Die FR hat unzählige kluge Leserinnen und Leser, die es gewohnt sind mitzudenken. So wundert es nicht, dass da auch Menschen dabei sind, die sich fragen: Was soll eigentlich das Gerede über eine Spaltung unserer Gesellschaft? Ist damit eine Wirklichkeit beschrieben, oder wird damit etwas herbeigeredet? Denn man kann ja – in einer Demokratie sollte das jederzeit möglich sein – in einem Punkt unterschiedlicher Meinung sein, wird aber vemutlich in vielen anderen Punkten trotzdem Gemeinsamkeiten finden, wenn man das will. Die gespaltene Gesellschaft – das wäre doch ganz im Sinn der „Neuen Rechten“, die dieses Land zu verändern versucht.
Der Gedanke ist nicht verkehrt. Es nimmt allerdings schon Wunder, wie unversöhnlich die Lager in der Impffrage einander gegenüberstehen. Für mich persönlich ist das überhaupt keine Frag. Ich habe meine Beweggründe hier im FR-Blog auch schon mehrfach mit einer klaren Auflistung von Fakten dargestellt: Selbstverständlich muss geimpft werden! So schnell wie möglich. Ich selbst bin inzwischen „geboostert“. Es ging mir danach zwei Tage lang nicht gut, aber jetzt bin ich wieder auf dem Damm. Diese Nebenerscheinungen von Impfungen kenne ich auch von Grippe-Impfungen. Aber ich will nicht noch einmal die Argumente fürs Impfen referieren. Das mag jede und jeder gern in meinem früheren Artikel „Impfangst: Die Freiheit der Einzelnen und der Anderen“ hier im FR-Blog nachlesen.
Update 23.12.: Zumal es in dieser Debatte für viele Impfgegner:innen nicht in erster Linie um Fakten geht, sondern um Angst. Also auch nicht sogleich um Politik, obwohl sie sich offenbar bevormundet fühlen. Ich will dennoch keineswegs alle zu den Querdenker:innen zählen, sondern diesen Begriff jenen vorbehalten, die es nicht für nötig halten, sich von Rechten und Rechtsextremen zu distanzieren, sondern sogar zusammen mit ihnen demonstrieren und sich so mit rechtem Gedankengut solidarisieren. Dies zur begrifflichen Klarstellung.
An der Wucht, mit der diese Bewegung zeitweise auftrat, konnte man indirekt ablesen, dass sie gut organisiert sein muss, beispielsweise über den Messengerdienst Telegram. Es mag sein, dass es Mitläufer:innen gibt, die sich einfach von diesem Angebot angesprochen fühlen, ohne groß darüber nachzudenken, aber die müssen sich dann fragen lassen, ob sie sich allen Ernstes für mündige Staatsbürger:innen halten dürften, wenn sie ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit vor den Karren von Demokratiefeinden spannen lassen. Sie sollten auch versuchen, die Konsequenzen zu bedenken: Was, wenn es organisierten Rechten gelänge, dieses Land tatsächlich zu spalten? Immerhin ist es ihnen bereits gelungen, diesen Eindruck zu erwecken, denn wir reden ja drüber. Der Verdacht drängt sich auf, dass die „Neue Rechte“ versucht, Framing zu betreiben. Das ist, siehe Wikipedia, „der meist bewusst gesteuerte Prozess einer Einbettung von Ereignissen und Themen in Deutungsraster, anhand konstruierter Narrative bzw. Erzählmuster.“ Solche Narrative hat die Rechte zu Hauf auf den Meinungsmarkt gebracht, wie Katja Thorwarth in ihrer Kolumne „Lisa Fitz: Populismusgeschrei einer Wutbürgerin“ dargelegt hat. So etwa folgende Mär: „Fast 1000 Impftote innerhalb von 2 Wochen“. (Diese Schlagzeile lässt sich googeln; ich verlinke sie hier bewusst nicht.) Das ist kompletter Unsinn. Dennoch wird das geglaubt. Ich bekomme täglich solche Mails. Richtig ist, dass zwischen Dezember 2020 und 30. September 2021 im zeitlichen Abstand zur Impfung 1254 Menschen verstorben seien (Quelle: Paul-Ehrlich-Institut). Einen „ursächlichen Zusammenhang“ gebe es lediglich in 48 Fällen. „Zu diesem Zeitpunkt waren zudem 107.888.714 Dosen verabreicht – für Erst- und Zweitimpfungen“, schreibt Thorwarth. Das heißt: Knapp 54 Millionen Menschen waren bis Ende September geimpft. Millionen aber wurden gerettet. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in Deutschland 94.575 Menschen an oder mit Sars-CoV-2 gestorben. Was ist also tödlicher – das Virus oder die Impfung?
