Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Gendern 06
Screenshot aus der FR vom 17.10.2020. Links zu den pdf-Dokumenten mit Ihren Zuschriften: Seite 1, Seite 2. Link zum Editorial von Karin Dalka: hier.

Sie alle wissen, die die Frankfurter Rundschau lesen, dass diese Zeitung traditionell an der Seite der unterprivilegierten Menschen steht. Und damit auf der Seite der Gerechtigkeit. Das ist ein großes Wort, und darum machen wir es uns damit niemals einfach. Ihnen allerdings auch nicht! Im Folgenden kommen ein paar Zumutungen auf manchen Zeitgenossen zu. Überwiegend auf Männer, wie es scheint, denn die haben nach allem, was mir an Zuschriften vorliegt, größere Probleme damit, dass sich konstruktive Geschlechtergerechtigkeit auch in ihrer Zeitung niederschlagen könnte! Dabei ist die Sache mit der Gerechtigkeit viel leichter, als die aufgeheizte Debatte darüber suggeriert. Schauen Sie sich einfach mal nur diesen ersten Absatz meines Textes an. Kein Binnen-I, kein „Gender-Sternchen“, kein Doppelpunkt. Es geht ohne solche Konstrukte! Leserinnen und Lesern tauchen auf – natürlich! -, außerdem Menschen – welche Überraschung! – und dann auch noch Männer! Die gibt’s natürlich weiterhin. Ich bin selbst einer. Und bleibe es auch.

Es geht, wie gesagt, um Gerechtigkeit. Um eine Sprache, die Geschlechter gerecht erkenntlich macht. Es geht also um eine Weiterentwicklung unserer Sprache, denn der Status quo ist de facto ungerecht. Und Sprache ist ohnehin stets ein Wachtumsprozess! Männer, fragt Euch mal, was Ihr eingeübt habt, was Ihr dabei mitmeint und ob das gerecht ist! Die FR wird das generische Maskulinum nicht länger weiterpflegen. Das FR-Blog auch nicht. Hier wird seit schon seit Jahren eine geschlechtergerechte Sprache gepflegt. Das geht, niemand wird verletzt, keine Sprache wird „vergewaltigt“, und Fakt ist: Es fällt kaum auf! Das ist eine beruhigende Erkenntnis, denn es ist doch schön, dass ein gesellschaftlicher Lernprozess – in nichts anderem stecken wir hiermit – auch in aller Ruhe passieren kann. Nachdem wir schon so viele Jahre mit der Frage zu tun hatten, wie wir Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit hinkriegen und dabei auch noch andere Geschlechter mitnehmen, ohne irgendwen zu diskriminieren. Denn wir alle sind Menschen kraft unserer Geburt und nicht kraft unseres Geschlechts.

Das ist der Punkt, um den es geht: Menschenwürde!

Die FR hat sich mit diesem Thema über Jahrzehnte beschäftigt. In Ihrer heutigen Ausgabe erneut (Screenshots und pdfs folgen). Ich verlinke auf den Thread vom 26. September. Und jetzt kommen viele, viele Zuschriften, die uns in den kommenden Wochen erreicht haben. Einige werden heute und in den kommenden Tagen im FR-Forum und hier veröffentlicht, weitere können Sie selbst beitragen, und die Diskussion damit antreiben. In diesem Sonderfall bekommen die einzelnen Stimmen keine Überschriften.

fr-debatteGendergerecht schreiben und reden, das ist nicht einfach. Seit über 40 Jahren setze ich mich für die Gleichberechtigung der Frauen privat und beruflich ein, habe Anfang der 90er Jahre Frauenpersonalversammlungen organisiert, ebenso Ausstellungen zum Internationalen Frauentag, immer wieder auf Formblättern die rein männliche Form korrigiert – und habe in der Denkweise meines sozialen Umfelds Veränderungen erzielt. So sollte es gehen, aber jetzt schreibt uns der Mainstream vor, was gendergerecht ist. Die inklusiven Zeichen werden als Allheilmittel angesehen, sind jedoch für mich wieder ein Rückschritt in der Emanzipation: Frauen werden zu einem reinen Anhängsel an den männlichen Normalfall degradiert. Hörbar eine klare Diskriminierung der Frauen – sie werden sehr deutlich angehängt. Diskussionen werden nicht geführt. ARD und ZDF äußern sich nicht auf meine Kritik, sie verweisen auf die rechtliche Lage. Die ARD antwortete: „Sie können davon ausgehen, dass Sie in naher Zukunft immer öfter schriftliche Informationen von öffentlichen Institutionen in gendergerechter Schreibweise erhalten, da es dafür einen wachsenden gesellschaftlichen Konsens gibt.“ Auch wird frau bei der kleinsten Kritik sofort als reaktionär, konservativ und alt bezeichnet. (Siehe Karin Dalka, Der schwangere Patient). Bei vielen Organisationen habe ich meine Kritik geäußert, mein Fazit ist: plakativ und inhaltsleer ist vieles nur vorgeschoben, keine echte Meinung und Denkweise steckt dahinter. Uns mündigen Bürgerinnen wird vorgeschrieben, was gerecht ist. Das entspricht nicht einer offenen Gesellschaft, die Vorstellungen einiger zu Toleranz und Gleichberechtigung werden ungefragt übernommen. Die Frauen bleiben, wie schon sehr lange, auf der Strecke.

