Ein großer Mensch ist tot: Nelson Mandela. Was ist es, was diese Größe ausmacht? Sein Leiden in 27-jähriger Haft? Sein leidenschaftlicher Kampf gegen Unterdrückung, Rassentrennung, Apartheid? Zusammen mit Mahatma Gandhi und Martin Luther King gilt Nelson Mandela als wichtigster Kämpfer für Freiheits- und Menschenrechte im 20. Jahrhundert. Anders als die beiden vorgenannten bezahlte er für seinen Einsatz nicht mit seinem Leben. Ihm war es vergönnt, wesentlich dazu beizutragen, die durch Apartheid gespaltene südafrikanische Nation zu versöhnen. Hierin liegt sein Verdienst. Die Menschheit braucht offenbar solche Menschen, die über sie hinauswachsen und zu Idolen werden. Dass diese Idole auch Fehler gemacht haben, wird dann häufig ausgeblendet, denn der Blick auf diese Fehler könnte ja dazu führen, dass der Überhöhte auf normalmenschliches Maß zurückgestutzt wird – und das wollen die Menschen nicht. Dazu ein kritischer Gastbeitrag von Robby Wildgruber aus Heusenstamm.
Unter Mandela an die Spitze der Länder mit der höchsten Rate an Gewaltverbrechen
von Robby Wildgruber
Die Berichterstattung über Nelson Mandela war mehr als nur eine Hommage an eine ohne Zweifel bedeutende Persönlichkeit, doch sie glich immer mehr einer Massenhysterie. Die britische Zeitung „The Guardian“ hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, als sie u.a. schrieb: Genug sei genug, die öffentliche Darstellung des Todes und der Beisetzung von Nelson Mandela sei absurd geworden. Mandela sei lediglich ein afrikanischer Staatsmann gewesen. Er habe Qualitäten besessen, die an einer entscheidenden Wegscheide in den Angelegenheiten passend waren …
Auch andere Medien schließen sich nicht dem Massenwahn an und äußern sich angemessen kritisch. Zu glauben, dass nach Mandelas Tod die Politiker in Südafrika nach seinem Vermächtnis handeln würden, ist an Naivität nicht mehr zu überbieten. Unter Mandela selbst und seinen Nachfolgern katapultierte sich Südafrika weltweit an die Spitze der Länder mit der höchsten Rate an Gewaltverbrechen. Und während er im Sterben lag, brachen in seiner Familie erbitterte Erbstreitigkeiten aus, man scherte sich einen Dreck um die Würde des afrikanischen Idols. Und da glauben manche sogar allen Ernstes, dass Mandela die Welt verändert hätte. Geht’s noch naiver ? Jacob Zuma könnte durchaus den Weg Robert Mugabes einschlagen, der – lang ist’s her – jahrelang als Held und Befreier von der weißen Unterdrückung begeistert gefeiert und in höchsten Tönen gelobt wurde. Erst im Laufe der Jahre wurde aus dem Befreiungshelden ein selbstsüchtiger, machtbesessener und skrupelloser Politiker. Für Jacob Zuma könnte er in mancher Hinsicht durchaus ein Vorbild sein. Die Unterdrückung der Schwarzen durch Schwarze findet in Südafrika sowieso schon statt. Daran war zwar Mandela gewiss nicht schuld, doch ändern konnte er daran auch nichts.
Um noch ein historisches Beispiel zu nennen: Das Indien von heute entspricht gewiss nicht den Vorstellungen Mahatma Gandhis. Ohne Gandhis Verdienste schmälern zu wollen: Ohne ihn wäre Indien heute gewiss auch nicht dasselbe Land wie damals. Auch in Frankreich würden ohne die blutige Revolution nicht Zustände wie im 18. Jahrhundert herrschen. Und kein afrikanisches Land lebt heute noch so wie vor 50 Jahren, die wesentliche Veränderung besteht jedoch leider hauptsächlich darin, dass die schwarzen Herrscher auch in bettelarmen Staaten in unermesslichem Reichtum schwimmen und die Mehrheit lebt vielfach in erbärmlicher Armut.