Ein klares Argument, das aber in dieser Debatte keine Rolle spielt. Damit erreicht man die „Zweifler“ und „Zweiflerinnen“ trotzdem nicht. Ich frage mich daher, warum wir uns überhaupt um sie bemühen sollen, wenn es denn doch erkennbar keinen Sinn hat. Man kann es natürlich auch halten wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) und einfach behaupten, dass es keine Spaltung gibt. Man kann es halten auch halten wie der neue SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, der in seinem ersten Interview mit der FR in dieser Funktion gesagt:
„Es gibt keine Spaltung des Landes, wenn auf der einen Seite viele Millionen Menschen solidarisch den Weg mitgehen, sich impfen lassen, sich boostern lassen und an jede Regel halten, und auf der anderen Seite sind ein paar Tausende, die Polizisten und Journalisten angreifen und den Staat zersetzen wollen. Diese Leute müssen die volle Härte unseres Rechtsstaats spüren, auch um den Millionen Vernünftigen den Rücken zu stärken.“
FR-Leitartikler Stephan Hebel findet Scholz‘ Statement bei „Bild-TV“, wie er in seinem Kommentar „Die Gräben werden tiefer„, schreibt, „seltsam autoritär. Gewiss zerfällt nicht ganz Deutschland in zwei gleich große Teile. Aber es gibt in der Gesellschaft tiefe Gräben, die nicht mit bloßen Meinungsverschiedenheiten zu erklären sind. Darüber darf nicht nur, darüber muss gesprochen werden.“ Die Frage drängt sich auf: mit denen auf der anderen Seite der Gräben – oder über sie? Wenn es keine Gesprächsgrundlage gibt?
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Info: Eine frühere Version dieses Artikels ist am 16. Dezember erschienen. Sie wurde nunmehr überarbeitet.
Im Besitz der reinen und richtigen Lehre
Die FR übersieht die grundsätzliche Bedeutung der Systemaussteiger wie „Querdenker“ und Verschwörungsidelogen für die Grunderneuerung unserer gesellschaftlichen Verfassung. Bloß darauf zu achten, die Ränder unserer Demokratie von „Bösen“ und Verfassungsfeinden sauber zu halten, das ist zu wenig, und wir treten damit auf der Stelle. Zur demokratischen Verfassung gehören alle, gerade auch die Minderheiten und Abweichler, wie sie denken, warum sie so denken, sie vielleicht auch nicht denken und nur Parolen anderer übernehmen. Wir dürfen nicht in dem Glauben stehenbleiben, im Besitz der reinen und richtigen Lehre zu sein, die wir gegen andere rechthaberisch durchzusetzen haben. Wir müssen das Gespräch suchen, immer. Demokratie ist keine Sonntagsschule der Gerechten. Wenn wir heute von Demokratie sprechen, sollten wir von „Welt-Demokratie“ sprechen – und nicht nur von uns und anderen wohlhabenden Staaten als Vorbild für den Rest der Welt, der allein schon zahlenmäßig die Mehrheit bildet. Im Grunde enthält die Demokratie-Idee die große gemeinsame Vision, die die Welt heute dringend braucht. Nur muss diese Idee heute neu gedacht werden und darf nicht in einer elitären Weise als Besitz erhaltender Anspruch von Wenigen auf Kosten der Vielen ideologisch verteidigt und zementiert werden. Welt-Demokratie als zu verteidigende, verbindliche Grundordnung umfasst den Umgang aller Menschen mit allen, mit all ihren Unterschieden, Gedanken und Möglichkeiten, einschließlich Umwelt und Natur.