Annette Kröhler, Undenheim

fr-debatte

Darüber, ob man mit Doppelpunkten Genderprobleme löst, mag man streiten. Wünschenswert wäre, wenn das Medium, das dies glaubt, sich in seinem Handeln konsequent zeigte und die Redaktion zu einem einheitlichen Gebrauch verpflichten würde. Das könnte der Verlag ggf. mit dem Tendenzsschutz begründen. Dann käme so etwas jedenfalls nicht mehr vor: Ausgabe 18.9., S. D2: BU: Teilnehmer:innen, kleine Überschrift, 3 cm darunter: Vertreterinnen und Vertreter. Der Knaller aber auf S. 22: BU: Eintracht-Stürmer Laura Freigang. Das ist dauerhaft unlesbarer Mist.

Herbert Päge, Recklinghausen

fr-debatteSprache prägt das Bewußtsein und/oder umgekehrt. Folgen wir der These weiter: Die Hopis haben keinen uns geläufigen Begriff von Zeit in ihrer Sprache. Die Inuit haben ganz viele unübersetzbare Wörter für Schnee. Und das Deutsche hat eine Vormachtstellung des Maskulinen. Ja und? Wenn wir jetzt daran herumoperieren, damit die Frauen endlich zum Vorschein und zu ihrem Recht kommen, dann müssen wir sprachbereinigend auch endlich an die Konnotationen von Links und Rechts. Das scheint mir vordringlicher, liebe Sprach-gender/innen!

Merve Hölter, Frankfurt

fr-debatteich finde Ihre Artikelserie und auch die sehr diversen Meinungen der Leser*innen und Journalist*innen zum Thema sehr spannend.
Wie man leicht sieht, bin ich eine Befürworterin einer gendersensiblen Sprache, ohne dass man sich dabei verbiegen muss. Ich möchte hier zwei persönliche Erfahrung schildern, die mein Bewusstsein geschärft haben:
Als ich in der Schule im Französischunterricht lernte, dass eine Gruppe von Menschen (oder auch Tieren) immer männlich ist, wenn nur ein männliches Exemplar dabei ist, fand ich das sehr merkwürdig und ungerecht. Erst Jahre später ist mir bewusst geworden, dass das in meiner deutschen Muttersprache ja ganz genauso ist, aber eben nie als Regel ausgesprochen wurde. Ich war total blind für diese Ungerechtigkeit. Seitdem fallen mir unausgewogene Gruppenbezeichnungen extrem negativ auf ;-)).
Als meine beiden Söhne im Kindergarten waren, habe ich sie einmal gefragt, wie denn ein Professor aussieht. „Ein weißhaariger alter Mann“ war von beiden die klare Antwort! Und das, obwohl ich eine promovierte Physikerin bin.
Mein Fazit: Sprache prägt Bilder im Kopf, Bilder im Kopf schaffen Wirklichkeit und beeinflussen – oft im Unterbewussten – Handeln.

Birgit Kindler, Oberursel

fr-debatteich bin hocherfreut, dass endlich über die geschlechtsneutrale Sprache in der Rundschau geschrieben wird bzw. Sie sich damit auseinandersetzen, wie Sie es in Zukunft halten wollen. Ich ärgere mich ständig wenn nur die männliche Form benutzt wird, was erstaunlicherweise immer noch viel zu häufig in der FR vorkommt. Ich bemühe mich neutrale Bezeichnungen anzuwenden oder die, wie Sie schreiben, Partizipialform. Das ist ein Umgewöhnungsprozess aber wenn man mal damit angefangen hat stellt man fest, dass es viele geschlechtsneutrale Begriffe gibt. Manchmal passt im Text auch nur der Doppelpunkt oder das Sternchen, da nutze ich das Sternchen.

Hildegard Weidemann, Rodgau

fr-debatteSo ein Mist! Jetzt wollte ich, zuvor erleichtert oder gar ein klein wenig euphorisiert, die von Herrn Kaspar (Chefredakteur) vorgeschlagene neue Gender-Schreibform bereits höchstpersönlich einsetzen, da stoße ich auf die erste Problematik. Schreiber:innen, Sachbearbeiter:innen, ja, das ginge! Aber: Redakteure und Redakteurinnen! Diese zwei Brocken sind unvereinbar! Und nun? Wie könnte man die ewige Zwietracht der beiden bloß lösen? Mathematik! Evtl. ist hier die Mathematik wieder einmal die Lösung. Mathematik finden wir überall. Alles lässt sich mathematisch erklären. Ich will es mal versuchen: Redakteure minus e gleich Redakteur. Doch wo ist das e hin? Und jetzt sind mehrere Redakteure beleidigt. Dann vielleicht eine Gleichung: Redakteur mal e gleich innen. Und dividiert man, so nimmt man das e auf die andere Seite und erhält „eRedakteur:innen“ oder so ähnlich. Da fällt mir ein, was ist mit der nicht-binären Geschlechtsidentität? Benötigt diese nicht auch eine eigene Bezeichnung? Also Redakteur plus e plus innen gleich Redakteur+e+innen durch drei (weil es ja drei Geschlechter sind) macht Redakteur:e:innen. Und so hätten wir das Wort verdreigendert und alle wären erwähnt, sogar die vielen Redakteure im Büro. Viel Spaß beim Gendern!

