Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 117

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Zahl jener Menschen scheint ständig zu wachsen, die sich für kritische Geister halten und glauben, im Besitz der Wahrheit zu sein. Jedenfalls wächst die Zahl von Mails solcher Menschen an die FR. Einer fragte an, warum die FR in ihrem Artikel „Die kulturelle Welle“ über die künstlerische Verarbeitung der Folgen von Sars-CoV-2 nicht auch auf das Buch von  Sucharit Bhakdi hingewiesen habe, eines Facharztes für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und Professor em. der Uni Mainz. Bhakdi hatte durch mehrere Youtube-Videos große Aufmerksamkeit errungen, in denen er sich kritisch mit der Eindämmungspolitik der Bundesregierung auseinandersetzt. Ich verlinke sie nicht, weil ich die Verbreitung dieser Thesen nicht unterstützen will; sie sind leicht zu finden.

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 117
Samstag, 11. Juli 2020

Zur kritischen Einordnung ist bereits der Wikipedia-Artikel über Bhakdi hilfreich, aber natürlich gibt es auch Faktenchecks im Netz, zum Beispiel – sehr kompetent – von SWR3, von dpa oder von Correctiv.de. Doch solche differenzierten Darstellungen werden von Manchen offenbar nicht gern zur Kenntnis genommen. So behauptete ein Leser trotz allem in einer Mail, Bhakdi folgend, dass Sars-CoV-2 nicht schlimmer sei als eine Grippewelle. Woher weiß er das? Er kann es nicht wissen. Sars-CoV-2 konfrontiert die gesamte Fachwelt mit offenen Fragen. Gewissheiten? Gibt es nicht. Die Sterblichkeitsrate scheint Bhakdis These auf den ersten Blick zu belegen; sie scheint der einer Grippewelle zu ähneln. Die US-amerikanische Seuchenschutzbehörde, das Center for Disease Control (CDC), hat errechnet, dass Grippewellen jährlich zwischen 290.000 und 650.000 Todesopfer weltweit fordern. Mit gut 560.000 Toten weltweit durch Covid-19 bewegt sich Sars-CoV-2 bereits jetzt weit oberhalb des statistischen Mittels dieser Grippewellen – und die Welt steht keineswegs am Ende der Pandemie! Nicht mehr als eine normale Grippe? Woher kennt Herr Bhakdi, der seit 2012 emeritiert ist, das Virus so gut, dass er darüber kompetentere Prognosen abliefern kann als Experten wie Christian Drosten oder Alexander Kekulé, die immer wieder betonen, dass es sich um ein neuartiges Virus handelt, das noch erforscht werden muss?

Dann kam die Behauptung: Es sei unklar, dass die Todesopfer an oder nur mit Covid-19 gestorben seien, dass sie also ohnehin bald gestorben wären. Der prominente Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer ist auf diese These reingefallen und hat geholfen, sie zu verbreiten. Aber auch darüber lassen sich keine klaren Aussagen treffen. Irgendwann muss jeder sterben, so viel ist klar. Wenn jemand mit Vorerkrankungen, zum Beispiel ein früherer Raucher mit COPD, durch die Belastung einer Infektion mit Sars-CoV-2 erstickt, dann ist er vordergründig an COPD gestorben, aber Sars-CoV-2 war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Niemand kann wissen, wie lange dieser Patient ohne die Infektion noch zu leben gehabt hätte. Das Argument zieht übrigens auch in anderen Fällen nicht. HIV-Patienten sterben in der Regel nicht an der Infektion mit dem HI-Virus selbst, sondern an den Folgen, zum Beispiel an Lungenentzündung, die das Immunsystem ohne die Infektion durch HIV möglicherweise in den Griff bekommen hätte. Auch Grippepatienten sterben bei schweren Verläufen mitunter an bakteriellen Folgeerkrankungen ihrer Lungen, etwa durch Pneumokokken. Sind sie dann an einer Lungenentzündung gestorben oder am Grippevirus?

Deswegen ist die Argumentation dieser „Kritiker“ zynisch. Sie kritisieren auch die als Einschränkung von Freiheiten wahrgenommenen Maßnahmen im Lockdown, welche die Eindämmung der Seuche erst ermöglich haben; deswegen steht die Bundesrepublik derzeit im internationalen Vergleich gut da. Natürlich kann man diese Maßnahmen kritisieren. Vielleicht waren sie wirklich zu scharf. Das werden wir nie erfahren. Wir sind nicht in der Lage, wie das Raumschiff Enterprise in eine parallele Zeitlinie zu reisen und zu beobachten, was passiert, wenn wir dies und das anders machen. Wir können nur versuchen, es uns auszumalen. Oder wir schauen in die USA, wo es anders gemacht wurde und wo inzwischen knapp 140.000 Todesopfer zu beklagen sind. Wollen wir das, oder sind wir lieber vorsichtig? Ich bin für Letzteres.