Werner Schieferstein, Frankfurt
Der verzweifelnde Mensch wird abgestempelt
Wer quer denkt, denkt quer und kann deshalb nie und nimmer liniengetreu denken! Wer legt denn überhaupt fest, wo diese Linie hin zum „Querdenkertum“ gezogen werden kann, geschweige denn, wer vor, auf oder schon über dieser unsichtbaren Linie steht.
In dieser Corona-Pandemie, da gibt es Fragen über Fragen, die meisten davon können und werden erst gar nicht beantwortet; werden unzureichnet beantwortet oder nur mit einer Larifari-Floskel beantwortet, und trotzdem geben sich sehr viele Menschen damit zufrieden, um nicht erst in einen „Anfangsverdacht“ des Querdenkens zu geraten.
Was kann der (ver)zweifelnde Mensch nun wirklich tun, um nicht als Querdenker abgestempelt zu werden?
Riggi Schwarz, Büchenbach
Polarisierung hat noch nie geholfen
Für mich geht es nicht um entweder Homöopathie oder die sog. Schulmedizin, sondern leider um Fanatismus und Einseitigkeit auf beiden Seiten. Wieso ist nirgends von Kooperation zum Wohle der Menschen die Rede? Impfen und Naturmittel (z.B. Vit. C) zur Stabilisierung des Immunsystems, wie es andere Länder empfehlen?
Schade dass auch hier im Beitrag die Polarisierung nicht direkt angesprochen wird. Polarisierung hat noch nie irgendwo geholfen, abwägen und Fürsorge untereinander schon eher. Gegenseitiger Respekt und Zusammenwirken ist die überzeugendere Lösung in Krisenzeiten.
Hedi Friedrich, Frankfurt
Impfgegner mit einem Signal im Ohr
Wäre ich, Rentnerin, noch an meiner alten Arbeitsstelle, würde ich dafür sorgen (oder wollen, wenn können), dass in den halb-und stündlichen Nachrichtensendungen so wenig wie möglich das Wort „Corona“ vorkommt. Nicht, um das Virus zu verleugnen (bin jetzt 3mal geimpft), sondern um den Impfgegnern das Signal aus dem Ohr zu nehmen, gegen das sie Sturm laufen.
Wer jetzt noch nicht weiß, was mit dem „Virus“ gemeint ist, dem ist eh nicht mit Nachrichten beizukommen. Aber dass brave Nachrichtensprecher jede Meldung zum Thema mit Betonung auf „Corona“ versehen, geht vielleicht an die Hörbelastungsgrenze oder bei manchen auch an die Aggressivitätsschwelle.
Merve Hölter, Frankfurt
Behandlung nur für ernsthaft Erkrankte
Um es gleich vorweg zu sagen. Ich bin entschieden gegen eine generelle Impfpflicht, wie sie der bayerische Ministerpräsident, dem die Inzidenzzahlen derzeit offensichtlich über den Kopf wachsen, jetzt ins Gespräch gebracht hat. Ich bin allerdings auch dagegen, dass an Corona erkrankte Impfgegner und Coronaleugner gegen ihren Willen therapiert werden. Die Zwangssterilisierungen in der Nazizeit sollten uns allen eine Mahnung sein. Man kann sich kaum vorstellen, welche Ängste diese armen Menschen aushalten müssen, wenn sie intensivmedizinisch gegen eine Krankheit behandelt werden, die sie ihrer Meinung nach wegen ihres gesunden Immunsystems gar nicht haben können. Kein Wunder, dass sie sich die Schläuche herausreißen. Es gibt hier nur eine Lösung: An Corona Erkrankte, die sich aus medizinisch nicht indizierten Gründen nicht haben impfen lassen, sind verpflichtet, bei der Einlieferung eine Erklärung zu unterschreiben, dass sie jegliche medizinische Behandlung ablehnen, weil sie völlig überflüssig sei und eine Zwangstherapierung deshalb einer schweren Körperverletzung gleichkomme. Damit werden auf den Intensivstationen sofort Kapazitäten frei für Patienten, die wirklich ernsthaft erkrankt sind und dringend der intensivmedizinischen Versorgung bedürfen.