Sabine Görlitz, Saarburg

fr-debatteIch finde es gut, dass Sie dieses Thema so offen diskutieren. Ich bin für eine Gleichstellung der Geschlechter, die sich auch in der Sprache ausdrückt. Ich habe nichts dagegen, dass die bisherige Dominanz des Männlichen in der Sprache durch eine sprachliche Gleichbehandlung abgelöst wird. Ich finde diesbezüglich jedoch Bezeichnungen wie KollegInnen schwierig, da in diesem Fall der männliche Kollege sprachlich hinten runter fällt und nicht mehr vorkommt.
Was spricht denn gegen die konsequente Nennung der weiblichen und männlichen Form? Also einfach immer zu schreiben: Leserinnen und Leser, Bäckerinnen und Bäcker, Lehrerinnen und Lehrer etc.? Ich fände das tausendmal besser als Gendersternchen, BinnenI etc., da es optisch und ästhetisch für mich deutlich unproblematischer und flüssiger ist, so einen Text dann zu lesen (oder auch vorzulesen).

Samuel Ernst, Frankfurt

fr-debatteIch möchte ihnen nur mitteilen, dass ich sehr emanzipiert bin und für die Gleichberechtigung der Frauen einstehe. Allerdings störe ich mich sehr an der diversen Schreibweise, die in Ihren Artikeln genutzt wird. Sie behindert im Allgemeinen den Schreib- und in Ihrem Falle besonders den Lese-Fluss. Als Journalisten sollten Sie doch eher die Sprache in ihrer Schönheit fördern und erhalten und nicht verschlechtern! In den Köpfen sollte die Emanzipation mittlerweile so weit sein, hinter dem beispielhaften Ausdruck „Wissenschaftler“ vollautomatisch, ohne eine Trennung in Geschlechter, Frauen und Männer gleichberechtigt zu verstehen. Die Schreibweise Wissenschaftler*innen dagegen verstärkt sogar die Unterscheidung und ist somit wohl sogar eher kontraproduktiv.

Heinz Möller, Darmstadtfr-debatte

Mir ist durchaus bewusst, das man das angesprochene Problem keinem bestimmten Sach-Thema zuordnen kann. Außerdem passt es nicht zu den gegenwärtigen Jubelbriefen zu „75 Jahren FR“. Ich selbst lese die FR seit meiner Studentenzeit in (West-) Berlin Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die ideologisch bedingte Verunstaltung der deutschen Sprache macht die FR nun unleser- und ärgerlich.
Vielleicht können Sie jeder Ausgabe eine Präambel voranstellen, die die Gültigkeit des generischen Maskulinums für alle Genderformen bestätigt. Dies wäre eine explizite Anerkenntnis des Status Quo der deutschen Sprache.

Wolfgang Hahn, Dreieich

fr-debatteGendern, was ist das? Ein englisches Hauptwort, als Verb eingedenglischt; geschlechtern (?), neudeutsch ‚dschendern‘. Worum es geht, hat bei der Debatte jeder mitgekriegt, unverständlich, dass ausgerechnet ein super Sprachverhunzer sich im Leitartikel Gedanken um die deutsche Sprache machen darf. Terrorist*innen, dass man auch dem IS Geschlechtergerechtigkeit zukommen lässt?
Hebammen und Hebammerer oder Hebammeriche, der Duden
hilft da auch nicht weiter. Es geht um gegenseitigen Respekt, daran fehlt es noch zu oft, aber unvorlesbare Wortendungen helfen nicht, daß Frauen und Männer in aller Welt sich zukünftig auf Augenhöhe begegnen.

Hanns Thomas Schwarzmann, Nürnberg

fr-debatteJa, Sprache ist mächtig – aber nicht allmächtig. Es herrscht ein naiver Irrglaube, man könne Probleme lösen, wenn sich nur alle sprachlich „korrekt“ verhalten.
Leider führt „gendergerechte“ Sprache nicht dazu, daß Frauen weniger benachteiligt werden. Genausowenig führt die Tatsache, daß wir uns fortlaufend neue Begriffe für schwarze Mitbürger ausdenken und die alten als „rassistisch“ ächten, zu einem Verschwinden der Diskriminierung. Mittlerweile führen wir einen absurden Krieg gegen Wörter und übersehen, daß die Sprache nur Symptom des eigentlichen Problems ist – der mangelnden Toleranz gegenüber allen, die irgendwie anders sind.
Das „Gendern“ funktioniert einfach nicht. Egal ob Satzzeichen im Wort oder (noch schlimmer) das Binnen-I – es scheitert oft an der Grammatik (z.B. bei Polizisten/Polizistinnen), und selbst wo es möglich ist (Leser*innen), wird dadurch der absolute Grundsatz verletzt, daß man das Geschriebene auch genauso aussprechen kann. Wer „liebe Leser“ nicht als allgemein akzeptieren mag, muß „liebe Leserinnen und Leser“ schreiben. Hier sind Kompromisse gefragt: macht man das immer und überall, wird ein Text schnell aufgebläht und unleserlich. Alle Varianten des „Genderns“ kaschieren das nur und bürden es dem Leser auf, diesen Code in Sprache zu übersetzen.
Nein, alle diese Ideen sind keine Lösung.

Marc Schneider, Karben

fr-debatteGendern, was ist das? Ein englisches Hauptwort, als Verb eingedenglischt; geschlechtern (?), neudeutsch ‚dschendern‘. Worum es geht, hat bei der Debatte jeder mitgekriegt, unverständlich, dass ausgerechnet ein super Sprachverhunzer sich im Leitartikel Gedanken um die deutsche Sprache machen darf. Terrorist*innen, dass man auch dem IS Geschlechtergerechtigkeit zukommen lässt?
Hebammen und Hebammerer oder Hebammeriche, der Duden
hilft da auch nicht weiter. Es geht um gegenseitigen Respekt, daran fehlt es noch zu oft, aber unvorlesbare Wortendungen helfen nicht, daß Frauen und Männer in aller Welt sich zukünftig auf Augenhöhe begegnen.

