Rechtfertigungs-Trallala

Die Telekom mal wieder! „Integriertes Highspeed-Volumen“ – das ist Marketing-Deutsch vom Feinsten, das klingt irgendwie ganz wunderbar, meint aber in Wahrheit eine Restriktion: Künftig möchte die Telekom ihre Tarife nicht mehr an der Übertragungsgeschwindigkeit festmachen, sondern an der Menge der übertragenen Daten. Denn an den Anschlüssen und den Flatrates verdienen die Provider kaum noch was, während der Traffic im Netz aber ständig zunimmt und große Datenpakete, Spielfilme beispielsweise, in immer größeren Zahlen heruntergeladen werden. Im Grunde ist das also ein vernünftiger Gedanke, meint FR-Leitartikler Frank-Thomas Wenzel:

„Die neue Tarifstruktur der Telekom zielt dabei auf etwas Einfaches ab: Sie will das Verursacherprinzip einführen. Wer Daten in großen Mengen nutzt, soll auch mehr zahlen. Wer wenig aus dem Netz saugt, kommt günstig davon. Die Chancen stehen gut, dass auch tatsächlich attraktive Angebote entstehen werden. Denn die Zeiten des Telekom-Monopols sind längst vorbei. Der Wettbewerb in der Branche ist hart.“

Thomas Seeling aus Wölfersheim findet, dass unser Autor es sich zu einfach macht. Hier sein Gastbeitrag in voller Länge:

Rechtfertigungs-Trallala

Ihr Leitartikel zur DSL-Drosselung der Telekom geht so weit an der Wahrheit vorbei, dass die Telekom sich sicherlich in Kürze bei Ihnen bedanken dürfte für die Fürsprache. Leider ist das grundsätzliche Problem nicht, wie Sie kolportieren, der hohe Preis des Netzausbaus. Im Gegenteil ist es so, dass sich die Preise für das transportierte Gigabyte im sogenannten „Backbone“, dem Herzstück des Datenaustauschs, im freien Fall befinden. Das, was richtig teuer ist, ist hingegen der Ausbau der letzten Meile auf eine menschenwürdige Geschwindigkeit (Tschuldigung, das klingt pathetisch, ist aber mein Ernst). Und diese „letzte Meile“ benötigt jeder, ob er nun ein „Heavy User“ ist oder Lieschen Müller. Um den Ausbau der letzten Meile drücken sich aber wiederum alle Telekom-Unternehmen, weil hier genau wie im Backbone kein Geld mehr zu verdienen ist.

Spannenderweise bietet die Telekom in Österreich eine „echte“ Flatrate ohne Volumenlimit und ohne Tempolimit für 27 Euro im Monat an. Irgendwie scheint es also doch zu gehen. In Japan steht der Kunde vor der schwierigen Entscheidung, ob er 50 oder 100 Mbit/s. Glasfaser für ca. 40 Euro pro Monat bestellen soll.

Worum es wirklich geht, klingt in Ihrem Artikel recht harmlos: Sie wollen einfach nur das Streaming der TV-Sender vom Geschäft mit Konservenfilm trennen, weil ja angeblich das Streaming ein „managed Service“ ist – diesen Begriff verwendet die Telekom. Technisch ist aber beides IP-Datenverkehr, und diese künstliche Trennung gehört zum Rechtfertigungs-Tralala der Telekom. Die Telekom verfolgt meiner Meinung nach mehrere Ziele mit der Drosselung der DSL-Leistung:

  • eine künstliche Spaltung der Netzgemeinde in „die und wir“, nämlich in die, die gefühlt das Internet wenig benutzen und deshalb gefühlt die unterschwellige Drohung einer Preiserhöhung wahrnehmen, wenn diese Drosselung für die schlimmen „Heavy User“ nicht eingeführt wird, und in die anderen, denen klar ist, dass es keine sachlichen Gründe für die Drosselung gibt und sich gegeneinander ausgespielt fühlen;
  • außerdem hat die Telekom es satt, nur als Netzbetreiber aufzutreten. Hier ist – wie oben angeführt – nur wenig Geld zu verdienen. Das Geld wird mit den Inhalten gemacht. Orange in Frankreich hat es vorgemacht: mit dem Druckmittel des Netzausbaus in Afrika erpresst Orange von Google zusätzliches Geld für die Durchleitung von Youtube-Inhalten. Darauf läuft es hauptsächlich hinaus: Die Telekom will für den Datentransport von beiden Seiten Geld kassieren: vom Kunden für den DSL-Anschluss und vom Inhalteanbieter oder nochmal vom Kunden für die diskriminierungsfreie Durchleitung bestimmter Dienste;´
  • es könnte auch ein wenig politisches Interesse mit hineinspielen. Wenn nämlich keine „Flatrates“ mehr angeboten werden, müssen wieder Abrechnungsdaten gespeichert werden. Holger Voss hat ja in einem aufsehenerregenden, mehrjährigen Prozess durchgefochten, dass die Telekom seine DSL-Einwahldaten nicht speichern darf, weil bei einer Flatrate kein nachträglicher Abrechnungsbedarf existiert. Diese Abrechnungsdaten finden die Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden sowie die Abmahner aus der Musik- und sonstigen Unterhaltungsbranche bestimmt sehr spannend.

