Washingtons Geduld mit den europäischen Zauderern, insbesondere mit uns Deutschen, scheint am Ende zu sein. So jedenfalls könnte man den Brief von US-Verteidigungsminister im Vorfeld der Tagung der NATO-Verteidigungsminister deuten, die am Donnerstag in Vilnius beginnt. „Schroff“ nannte der SPD-Mann Gernot Erler dieses Schreiben, in dem Gates den Einsatz deutscher Streitkräfte auch im Süden Afghanistans fordert. Offenbar in Verkennung der politischen Realität in Deutschland. Der Bundestag hat ein Mandat für den Afghanistan-Einsatz erteilt, das 3500 Mann am Hindukusch erlaubt; und dann wäre da noch unser Grundgesetz. Nun herrscht Eiszeit unter NATO-Freunden, denn die Bundesregierung hat der amerikanischen Forderung widersprochen. Ist sie nun eingetreten, die Überdehnung der amerikanischen Militärmacht? Weiß die Großmacht nicht mehr weiter?

Die FR-Leser antworten auf diese Berichte ganz im Sinne der Stimmung in Deutschland, wo der Afghanistan-Einsatz unbeliebt ist. So schreibt mir Detlef von Seggern aus Pforzheim:

„Wer sind die Leidtragenden in diesen von beiden Seiten grausam geführten Krieg? Die Zivilbevölkerung. In einer Auseinandersetzung, welche seitens der von den USA geführten Isaf-Truppen, nicht zu gewinnen ist und bei denen immer mehr Angehörige der US-Streitkräfte, aber auch verbündeter Truppen ihr Leben lassen müssen.
In diese Turbulenzen platzte nun die Forderung von US-Verteidigungsminister Gates, Deutschland solle Kampfverbände in den Süden Afghanistans senden. Um diesem Ansinnen des Pentagon nachzukommen, ist ein neues Afghanistan-Mandat notwendig, das hoffentlich niemals eine Mehrheit im Bundestag/-rat findet! Es ist schon völlig ausreichend, der Forderung Brüssels nachzukommen, die schnelle Eingreiftruppe der Norweger durch eine deutsche Einheit zu ersetzen, da dieser Wechsel noch durch das Afghanistan-Mandat abgedeckt ist.
Immer wieder muss betont werden, dass deutsche Soldaten/-innen nach den beiden grauenvollen Weltkriegen des 20. Jahrhunderts in keinem Land, in dem Krieg geführt wird, außer humanitärer Hilfe etwas zu suchen haben!“

Ulrich Finckh aus Bremen fügt hinzu:

„Warum wird kaum mehr vom Kampf gegen Al Kaida, sondern von der Befreiung Afghanistans gesprochen? Führt die NATO dort Krieg, um Schulen für Mädchen, Gleichberechtigung und Berufstätigkeit von Frauen ohne Burka zu ermöglichen? Will die Mehrheit der Afghanen das? Und ist es ein Gewinn, wenn in Afghanistan jetzt Warlords und Drogenbarone im Parlament sitzen? Warum schließlich sind die Nichtregierungsorganisationen gegen den Militäreinsatz? Sie behaupten, ihre Hilfstätigkeit würde gefährdet, weil sie als Teil der Besatzungsmächte angesehen werden.
Für den Weg der islamischen Welt in die Moderne und zur Achtung der Menschenrechte ist der Weg Marokkos, wo Frauen freiwillig mehr Möglichkeiten eröffnet wurden, bestimmt geeigneter. Schließlich ist man dort inzwischen so weit wie im Vatikan. Frauen dürfen zwar keine Hauptgottesdienste halten, immerhin aber Religionsunterricht und Nebengottesdienste. Gleichberechtigung und Menschenrechte kann man nicht mit Gewalt von außen bringen, und Glaubensüberzeugungen ändert man nicht mit Luftangriffen.“

Sebastian Neuber aus Gelnhausen:

„Komisch – das Grundgesetz verbietet uns eine Beteiligung an Angriffskriegen. Immer öfter scheint diese Grundlage unserer Republik in Vergessenheit zu geraten. Wenn wir weiter die ach so verfassungstreue USA als Beispiel nehmen, sind wir bald wieder dort, wo wir alle nicht hin wollen. Mit Augenzwinkern ein Gruß aus den 30er Jahren.“

