Bequem in der Hängematte

Darf man sowas sagen?  „Die Erhöhung von Hartz IV war ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie.“ O-Ton Philip Mißfelder, seines Zeichens Vorsitzender der Jungen Union, beim Frühschoppen eines CDU-Ortsverbands. Das gab natürlich gleich eins auf die Kappe, auch aus der eigenen Partei. Jetzt bemüht er sich um Schadensbegrenzung und relativiert seine umstrittene Äußerung. „Es geht nicht um eine Herabsetzung von Hartz-IV-Empfängern, die häufig unverschuldet in ihre Lebenssituation geraten sind“, sagte Mißfelder der Nachrichtenagentur AP. „Mir geht es darum, dass das Geld bei den Kindern ankommt. Und da habe ich große Zweifel, ob die Unterstützung zielgenau ist“. Dieser Linie bleibt er bis dato treu.  Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück – so könnte man die Reaktionen der FR-Leser zusammenfassen. Einzig Götz Lachmann aus Wien verteidigt den CDU-Politiker:

„Oh je, jetzt hat der JU-Chef wieder etwas ausgesprochen, was vielleicht Millionen anderer auch denken. Das darf er natürlich nicht. Im Sinne der politischen Korrektheit darf niemandem in unserer Gesellschaft verbal weh getan werden (körperliche Unversehrtheit ist nicht so wichtig). Keine noch so pointierte Aussage ist erlaubt, weil wir uns so an den klebrigen Matsch aus geheucheltem Verständnis gewöhnt haben, den uns die 68er hinterlassen haben. Auch in diesen Kreisen gehört ja massiver Alkohol- und Tabakmissbrauch zum guten Ton. Und auch dieser Missbrauch wird aus unseren Steuergeldern gedeckt. Vielleicht war das der gedankliche Fehler des Herrn Mißfelder? Vielleicht hätte er darauf hinweisen sollen, dass jede Diätenerhöhung in den Parlamenten möglicherweise auch zu einem Umsatzschub dieser beiden legalen Drogenindustrien geführt hätte. Dann hätte er aber seine eigene Klientel vergrätzt – nicht so schlau.
Er hat Verhaltensweisen kritisiert, die auch in vermeintlich intellektuellen Kreisen durchaus als völlig tolerabel gelten. Da raucht der Arzt wie ein Schlot und gibt einem gute Hinweise für gesundes Leben. Spricht man in einer Firma die Leitung auf einen Kollegen mit Alkoholproblemen an und bittet, ihm zu helfen, folgt der Hinweis, dass das ja wohl ein Privatproblem sei. Und das ist doch schön, daran sind wir gewöhnt. Wir interessieren uns nicht für unsere Nachbarn, wir lassen das Unfallopfer liegen – da kümmert sich sicher jemand. Nur wenn es bei uns selbst ans Eingemachte geht, dann gelten andere Regeln. Und das hat Herr Mißfelder offenbar nicht begriffen. Millionen Alkoholiker, die ihre Stütze für die Sucht statt für die Familie ausgeben, darf man nicht ansprechen. Nie war unsere Gesellschaft verlogener als heute. Für diese Erkenntnis muss man der JU fast schon dankbar sein.“

Ansonsten gibt es Senge für Mißfelder. So meint Dieter Reiniger aus Sehnde:

„Herr Mißfelder ist Wiederholungstäter, aber er steht nicht allein. So wie er denken – wenn das in diesem Zusammenhang das richtige Wort ist – viele nicht nur in der Union. Dahinter steckt letzten Endes die weit verbreitete und auch von unseren Politikern durchaus geförderte Auffassung, dass Arbeitslose es sich auf Kosten der Steuerzahler in der ’sozialen Hängematte‘ bequem machten. Ein starkes Stück von Herrn Mißfelder, der mit Unterstützung der Solidargemeinschaft zwar studiert, aber außer einem abgeschlossenen Examen und einigen gewonnenen Vorstandswahlen bislang nichts Produktives geleistet hat und auch indirekt von mir, sehr gegen meinen Willen, mit seiner Partei zufließenden Steuergeldern ‚angeschoben‘ wird.“

Marion Manneck aus Essen:

„Wieder einmal zeigt sich, dass die deutsche „Elite“ die wirklichen Asozialen sind. Mißfelder zeigt wiederholt, dass er es nicht wert ist, von Steuergeldern finanziert, studiert zu haben. Hat Herr Mißfelder sich mal bemüht, mit Erwerbslosengruppen Kontakt aufzunehmen und zu fragen, was an der Einstellung der Arbeitgeber geändert werden müsste? Wohl eher nicht. Philip Mißfelder ist nicht der einzige in der ‚christlichen‘ Partei, der/die so denkt. Man denke nur zurück an den Vermittlungsausschuss im Jahre 2004.“