Aber so einfach wird es nicht werden, wenn man „nur“ die Filmkonserven aus dem Entertain-Paket herauslöst. Die Telekom hat ja auch schon Kooperationen mit anderen Anbietern wie Spotify für Internet-Radio. Es wird also sicherlich in Zukunft in der Planung der Telekom „Pakete“ geben, die der Kunde einzeln bezahlen darf. Oder eben als „Einspeisegebühr“ vom Anbieter, so wie es Kabelbetreiber ja im Moment vehement vor Gericht einfordern, nachdem ARD und ZDF den Einspeisevertrag gekündigt haben. Ist das nicht toll? 75 Gigabyte im Monat mit normaler Geschwindigkeit; danach kostet es extra, wenn man Youtube gucken will.

Die Telekom müsste m.E. aufgeteilt werden in einen reinen Netzanbieter, der geschäftlich getrennt von der Entertainment-Sparte ist. Wenn nämlich alle Anbieter eine Einspeisegebühr berappen müssten, wäre das Ganze wieder plausibel. Dann müsste auch der Entertain-Anbieter für sich genommen rentabel werden. Im Moment sieht es wieder nach Mauschelei und Quersubventionierung aus: Auch die, die einen Dienst nicht nutzen, bezahlen dafür mit. Das verstehe ich nicht unter Solidarität. Zumal bei der derzeitigen inhaltlichen TV-Qualität mit „Bauer tauscht Frau“ und „Deutschland sucht Autobahnkontrolleure“ …

Ich habe auf dem Land in einem der bisherigen „weißen Flecken“ diesen Spaß schon heute: Ich bin im Herbst von DSL light mit 384 Kbit/s. umgestiegen auf LTE mit nominal 16 Mbit/s., real erreiche ich zwischen 11 und 14 Mbit/s. Hier hat die Telekom leider die Mobilfunk-Logik beibehalten: Ursprünglich hatte ich im normalen „call und surf comfort via Funk“ 10 Gigabyte im Monat frei mit normaler Geschwindigkeit, danach Drosselung auf DSL-light-Niveau, jetzt im „Tarif L“ immerhin 30 Gigabyte.

Da ich von zu Hause aus arbeite, zwei Teenager im Haushalt habe und meine Frau und Schwiegermutter beide auch gern mal das Internet benutzen, gibt es bei uns auch schon die „Schere im Kopf“: Wir überlegen uns, ob wir uns dieses und jenes Video anschauen, weil es ja vom Kontingent abgeht. Beim Telefonat mit der Telekom-Hotline musste ich mir tatsächlich von einem Mitarbeiter die entgeisterte Frage anhören, was ich denn mit mehr als 10 Gigabyte im Monat wolle.

So wird das bestimmt nichts mit dem Technologie-Standort Deutschland, wenn jeder sich Gedanken machen muss, was er abrufen darf, bevor er auf eine Kriechrate gedrosselt wird, bei der gerade mal Emails ohne Anhänge noch funktionieren.“

Verwandte Themen

2 Kommentare zu “Rechtfertigungs-Trallala

  1. Herr Seeling hat die Strategie der Telekom verstanden. Hier geht es nicht um zu hohe Traffickosten, nicht um die Trennung zwischen „Vielverbraucher“ und „Wenigverbraucher“, es geht nichtmal so sehr darum, Benutzern mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Das Hauptaugenmerk der Telekom liegt auf einem Vertragsabschluss mit den trafficintensiven Services, denen eine Drosselung das Gechäftsmodell zerstören würde. Was bei Spotify bereits vorgemacht wurde, will die Telekom bei Diensten wie Youtube, Watchever, Simfy, Deezer oder später bei den in Deutschland noch nicht verfügbaren Netflix, Hulu und Pandora wiederholen, um so auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Das hat Herr Van Damme ja bereits offen zugegeben.

    Dass ein solches Geschäftsgebahren ganz besonders für einen Marktführer unlautere Erpressung ist, wird hoffentlich auch bald der Öffentlichkeit und der Bundesnetzagentur auffallen.

  2. Die Argumentation von Torsten Gerpott kann nicht überzeugen. Denn erstens handelt es sich bei dem Vorstoß der Deutschen Telekom auch um einen Testballon, dem bei einer Erlaubnis analog zur Mobilfunk-Branche schnell viele andere Anbieter folgen dürften. Womit man für eine echte Flatrate in vielen Regionen eben nicht mehr einfach zur Konkurrenz wechseln kann. Und zweitens zeigen Länder wie Finnland, wo anders als hierzulande alle Bürger einen gesetzlichen Anspruch auf einen schnellen Internet-Zugang haben, dass es bessere Alternativen zum hiesigen ineffizienten Marktmodell gibt. Weswegen die Aufregung durchaus ihre Berechtigung verdient, zumal ein künstliches Tempolimit auf der Datenautobahn den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht gerade wettbewerbsfähiger macht!

Kommentarfunktion geschlossen