Hans Schinke, Offenbach
Auch abweichende Meinungen sollten gehört werden
Markus Decker sorgt sich zu recht über eine sich weiter spaltenden Gesellschaft in Corona-Zeiten. Auch entzögen sich Teile der Bevölkerung unserer Verfassung. Woher kommt diese „Distanz bzw. Gegnerschaft“ (Decker)? In den letzten 20 Jahren hat die materielle Spaltung in unserer spätkapitalistischen Gesellschaft zwischen Arm und Reich zugenommen, dies ist wissenschaftlich genauso belegt wie die Bildungsungerechtigkeit, die wie in keinem anderen OECD-Land die soziale Herkunft zementiert. Die Hartz-IV-Gesetze verschärfen diese Rahmenbedingungen bei Arbeitslosigkeit bzw. wirken als Drohkulisse für alle. Die vielen zerbrochenen Biografien nach der Wiedervereinigung im Osten Deutschlands, gepaart mit der Überheblichkeit vieler westdeutscher Landsleute gegenüber den Menschenin der ehemaligen DDR sind zudem bekannt. Welche emotionalen Auswirkungen dies alles auf unsere Gesellschaft hat, ist sozialpsychologisch erforscht und mehrfach veröffentlicht worden. Dass sich viele Menschen daher nicht von der Verfassung umarmt fühlen, mag nicht entschuldbar, aber vielleicht nachvollziehbar sein. Schnelle Lösungen für langjährige Versäumnisse sind hier leider nicht in Sicht und von der neuen Bundesregierung nur in homöopathischen Dosen zu erwarten.
Ähnlich komplex sind die Herausforderungen in der Corona – Pandemie und treffen auf die oben beschriebene Gesellschaft. Populismus (Söders u. a. „Pandemie der Ungeimpften“) oder autoritäre Lösungen (Ausgrenzung der Ungeimpften bzw. gesetzliche Impfpflicht mit gleichzeitigem Abbau von Grundrechten) werden langfristig nicht die Lösung sein, im Gegenteil. Die vielen Unwägbarkeiten und auch wissenschaftlich unsicheren Erkenntnisse zu Corona bzw. deren Bekämpfung müssten hingegen politisch ehrlich diskutiert werden. Herr Decker schlägt sich in seinem gut gemeinten Leitartikel leider auf die Seite der vermeintlich sicher Wissenden: Dass Joshua Kimmich sich nach seiner Corona – Erkrankung “…doch impfen lassen möchte, ist gut – gut für ihn und gut für unser Land“. Sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen, liegt immer nahe, möglicherweise medialem Druck nachzugeben auch. Ob das für die einzelne Person positiv ist, wäre bei jedem einzelnen zu erfragen; ob es für unser Land gut ist (für wen oder was genau?), wäre zu klären. Gut für unser Land ist unsere Verfassung! Den Geist dieser Verfassung immer wieder neu zu beleben, bedeutet immer wieder zivilcouragiertes Handeln und das Einüben demokratischer Haltungen. Dies beginnt beim wirklichen Zuhören meines Gegenüber und beim Interesse auch an von mir abweichenden Meinungen. Es gipfelt im Schutz von Minderheiten und in der Demut vor den Grund- und Menschenrechten.