An dieser Situation wird sich selbst durch weitere religiöse oder politische Leuchtfiguren – wie kurzfristig auch Barack Obama eine war – nichts ändern, solange die weltweit herrschende und bis in die Steinzeit zurückreichende Mentalität unverändert bleibt: dass die materiellen Werte zum Mittelpunkt des Lebens gehören und die menschlichen Werte, zu denen selbstverständlich viel Sensibilität gehört, nur eine untergeordnete Rolle spielen, die im Bedarfsfall jederzeit ausgesetzt oder ganz über Bord geworfen werden können. Nordkorea ist nicht das einzige, wohl aber krasseste Beispiel dafür, dass auch im 21. Jahrhundert noch die geistige Steinzeit blüht und dass sich Menschen an alles gewöhnen können, nur nicht an echte, ideologiefreie Humanität. Diese wird zum Großteil nur als Spinnerei angesehen in einer längst schon total auf den Kopf gestellten Welt.
Dazu empfehle ich ein neues Meisterwerk von Nadine Gordimer: „Keine Zeit wie diese“.
@bronski
„echte, ideologiefreie Humanität.“ (bronski)
Ein großes Wort, in die Runde geworfen.
Was wäre denn „echte, ideologiefreie Humanität“?
Schweigen da der Bronski und die Bloggemeinde im Walde?
Ideologiefreie Humanität wäre wohl, daß jeder sich nach seinen Fähigkeiten entfalten kann, sei er nun Finanzhai oder Almosenempfänger, alle Freiheitsrechte beanspruchend, die aus den Menschenrechten ableitbar sind, mit der Grenze, daß denjenigen, die sich nicht aus eigener Kraft erhalten können, ein lebenserhaltender Anteil aus dem Vermögen der Erfolgreichen gegeben wird.
Das mündet letztlich darin, daß entweder eine gerechte Ressourcenverwendung oder eine gerechte Gewinnverteilung stattfinden muß.
Dieses „Perpetuum mobile“ hat noch keiner erfunden, es sei denn, alle bekämen gleichen Lohn für ungleiche Arbeit und würden ihr gesamtes Kapital immer verkonsumieren und keine Vermögensbildung betreiben.
Na, BVG, ich frage mich zuweilen auch, warum bestimmte Themen im Blog keine Resonanz finden… vielleicht auch weil in dieser Zeit, da die meisten Menschen von Feiertagshektik und Feierzwang getrieben und abgelenkt sind, nicht entspannt am PC sitzen, um sich mit anderen Themen zu befassen…
Nun haben Sie ja Ihre in die Runde geworfene Frage selbst beantwortet… Unterstützen kann ich Ihre Antwort teilweise… Finanzhaie treten Menschenrechte meistens mit Füßen. Warum also sollte ich sie mit (ideologiefreier) Humanität für ihre menschenverachtenden Praktiken belohnen? In der FR vom 29.12. gab es (unter anderem) drei bemerkenswerte Beiträge: von Inge Günther „Nahöstliche Blockaden“, von Thomas Schmid “ Afrikas Boom, Afrikas Kriege“ und von Frank-Thomas Wenzel „Apartheid-Opfer bekommen kein Geld“.
Alle drei Beiträge bringen es auf den Punkt. Sie zeigen die Grenzen der „Humanität“ auf.
Trotzdem wieder die Hoffnung auf „ein gutes (besseres?) neues Jahr“!
Man kann sicher über vieles diskutieren. Bei dem Thema fällt mir als Katholik das Gleichnis mit dem Haar im anderen Auge und dem Balken im eigenen Auge ein. Das es bei vielen Themen erstaunlich ist wie wenige sich äußern und auf der anderen Seite wenn z.B. das Thema Israel und Palästina kommt der Bloog zu klein ist wundert mich auch immer wieder. Es hat halt wohl jeder seine Lieblingsthemen und hält unterschiedliche Sachen für wichtig. Die Menschenrechte im Nahen Osten sind halt nicht die gleichen wie in Südafrika. Das gehört wohl zu den Dingen die sich auch 2014 nicht ändern werden. Trotzdem wünsche ich allen die hier mitlesen oder schreiben alles Gute für das nächste Jahr.