Hanns Thomas Schwarzmann, Nürnberg

fr-debatteich habe lange Zeit das Gendern abgelehnt. Tief im Innersten fand ich es gut, aber es war mir peinlich, mich dazu zu bekennen. Mittlerweile ist das Gendern mehr Mainstream geworden, ich traue mich endlich, mich stärker dazu zu bekennen. Es ist mittlerweile nicht mehr nur ein vages Gefühl, dass das irgendwie gerechter ist. Ich habe dazu gelernt.
Wahrgenommene Realität formt unsere Sprache. „Der Arzthelfer assistiert der Ärztin.“ Das ist ein Satz, über den ich stolpere. Wenn ich diesen Satz in allgemeiner Form sage, erscheint er mir unpassend angesichts dessen, was ich kenne. Sprache formt umgekehrt aber auch Realität. „Der Arzthelfer assistiert der Ärztin.“ löst bei mir ein Nachdenken aus. Ich frage mich, wieso ist das eigentlich so, dass ich darüber stolpere. Wie könnte sich daran etwas ändern?
Bei meinen Kindern wird mir dieser Umgang mit Sprache besonders deutlich. Sie sind mit Gendern in der Schule groß geworden. Und Arzthelfer und Ärztinnen eröffnen einen anderen Blick auf Berufsperspektiven als die, von denen ich als Kind geprägt war. Vor diesem Hintergrund finde ich es großartig, eine Bundeskanzlerin zu haben.
Ja, Sprache soll schön sein. Aber Schönheit ist auch Gewohnheit. Wer entscheidet denn, dass Ärzt*innen nicht schön aussieht? (Wie wird „Ä“ eigentlich gegendert?) Und die Textlänge – also wenn es darum ginge, englische Texte sind kürzer als deutsche. Dann müsste die FR auf Englisch erscheinen.
Eine meiner Töchter will übrigens DFB-Präsidentin werden – nichDFB-Präsident, das würde sich wirklich merkwürdig anhören.

Sigita Urdze, Darmstadt

fr-debatteSie können sich gar nicht vorstellen,wie sehr ich mich über Ihr Vorhaben freue,die Frankfurter Rundschau in gendergerechte Sprache zu lesen. Ab wann wird das jetzt in allen Beiträgen und Artikeln konsequent umgesetzt?
In den vergangenen Jahren,zuletzt 2014, habe ich diesbezüglich wiederholt an die FR geschrieben. Jetzt endlich ändert sich was. Wunderbar, dass ich das noch erlebe, seit 20 Jahren setze ich mich für gendergerechte Sprache ein. Eine zivilisierte Gesellschaft kann es sich nicht leisten, diese Art von Diskriminierung fortzuführen. Da kann ich als Frau noch so selbstbewusst sein… denn definitiv bin ich z.B.mit der Bezeichnung „Rentner“, „Sozialarbeiter“, „Erzieher“ nicht mitgemeint.
Kaum ein Mann in dieser Gesellschaft kann dies nachempfinden, weil sie eh schon weniger Diskriminierung erfahren. Ich finde es genauso unerträglich, wenn Frauen von sich selbst als Ärzte, Fußballer oder Mitarbeiter sprechen. Vielleicht ändert sich dies zukünftig, wenn ich durch eine gendergerechte Sprache als Frau direkt in den Berichten angesprochen werde. Deshalb:Danke für gendergerechte Sprache in der FR.

Gunda Norwig, Oberzent

fr-debatteGanz aktuell: Ich lese, wie der belarussische Herrscher Alexander Lukaschenko Frauen verniedlicht und unterschätzt hat – bisher. „Jetzt“, steht in der ZEIT „halten sie den Protest gegen ihn am Leben.“ Dort werden Männer bei Demonstrationen festgenommen und misshandelt Dann tauchen Frauen auf, hindern die Polizisten an Gewalt gegen Männer, legen sich vor gepanzerte Fahrzeuge und hindern sie am Weiterfahren. Statt die Frauen festzunehmen, lassen die Polizisten die Männer los. Belarussische Frauen protestieren auf ihre Art und lassen sich bisher nicht aufhalten. Jetzt höre ich in den Nachrichten im Radio, in Belarus seien wieder Protestierer festgenommen worden. Ist das so – oder sind jetzt auch Frauen festgenommen worden? Diese wichtige Information bekomme ich nicht. In aktuellen Berichten aus Israel ist es übrigens ähnlich.

Werner Zacharias, Kronshagen

fr-debatteGuten Tag Herr Kaspar, auf der heutigen FR haben Sie Ihre Meinung auf der Titelseite „Wie gendern?“ kundgetan. Sie schließen Ihren Artikel mit dem Vorschlag, den Doppelpunkt für die „Schreibung“ von Wörtern, bei der bislang die männliche Form verwendet wurde, einzuführen, um die weibliche Form nicht zu unterdrücken. Für die Schriftform ist dies in Ordnung. M.e. hat Ihr Vorschlag aber den Nachteil aller Schreibweisen, dass beim Vorlesen dieses Zeichen entweder weggelassen oder der erste Wortteil doppelt gesprochen und zusätzlich noch ein weiteres „und“ ergänzt wird. Beim Weglassen ergibt sich der Nachteil, dass nur die weibliche Form verwendet und somit die männliche unterdrückt wird. Bei der zweiten Möglichkeit wird die weibliche Form m.e. überbetont. Also auch nicht optimal. Sie sehen, auch Ihr Vorschlag hat Nachteile und löst somit das Problem nur unzureichend. Sie schreiben, dass ein Vorleseprogramm diese Schreibweise problemlos bewältigen würde. Wie soll dieses denn vorlesen???