Dirk Schneider, Helmenzen
„Spaltung“ ist ein Kampfbegriff der Rechten
Der Ausdruck „Spaltung der Gesellschaft“ ist im Zuge der Corona-Krise zu einem Kampfbegriff rechter Gruppierungen degeneriert und man sollte deswegen vorsichtig mit diesem Begriff umge-hen. Wenn diese Gruppen den Begriff Spaltung verwenden, bezwecken sie, uns vorzutäuschen, als ob die ganze Gesellschaft auseinanderreißt. Sie stilisieren sich als Retter in der Not und suggerieren damit, dass sie auf der Straße für einen großen Teil der Bevölkerung kämpfen würden. So wie ‚Pegida‘ einst „Wir sind das Volk“ behauptet hat, so nehmen diese Menschen heute wieder in An-spruch, Sprecher des Volkes zu sein. Sie sind aber nur eine Minderheit von vielleicht 10%-15% und der harte, gewalttätige und hasserfüllte Kern dürfte noch weit weniger umfassen. Das sind zwar immer noch viele, viel zu viele Menschen. Diesen stehen aber mindestens 90% der Bevölkerung gegenüber, mit denen vernünftig über die Corona-Krise diskutiert und Argumente ausgetauscht werden können.
Es gibt gute Gründe sich nicht auf die durchschaubare Strategie der rechten Hardliner einzulassen und stattdessen darauf zu bestehen, dass die Gesellschaft nicht gespalten ist, da es nur sehr weni-ge sind, wie das Olaf Scholz mit recht gesagt hat. Stephan Hebel, dessen Kommentare ich sonst sehr schätze, kritisiert ihn in diesem Fall zu Unrecht und lässt sich auf das Framing und die durch-schaubare Spaltungs-Strategie der Rechten ein. Lassen wir also die Kirche im Dorf. Wir haben (noch) keine US-amerikanischen Verhältnisse, die die Rechtsradikalen anstreben. Gleichwohl, es ist wichtig, dass die neue Innenministerin Faeser ihr Augenmerk auf die Radikalisierung und die rechtsextreme Unterwanderung dieser Gruppen mit demokratiefeindlicher Agenda konzentriert und insbesondere auch den Messenger-Plattform ‚Telegram‘ wirksam kontrollieren will.
Die Liste des Falschen, des Unerträglichen und Destruktiven, die jedem einzelnen Leben in unter-schiedlichen Ausprägungsformen entgegenstehen und ein gutes Leben erschweren oder gar ver-wehren, ist groß. Es bedrängen uns in Deutschland und die Menschen in der Welt ja nicht nur die Covid-19-Pandemie, sondern auch unzählige andere Probleme wie die Klimakatastrophe, Umwelt-zerstörungen, soziale und ökonomische Missstände, Zensur, Armut und Hunger, Fundamentalis-mus und Terror, Bürgerkriege mit der Folge von Migration, Flüchtlingen und Menschenrechtsver-letzungen. In solch einer Welt wäre es wichtig, sich gegenseitig zu vertrauen und entsprechend verantwortlich im Sinne der Gemeinschaft zu handeln.
Vieles von dem, was Dirk Schneider im Rückblick auf die letzten Jahre der gesellschaftlichen Schieflagen und Zumutungen aufzählt, ist meines Erachtens mit dafür verantwortlich für das, was sich jetzt an Zerwürfnissen und katastrophalen Meinungsbildungsprozessen auftut. Man kann sagen, dass Corona wie ein Katalysator wirkt und alles das, was sowieso vor sich hin rumort hat, jetzt Form und Gestalt annimmt. Ich tue mir noch etwas schwer mit der Bezeichnung „Spaltung der Gesellschaft“ und suche nach einem anderen Begriff. Aber gerade die Radikalisierungen und die klar sich aufzeigende Demokratiefeindlichkeit, die können wirklich Angst machen. Dabei spielt nicht so eine Rolle, dass die jetzigen Proteste und Ausschreitungen noch einer großen Mehrheit von vernünftigen Menschen in der Gesellschaft gegenüber stehen. Alles fängt kleiner an.
