Ob die große Koalition Stillstand oder Reform bedeutet, wird jetzt natürlich mit Hingabe diskutiert. Ein wenig unterbelichtet erscheint mir dabei die Rolle der Opposition. Manches wird davon abhängen, wem es wie stark gelingt, die neue Regierung in die eine oder andere Richtung zu treiben. Und davon wiederum wird abhängen, wer diejenigen Teile der Gesellschaft erreicht und vertritt, die sich in der Politik der großen Koalition nicht wiederfinden werden.Einen direkten Einfluss auf die Regierungspolitik wird allenfalls die FDP (über ihre vielfache Beteiligung an Landesregierungen und damit an Bundesrats-Entscheidungen) haben. Aber alle drei Oppositionsparteien verfügen über Instrumente, der 70-Prozent-Mehrheit indirekt Druck zu machen.

Die Linkspartei hat schon angekündigt, sie werde alte SPD-Projekte (ein Beispiel könnte die Vermögensteuer sein) im Bundestag zur Abstimmung stellen. Das treibt natürlich den Spaltpilz in die SPD, würde aber vor allem öffentlich erkennbar machen, wo die Sozialdemokraten inzwischen gelandet sind. Unter diesem Druck könnte es durchaus passieren, dass die SPD mit Blick auf die nächsten Landtagswahlen auch mal in Konflikte mit der Union geht, um ein paar „linke“ Inhalte durchzusetzen.

Ähnlich sieht es mit den Grünen aus. Sie könnten die große Koalition zum Beispiel bei der Frage der erneuerbaren Energien zu stellen versuchen: Lässt sich die SPD auf ein Zurückdrehen der relativ erfolgreichen rot-grünen Förderungspolitik ein, oder bleibt sie bei dem, was sie unter Schröder mit vertreten hat?

Das Ganze hätte dann einen Sinn (über blanke Parteitaktik hinaus), wenn vor allem die beiden eher linken Oppositionsparteien sehr genau darauf achteten, diejenigen Reformansätze aufzugreifen, die in der Gesellschaft an vielen Ecken und enden diskutiert, aber von der großen Koalition wahrscheinlich nicht aufgegriffen werden, also Themen wie Bürgerversicherung, allgemeine Grundsicherung u.v.a. (wen und was die FDP vertreten wird, wenn sie Druck auf die Union macht, brauchen wir hier nicht zu wiederholen, das kennt jeder). Zu hoffen ist allerdings auch, dass diejenigen außerhalb des Parlaments, die sich bisher engagiert haben, nicht vor lauter großkoalitionärem Stillstand ihrerseits erstarren. Umwelt- und Friedensbewegung, Gewerkschafter, Bildungs- und Sozialreformer haben gerade jetzt jeden Anlass, sich zu bewegen. Vielleicht sogar in der Hoffnung, damit zu erreichen, dass wir in vier (oder weniger?) Jahren eine echte und regierungsfähige Reform-Mehrheit bekommen.

Es muss und soll ja kein Neuaufguss der 68er sein. Aber ohne Druck, auch von außerhalb des Parlaments, ist der Stillstand programmiert.

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13 Kommentare zu “Treibende Kräfte

  1. Außerdem sind wir ja auch noch da-
    die Blogger.
    Wir können ja auch noch oredentlich Druck machen!

  2. Mit Politikmarketing bessere Konzepte umsetzen

    Jetzt haben wir die Große Koalition und sind bedient.
    Konret wissen wir ja noch nichts, zumindest inhaltlich.
    Wir können nur spekulieren.

    Deshalb ein paar grundsätzliche Überlegungen.
    Politik ist bisher ziemlich ideenlos und kopflos gemacht worden.
    Wäre es nicht endlich an der Zeit,
    dass auch die Politiker mal dazulernen?

    Wir brauchen bessere, systematischere und kreativere Ansätze, wir brauchen endlich professionelles Politikmarketing.

    Was macht Marketing besser als das, was die Gesellschaftswissenschaften, im Besonderen die Politikwissenschaft, bisher machen?