Bhakdi mischt in seinem Buch Fakten mit Halbwahrheiten und kann daher von der FR selbstredend nicht empfohlen werden. Es ist verstörend für mich, immer wieder erleben zu müssen, wie viele Menschen die Masche nicht erkennen. Manchen mag als Ausweis für die Qualität eines Buchs genügen, dass es ein Bestseller ist, aber das heißt letztlich nur, dass sich jemand aufs Verkaufen versteht. Es sagt nichts über die Seriosität des Werks. Auch Erich von Däniken hat Bestseller geschrieben! Andere folgen der Reputation des Autorenpaares, ohne sich kundig zu machen, und wieder andere finden sympathisch, dass Bhakdi wider den Mainstream löckt. Immer wieder muss ich erleben, dass solche Menschen zwingende Argumente einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Was sie erkannt zu haben glauben, ist für sie wahr. Und am Ende werden diese Menschen häufig persönlich beleidigend.

Ist meine Verzweiflung deutlich geworden? Ja, es war eine harte Woche. Doch ich habe einen Entschluss gefasst: Ich lasse solche „Energiefresser“ nicht mehr an mich ran. Will sagen: Ich werde meinem Bauchgefühl künftig mehr vertrauen, so schwer es auch fällt. Wenn mein Bauchgefühl mir signalisiert: Das ist einer von diesen aussichtslosen Fällen!, dann gibt es künftig nur noch eine vorbereitete Standardantwort.

 

Und außerdem, jawohl, gibt es endlich Pizza! Das hätte schon am vergangenen Wochenende der Fall sein sollen, musste aber leider verschoben werden. Ich erinnere: FR-Leserin Anja Röder hat ihre Vorratskammer geplündert, um mir mit Osterpost Backhefe zu schicken (hier noch mal der Link zum damaligen Tagebucheintrag). Daher backe ich heute dankbar Pizza, die ich Anja Röder widme. Es wird – wie immer, wenn ich Pizza backe – eine eigene Kreation. Eher ein Pizzakuchen. Heute vegetarisch, mit schönem Gruß an Blog-User Ralf-Michael Lübbers, der neulich einen Leserbrief über sein Leben als Vegetarier beigesteuert hat. Das Ganze auf dem Kuchenblech, damit wir ein paar Tage was davon haben. Das schmeckt nämlich auch aufgewärmt.

Erster Schritt: Gemüse ansetzen

2 Dosen gehackte Tomaten
1 Dose Gemüsemais
2 mittelgroße Zucchini
1 große Zwiebel
2 große Knoblauchzehen
Tomatenmark, Olivenöl, Salz, Pfeffer, Kräuter der Provence oder/und Oregano

Wer mag, kann auch Paprika reinschneiden. Wichtig ist, dass die Bestandteile dieses Sugo, der kalt angesetzt wird und vor Verwendung zwei bis drei Stunden ziehen sollte, möglichst klein geschnitten sind. Das Ganze gut durchmischen und nach Geschmack abschmecken, dabei aber bedenken, dass später noch Schafkäse als Beilage auf die Pizza kommt. Also aufpassen mit dem Salz!

Zweiter Schritt: Hefeteig ansetzen

500 Gramm Dinkel-Vollkornmehl
Hefe
Angewärmte Milch
2 Eier
Salz

Ich siebe das Mehl vor dem Vermengen durch, damit es nicht so klumpt. Von der Milch gebe ich beim Vermengen ganz langsam so viel hinzu, bis mir der Teig glatt erscheint. Er soll nicht zu trocken sein, aber auch nicht zum Brei zerfließen. Den Teig eine Dreiviertelstunde im Ofen bei 40 Grad gehen lassen, dann mit der Hand durchkneten (dazu verreibt man vorher Mehl auf den Händen) und noch einmal, zugedeckt mit einem Geschirrhandtuch, für eine Viertelstunde in den Ofen. Dann wird der Teig ausgewellt, mit Olivenöl und Tomatenmark eingestrichen, bevor man die Gemüsemischung, siehe oben, darauf verteilt.

