Niebels Vetterleswirtschaft

In Afghanistan kann einem schon mal ein Teppich verkauft werden. Das ist eine der schönen Seiten an diesem Land. Und was macht man dann mit einem solchen Teppich? Man lässt ihn im Geheimdienst-Jet nach Hause ins kalte Deutschland bringen, das gute Teppiche wirklich nötig hat, und umgeht so den Zoll bzw. bemerkt erst ein paar Tage später, dass es sowas wie den deutschen Zoll überhaupt gibt. Na und? Machen doch alle so, nicht wahr? Warum sollte sich ein Bundesminister anders verhalten, zumal wenn er für  Entwicklungshilfe zuständig ist und Dirk Niebel heißt? Er hat privat 1000 Euro in Afghanistan investiert – vorbildlich! Und jetzt diese Forderung deutscher Kleingeister nach „restloser Aufklärung“ und gar Nachverzollung – soll sich ein Bundesminister wirklich mit solchen Peanuts abgeben?

Die Sache ist so dämlich, dass ich mir weitere Worte spare bis auf drei: Rücktritt, Herr Niebel!

Und damit kommen sofort die FR-Leser zu Wort. Dennis Riehle aus Konstanz meint:

„Eigentlich sollte man über einen Teppich keinen allzu großen Aufstand machen – und doch dürfte es sich in der aktuellen Diskussion nicht um einen „normalen“ Unterleger handeln: Immerhin genoss das gute Stück einen Freiflug mit einer Maschine des Geheimdienstes aus Afghanistan in die Bundesrepublik – und nicht einmal Zoll wurde dafür entrichtet. Der neue Besitzer des Teppichs ist kein Geringerer als Bundesentwicklungsminister Niebel.
Wie sein Ministerium erst auf Nachfrage mitteilte, werde Niebel den Teppich im Wert von rund 1000 Euro nachverzollen lassen. Wie gut, dass es in Deutschland Medien gibt, die Politiker an Selbstverständlichkeiten erinnern, die für jeden Bürger bei Nichteinhaltung ein böses Nachspiel hätten. Doch es darf nicht sein, dass erst öffentlicher Druck dazu führt, den Pflichten nachzugehen.
Und auch bei der Inanspruchnahme der deutschen Luftwaffe für den Transport von privaten Souvenirs wendet das Entwicklungsministerium eine merkwürdige Formulierung zur Rechtfertigung an: Es habe sich nicht um „Amtshilfe gehandelt“, sondern „lediglich um einen persönlichen Gefallen“. In seiner baden-württembergischen Wahlheimat bezeichnet man so etwas als „Vetterleswirtschaft“, auf gut Deutsch ist es nichts anderes als Betrug, Amtsmissbrauch und Korruption.
Wer privat einen Teppich in Afghanistan kauft, muss diesen auf privatem Weg nach Deutschland zurückbringen – und das auch und ganz besonders dann, wenn er deutscher Entwicklungsminister ist und im eigenen Flieger keinen Platz mehr hat. Der Jet des Bundesnachrichtendienstes mag Geheimes transportieren – und wer weiß, wie magisch ein Teppich tatsächlich ist, der in der Botschaft zwischengelagert und 30 Meter groß sein soll?
Eine Persönlichkeit, die scheinbar keinerlei Unrechtsbewusstsein bei solch „kleinen“ Delikten zeigt, die wird auch bei größeren „Freundschaftsdiensten“ wenig Hemmung haben, sie unbeobachtet in Anspruch zu nehmen. Anders ist nicht erklärbar, dass das Ministerium mit allerhand Ausreden und erst auf mehrfache Rückfrage hin den Fehltritt einräumen muss. Man mag es als Zufall ansehen, dass es wieder einmal den Obersten im Entwicklungsministerium trifft, gegen den vor nicht allzu langer Zeit eine Strafanzeige wegen der „Arbeitsbeschaffung“ für eine frühere Oberbürgermeisterin als Geschäftsführerin einer Servicestelle des Ministeriums erstattet wurde.“