Dr. Walter Haider aus Hochheim:

„Mißfelders Aussagen sind dumm und unerträglich. Sie sind jedoch nicht die Einzelmeinung eines Polit-Schnösels. Er artikuliert vielmehr, die Meinung führender Vertreter des Neoliberalismus. Seine pauschalen Rundumschläge gegen Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen von Hartz IV leben müssen, zeigen die grenzenlose Arroganz und Ignoranz dieser Personengruppe. Ich möchte den Aufschrei aus Mißfelders Ecke hören, wenn ich heute alle Spitzenbanker als Kapitalverbrecher bezeichnen würde. Mir wird angst und bange, wenn ich daran denke, daß dies der Prototyp des zukünftigen christlichen Politikers ist, der über das Gemeinwesen miteinscheidet.“

Werner Lorenzen-Pranger aus Bad Zwischenahn:

„Schön, dass dieser Herr Mißfelder immer wieder auf den Punkt bringt, was seine Partei ist: Eine Ansammlung menscherverachtender Idioten.“

Roland Tappe aus Darmstadt:

„Herr Mißfelder mißfällt mir zutiefst, mit seinen unglaublichen Äüßerungen gerade gegenüber jenen, die der Solidarität aller bedürfen.Die Führungsspitze der CDU stellt sich taub und blind und Herr Mißfelder taucht unter. Ich hoffe nicht, dass Herr Mißfelder seine politische Zukunft weiterhin auf Kosten der Menschen planen kann, für die er glaubt, politische Verantwortung tragen zu müssen.
Wenn auch die Seniorenvertreter der CDU dem unverantwortlichen Treiben keinen Einhalt gebieten wollen, so wird es bei der nächsten Bundestagswahl Auswirkungen auf das Wahlergebnis der CDU haben. Die Seniorenverbände Deutschlands brauchen keine politischen Vertreter im Bundestag, die die Würde des Menschen für antastbar halten. Das stümperhafte Hartz-IV-Gesetz gehört nicht jeden Monat vor das Bundessozialgericht, es sollte in der Gänze abgeschafft werden.
Die Politik scheint wie besoffen, beinahe einem Alkoholrausch gleich, Milliarden von Steuergeldern in nebulöse Bankengeschäfte zu pumpen. Der in der Krise gebeutelte Bürger, wird auch noch von einem CDU-Bundesvorstandmitglied beleidigt und mit Häme überzogen. Wir brauchen diese Politiker nicht als ‚Volksvertreter‘. Herr Mißfelder findet Gefallen zu missfallen.“

Ute Plass aus Worms:

„Wie heißt’s in dem besagten Sprichtwort: ‚Die Gesellschaft bekommt immer die Jugend, die sie selbst hervorgebracht hat.‘ Und so brauchen wir uns nicht wundern, dass ein Philipp Mißfelder aus der Christlichen Union das vertritt, was ihm die neoliberalen Wirtschaftsprinzipien seiner Partei – und ähnliche Ideologien anderer Parteien – vermittelt haben. Diesem Ungeist ist es zu verdanken, dass der junge Mann über Tabak- und Alkoholkonsum von Hartz IV-EmpfängerInnen und vermeintlich überflüssigen Gelenkprothesen für alte Menschen schwadronieren kann. Ein anderes Sprichwort besagt: ‚Wehret den Anfängen!'“

Wilfried Kulpe aus Frankfurt:

„Herr Mißfelder scheint ja genau zu wissen, wovon er redet. 2003 wollte er noch die medizinische Versogung für Rentner abschaffen, 2009 nun sind es die Hartz IV Empfänger, die besser kein Geld aus der ‚Solidargemeinschaft‘ bekämen.
Hat denn der Mißfelder selbst jemals auch nur einen Euro in die Solidargemeinschaft gezahlt? er hat doch bis 2008 studiert und sitzt seit 2005 bereits im Deutschen Bundestag.
Für mich ist dieser Herr als Politiker untragbar. Er sollte schleunigst auf sein Bundestagsmandat verzichten und arbeiten gehen, damit auch ER überhaupt erst einmal einen Beitrag für die von ihm angesprochene Solidargemeinschaft leistet.
Aber so sind die ‚jungen Wilden‘ der ‚Christlich-Demokratischen Partei Deutschalnds‘: Absolut unchristlich, in höchstem Maße undemokratisch und nur noch auf ihre eigenen Vorteile und Pfründen bedacht. Wahrscheinlich ist aber, dass er von den Altvorderen der C-Parteien vorgeschickt wird um auszutesten, wie weit man heute bei der Bevölkerung gehen kann.
Und diese Menschen regieren unser Land …“