Und Karl-Heinz Bollmann aus Freiensteinau stellt die Bündnisfrage:

„Statt mit missgünstigem Blick Deutschland zu mehr Kampfeinsatz mittlerweile fast schon zu zwingen, sollten die nicht-amerikanischen NATO-Verbündeten hinterfragen, wofür ihre Soldaten ihr Leben riskieren oder bereits opferten. Den USA geht es zuallererst um die bekannten rein amerikanischen Interessen. Eine Art sozialer Verantwortung z.B. für das afghanische Volk steht bei der kriegstreibenden Kraft, wenn überhaupt, vielleicht an 3. oder 4. Stelle.
Kampfeinsätze unserer Männer und Frauen in Afghanistan haben nun wirklich nichts mehr mit einer Vorneverteidigung Deutschlands zu tun, für die sie ihr Leben hergeben sollen.“

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9 Kommentare zu “Wofür all die Toten?

  1. Ein schwieriges Thema! Ich glaube, dass man mit Waffengewalt keinen Frieden schaffen kann. Auch keine bessere Gesellschaft. Diese vielen zivilen Opfer treiben die Menschen vor Ort vielleicht in eine andere Richtung. Und ganz naiv gefragt: Haben wir wirklich nur ein humanitäres Interesse? Oder geht es am Hindukusch nicht doch um Energieressourcen??
    Wer mag schon die Unterdrückung der Frauen? Der Vorherrschaft der Taliban in unserer westlichen Welt. Fragen wir doch mal ganz neu nach, was wir da wollen und was die afganischen Klane wollen, und was die Frauen da wirklich wollen. Ich bin für keine weiteren militärischen Ausseindersetzungen im Süden.

  2. Das ist m.E. ein Thema, das sich im Laufe der nächsten Zeit von selbst erledigen wird, handelt es sich doch lediglich um das letzte Aufbäumen einer zu Ende gehenden Regentschaft.
    In diesem Falle empfiehlt sich die Taktik des „Riesen aus Oggersheim“: aussitzen!
    Frieden, und da stimme ich I. Werner zu, kann man nicht mit Waffengewalt schaffen, wie man ihn auch nicht par ordre de mufti herbeiführen kann.
    Noch eine Frage an I. Werner: Sind wir (die westliche Welt) die „bessere Gesellschaft“?
    Ich bin für keine weiteren militärischen Auseinandersetzungen in ganz Afghanistan!

  3. @ Hajo Gebhardt
    Nein, ich halte die westliche Welt nicht für die bessere. Und wir müssen unseren Lebensstil auch nicht allen aufdrängen wollen. Eine „bessere Gesellschaft“ ist für mich eine, in der die Grundbedürfnisse befriedigt werden können, Mensch und Umwelt geachtet werden und keiner über den anderen willkürlich herrscht. Immerhin haben wir im alten Europa einiges dazu gelernt.

  4. Dass man „mit Waffengewalt keinen Frieden schaffen kann“, klingt gut, ist aber nicht richtig. Niemand käme auf die Idee, die Polizei abzuschaffen oder gänzlich zu entwaffnen, solange es (auch bewaffnete) Verbrecher gibt.

    Wann und im welchen Umfang in internationalen Beziehungen der Einsatz von Waffen gerechtfertigt oder sogar notwendig sein kann, ist allerdings eine komplexe Diskussion.

  5. @ 4. abraham
    Dann möchte ich mal ein einziges Beispiel hören, wo denn Waffengewalt Frieden geschafft haben sollte. Mir fällt jedenfalls nicht einen einzigen Fall ein.
    Verwechseln Sie vielleicht „Frieden“ mit „Totenstille“ nach dem Einsatz von Waffen?

  6. Zum Beispiel der Krieg der Allierten gegen Nazi-Deutschland. Auch in Ruanda wäre der Einsatz von Waffengewalt nötig (und nach der UNO-Charta möglich) gewesen, um einen Genozid zu verhindern.

    Um Ihren Einwand vorwegzunehmen: Sicherlich ist es sinnvoll, mit anderen Mittel frühzeitig das Entstehen von kriegerischen Auseinandersetzungen zu verhindern, aber dies gelingt nicht immer.

