Danke, Angela Schröder!

Tina ist nicht nur die Kurzform eines Frauennamens, T.i.n.a. ist auch das Kürzel für „There is no alternative“. Mit dieser Phrase bewehrt, krempelte Maggie Thatcher, die „Eiserne Lady“, die britische Wirtschaft und das ganze Land um. Dabei war sie maßgeblich inspiriert von den Lehren Milton Friedmans, Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften und geistiger Vater dessen, was man heute verkürzend als Neoliberalismus zusammenfasst. „There is no alternative“ – das war schon damals lediglich eine Behauptung. Allerdings gab es in Großbritannien tatsächlich großen Reformbedarf. Maggie Thatcher und ihr „T.i.n.a.-Schwung“ führte dazu, dass im Vereinigten Königreich so gut wie alles privatisiert wurde.

So originell ist die Wahl des Wortes „alternativlos“ zum Unwort des Jahres 2010 also gar nicht. Interessant wäre höchstens die Feststellung, dass es der Politik allein mit der Behauptung von Alternativlosigkeit auch heute noch gelingt, ihre Positionen durchzusetzen. „Alternativlos“ sei die Griechenlandhilfe, hatte Kanzlerin Angela Merkel ganz einfach behauptet. Weil es schnell gehen musste? Weil sie in der brenzligen Situation keine Debatten brauchen konnte? Jedenfalls gab es diese Debatten dann tatsächlich kaum, und Merkel setzte sich ruckzuck durch. Die eiserne Lady vom Königstuhl machte es einfach genauso wie annodunnemals die eiserne Lady der Briten. Ein einfacher, eigentlich genialer Trick, hinter dem auch Gerhard Schröders machohaftes „Basta!“ verblasst. Letzteres kommt einem Schlag auf den Tisch gleich: Es reicht, Kinners. „Alternativlos“ dagegen … Ihr könnt mich mal?

Peter Selmer aus Frankfurt:

„Es war höchste Zeit, den bei Politikern so liebgewonnenen Ausdruck ‚alternativlos‘ als sprachliche Nebelkerze zu entlarven, die dem Bürger das Nachdenken über andere Optionen verbieten und der Regierung den Griff in des Steuerzahlers Geldbörse erleichtern soll. Die Bundeskanzlerin hatte im vergangenen Jahr die geplanten Maßnahmen zum ‚Euro-Rettungsschirm‘ als ‚alternativlos‘ gepriesen. Die Tragik an Frau Merkels Behauptung besteht allerdings darin, dass sie recht hatte: ausgerechnet die Opposition, deren ureigenste Rolle es doch ist, fällige Alternativen zu entwickeln und zur Abstimmung zu stellen, hat Frau Merkels Spiel brav mitgespielt. Bündnisgrüne und Sozialdemokraten verkündeten lauthals im Parlament, dass sie die Maßnahmen „im Prinzip“ für richtig hielten, lediglich eine gründlichere Beratung mit weniger Eile forderten. Das Problem sitzt also tiefer: nicht nur wird versucht, dem politischen Gegner mit der Parole ‚alternativlos‘ den Mund zu verbieten, sondern es werden dem eigenen Denkvermögen freiwillig engste Grenzen gesetzt. Peer Steinbrück hat das bereits 2006 exemplarisch vorexerziert. Die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 %, die 2007 in Kraft trat, wurde vom damaligen Finanzminister in der Bundestagsdebatte im Juli 2006 als ‚alternativlos‘ gepriesen. Gedeckt wurde seine Rede von einer Großen Koalition, die die Opposition zahlenmäßig zur Bedeutungslosigkeit verurteilte. Dabei hätte Steinbrück für eine derartige Behauptung eine saftige politische Ohrfeige verdient, zumal der Jahresbericht des Bundesrechnungshofes überdeutlich sagt, wo es Alternativen gibt: Jährlich werden rund 30 (dreißig!) Milliarden Euro an Steuergeldern durch eine ineffiziente und von persönlicher Verantwortung befreite Ministerialbürokratie verschleudert, und es wäre die erste und vornehmste Aufgabe eines Finanzministers gewesen, der sein Amt ernst nimmt, aus diesem Bericht die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, um einen Maßnahmenkatalog aufzustellen, der der Verschwendung von Steuergeldern Einhalt gebietet und damit zu Milliarden-Einsparungen führt.“

Jutta Rydzewski aus Bochum:

„Was da nicht alles in den letzten Jahren zur ‚alternativlosen‘ Politik erklärt wurde, ist schon enorm (haarsträubend). Mit diesen ‚Erklärungungen‘, so viel steht mittlerweile fest, hat sich die sogenannte politische Klasse, von Schröder bis Merkel, grandios alternativlos disqualifiziert. Was würde z.B. der neue ‚Messias‘ der deutschen Politik, zu Guttenberg, heute zu der angeblichen Alternativlosigkeit hinsichtlich des Kundusbombardements sagen? Was waren denn nun die 140 Opfer, darunter Kinder und Frauen? Alternativlos? Zunächst sprach in diesem Zusammenhang der strahlende BW-‚Führer‘ ganz taff, wie das so seine Art ist, von (alternativloser) militärischer Angemessenheit. Dann erfolgte, allerdings weniger strahlend, eine 180-Grad-Alternativ-Wende, und aus der Angemessenheit wurde exakt das Gegenteil. Spielt aber keine Rolle, Herr zu Guttenberg ist natürlich dennoch alternativlos, als gefühlter Bundeskanzler sowieso. Außerdem ist Herr Guttenberg, hinsichtlich des Afghanistan-Debakels, in ‚guter‘ schlechter Gesellschaft. Schröder, Fischer, Struck, Jung, Westerwelle bis Merkel, alle haben den Krieg gegen Afghanistan für ‚unabwendbar und alternativlos‘ gehalten, und tun das auch immer noch. Diese Herrschaften sind sozusagen die alternativlosen Mitstreiter des Herrn zu Guttenberg. Deshalb hat Herr Guttenberg in diesem Zusammenhang auch sozusagen alternativlose Narrenfreiheit, denn normalerweise dürfte er gar kein Verteidigungsminister mehr sein. Oder Schröders ‚beschworene Alternativlosigkeit‘ im Hinblick auf die Agenda 2010, mit dem ‚Herzstück‘ Hartz IV? Alternativlos? Die ‚alternativlosen‘ Beispiele ließen sich noch seitenlang weiterführen. Vermutlich halten sich Politiker, die ihre Politik als alternativlos darstellen, wohl auch selbst für alternativlos. Was von der Politik und dem „Alternativlos-Dummgeschwatze“ zu halten ist, dürfte mittlerweile jedem klar geworden sein, außer den ‚Alternativlosen‘ selbst, versteht sich.
Übrigens, warum zwischenzeitlich die Nichtwähler größte Partei sind, hat sicher sehr viel damit zu tun, dass es zwischen den Politikern bzw. Parteien keine echten Alternativen mehr gibt. Auffällig ist, dass im Club der ‚Alternativlosen‘ mal wieder sogenannte Sozialdemokraten häufig vertreten sind. Vielleicht ist das auch der Hauptgrund dafür, dass die SPD mittlerweile gar nicht mehr als Alternative wahrgenommen wird, insofern also … alternativlos ist.“

Manfred Röschlau aus Frankfurt macht es kurz:

„..und ich dachte immer, das Wort ‚Basta‘ sei alternativlos. Doch jetzt weiß ich: alternativlos heiß Basta.Danke! Angela Schröder!“

Und weil es inhaltlich passt, lasse ich hier noch den Leserbrief von Hermann Krück aus Ekrath folgen, der sich eigentlich zu einem anderen Thema (Leiharbeit) äußerte, dessen Rechnung jedoch klarmacht, wohin uns die Politik der „Alternativlosigkeit“ der letzten zwanzig Jahre geführt hat:

„Die Obszönität der unter Gerhard Schröder geschaffenen deutschen Spielart der Leiharbeit lässt sich erst verdeutlichen, wenn man das ganze Ausmaß beschreibt. Der durchschnittliche Nettolohnverlust eines Leiharbeiters beträgt im Lauf seines Erwerbslebens 322.310,88 EUR (der Gegenwert eines kleinen Häuschens). Wenn dies nur moralisch sittenwidrig genannt werden darf, stimmt mit unserem Strafgesetz ganz gehörig etwas nicht.
Der Leiharbeiter hat bei der geschilderten durchschnittlichen Bruttolohndifferenz von 900 EUR folgende Nettoverluste: monatlich = 466,92 EUR, jährlich = 5.603,04 EUR, auf 47 Jahre = 263.342,88 EUR, Rentenverlust mtl. = 378 EUR auf 13 Jahre = 58.968 EUR (künftige Bruttolohnersatzquote von 42 Prozent unterstellt). Dies ergibt den genannten Lebenszeitverlust von 322.310,88 EUR.
Die Mindereinnahmen des Staates betragen bei der Sozialversicherung 206.09,24 EUR, bei der Lohn- und ihren Anexsteuern 138.292,80, zusammen also 344.384,04 EUR. Das Ergebnis insgesamt mit den Arbeitnehmerverlusten 666.694,92 EUR pro Mensch!!. Hinzu kommt, dass der Leiharbeiter auf Grund des geringen Einkommens noch staatliche Leistungen erhalten muss.
Noch einmal die Nettovergleiche Tarifbeschäftigter/Leiharbeiter (Lohn: 1.482,20/1.015,28 EUR, Rente: 963,06/585,06 EUR).
Die Leiharbeitnehmer müssen einem Herren dienen, und einem anderen abliefern, das kennen wir ja irgendwo her. Alle Parteien, auch die „Privat-vor-Staat“-Partei, und eine geläuterte SPD allen voran, müssen dieser menschenverachtenden Ausbeutung die gesetzliche Grundlage entziehen.“

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Ein Kommentar zu “Danke, Angela Schröder!

  1. [tertium non datur] Der lateinische Spruch bzw. Ausdruck bietet zwei Alternativen nur scheinbar an, denn die Ankündigung „entweder du fügst dich oder…“ war bei den alten Römern sehr gebräuchlich. Die „drohende Alternative“ kann eine von sehr vielen sein, auf Lateinisch kann man von jedem Utensil(namen) ein Tätigkeitswort ableiten 😉 (ein „pilatus“ wurde u.U. bloß mit einem „pilum“ verletzt). Bei Wiki — Wikipedia — wird der Spruch nur im Rahmen der Logik diskutiert:
    [[de.wikipedia.org/wiki/Tertium_non_datur]]

    Vielleicht ist „alternativlos“ als Jahresunwort 2010 Ausdruck des Zeitgeistes. Also Augen zu und durch… Die alten Römer sprachen wenigstens auch eine eigentlich nicht wählbare Alternative aus 😉 Manche könnten auch eine (vielleicht doch entfernte) Verwandschaft mit „deus lo volt“ (Gott will es), dem Spruch der Kreuzritter, vernehmen…

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