    Das Marketing hat bessere Instrumente entwickelt,
    1. um die Wirklichkeit genauer zu analysieren und die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu ermitteln. Das ist die Voraussetzung für angemessene, wirksame Politikkonzepte.
    2. um die Wünsche der Bürger umzuwandeln und zu veredeln in einen philosophischen Aggregatzustand. Wir dürfen dem Volke nicht nach dem Mund reden, aber wir sollten Politikkonzepte formulieren, für die wir die Menschen begeistern können.
    3. um die Hohe Kunst der Politischen Vision weiter zu entwickeln. Politische Ideen sind das Salz in der Suppe der Politik: wenn wir wieder politische Visionen hätten, wie uns das Willy Brandt vorgemacht hat, dann würden die Menschen sich auch wieder für Politik interessieren und mitarbeiten.
    4. um mit Reden Menschen zu überzeugen und zu begeistern. Nicht Propaganda, sondern bestechende Argumente und hervorragende Argumentationstechniken, mit anschaulichen Beispielen, Witz und Polemik, Reden, die zum Klatschen zwingen, die den Zuhörer mit neuen Erkenntnissen überraschen.
    5. um zielgruppenspezifische Botschaften herauszuarbeiten. Eine Rede oder ein Interview ohne Botschaft ist eine vergebene Chance. Doch bei den meisten Reden fehlt genau dies: was wollte der Redner eigentlich erreichen, was wollte er seinen Zuhörern mitteilen, wozu bewegen?
    6. um Botschaften effizienter zu transportiert und schöner zu verpacken. Der Maßstab hierbei muss die Professionalität der Weltklassewerbeagenturen und der Hollywood-Filmemacher sein. Das ist der Maßstab, den die Menschen anlegen, weil sie täglich damit konfrontiert werden.
    7. um Ideen in neuartige und bessere Politikkonzepte umzusetzen. Wir müssen die Welt neu erfinden. Das Tradierte passt nicht mehr, die Suche nach Lösungen in anderen Ländern, die brauchen wir nicht, weil das Marketing uns die Möglichkeit bietet, aus unseren eigenen Werten Modelle für die Zukunft zu kreieren.
    8. um Politikkonzepte effizient umzusetzen und ihren Fortschritt zu kontrollieren.

    In Ansätzen wird das jetzt schon gemacht. Doch wenn wir penibel systematisch analysieren, dann stellen wir fest, dass wir in allen Bereichen sehr viel besser arbeiten könnten, wenn wir systematisches Marketing in der Politik machen würden.

    Mit der Allzweckwaffe Politikmarketing können wir eine Strukturelle Dominanz der Sozialdemokratie errichten.

  3. Ich will hier rein in die Liste,
    rasend schnell wird man immer wieder aus dieser Liste der Aktuellsten rausgeschmissen und findet dann gar nicht mehr statt

  4. Nach meinem Empfinden, hat die APO bereits an Unterstützung gewonnen – kaum eine Woche vergeht, in der ich mich nicht im Feierabendverkehr durch eine attac-Demonstration oder ähnliches winden muss.

    Und da soll noch einer sagen, wenn der Deutsche am Bahnhof demonstrieren will, zieht er sich zuerst eine Fahrkarte! *g*

    Auch die Verunstaltungen der Wahlplakate hat imho massiv zugenommen. Ich muss gestehen, dass ich es mir selbst nur schwer verkneifen konnte (oder konnte ich nicht?!), die dreisten Lügen und Halbwahrheiten auf den Plakaten bloßzustellen.

    Die Außerparlamentarische Opposition wird wohl in dem Maße zunehmen, wie die Politik sich immer weniger um die Belange der Bürger kümmert und über das Macht- und Positionsgerangel die Regierungsarbeit vergisst.

    Wenn in Umfragen nur noch 20% der Bundesbürger Politikern zugestehen, dass sie sich um das Wohl des Volkes sorgen, wird es langsam gefährlich für eine Demokratie. Dennoch wird es wohl kein großes Aufbegehren geben, denn dafür geht es uns einfach immernoch zu gut. Und richtig mutig ist schließlich nur der, der nichts mehr zu verlieren hat.

  5. Großreinemachen

    Große Taten
    versprechen sie
    die Großkoalitionäre.

    Aufräumen,
    wollen sie,
    die Wichtigtuer.

    Nehmen wir sie beim Wort.
    Und hauen wir Ihnen
    auf die Finger,
    wenn sie nix hinkriegen!

  6. wie schon gunter gabriel… oder war es peter gabriel oder wie heißt der hoffnungsvolle, junge, gescheiterte wilde aus niedersachsen? es sagte: die (angeblich) große koalition muss etwas gestaltet bekommen, weil sonst die „ultralinken“ (LOOOOOOOOOL) zuwachs bekämen.
    anzunehmen ist also, dass diese wild entschlossenen koaltionäre tatsächlich etwas produzieren, was in einem großen teil der bevölkerung den „die-tun-was-effekt“ erzeugen könnte. wie man weiß, sind viele menschen schon damit zufrieden, das irgend etwas geschieht. hier muss die opposition, die linke opposition genauso wie die „moderne“ linke (eigenbezeichnung im wahlkampf [ggg], ehemals grüne) nachhaken, alternativen aufzeigen, außerparlamentarisch wirken! Dann, so glaube ich, kann diese koalition schnell an ihre grenzen kommen und wir werden uns wieder auf einen „schicksals-wahlkampf“ freuen können!