Peter Vogelgesang aus Walldorf :

„So ist das also bei der FDP: Sie hält die Teppichaffäre für geklärt.
Wenn ich als Angestellter einer Fluggesellschaft bei Rückkehr von einer Dienstreise vom Zoll in Frankfurt mit Schmuggelware erwischt worden wäre, dann hätte ich nicht nur nachverzollen müssen, sondern zusätzlich eine entsprechende Strafe zahlen müssen. Außerdem wäre das Vergehen meinem Arbeitgeber gemeldet worden, was in jedem Falle zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen geführt hätte.
Die Skandale in dieser Regierung sind der Frau Merkel schon längst aus dem Ruder gelaufen. Das kann nur mit einem Rücktritt gelöst werden.“

Peter Schuh aus Mainz:

„Natürlich kann man Niebels fliegenden Teppich als Peanuts betrachten. Aber: Als Hans-Jochen Vogel – in den frühen 70er Jahren – gleichzeitig Bundesminister und Mitglied des SPD-Parteipräsidiums war, wurde in der Presse über ihn berichtet: Eines morgens musste er die SPD-Parteispitze treffen. Versehentlich fuhr sein Fahrer mit dem Minister-Wagen vor. Obwohl schon spät dran, schickte er den Fahrer wieder fort, den Privatwagen zu holen. Was waren das für Zeiten, als für aufrechte Politiker selbst Peanuts noch keine Peanuts waren!“

Enno E. Dreßler aus Köln:

„Herrn Niebel wäre gar kein Vorwurf zu machen, wenn er im selben Flugzeug wie sein Teppich abgeflogen und im Flug auf seinen vermeintlich fliegenden Teppich umgestiegen wäre. So aber steht er als ein kleiner Betrüger da, der nicht ministrabel ist und daher Herrn Röttgen hinterher fliegen sollte.“

Verwandte Themen

8 Kommentare zu “Niebels Vetterleswirtschaft

  1. Sorry, Bronski, aber wir haben wirklich wichtigere Themen als dieses „Aufreger-Thema“ aus der dritten Reihe. Vorschläge hatte ich ja einige gemacht. Aber letztendlich entscheidest Du, was Du für wichtig hältst.

  2. Hallo Wolfgang,

    Deine Vorschläge habe ich gesehen, und ich bereite für morgen Entsprechendes vor. Danke dafür. In einem irrst aber: Nicht ich entscheide, welche Themen hier aufgemacht werden, sondern in erster Linie entscheiden das die Leserinnen und Leser der FR über die von ihnen eingesandten Leserbriefe. Das ist die Eigenheit des FR-Blogs.

  3. Soweit ich mich erinnere hatte die FDP in ihrem Wahlprogram stehen das dieses Ministerium abgeschafft werden soll. Sie könnten jetzt zur Tat schreiten.