Dritter Schritt: Pizza belegen

Und zwar heute mit Spargel, Artischocken, Champignons, Peperoni, Oliven, Schafkäse und Reibekäse. Das ist natürlich Geschmackssache. Jeder wie er will. Es geht selbstverständlich auch mit Salami, Schinken, Thunfisch oder anderem, was man gerade im Kühlschrank gefunden hat: Sardellen, grüner Pfeffer, Bergkäse, Gorgonzola, Ziegenkäse, Erbsen, Bohnen, ja sogar mit Spaghetti (vorgekochten natürlich). Kein Witz: Eine frühere Kollegin liebt Spaghetti-Pizza.

Da ich ein ganzes Blech mache, kann ich die Zutaten so verteilen, dass jeder bekommt, was er mag. Mein Mann mag zum Beispiel keine Peperoni und Artischocken. Also bleibt eine Hälfte der Pizza frei davon. Und hier kommt nachher ein Foto vom Ergebnis der heutigen Anstrengungen.

Naoned!

***

Worldometer  +++ SafetyDetectives

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2 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 117

  1. Das Corona Virus wird uns unsere Verlogenheit vor Augen führen

    Weltweit hat man sich der Hoffnung hingegeben, dass dieses Virus zu weitreichender Veränderung unserer gewohnten Verhaltensweisen nur marginal und mittelfristig einen negativen Beitrag leisten wird. Wir haben uns zu weltweiten Testungen gar nicht und zu einheitlichen Messmethoden auch nicht verständigen wollen. Der notwendige Aufwand, „eigentlich“ alle testen zu müssen und dies nach 14 Tagen zu widerholen, wurde für übertrieben gehalten. Ganze Länder haben auf eine schnelle Masseninfektion gehofft, mit anschließender Massenimmunität und das Virus treiben lassen. Unendlich viele Länder haben Gesundheitssysteme, die einer sich ausbreitenden Pandemie nichts entgegenzusetzen haben. Die Hoffnung auf einen Impfstoff überlagert notwendige Schritte zur Erhaltung eines Status Quo, der mit Vorsichtsmaßnahmen (Abstand halten und Masken tragen) zumindest leistet, dass sich nicht über zu viele Hotspots völlig unkontrollierbar eine zweite Welle ausbreitet, die beim derzeitigen Stand der Testungen dann ungezügelt die Welt überschwemmt. Wir wollen zurück in unsere gewohnten Verhaltensweisen, in unsere eingelebte Sozialität und Werte des Miteinanders erhalten, die es längst nicht mehr gibt. Wir sollten mal absteigen von den hohen Rössern, sollten mal wieder Bodenhaftung üben, damit das notwendige Entsetzen über unsere Flüchtlingswellen, die Lager des Elends, die kriegerischen Auseinandersetzungen, den Hunger in dieser Welt und den Raubkapitalismus endlich mal Raum greift und die Erkenntnis wächst, dass wir die Grenzen des Wachstums längst überschritten haben und am Ende aller Rohstoffe und dann über 11 Millionen Menschen ein neues pandemisches Virus insgesamt nicht überleben würden. Unser Globus wäre uns dankbar.
    Vor 50 Jahren habe ich formuliert:

    Was alles diese Welt verpestet,
    wird viel notiert und oft getestet,
    damit schon heute Leute wissen,
    woran sie morgen sterben müssen.

    Hans-Werner Müller-Jording

  2. Ein nur 1/10.000 mm großes Virus erweist sich in der derzeitigen Pandemie als das mächtigste Lebewesen in unserer global vernetzten Welt. Es narrt nicht nur Wissenschaftler und führt sie an der Nase herum, sondern auch und vor allem all die sich mächtig Dünkenden – egal, ob sie nun Trump, Bolsonaro, Johnson, Putin, Orbán, Erdogan oder Xi Jiping heißen: Sie können nicht agieren, sondern müssen darauf reagieren, wo das Virus sich gerade ausbreitet und was es anrichtet. Sie können noch so sehr herumhampeln und -strampeln – am Ende müssen sie sich geschlagen geben und kapitulieren vor einem klitzekleinen Virus, das sich aufgrund unserer Mobilität und unseres Arbeits- und Freizeitverhaltens rasend schnell vermehrt und ausbreitet. Es ist das global agierende Virus, das unser gegenwärtiges global vernetztes Wirtschaftssystem grundlegend in Frage stellt. Dagegen wirken die sich mächtig Dünkenden geradezu ohnmächtig und hilflos. Reagieren sie nicht angemessen, so fügen sie den Staaten und den in ihnen lebenden Menschen, für die sie Verantwortung tragen, massiven Schaden zu. Es nützt ihnen auch nichts, wenn sie Fakten zu „Fakes“ und „Fakes“ zu Fakten erklären möchten.

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