    @ Stephan Hebel
    ansonsten, lieber stephan hebel, was gibt es da noch viel zu bloggen; ich stimme ihnen zu!

    es grüßt ein „ultralinker“ :-0

  7. Politische Visionen sind das Salz in der Suppe

    @ Daniel:
    „…attac-Demonstration..
    Und da soll noch einer sagen, wenn der Deutsche am Bahnhof demonstrieren will, zieht er sich zuerst eine Fahrkarte!“

    1. Das einzig Spekatakuläre an attac-Demos sind die Autoschlangen.
    2. attac ist doch nach wie vor Sektierertum, die niemand befruchten. Die hängen in ihrer Nische rum und finden es geil – ist ja auch geil –hab´s ja selbst jahrelang gemacht – aber verändern tun sie nix, weil sie zu autistisch sind.
    3. attac hat imGegensatz zu den Parteien noch eine politische Vision einer besseren Welt. Während sich die Parteien mit dem Hier-und-Jetzt abgefunden haben, hält attac löblicherweise an seiner politischen Idee fest.

  8. Der alles entscheidende Gradmesser
    ist die Höhe Arbeitslosenzahlen.

    Deshalb wurde Schröder abgewählt.

    Und daran wird sich der Erfolg von Merkel
    messen lassen.

    Je höher die Arbeitslosigkeit,
    umso besser die Chance der Opposition,
    diese Liaison zu beenden.

  9. hallo. liebe blogger,
    ich wundere mich, dass die ausfälle des (noch)ministers clement gegen die arbeitslosen bisher keine resonanz gefunden haben. darum einige gedanken von mir:
    angenommen, ein minister verdächtigt 20 % aller millionäre der steuerhinterziehung, beschuldigt sie parasisten zu sein, ordnet hausbesuche an und droht mit sanktionen, wenn diese es ablehnen, ihre geschäftsunterlagen einsehen zu lassen. was würde wohl in unserer republik passieren?
    menschen, die in der regel unverschuldet arbeitslos wurden, dürfen diffamiert werden, unsere verfassung scheint für sie nicht mehr zu gelten. was bedeutet schon die „unverletztlichkeit der wohnung“, wenn es um „missbrauch“ öffentlicher gelder geht?
    warum thematisiert kaum jemand, dass einschlägige, seriöse publikationen permanent tipps zur reduktion der persönlichen steuerlast geben, zu lasten der allgemeinheit, steuertipps, von denen der normale arbeitnehmer nicht profitiert.
    florian gerster, ehemaliger präsident der agentur für (keine)arbeit ist grandios gescheitert und bekommt dafür eine millionenabfindung. versteht herr clement das unter „missbrauch“ von steuermitteln? wohl kaum!
    erfreulich ist für mich jedenfalls, dass die „rundschau“ auch auf solche details hinweist; dies sollte jedoch viel schärfer erfolgen.

  10. @ Herrn Breit, re: „Ich will hier rein in die Liste,
    rasend schnell wird man immer wieder aus dieser Liste der Aktuellsten rausgeschmissen und findet dann gar nicht mehr statt“ – solche Beiträge sind ja denn auch mehr als verzichtbar! Schon mal was von Netiquette gehört? Die Threads des eigenen Interesses mittels solcher Nullbeiträge zu pushen, ist unfein.

  11. @Schmidt Wenn der Möchtegern-Satiriker keine Satire versteht, dann…

    Der Hinweis in satirischer Form wies auf ein Problem hin: man merkt gar nicht, zu welchem Thema ein neuer Beitrag geleistet wurde, weil ja nur die letzten fünf aktuellen Beiträge angezeigt werden.
    Vielleicht könnten Sie von der FR ja, ähnlich wie im Forum, anzeigen lassen, sobald ein neuer Beitrag beigesteuert wurde.

  12. @ Breit: In der Tat war mir nicht klar, dass das Satire sein sollte (ohne mich selbst als Möchtegernsatiriker zu sehen???), da es viele Threads gibt, in denen mehrere Beiträge von Ihnen hintereinander stehen. Im Übrigen hat sich da doch was geändert auf der Startseite: Rechts stehen die Links zu einem Dutzend aktueller Themen, solche mit noch nicht angeschauten Beiträgen sind Fett, wenn ich das richtig durchschaue. Alles wird gut!

  13. @Schmidt:
    „Rechts stehen die Links zu einem Dutzend aktueller Themen, solche mit noch nicht angeschauten Beiträgen sind Fett“

    Danke für den Tip.

    @Schmidt
    „da es viele Threads gibt, in denen mehrere Beiträge von Ihnen hintereinander stehen“

    1. Gedanken entwickeln sich.
    Auch wenn keiner darauf antwortet.

    2. Außerdem versuche ich mich so kurz wie möglich zu halten, das heißt möglichst nur eine Botschaft pro Beitrag.
    Und möglichst nur einen Beitrag pro Tag.
    (heute ist die Ausnahme – versprochen!)

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