  4. Dass die Politiker nicht unbedingt als Vorbild taugen, ist dem deutschen Volke inzwischen hinreichend bekannt. Nun auch Dirk Niebel. Dabei ist Ihr Bericht über den Schmuggel eines afghanischen roten Teppichs noch sehr wohlwollend verfasst.
    Der Teppich ist ohne Dirk Niebel mit der Dienstmaschine des Chefs des Bundesnachrichtendienstes Gerhard Schindler von Afghanistan nach Deutschland gelangt und am Zoll vorbei mit einem Dienstauto in die Wohnung des Ministers gebracht worden. Ist das etwa verwerflich?
    Ein Blick in die Strafbestimmung der Abgabenordnung, dem „Grundgesetz“ des Steuerrechts, gibt die Antwort. Wer die Finanzbehörden, der Zoll gehört dazu, pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. „Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.“
    Nach der Landung des Dienstflugzeugs hätte der Teppich dem Zoll zur rechtzeitigen Zoll- und Steuererhebung vor dem Verlassen des Amtsplatzes auf dem Flughafen angemeldet werden müssen. Dies ist von Herrn Niebel und seinen Helfershelfern versäumt worden. Wenn der Schmuggel des Ministers erst später entdeckt worden ist, über die Einzelheiten schweigt Ihr Bericht, war diese Straftat mit dem Auslegen des Teppichs in der Wohnung beendet.
    Jeder Laie kann sich jetzt selbst ein Bild vom Verhalten des Ministers machen. Wenn eine Straftat mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, stellt sie nach § 12 Strafgesetzbuch ein Verbrechen dar. Unsere Rechtsordnung sieht die Unschuldsvermutung so lange vor, bis der Straftäter verurteilt worden ist. Bis dahin darf Niebel nicht als Verbrecher bezeichnet werden. Die strafbefreiende Selbstanzeige wirkt nur dann, wenn sie vor der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens erfolgt ist.
    Hat Minister Niebel nicht bei seiner Amtseinführung geschworen: „…und Schaden von dem deutschen Volke abzuwenden“? Nun hat er durch seine Steuerhinterziehung, die scheint unstrittig festzustehen, dem deutschen Volke Schaden zugefügt. Und seinem Amt als Minister auch. Wenn die Kanzlerin Gespür für Recht und Unrecht hat, ist sowohl Dirk Niebel als Minister als auch der Chef des BND in seinem Amt nicht mehr zu halten. Sie sind zu entlassen. Schließlich ist Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt.

  5. @Torsten Blankenhagen,

    es mag Ihnen so erscheinen, daß die FR das Thema „wohlwollend“ behandelte, weil Sie eine völlig extreme Meinung dazu haben.

    Der Zollschaden beträgt nach Auffassung von Finanzbehörden 200 Euro. Damit Sie jetzt ein mögliches „Verbrechen“ konstruieren können, suggerieren Sie also, daß ein Steuerbetrag in Höhe von 200 Euro eine „steuerlich erhebliche Tatsache“ darstellt. Das ist eine Extremauslegung des Begriffs „erheblich“, die wohl kaum jemand teilt, jedenfalls wohl niemand der in der Strafverfolgung Tätigen…

  6. P.S.

    Selbst wenn im von Ihnen auszugsweise wiedergegebenen Text „erheblich“ im Sinne von „erheben“ gemeint ist, bleibt zu konstatieren: Niemand wird in D eine Steuerhinterziehung in Höhe von 200 Euro mit 1 Jahr Freiheitsentzug (oder mehr) ahnden, die Behauptung, man könne Niebel nur deswegen nicht als Verbrecher bezeichnen, weil noch keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, bleibt abstrus.

    Abstrus wäre es auch, jeden überführten Steuerhinterzieher grundsätzlich als Verbrecher zu bezeichnen, also z.B. auch jemanden, der 1 Euro Steuern hinterzieht, bloß weil Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen mit Freiheitsentzug über 1 Jahr geahndet werden kann.

    Irgendwo gibt es sicher eine Grenze zum Verbrechertum, die ich allerdings bei Niebel noch nicht überschritten sehe.