Gerade weil (politische) Lösungen so schwierig geworden sind, muss man der jetzigen Regierung insofern den Rücken stärken, dass sie ihre schwierigen Aufgaben gelöst bekommen bzw. sie jetzt alles tut, was verfassungsmäßig geht, diesen gesellschaftlichen Eskalationen auf den Straßen, bei den Anschlägen oder in den digitalen Netzwerken Herr wird. Bei aller Liebe zum Dialog der Gegensätze oder den vernünftigen Umgang mit Andersdenkenden, es gibt Grenzen des Machbaren und Ertragbaren.
Aber im Grunde sage ich nicht sehr viel anderes als oben Dirk Schneider und auch Henning Schramm.
Es ist ein hartes Brot!
Was sich da als harter Kern der Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen herausschält, ist geschichtlich betrachtet nichts anderes als der sich von Zeit zu Zeit immer wieder erneuernde Schub von wahnhaftem Irrationalismus, gepaart mit un-erschütterlicher Selbstgewissheit. Nur unter dieser Einordnung ist das Phänomen nicht nur einigermaßen erklärbar, sondern auch politisch und gesellschaftlich zu bewältigen. Kühler Kopf und unnachgiebige Beharrlichkeit werden gebraucht im Umgang mit solchen Ausbrüchen.
Es lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit: Die letzte Welle dieser Art kam mit dem Baader-Meinhof-Komplex. In den USA gab es die Kommunistenhatz der 50er Jahre – vielleicht Vorläufer dessen, was dort und von dort noch kommen kann. Ab 1933 ergab sich fast ein ganzes Volk rauschhaft Heilserwartungen, die in lediglich zwölf Jahren das Land und viele andere Länder in einen Trümmerhaufen verwandelten; noch Anfang Mai 1945 endete der Zweifel am Endsieg mit standrechtlicher Erschießung. In der frühen Neuzeit tobte die Inquisition und fielen wohl Hunderttausende dem Hexenwahn zum Opfer. Im Mittelalter zogen sich blutig schlagende Geißler verzückt durch die Städte. Schon vorher waren Tausende bereit, als Kreuzritter in katastrophalem Marsch ins Morgenland einzufallen, um dort in Glaubensinbrunst Blut zu vergießen – Stoff für spätere genauso wahnhafte Islamisten. Am Ende stehen immer rauchende Trümmer und endloses Leid.
Solche Wellen von Irrationalität dürfen keinesfalls verwechselt werden mit revolutionären Prozessen der Vergangenheit, die zu Aufklärung und unseren heutigen demokratisch verfassten Gesellschaften geführt haben – mit Gewaltenteilung und dem Primat der Wissenschaft. Leider aber leben wir noch immer nicht gesichert in einem „Zeitalter der Aufklärung“ nach dem großen Deutschen Immanuel Kant aus Königsberg. Dass es nur asymptotische Annäherung an die Wahrheit und keinen absoluten Wahrheitsanspruch geben kann, diese Erkenntnis überfordert offenbar immer noch einen gewissen Teil unserer Mitbürger*innen. Wir „Biedermänner“ soll-ten uns nicht von den Brandstiftern instrumentalisieren lassen.
Mittelfristig ändern ließe sich sicher einiges, wenn unsere Gesellschaft sich frei machen würde von den zerstörerischen Folgen der fortschreitenden sozialen Spaltung in unserem Land. Wachsende soziale Schieflage bereitet den Humus, auf dem Ra-dikalismus gedeiht.