    Man kann auch der afganischen Regierung nicht das Recht bestreiten, mit (polizeilicher) Waffengewalt gegen Terroristen vorzugehen. Ob dazu die Unterstützung der NATO nötig oder hilfreich ist, ist eine andere Frage.

  7. Off topic – aber auch in Birma und Thailand wird immer noch die Frage gestellt: „Wofür all die Toten?“ Ich möchte Sie Anteil nehmen lassen an einer e-mail, die eben bei mir eintraf:

    „Christian Solidarity Worldwide (CSW) today expressed its deep shock, sadness and outrage at the assassination of the General Secretary of the Karen National Union (KNU), Padoh Mahn Sha, in Thailand earlier today.

    Mahn Sha, one of Burma’s most prominent ethnic leaders, was shot dead at his home on the Thai-Burmese border this afternoon. It is believed that the murder was ordered by Burma’s military regime.

    A delegation from CSW had met with Mahn Sha and other KNU leaders in his home just three days earlier, on Monday 11 February.

    CSW’s Advocacy Officer Benedict Rogers said: ‚I knew Padoh Mahn Sha personally, considered him a friend, and met with him many times. His assassination is shocking, and robs Burma and its ethnic nationalities of a wise, courageous, humble, principled leader who has now paid the ultimate sacrifice for his people and their cause. He was held in great respect by many people, and was deeply committed to freedom, democracy and human rights for the whole nation of Burma.‘ „

  8. Bestimmte dt.Politiker und Soldaten sollen und wollen im Süden von A. „mitkämpfen“,nach einem 1939 angezettelten und, 1945, bedingungslos verloren Weltkrieg mit über 50 Mio Toten und bis heute ohne Friedensvertrag. Der heutige Krieg konnte durch England, Rußland, den USA nicht gewonnen werden und wird es auch nicht werden. Der „Angriff“ auf das TWC war ein krimineller Akt, Anschläge weltweit mit ferngesteuerten Minen oder Freitod-Attentätern sind es genau so. Diese Personen oder -kreise stehen irrer Ziele wegen auf einer menschenverachtenden Seite und sollen mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden, weil die Polizei als Gesamtheit der verwaltungsbehördlichen Betätigungen zur Aufrechterhaltung einer öffentl. Sicherheit und Ordnung steht. Dieses vertrauensfördernde) Ziel einer Polizei muß auch mit Informanten (Untergrundarbeit pp.) durchgeführt werden, und zwar weltweit. Polizisten sollten dann auch Mohn-Plantagen beseitigen und ein Kokain-Handel stören, weil dieses Gift Menschen auf miese Weise tötet, und eben unsere Soldaten bei diesen Straftaten zuschauen (müssen?). Beendigt würden Folter,
    Minen, Bomben, des Bush-Krieges. Den Kritikern
    in der FR ist voll zuzustimmen!

  9. Bestimmte dt. Politiker und Soldaten sollen/wollen im Süden von A. „mitkämpfen“ nach einem, 1939 angezettelten und, 1945 bedingungslos verlorenen Weltkrieg mit über 50 Mio Toten und bisher ohne Friedensvertrag. Der heutige „Krieg“ ist seit Jahrhunderten weder von Engländern, Russen, den USA gewonnen worden. Er ist und bleibt ein „Scheißkrieg“, wie eine Leserzuschrift aussagt. Der „Angriff“ auf das TWC war ein krimineller Akt, Anschläge weltweit sind es genau so. Diese Personen oder -kreise stehen irrer Ziele wegen auf einer menschenverachtenden Seite und sollten mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden, sprich mit ordnungspolit. Maßnahmen; weil: die Polizei ist die Gesamtheit der verwaltungsbe- hördlichen Betätigungen zur –Aufrechterhaltung einer öffentlichen Sicherheit und Ordnung–. Die zum eigenen Schutz, nicht zum Angriff ausgerüstete Polizei arbeitet dann auf vertrauensbildenden Maßnahmen, aber auch mit Informanten und Informationen, und zwar weltweit. Diese Polizisten könnten auch Mohn-Plantagen beseitigen und den Kokain-Handel stören, anstatt, wie unsere Soldaten z.Z., zuzusehen, wie dieses Gift für Deutschland hergerichtet wird. Diesen Manahmen sollten anstelle Folter, Minen und Streubomben favorisiert werden, kein „Bush-„Krieg mehr!

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