  7. Oh, nein, Herr Max, Torsten Blankenhagen sieht da garnix extrem, sondern im Wesentlichen völlig richtig. Abstrus, um mich Ihrer Wortwahl zu bedienen, ist es, wenn z.B. eine Kassiererin mit 30-jähriger Berufserfahrung wegen 1,30 Euro, oder eine Altenpflegerin wegen „Diebstahl“ von 6 Maultaschen, die für den Müll bestimmt waren, gefeuert werden. Ein Bundesminister, mit einer Teppichgeschichte wie Herr Niebel, gehört zunächst einmal unverzüglich im hohen Bogen herausgeschmissen, weil ihm jegliche charakterliche Eignung für sein hohes Amt fehlt. Und eine Bundeskanzlerin, die stattdessen mal wieder wegsieht, gehört auch im hohen Bogen aus ihrem politischen Amt entfernt. Fehlt nur noch, dabei werde ich an den hartnäckigen Lügner und Betrüger zu Guttenzwerg erinnert, dass Merkelchen zum Ausdruck bringt, keinen Teppichhändler sondern einen Entwicklungspolitiker „berufen“ zu haben. Allerdings, und da beginnt das große Problem, welche Alternativen gibt es? Die Troika der Spezial- bzw. Fataldemokraten besteht aus grandiosen Wahlverlierern. „Kanzlerkönner“ Steinbrück, der nach vier Jahrzehnten SPD-Regierung in NRW gegen den „Volkstribun“ Rüttgers verliert. „Charismatiker“ Steinmeier, der nach schon historisch zu nennenden verheerenden 23 Prozent bei der letzten Wahl, nichts anders im Kopf hatte als sich selbst zum Fraktionsvorsitzenden zu krönen. Gabriel, der auch noch keine Wahl gewonnen hat, und sich ansonsten als Beliebigkeitsschnatterer betätigt, ist sicher auch keine ernsthafte Alternative. Wer bleibt also? Sie, Herr Max, sind auch keine Alternative, denn dann können Merkel, Niebel und die schwarz/gelbe Chaostruppe auch bleiben. Also, werde ich mich wohl zur Verfügung stellen müssen, ob ich nun will oder nicht. Okay, ich werde drüber nachdenken. Übrigens, Herr Max, natürlich muss diese Teppischgeschichte auch eine strafrechtliche Konsequenz haben, denn nicht nur die Höhe des verursachten Schaden ist relevant, sondern in erster Linie das Delikt, die Tat bzw. das Verbrechen selbst. Außerdem sollte mal aufgeklärt werden, wer von den Herrschaften mal wieder lügt, dass sich die Balken biegen. Der BND widerspricht Niebel, Niebel widerspricht dem BND, das übliche Spielchen. Vermutlich ist übermorgen wieder alles vergessen, insbesondere wenn die BILD keinen Bock mehr auf Teppiche hat. Aber wehe, der Lafontaine, Gysi oder ein anderer dieser LINKE(n) wäre unter die Teppichhändler gegangen. Dann würde aber diese „glücksüchtige“ Republik in ihren Grundfesten erschüttert sein, nicht wahr, Herr Max? Dann würde nur noch das Sehnsuchts- Herzens- und Freiheitsgesülze von Joachim dem Ersten die Republik vor dem moralischen Untergang bewahren können.

    Ihr P.S. endet mit : „Irgendwo gibt es sicher eine Grenze zum Verbrechertum, die ich allerdings bei Niebel noch nicht überschritten sehe.“
    Dazu meine Frage, Herr Max: Welche Grenze(n) sehen Sie denn überhaupt bei Niebel überschritten?

    mfg
    Jutta Rydzewski

  8. Ob steuerpflichtig oder nicht: Das dumm-dreiste und dann windige Verhalten unseres Entwicklungshilfeministers bestärkt auch wieder einmal den sich aufdrängenden Verdacht, dass der windelweiche Umgang mit unseren Steuerflüchtlingen gewählt wurde, weil ein großer Teil unserer politischen „Elite“ selbst Schwarzgeldkonten z.B. in der Schweiz hat. Griechenland wurden typischerweise Enthüllungsdisketten erst gar nicht angeboten, d.h., die Plünderung des Staatswesens ist dort in einem derartigem Ausmaß gang und gäbe, dass Streiter für Recht und Ordnung einfach nicht mehr vorhanden sind. Aber auch die an sich integre Merkel in Deutschland greift diesbezüglich nicht durch, was nicht wundert, würde sie doch ansonsten beruflich noch mehr vereinsamen. Viel wichtiger in Bezug auf Niebels Amt ist aber eine ganz andere Frage: Welche seiner Projekte schaden – wie z.B. die Einführung profitablerer Ledergerbverfahren in Indien für die deutsche Schuh-Industrie – auf dramatische Weise Umwelt und der Gesundheit der Menschen vor Ort?

Kommentarfunktion geschlossen