Volkmar Köhler, Offenbach

fr-debatte

 

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13 Kommentare zu “Es geht um Gerechtigkeit

  1. Ich habe heute die FR abonniert, weil sich die FR-Redaktion entschieden hat, die Weiterentwicklung der Sprache in diese Richtung hin zu unterstützen.
    Als cis-Frau freut mich das sehr. In meinem Alltag kann ich leider sehr selten die Frage stellen: wie ist es möglich, dass es 2020 noch einen Frauenatlas geben muss und welche Gleichberechtigungschancen haben transgeschlechtliche, intergeschlechtlichen und queer lebenden Menschen?
    Jetzt habe ich am Abend dank der FR die Chance, einen Aspekt dieses facettenreichen Themas zu lesen.

  2. Der Titel der Wochenendausgabe vom 05.09.2020 thematisiert ein Problem, welches die Lesbarkeit der FR seit einiger Zeit beeinträchtigt. Die konsquente Anwendung der neuen, zur ideologisch korrekten Schreibweise aufgeblasenen Verwendung der beiden, evtl. auch drei Genderformen hat keinerlei zusätzlichen Informationsgehalt.
    In der deutschen wie in anderen Hochsprachen wird das Maskulinum verwendet, wenn es sich um eine gendergemischte Mehrzahl handelt.
    Niemand wird bei Studenten, Polizisten oder Plünderern vermuten, dass es sich um reine Männergruppen handelt. Erst die Verwendung von Studierenden oder Plündernden führt zu einer merkwürdigen Sprachverwirrung.
    Die Vergewaltigung der deutschen Sprache ist nicht schon deswegen positiv oder akzeptabel, weil sie feministischer Denkweise entspringt.
    Herr Thomas Kaspar möge den genderkorrekt geschriebenen FR-Artikel über Geldautomatensprenger und -sprengerinnen vom 31.08.2020 lesen.
    Zusammen mit der inzwischen beachtlichen Zahl von orthografischen Fehlern verursacht die „politisch korrekte Schreibweise“ viele virtuelle Schlaglöcher, die beim Lesen innehalten lassen.
    Bitte stellen sie die Rundschau weiterhin mit Drucker*innenschwärze her, aber vermeiden sie unnötigen Papierverbrauch beim Herstellen einer mit Vergnügen lesbaren, linksliberalen Zeitung.

  3. Ihrem Leser Herr Päge kann ich nur zustimmen, wenn er von der FR die Verpflichtung zum einheitlichen und konsequenten Gebrauch gendergerechter Sprache wünscht.
    Das, was dem „Thema des Tages“ auf 34 redaktionellen Seiten folgte, spottet der gut gemeinten Absicht: auf 31 davon wurde nicht gerechte Sprache verwendet. Durch die betonte Stellung des Themas zu Beginn wirkt das …peinlich bis unglaubwürdig. – Hausaufgaben nicht gemacht!
    Was das generische Maskulinum betrifft: es zu ersetzen ist nicht so leicht, wie Frau Dalka behauptet. Vor allem bei zusammengesetzten Begriffen. Wäre dem so, hätten Ihre Redakteure/innen nicht zwei dutzend Mal dazu gegriffen: von „gottgleich“ bis „Passagierflugzeug“, von “ Referentenentwurf“ bis „Weltmeisterschaft“ etc.
    Aber bevor Sie sich an die Genderung der Texte machen, wäre, um Ihre Haltung glaubwürdig erscheinen zu lassen, zunächst eine fundamentale Änderung notwendig. Einige Berufsbezeichnungen in Ihrem Gewerbe zementieren doch geradezu die angeprangerten patriarchalischen Verhältnisse: wenn die FR ihre geschätzte Kollegin Frau Nenninger als „Chef vom Dienst“ betitelt, gibt sie sich der Lächerlichkeit preis (s. Impressum). Und wie ist es mit der stellvertretenden „Chef“Redakteurin? Da stimmt etwas nicht. So ist das Gesamtbild der FR (noch) von Inkonsequenz zum Thema geprägt. Das könnte zu Abneigung bei Ihrer Leser:innenschaft beitragen.

  4. Die These : In einer Sprache denken,impliziert deren Weltsicht …..zum Thema gendern
    ist der Duden da eine aufschlußreiche Lektüre.
    unter „er-“ läßt sich folgendes finden : Vorsilbe von Zeitwörtern…er-achten, er-barmen …Er-be….Er-de..Er-emit .. er-fahren …er-halten .. er-innern ..Er-z ..er-zürnen ..
    Da ist richtig was los, über 15 ! Spalten .. hochgradig aktiv. ER agiert macht sich die Erde Untertan, besitzt diese, entzieht sich, schreibt Geschichte und ist hart im nehmen und zürnen.

    unter „sie-“ läßt sich folgendes finden : Höflichkeitsanrede für eine od. mehrere Personen gleich welchen Geschlechts, Sie-b, sie-ben(Zahl), sie-ch, Sie-de, sie-deln,Sie-g, sie-gel, sie-he, Sie-l, sie-zen
    Fast vollständige Auflistung !
    Sie ist mit allen höflich, trennt in Brauchbares, hat direkten Bezug zu einer Primzahl, kränkelt vor sich hin, köchelt, ist ortsbezogen, gewinnt, macht Verträge und bindet sich daran, zeigt Dinge auf,kümmert sich um Abwasser und Geschirr für Zugtiere und ist zum Schluß wieder höflich.
    Nun denn doch recht überschaubar, mit guten Umgangsformen und Verantwortung für Nahrung, Gesundheit, Kochen, Haus, Hof und das geregelte Miteinander. Damit ist sie anscheinend siegreich nur über wen oder was ?.
    Die Antwort könnte „der generische Plural“ geben,….DIE Menschen, DIE Männer, DIE Lebewesen, DIE Natur …anscheinend letztendlich über fast ALLES. und das „fast“ ist dann elementar,neutral DAS Weltall, das Wetter,das Wasser
    „Sie“ möchte genauso gestaltend sichtbar sein, wie „er“…. dabei wird ihre – staatstragende – Funktion unterschätzt, vllt. weil deren Wert gegenüber dem endlosen Treiben viel zu gering geachtet wird, obwohl oder gerade weil letztendlich sich alles im universellen weiblichen „die“ wieder findet.