Stephan Hebel weist in seinem Kommentar zu recht auf die Pranger- und Spalterfunktion von „Bild“ und „Bild am Sonntag“ hin. Deshalb ist es meines Erachtens schon zumindest fahrlässig, wenn der neue Bundeskanzler Olaf Scholz sich ausgerechnet dieses Medium aussucht, um davon zu sprechen, unsere Gesellschaft sei in Sachen Corona-Impfung nicht gespalten. Es ist ein Märchen, wenn Olaf Scholz in dieser Art und Weise argumentiert. Im Lande ist ja nun unbestreitbar zu beobachten, dass sich die Querdenkerszene und die Coronaleugnerinnen und -leugner immer mehr radikalisieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sollte daher Gehör finden, von dem gesamten Kabinett, wenn sie davor warnt, dass sich die bürgerlichen Demonstrationsteilnehmer viel zu wenig von jenen Radikalen abgrenzen, die auch nicht davor zurückschrecken, in sogenannten „Spaziergängen“ vor die Privatwohnungen von Politikerinnen und Politikern zu ziehen, um dort Beschimpfungen und Bedrohungen zu verbreiten. Und es ist auch richtig, dass es kein haltbarer Zustand sein kann, dass die Innenministerin den Bundeskanzler an Aufmerksamkeit für den Rechtextremismus übertrifft. Die gesamte Bundesregierung darf keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Rechtsextremisten, egal woher sie kommen, mit dem entschiedenen Handeln des Staates unter Nutzung des staatlichen Gewaltmonopols zu rechnen haben. Gerade der Bundeskanzler mit seiner Richtllinienkompetenz ist hier in der Pflicht.
In der Frage eines härteren Vorgehens gegen den Messenger-Dienst Telegram bin ich für ein kräftiges sowohl als auch. Zum einen muss sowohl dafür gesorgt werden, dass die bestehenden Gesetze konsequent angewandt werden als auch ein härteres Vorgehen gegen das sogenannte Soziale Netzwerk Telegram praktiziert werden. Es stimmt, Telegram ist eines der wichtigsten, rücksichtslosesten und dissozialsten Kommunikations-, Vernetzungs- und Propagandamittel von rechtsextremen Verschwörungsideologen in Deutschland. Wer hindert eigentlich die Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland daran, die Mordpläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer von der CDU zu konsequent zu verfolgen und schärfer gegen die Betreiber von Telegram vorzugehen? Es ist meiner Meinung nach notwendig, Telegram in der Bundesrepublik vollständig zu blockieren. In der Debatte um das dissoziale Netzwerk muss deutlicher hervorgehoben werden, dass trotz aller Lippenbekenntnisse die Exekutive in der Bundesrepublik nach wie vor nicht mit der notwendigen Schärfe und Konsequenz gegen rechte Netzwerke vorgeht. Telegram ist nichts anderes als der Hebel der Verschwörungserzähler, Corona-Leugner und Rechtsextremisten in der Bundesrepublik, um zu hetzen und schwerste Straftaten vorzubereiten. Wenn es also die neue Bundesregierung ernst meint mit einem konsequenteren Vorgehen gegen rechte Gewalt und Demagogie, dann muss sie sofort und ohne schuldhaftes Zögern gegen diese zu Gewalt aufrufernde Plattform vorgehen. Manfred Kirsch, Neuwied.
Hallo Herr Kirsch,
sie haben völlig Recht. Man kann nur hoffen, dass die Demokratie langsam mal auf die Füße kommt und diesen Rechtslastigen Unsinn abstellt. Worauf wartet die Politik denn eigentlich ? Wenn die in Dubai sitzen, abstellen kann man das ja wohl. und dann sollte man das tun.
@Ist unsere Gesellschaft wirklich gespalten?