Wolfgang Meckel aus Tornesch:

„Wenn ein Politiker – zumal in eine solchen Position – seinen fauxpaux dergestalt herunterspielen will, indem er reklamiert, ‚es ginge nicht um Herabsetzung häufig unverschuldet in ihre Lebenssituation geratener‘ und ‚er wolle lediglich auf Missstände hinweisen‘, sondern ‚lediglich eine problematische Diskussion beginnen‘, weil er ‚große Zweifel habe, ob die Unterstützung zielgenau ist‘, ist das seiner Häme noch einen obenauf zu setzen! Oder der Herr weiss nicht, wovon er spricht. Das zu glauben ist allerdings Naivität größten Ausmaßes! Fast jeder ‚Normalbürger‘ weiß, wer nach 1 Jahr keinen neuen Arbeitsplatz gefunden hat, landet regelhaft im Alg II, zumindest ist das Famlieneinkommen quasi zur Hälfte weggebrochen. Wohin zielt dann die ‚problematische Diskussion‘, die Herr Mißfelder beginnen will? Die Quintessenz seiner Aussage ist unleugbar: ‚Hartz-IV-Eltern versaufen und verqualmen ihre Stütze, anstatt sie ihren Kindern zukommen zu lassen. – Ausser der paar, die unverschuldet in Hartz IV gelandet sind natürlich.‘ Wir sind gespannt auf die weitere Familienpolitik seiner Partei!“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Das erneute verbale ‚Ausrasten‘ von Philipp Missfelder – diesmal nicht gegenüber Senioren, die künstlicher Hüftgelenke bedürftig sind, sondern gegenüber Arbeitslosen – legt eine Grundader des deutschen Konservatismus bloß. Wer Leistungen vom Staat in Empfang nimmt, ist grundsätzlich des ‚Abzockens‘ verdächtig. Überhaupt haben sozial Schwache ihren Zustand im wesentlichen sich selbst zu zuschreiben. Als Therapie für Schwache wird unterschwellig empfohlen, sie an die Wand fahren zu lassen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch denkt in gleichen Kategorien, ist nur aber viel klüger als Missfelder, es nicht so unverhohlen zu formulieren.. Nassforsches ist übrigens auch noch aus der – allerdings schon lange zurück liegenden – Zeit von Alfred Dregger in höchst unangenehmer Erinnerung.“

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9 Kommentare zu “Bequem in der Hängematte

  1. Ja nun, Mißfelder überspitzt was uns durch Westerwelle und andere „Liberale“ die ganze Zeit in zwar harmloseren Tönen – dafür aber nicht weniger widerwärtig – erzählt wird.
    Letztlich sind wir in einer Gesellschaft angelangt die sich um wissenschaftlich korrekte Sprache bemüht, dabei Zeugs wie „abgehängtes Prekariat“ hervorbringt, alles mit größtmöglicher political correctness – aber ohne Folgen.
    Es interessiert, mit Verlaub gesagt, keine Sau aus welchem Grund das Prekariat abgehängt ist, es interssiert eigentlich nur, wie man am besten Abhänger bleibt, weit weg von den Abgehängten.
    Nicht zuletzt vergessen wir bei all unserem Mittelschichtsgequatsche die Lebensrealität vieler Menschen aus „Hartz IV-Dynastien“.
    Das was gutbürgerlich als Realität des 21. Jahrhunderts wahrgenommen wird hat damit nicht im geringsten zu tun.
    Mißfelder ist da gar nicht so weit weg. Er ist dran am Klientel, dran an denen, die Angst haben vor dem Abrutschen und das ist heute wieder greifbar für viele.
    Die die schon abgerutscht sind interessieren sich in großer Zahl eh einen Dreck für Mißfelder und sein Gequatsche. Nicht für die CDU und nicht für die Linke.
    Da geht es um partizipieren am gesellschaftlichen Wohlstand um fast jeden Preis, da gehts um immer wieder aufstehen, ohne irgendeine Perspektive zu haben.
    Dass die abhanden kommt, dafür sorgen die legalen Drogendealer im Verbund mit den Mißfelders dieser Republik.
    Brot und Spiele.
    Für die ganz unten Schnaps und RTL2,
    für die die Angst vor ganz unten haben Bier und Mißfelder,
    für uns Mittelschichtler den FR-Blog und Rotwein nach Feierabend!

    Viel Spaß noch.

  2. Nach dieser guten Eingangs-Meinung fällt es schwer, auch noch was zu sagen.
    Deshalb nur kurz :
    Lassen wir Mißfelder doch einfach „rechts liegen“ und wenden wir uns wichtigeren Dingen zu.