  5. Ich hatte Ihnen nach Ihrem ersten Aufruf vor ein paar Wochen nicht geschrieben, weil ich keine gefestigte Meinung zum Thema habe; alle Varianten haben Vor- und Nachteile. Nun haben Sie sich aber für die m.E. schlechteste Option entschieden, nämlich „geschlechtsneutrale Begriffe und Partizipialformen“:
    Die geschlechtsneutralen Begriffe (Publikum statt Zuschauer:innen) lasse ich mir noch gefallen. Die immer mehr um sich greifenden Partizipialkonstruktionen sind mir hingegen ein Dorn im Auge, weil ich sie für sprachlich schlicht falsch halte: „Mitarbeitende“ sind etwas anderes als Mitarbeiter:innen! Letztere haben einen Anstellungsvertrag und gehen ihrer täglichen Arbeit nach, während Erstere mal eben mit anpacken. Dasselbe gilt für die „Zuschauenden“: Diese kommen nach meinem Sprachverständnis zufällig am Spielplatz vorbei und schauen den Kindern beim Spielen zu, während nur „Zuschauer:innen“ eine Eintrittskarte gekauft haben. Und es war auch schon von „Reiserückkehrenden“ zu lesen: Hier zeigt sich deutlich, dass das Partizip Präsens nicht geeignet ist, den gemeinten Sinn zu erfassen; im fraglichen Kontext hätte es „Reiserückgekehrte“ heißen müssen!
    Bitte legen Sie sich immer im Einzelfall Rechenschaft über den Sinn und Unsinn einer Formulierung ab: Neulich ging es um „das Unternehmen, das den Wettlauf um die erste Impfzulassung gewinnt“. Aus dem Unternehmen, das so wunderbar unkompliziert ein „es“ ist, wurde dann im Folgenden ein „er oder sie“.

  6. Ich wundere mich, wieso bei der Genderschreibweise nur grammatikalisch gedacht wurde. Mathematisch betrachtet und naheliegend bietet sich m.E. das Pluszeichen an. Mit dem „Gender +“ würden alle „zusätzlich“ gemeint sein, die sich nicht dem männlichen und weiblichen Geschlecht zuordnen und kein Sternchen, Leerzeichen, wofür der Unterstricht steht sowie kein Doppelpunkt, als trennendes Satzzeichen, sein wollen. Statt auszugrenzen vereint das Pluszeichen, ist positiv besetzt und steht für etwas Verbindendes. Das Plus könnte sogar unkompliziert mitgesprochen werden, z.B. Leser+innen.

  7. Ich lese die FR seit vielen Jahren. Sie weitet meinen Kleinstadthorizont und hilft mir, kritik- und diskussionsfähig bei politischen Auseinandersetzungen zu bleiben. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber: Wichtiger als jede Genderdebatte wäre mir, wenn Sie alle mithelfen würden, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung anzuprangern. Nach meiner Meinung verändert nicht eine gendergerechte Sprache, sondern gemeinschaftliches Handeln die Zukunft. In der Flüchtlingsarbeit brauche ich sehr wenig Sprache, aber sehr viel Gesten der freundlichen Zuwendung. Die Diskussion um Sprache stört in einer Gesellschaft, die dringend und vor allem gemeinsam Zukunftsprobleme lösen muss. Die Genderdebatte offenbart die Kluft zwischen den Menschen, die mit Geld und Sprache Macht ausüben können, und denen, die mittel- und sprachlos sind. Und diese Kluft verläuft in Deutschland meines Erachtens nicht zwischen Frauen und Männern, sondern zwischen Wortgewandten und Sprachlosen. Wir sollten die Sprach- und Mittellosen im Land mit der Genderdebatte nicht noch sprachloser machen.

  8. Liebe FR, als langjährige FR-Leserin (40 Jahre!) und alte Frauenbewegungs-Aktivistin bin ich sehr froh über Deinen Vorstoß, es noch einmal zu versuchen mit einer gerechteren Sprache, die uns das Lesen aber nicht verleidet. Immer wieder hampel ich selbst rum und schreibe „Kolleg/inn/en“, „Mitarbeiteter/innen“, „Ärztinnen/Ärzte“ und fühle mich unwohl dabei. Unwohl, weil ich die genervten oder hämischen Gesichtsausdrücke der Leser/innen meiner Schreiben schon beim Schreiben der gendergerechteren Formen vor Augen habe, unwohl auch, weil ich manchmal selbst, vor allem, wenn’s schnell gehen muss, auf die Differenzierung verzichte und den männlichen Plural verwende, unwohl, weil mir so recht nicht einfallen wollte, wie dieses Problem zu lösen ist.
    Jetzt freue ich mich umso mehr auf die tägliche FR-Lektüre und hoffe, dass ich durch das Lesen gendergerechter Sprache selbst kreativer werde für meinen eigenen Sprachgebrauch.
    Weiter so!

