn die Person sich nicht grob fahrlässig verhält und z.B. Facebook in einer Mail seine IP, seinen Namen und seine Adresse mitteilt).

    b) bei Personen, die ein Benutzerkonto bei Facebook haben, Facebook das Surfen auf „Gefällt mir“-Button enthaltende Seiten auch nur der Entität zuordnen kann, deren Daten im Facebook-Profil vom Nutzer eingegeben wurden. D.h. wenn sich Hans Müller dort als „Hans Müller“ anmeldet, womöglich noch echte Adressen usw. angibt, ist er selber schuld. Wenn er hingegen sich sagen wir dort als „Hurlipurli“ anmelden würde, ist dann die Frage zu stellen, inwieweit es Hans Müller den Angstschweiß auf die Stirn treiben soll, wenn bei Facebook folgender Datensatz entsteht: „Hurlipurli sörfte am 3.11.2011 um 10:35 http://www.spiegel.de an“.

    Nicht zuletzt wird dann natürlich in der von der Hetze lebenden Presse verschwiegen, daß man solcherart Datensammeln als Benutzer mit einem einfachen Handgriff KOMPLETT abstellen kann: Einfach im Browser ein für alle Mal die Cookies deaktivieren!!! (Mist, dannn funktioniert der „Gefällt mir“-Button aber nicht mehr… HAHAHAHA!)

    Über weitere klare Fehler im zitierten Satz nur so viel: Ob man den „Gefällt mir“-Button anklickt oder nicht spielt keine Rolle für die Datenabstimmung, die findet beim bloßen Laden der Seite statt. Hier erkennt man, daß der technische Sachverstand des Artikelautors wohl gegen Null geht und einfach etwas Falsches irgendwo aufgeschnappt wurde oder etwas Richtiges aufgeschnappt und falsch nachgeplappert wurde. Beides hat mit sorgfältiger Recherche rein gar nichts zu tun.

    Ein halbwegs technisch Gebildeter, der den Unsinn, den die Mainstreammedien in diesen Technikthemen verzapfen, klar erkennen kann, wundert sich schließlich auch nicht mehr besonders über das Konfglomerat an Mythen, Falschbehauptungen usw., das die öffentliche Diskussion um die Wirtschaftskrise dominiert.

    Das Angebot der Autovervollständigung bei Google (bzw. das Verhalten von Google, das dahintersteckt, nämlich, sich alle eingegebenen Suchbegriffe zu merken) als „unverfroren“ kritisiert zu sehen hätte ich bis eben nicht für möglich gehalten… da bleibt mir die Spucke weg, ich weiß ehrlich nicht, was ich dazu noch sagen soll. Vielleicht dies: Ich denke, wir sollten diesen ganzen Technikkrams abschaffen, der das Leben erleichtert… denn diese Erleichterungen führen doch nur zur Verweichlichung! Um nicht zu sagen: Gehirnerweichung. 😀

    Und nicht zuletzt sind natürlich die Anfeindungen gegenüber Facebook, daß deren Nutzer wenig mehr als Hohlköpfe sind (Schlichtdenker), die dort nur „nullwertig schwätzen“, eine enorme Lachnummer. Facebook ist ein ANGEBOT AN ALLE, weitestgehend ohne Vorgabe, mit welchen Inhalten der vorgegebene Rahmen gefüllt werden kann. Facebook selektiert eben nicht die Eliten der Welt, oder auch nur die, die was „Wertvolles“ zu sagen haben, sondern es ist „demokratisch“ in dem Sinne, das niemand ausgeschlossen ist. Facebook das zum Vorwurf zu machen, oder gar die Inhalte, mit denen die Anwender sich untereinander austauschen, Facebook anzulasten (Was will man denn… ZENSUR aufs WERTVOLLE hin etwa?), ist ein besonderes Meisterstück diesmal allerdings ausgewiesen echten „Schlichtdenkertums“.

  4. Meiner Meinung sind die meisten Facebooks „Soziales Netzwerk“-Benutzer eben „Schlichtdenker“.
    Ihnen ist es völlig egal, was da alles passiert und sein könnte – sie haben doch nichts zu verbergen ! ;-).

  5. @maderholz,

    daß eine Aufklärung der Nutzer aller Internetangebote im Interesse einer unaufgeregten aber adäquaten persönlichen Datensicherheit not tut will ich nicht abstreiten. Das technische Wissen vieler der meist jugendlichen Nutzer geht gegen Null, das sage ich aus eigener Erfahrung. Was man weiß, ist gerade mal eine Rezeptsammlung: Für dieses oder jenes Resultat musst du dieses oder jenes Knöpfchen drücken. Was im Hintergrund technisch abläuft, liegt da für viele im Nebel (Ausnahme: der Nerd! 😀 ) Das zu konstatieren war aber, denke ich, nicht die Stoßrichtung des Beitrags von Klaus Philipp Mertens, und mit Schlichtdenker war etwas anderes gemeint.

    Die Frage ist, ob mit der Art und Weise, wie die Medien sich des Themas annehmen, d.h. Übertreibung, Verdrehung, Halbwahrheiten, wellenartigen Aufregungen (1 Woche Volldampf, 1 Jahr Stille) usw. etwas Nützliches bewirkt werden kann. Ich denke nicht.

    Hier sähe ich die Schulen in der Pflicht… man könnte entweder die vorhandenen Informatiklehrer in diesen Dingen systematisch schulen, oder einen Expertenstamm aufbauen, der von Schule zu Schule reist… aber bitte keine Agitprop-Agenten, die Facebook, Google und Konsorten verteufeln, weil sie – PFUI SPINNE – „mit Daten Geld machen“.

    Kürzlich las ich eine sehr sachliche und nüchterne technische Beschreibung des „Gefällt mir“-Buttons, die sich aber dann doch in einem Nebensatz verriet:

    „…muss man auch davon ausgehen, dass die amerikanische Firma alle Daten, derer sie habhaft werden kann, auswertet und früher oder später zu Geld macht.“

    Hier tritt die Besonderheit der deutschen verbreitet ablehnenden Haltung gegenüber diesen Internetfirmen zutage. Was in USA ein Lob ist, ist hierzulande ein klarer Makel: Man macht Geld! Pfui Deibel!

    Lustig fand ich die Tatsache, daß die Medien um Google Street Maps noch einen großen Wirbel machten, der Microsoft-Dienst mit gleichen Inhalten (nur die Straßenzugfotos wurden neu geschossen) aber medial kaum „begleitet“ wurde. Nur am Ende der Widerspruchsfrist wurden vereinzelt Kurzmeldungen verlesen bzw. abgedruckt, daß die Protesteingaben deutlich weniger waren.

    Da wird wohl mancher Journalist peinlich berührt vor den verschwommenen Quadraten bei Google Street Maps gesessen haben und sich gedacht haben: So eine Schwachsinnskampagne machen wir nicht nochmal. Ist jedenfalls meine Erklärung für die merkwürdige Stille in Sachen „Skandal: Häuserfotos werden jetzt auch von Microsoft zu Geld gemacht!“.

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