Rettungsschirm für Atomkonzerne

Während die AKW-Betreiber Eon, Vattenfall und EnBW, hat RWE, ebenfalls AKW-Betreiber, Klage gegen das merkelsche Atommoratorium eingereicht. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel wird darüber zu entscheiden haben, ob die Zwangspause für die sieben infolge des Moratoriums vorübergehend stillgelegten Altmeiler, darunter auch der RWE-Reaktor in Biblis, rechtens ist. Damit geht der Konzern auf Angriffskurs gegenüber der Regierung. Abgesehen davon, dass es natürlich das Recht von RWE ist, diese Frage juristisch klären zu lassen, offenbart RWE damit ziemlichen Mut. Oder sollte man sagen: Instinktlosigkeit? Denn wie Joachim Wille im FR-Kommentar schreibt: „Der Biblis-Betreiber manövriert sich mit seiner Augen-zu-und-durch-Position ins gesellschaftliche Abseits. Wer die Zeichen der Zeit missachtet und so agiert, darf sich nicht wundern, wenn Stromkunden den Anbieter wechseln.“

Der Kuschelkurs zwischen der schwarz-gelben Bundesregierung und den Atomkonzernen ist damit am Ende, tiefe Risse tun sich auf. Die mächtige Atomlobby zeigt sich gespalten. Und dies, obwohl RWE vor dem Gericht keine Chancen hat. Das meint jedenfalls der Kasseler Jurist Prof. Dr. Alexander Roßnagel im FR-Gastbeitrag:

„Die einzige Rechtsnorm, die eine solche Betriebsuntersagung ermöglicht, ist § 19 Abs. 3 Nr. 3 AtG. Nach dieser Vorschrift kann die einstweilige Einstellung des Betriebs angeordnet werden, wenn dadurch ‚ein Zustand beseitigt wird, … aus dem sich durch die Wirkung ionisierender Strahlen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können‘. Eine akute Gefahr wird dafür nicht gefordert. Es reicht aus, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder Sachgüter entstehen kann.“ Und dies wiederum hänge an der Frage, ob der Begriff „Restrisiko“ richtig bestimmt sei. Die Bundesregierung scheint nach Fukushima jedenfalls der Meinung zu, dass dies nicht der Fall ist.

Tim C. Werner aus Frankfurt meint:

„Möge RWE gewinnen! Gut, dass RWE sich für eine Klage entschieden hat. Die Erfolgsaussichten dürften nahe 100 Prozent liegen. Denn: Unabhängig von der schrecklichen Katastrophe in Fukushima braucht staatliches Handeln in unserem Land eine Ermächtigungsgrundlage, ein Gesetz. Eine solche, da sind sich alle Juristen einig, besteht nicht, folglich ist das Moratorium offensichtlich rechtswidrig. RWE kämpft deshalb um nichts weniger als um den Bestand des Rechtsstaats. Und dieser Kampf darf in unser aller Interesse auf keinen Fall verloren gehen.“

Theodor Schmidt aus Berlin:

„So lange und so weit das Moratorium zur Abwehr von Gefahren gedacht und praktiziert wird, müsste es als Reaktion auf die erschreckenden Ereignisse in Japan zulässig sein. Es wäre doch ungeheuerlich, wenn eine verantwortliche Regierung diese Katastrophe nicht zum Anlass nähme, die eigene Sicherheitsüberzeugung zu überprüfen. Wenn es nicht im Gesetz steht, dann müsste eine Art übergesetzlicher Notstand greifen. Das Moratorium macht auch Sinn: Vor Fukushima haben auch die AKW-Kritiker nicht die Notwendigkeit im Fokus gehabt, die Kühlinstrumente besser abzusichern.
Fukushima zeigt auch, dass es kein taugliches Katastrophenmanagement gibt. Die Schadensersatzansprüche von RWE dürften, wenn überhaupt, noch nicht so hoch sein, denn die Energieriesen können erst seit drei Monaten auf der Grundlage der Laufzeitverlängerung Investitionsplanungen getätigt haben.“

Roland Klose aus Bad Fredeburg:

„Bundeskanzlerin Angela Merkel muss für ihren Zickzack-Kurs in der Atompolitik berechtigterweise ihren Kopf hinhalten. Der Energieriese RWE hat gegen das Atom-Moratorium Klage eingereicht – mit Aussicht auf Erfolg. Die wahlspekulative Entscheidung Merkels, die sieben ältesten Atommeiler vorerst abzuschalten, entpuppt sich dabei immer mehr zum Rohrkrepierer der schwarz-gelben Bundesregierung.
Verspielt Angela Merkel unsere Steuergelder im Kasino der Gerichtshöfe, dann sind Regressforderungen in Milliardenhöhe die unausweichliche Folge. Richtig teuer wird es aber erst, wenn Merkel nach Ablauf des Moratoriums die Verlängerung der AKW-Laufzeiten wieder zurücknimmt. Die Energiekonzerne werden dann ihre vertraglichen Rechte aus dem „Merkelschen Teufelspakt mit der Atomlobby“ auf Heller und Cent einfordern. Wahrscheinlich spannt die Kanzlerin dann nach den Banken, dem Euro, noch einen weiteren Rettungsschirm für die notleidenden Atomenergiekonzerne. Und wer denkt über einen Rettungsschirm für den Steuerzahler und die Staatsschulden nach? Für den Staatsschuldenabbau gibt es dann sicher wieder ein Moratorium, das über die nächste Bundestagswahl hinweghelfen soll, oder? Wir müssen ja schließlich an die folgenden Generationen denken.
Deutschland, erwache! Wie lange wollen wir noch so eine dilettantische Bundesregierung mit unseren Steuergeldern subventionieren? Ich fordere eine umgehende Abwrackprämie für Angela Merkel – ohne Rettungsschirm und ohne aufschiebende Wirkung!“

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7 Kommentare zu “Rettungsschirm für Atomkonzerne

  1. „Möge RWE gewinnen!“ und „RWE kämpft (…) um den Bestand des Rechtsstaats“, schreiben Sie in Ihrem Leserbrief, Herr Werner. Mein Gott, lernen wir denn nie dazu? Es macht doch auch wirklich gar nichts, wenn morgen das AKW Biblis zu einem zweiten Fukushima wird. Hauptsache unser Rechtsstaat ist nicht gefährdet.

  2. # Bodo Panitzki

    Der Rechtsstaat ist da wohl kaum gefährdet. Im Übrigen gibt es in selbigem keine Pflicht , ein formelles Recht auch wahrzunehmen.

    „Möge Rwe gewinnen“ ,eine sehr sehr deutsche Einschätzung.

    „Oben“ , in diesem Fall bei strukturell starken Konzernen, wird genau hingeguckt ,daß auch ja kein Hauch von möglicher Ungerechtigkeit entsteht.

    „Unten“ imeressiert das tradtionell weniger , Hauptsache , den Großen gehts gut.

  3. Nachtrag:
    Obiger Kommentar wendet sich an Herrn Werner (Leserbrief). Herrn Panitzki pflichte ich darüberhinaus bei.

  4. Das RWE sich ungerecht behandelt fühlt kann ich nachvollziehen. Es gibt keine neuen Erkenntnisse über die Gefahren der AKW. Das Restrisiko ist seit Jahrzehnten bekannt wie auch Helmut Kohl gesagt hat. Ein AKW hat alle 10000 Jahre so einen Störfall wie man seit Anfang der Atomkraft weiß, wenn man 400 AKW am Netz hat ist das dann alle 25 Jahre folglich war das Problem eindeutig zu erwarten und zunehmend wahrscheinlich. Nur hat sich eine Mehrheit nicht dafür intressiert.

  5. @ Hans

    RWE war nicht verpflichtet , die von Ihnen beschriebene allgemeine Fehleinschätzung auszunutzen.
    Wenn sie es dennoch tun , müssen sie damit leben , daß sich das Blatt sehr schnell wenden kann.

  6. Wäre ja mal interessant zu erfahren, wie die Verantwortlichen sich die Umsiedlung, Versorgung und Entschädigung von 6 000 000 Hessen für ein paar Jahrhunderte vorstellen und welche Rücklagen sie dafür gebildet haben.

    Für mich allein ergäben sich ca 1.000.000 Euro, wenn man mir den Rest meines Lebens (ca 30 Jahre?) abkauft, für alle Hessen wären das ca 6.000.000.000.000, also 6 Billionen Euro, bei bescheidener Berechnung und Lebensführung. Für Kinder würde das ganz anders zu Buche schlagen und für ehemalige Ministerpräsidenten bestimmt auch.

    Da wären wir dann plötzlich ein Volk ohne Raum und müssten einquartiert werden, in Niedersachsen, Thüringen oder so, oder einmarschieren, jeder mit seiner persönlichen Evakuierungszone um sich herum, strahlenbedingt.

    Ach, das wird eine Liebe unter den Menschen sein, mit Bleikondomen und der misstrauischen Frage: Was strahlste denn so?

    Mir kommt die Klage der RWE so moralisch daher, wie Gäfgen’s.

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