  9. Zu dem Thema gab es nun schon so viele Beiträge, dass ich eine Wortmeldung meinerseits bislang für überflüssig hielt. Eine Blüte, die das Streben nach gendergerechter Sprache nun in der FR hervorgebracht hat, hat mich umdenken lassen. Hierzu zunächst eine Anekdote. Um meinen trockenen Kassenbericht während der Vollversammlung eines Vereins etwas aufzulockern, begrüßte ich die Anwesenden mit „Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen“. Kein Schmunzeln, keine Regung im Auditorium. Auch nach einer kleinen Kunstpause zündete diese Pointe nicht. Jetzt endlich nachdem ich den Artikel auf Seite 6 der FR-Ausgabe vom 27.10.2020 über Boris Johnson las, wurde mir klar, dass das nicht am mangelnden Humor der damals Anwesenden lag. In dem FR-Artikel ist die Rede von „36 weißen neuen Mitglieder:innen“. Offensichtlich überfordert das Streben nach gendergerechter Sprache das Sprachgefühl – nicht nur das der Konsumenten sprachlicher Produkte, sondern auch derer, die professionell mit Sprache arbeiten. (Für die, die an dieser Stelle noch über die Pointe rätseln: „Das Mitglied“ und „die Mitglieder“ schießen als geschlechtsneutrale Begriffe Frauen und Männer gleichermaßen ein.) Ich hoffe sehr, dass nicht auch bei anderen gendergerechten Ausdrucksformen über das Ziel hinausgeschossen wird und auf einmal von „Studierend:innen“ und „Anwesend:innen“ berichtet wird.

  10. die Welt hat viele Baustellen … wichtige Baustellen.

    Wenn dann aber aus den Chilenen Chilen:innen werden, dann machen Sie doch auch bitte aus den Deutschen Deutsch:innen. Auch sollten aus solchen Begriffen wie Faschisten Faschist:innen oder aus Nazis Nazi:innen werden. Oder … ? Meine Güte ….. Es nervt gehörig !!

  11. „Es geht um Gerechtigkeit.“ – Was für ein großes, bedeutungsschwangeres Wort!
    Es verweist auf Jahrzehnte lange Kämpfe in der Realität – etwa dem mutige Kampf der Suffragetten um das Frauenwahlrecht. Doch für die Berechtigung, es – wie hier – auf die Metaebene zu schieben, für die Hoffnung, über Eingriffe in das grammatische System einer Sprache, über Bewusstsein ein neues Sein zu konstituieren, fehlt leider jeglicher wissenschaftlicher wie pragmatischer Beleg.
    Nicht nur bei Marx kann man es ganz anders lesen.

    Nicht anders bei der behaupteten Förderung von „Sensibilität“. Uta Liebau hat es blendend ausgedrückt: „In der Flüchtlingsarbeit brauche ich sehr wenig Sprache, aber sehr viel Gesten der freundlichen Zuwendung.“
    Es ist zu fragen, wo denn diese bekundete „Sensibilität“ bleibt, wenn kritisches Hinterfragen – selbst von hervorragenden Linguisten wie Peter Eisenberg – durch die Bank in die (vermeintlich) „rechte Ecke“ gestellt, der „Frauenfeindlichkeit“ verdächtigt wird. So durch den Antreiber dieser Bewegung, Anatol Stepanowitsch. Und wenn der Gleiche unverblümt äußert, „nun sei es Zeit, Vorschriften zu erlassen“ und die lauten Bekundungen, es seien lediglich „Vorschläge“, Lügen straft.
    (https://mmm.verdi.de/beruf/gendern-frage-von-macht-und-kreativitaet-59523)
    – Wenn, wie Annette Kröhler über ARD, ZDF und andere Organisationen resigniert berichten muss: „Diskussionen werden nicht geführt.“ Exakt das ist auch meine Erfahrung, etwa mit „gendern.de“, wo, was sich nicht affirmativ unterordnet, verschwindet oder mit der Lupe zu suchen ist.
    – Wenn – neben durchaus brauchbaren Vorschlägen – etwa das Fakewort „Studierendenwerk“ empfohlen wird, ohne zu merken, dass es (entsprechend der wirklichen Wortbedeutung) Dauer-„Studierende“ gar nicht geben kann. Oder, wenn selbst in der FR (wie Robert Klein berichtet) das Unsinnswort „Mitglieder:innen“ auftaucht.
    – Wenn – wie viele seriöse Linguisten nachweisen – vermeintliche „sexistische“ Sprache durch systematische Sexualisierung (selbst in völlig neutralen Kontexten) „bekämpft“ werden soll.
    (Vgl. https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die-diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html)

    – Wenn das (vermeintliche) „generische Maskulinum“ zum Feindbild erhoben wird, das doch ganz einfach als Prinzip der Sprachökonomie zu erklären ist, das im Zusammenhang mit dem jeweiligen Kontext auch Differenzierungen und „gerechte“ Interpretation zulässt.
    Wenn so also ein ganzes grammatisches wie semantisches System durcheinander gewirbelt wird, mit noch unabsehbaren Konsequenzen. Denn die vielen bereits aufgezeigten Widersprüche und unsinnigen Wortbildungen sind nur die Spitze eines Eisbergs.
    Und das alles, weil – so Stepanowitsch – „Sichtbarkeit“ als oberstes Prinzip der Kommunikation zu gelten habe, und offenbar nicht mehr die Möglichkeit einer differenzierten Verständigung in einer Sprachgemeinschaft. („Warum Sprachwandel notwendig ist – Der Professor, die Professor, das Professor“-das-professor/26155414.html).