  3. Eine Frage noch ….Herr Mißfelder!
    Befürchten Sie als marktradikaler Populist denn jetzt nicht auch eine Preisexplosion in der „Champagner- und Kaviarindustrie“, wenn die gigantischen Staatshilfen an Schaeffler&Co oder an erfolgsverwöhnte Milliardäre vom Schlage Ch. Flowers (HRE-Aktienhalter)gehen, um deren Portefeuille zu schonen …..? Übrigens: Es brauchen bei Ihnen keine Zweifel aufkommen, ob dieses Gelder richtig ankommen-diese Unterstützung ist zielgenau.Frau Schaeffler wird Ihnen sicher beim Zuprosten eine Freudenträne zukommen lassen!

  4. also, als hartzivler muß ich dazu auch mal was sagen. mir völlig schleierhaft, daß das hirnlose geblubber irgendeines politpiefkes solche wellen über den rand seines freizeit-stammtisches schlägt. stellt euch vor, seine absonderungen wären nach dem letzten weizen im orkus gelandet. man hätte raum und zeit, darüber nachzudenken, was wäre, wenn die maschinen ausser unserer produktivität auch unsere sozialabgaben übernommen hätten, die einen beträchtlichen teil der wertschöpfung ausgemacht haben.
    wir müssten uns nicht schämen, den arbeitenden auf ihrem weg zum lohnerwerb einen schönen tag zu wünschen und könnten entspannt mit der bekämpfung unserer süchte beginnen. das geld würde reichen denn die maschine machts möglich. wäre das nicht der vollendete sinn von arbeit und fortschritt? wir würden endlich tun, was wir so lange vermissten – die bibliotheken wären voll, die volkshochschulen müssten anbauen, wir hätten die meisten sportweltmeister den ganzen argeapparat könnte man abschaffen und jeden tag kämen hunderte mit irgendwelchen tollen ideen, denn sie hätten zeit und kapital genug, um sich sinnvoll zu beschäftigen. und sie wären gemocht!
    stattdessen vegetiert mensch im zwischenraum, der nichts verheisst, und verödet – brachland.
    man könnte soviel schöne und sinnvolle dinge darin tun, die unserer gemeinschaft abgehen, wenn die vernunft ihr licht auf die guten würfe. aber lauschen wir besser den irren.

  5. Schon sehr erhellend, mit welch einfachen Mitteln,man Schlagzeilen verändern kann.Ein scheinbar unüberlegter Satz zur rechten Zeit und alle Skandale um Konzerne und ihre Machenschaften werden in den Hintergrund gerückt.Ob vielleicht ein paar Parteispenden mehr geflossen sind?

  6. Der Vorsitzende der Jungen Union schickte sich offenbar beim Frühschoppen an, seine Pennälerkenntnisse aus dem Biologieunterricht zum Besten zu geben und gewährte doch nur den Einblick, dass er, wie viele andere auch, versäumte das Menschliche durch den Sozialkundeunterricht zu erlernen; und in seinen jungen Jahren auch nicht mehr willens ist, sich diese Frage noch zu beantworten.

  7. Ich bin von Beruf Dipl. Ing. arbeite ich bei einem großen Unternehmer. Ich bezahle gerne Steuern für Hartz IV Empfänger.
    Nach meiner info hat Herr Mißfelder 18 Semester studiert. Die Allgemeineheit hat sein Studium finanziert. Zu dieser Allgemeineheit gehörte ein oder andere Hartz IV Empfänger. Wie Herr Mißfelder (falls) denken kann, Hartz IV Empfänger haben sein Studium mitfinanziert.
    Leider bei CDU und bei FDP haben wir viele solche schmarotzen, die auf Kosten der Allgemeinheit schönes Leben haben.

  8. Dieser kleine Politleeeerling hat von den Alten gelernt,aber keiner hat ihm gesagt,dass man erst zu einer Persönlichkeit werden muß um große Phrasen und große Prinzipien auszurufen um kleine Gemeinhaeiten zu autorisieren oder gar zu rechtfertigen.Drei Haare am S.. und kräht schon rum,was er von Leben versteht.
    Gott schütze uns vor diesen Nasenbären ,oder Gott laß sie weiter reden um sie zu frühzeitig zu erkennen.
    Danke Herr Mißfelder,dass Sie ihre Dummheit frühzeitig zu erkennen gegeben haben um schlimmeres zu vermeiden.

  9. “Die Erhöhung von Hartz IV war ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie.” O-Ton Philip Mißfelder, seines Zeichens Vorsitzender der Jungen Union, beim Frühschoppen eines CDU-Ortsverbands.

    Hervorhebung von mir.

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