    Die Herkunft eines solchen missionarischen Eifers ist unschwer auszumachen:
    Ersetzt doch die viel gelobte Mentorin der „feministischen Linguistik“, Luise Pusch, wissenschaftliches Vorgehen durch Mystifikation. So, indem sie den – vermeintlichen – „Sexismus“ „der deutschen Sprache“ direkt aus dem Schöpfungsbericht (Genesis, I,27) ableitet, daraus die (bescheidene?) Schlussfolgerung zieht, dass die gesamte deutsche Sprache „zu reparieren bzw. zu therapieren (ist), wie ich es gern nenne“.
    ( Luise Pusch, Hauptsache Gendern, https://www.jetzt.de/hauptsache-gendern/gendern-linguistin-luise-f-pusch-ueber-das-gendersternchen-und-geschlechtergerechte-sprache), https://anschlaege.at/unsere-grammatik-bevorzugt-maenner/).
    Wozu sie dann die Großaktion „Rettet das Femininum“ ins Leben gerufen hat: „Wie lässt es sich am besten retten, wiederbeleben und weithin verbreiten? Natürlich durch eine gezielte Allergie gegen das Maskulinum.“ („Das Deutsche als Männersprache“, S.11).

    In welche fatale Sackgasse und Isolierung sich die deutsche „feministische“ Bewegung (und mit ihr offensichtlich auch weite Teile der Medien) begeben, haben weitsichtige Feministinnen und Feministen längst erkannt. So etwa die französische Feministin Élisabeth Badinter, welche die hier betriebene „Viktimisierung“ der Frau scharf kritisiert und vor einer Rückkehr in überholte Rollenmuster warnt. Die auf die Notwendigkeit der „Gleichheit der Geschlechter“ in der REALITÄT verweist. („L‘ un est l’autre“, 1986, deutsch: „Ich bin Du“).
    Denn: „Der Weg zu Gleichheit ist Gleichheit.“

    Ein Irrweg, der Gräben aufreißt und Nationalisten bestärkt, die sich so hemmungslos als die vermeintlichen „Wahrer des Deutschen“ aufspielen können. Der auch positive Ansätze, eine wirklich notwendigen Diskussion über sprachliche Sensibilisierung zu Zeiten zunehmender Brutalisierung, vor allem in Online-Medien, verschüttet.
    Solche offenen, nicht dogmatisch verengten Diskussionen werden wohl nur noch vereinzelt in bestimmten Medien geführt. So z.B. auch in der letzten Ausgabe des „Freitag“ (Ausgabe 41/2020). Oder auch auf mancher Website wie der: Google, FR-Forum + mein Name.

  12. @Werner Engelmann

    Danke für die weiterführenden links zur Diskussion. Mir fällt dazu auch Gramscis „kulturelle Hegemonie“ ein, auf die sich heute ja auch die Rechte/Identitären berufen. (So wie „Identität“ ein zentraler Begriff im linken wie rechten Spektrum geworden ist.)

    „Die Vorherrschaft einer sozialen Gruppe zeigt sich auf zwei Arten, als Beherrschung und als intellektuelle sowie moralische Führung. Eine soziale Gruppe ist dominant, wenn sie die gegnerischen Gruppen unterwirft und die verbündeten Gruppen anführt. Eine soziale Grup pe kann, ja muss sogar vor der Machtübernahme die Führung übernommen haben; wenn sie dann an der Macht ist […] wird sie dominant, aber sie muss weiterhin führend bleiben.“

    Allerdings: Im Italien der 70ger/80ger Jahre schien die Linke nicht weit von der kulturellen Hegemonie entfernt, statt zur Machtübernahme, zur Änderung der Produktionsverhältnisse kam kurz darauf Berlusconi.

    Und der nach 68 ausgerufene lange Marsch durch die Instutitionen,der sich ebenfalls auf Gramsci berief, hat uns jetzt „gegenderte“ Sprache beschert, während sich die sozialen Verhältnisse weiter zuspitzten.

  13. Ich stimme Martin Baumbach in Bezug auf die Partizipialkonstruktionen vollem Umfang zu. Die substantivierten Partizipien sind für Viele mehr und mehr eine gute Alternative, und die ‚Studierenden‘ gibt es immerhin ja auch schon seit vier Jahrzehnten. Jetzt kommen die Lesenden, die Autofahrenden (und die Autoinsitzenden?!?), die Laufenden und Tanzenden usw. usf. hinzu. Auch in meinen Augen ist Partizipativ-Lösung dabei ja auch nur eine Krücke, die etwas als richtig erscheinen lässt, was ’sprachpuristisch‘ nicht richtig ist: Denn man ist ja nur in dem Moment studierend, in dem man aktiv damit beschäftigt ist. In den Semesterferien bin ich immer noch Student/ Studentin, aber eben nicht studierend. So wie ich Autofahrer bin, wenn ich ein Auto habe, aber nicht autofahrend, wenn ich zuhause auf der Couch sitze. Konsequent angewendet bekämen wir eine Menge neuer, ziemlich irritierender Begriffe, wie z. B. Besuchende, Verbrauchende, Zuschauende, Rauchende/ Trinkende/ Essende. Besonders lustig wird’s dann mit den ‚Stauenden‘, also den Autofahrenden im oder dem Ende des Stau(s). Wer muss dann nach draußen gehen, wenn es heißt, ‚Rauchende gehen bitte nach draußen‘?!?

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