Die Diskussion um Spaltung erscheint mir sehr verengt (und das nicht nur, weil Kanzler Scholz nur für existent erklärt, was er wahrnehmen will- bzw. was er kommentieren will!). Unsere Gesellschaft weist erhebliche Spaltungen auf, Herr Hebel wird nicht müde, dies insbesondere im sozialen Bereich aufzuzeigen – leider wird er nicht ausreichend gehört! Und die allerjüngsten Äußerungen unseres „Reserve-Vizekanzlers“ Lindner zeigen leider, dass das unter der Ampelkoalition weitergeführt wird: 30 Milliarden Steuereinsparung durch Corona-Verlustverrechnung für den sogenannten „Mittelstand“ (begrifflich m.E. immer ein Euphemismus)und durch volle Absetzbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge? Wem nützt das? Arbeitnehmer sollen künftig 100% statt 94 oder 96% absetzen können – das sind für Normalverdiener absolute Peanuts. Aber wer die (bisherigen) 24.000 Höchstbetrag (=2.000 Euro RV-Beitrag im Monat) tatsächlich aufbringen kann (oder mehr, wenn die FDP die Höchstbeträge, wie zu vermuten, steigert), der profitiert von der Steuerermäßigung. Die Versicherungswirtschaft wird also vermutlich erneut von der FDP bedient. Aber nein, das vertieft nicht die Spaltung der Gesellschaft… Ich bin gespannt, ob die Bildzeitung mal vorrechnet, wem das wieviel einbringt, was hier geplant wird.
Nach Glockenklang und Plätzchenduft sind bei unseren seuchenangst-behafteten Hirnen aber hoffentlich auch unwägbare Seelenängste überwunden. Für nachdenkliche Erdenbewohner hat sich in letzter Zeit wahrnehmbar so Vieles verändert. Die deutlich wahrnehmbaren Sorgen bei Gesprächen und stündlichen Nachrichten über sich vermehrendes Unheil auf diesem Planeten bezwecken hoffentlich bei starken Seelen die erforderliche Abwehr. Sicherlich besonders bei uns Festbejahenden kann einiges nicht unkritisch hinterfragt bleiben.
Als Vorkriegskind mit Freuden auf wiederholt verschenkten Kasperlpuppen und Hoppepferdchen meldet die heutige Spielzeug-Industrie 95 MMilliarden Umsatz, und weiterer Plastikmüll wird die Ozeanfische und -fischer ärgern.
Der allgewaltige Kreislauf der Information lässt sicherlich starke Charakter nur kurzzeitig zweifeln. Während vor zweitausend Jahren kein Platz in der Herberge vorhanden, schnürt ein großflächig regierender Diktator tausende Erdenbürger auf kaltem Boden ausharrende Geflüchtete hinter Stacheldraht. Während die Überängstlichen eine Vorsorge mit Impfstoff verweigern, könnte bald auch für diese kein Platz im Intensivbett der nächsten Covid-Station vorhanden sein. Stattdessen hoffen etliche Bürger auf ausgleichende Gerechtigkeit durch Volksvertreter, auf die Umsetzung der Versprechen im Koalitionsvertrag. Nach der Mitteilung, dass die nächstjährige Rentenerhöhung ausfällt, werden wahrscheinlich wieder gigantische Kredite in Rettungsfonds landen, die Kulturministerin das Füllhorn öffnet, während die Chauffeure in den Polit-Minister-Fahrzeugen auf Tariflohn pochen und sich reuige Wahlbürger noch über Gendersternchen selbst bei Behördenformularen aufregen und über Funklöcher, marode Bahnhöfe und Schulklassen klagen, sollten sie sich von Insidern erklären lassen: Geld ist in Fülle vorhanden! Wer nachts in Schlaflosigkeit leichtfertig sechs Paar Modeschuhe mit Rückgaberecht bestellt, hat die Amazonisierung nicht verstanden oder ist für sinnvollen Umgang des Lebensbedarfs nicht fähig. Meinem Uni-Mathematiker gegenüber zu behaupten, dass Geld nur schwarze Zahlen auf hellem Papier seien, ist lediglich für ihn und die Wall Street frevelhaft!
Ich lese: Die jüngere Schwester des islamischen Königs Abdulla II hat vom Richter des Vereinigten Königsreichs nach Trennungsschmerz von Muhammad bin Rashid 645 Millionen Euro zugesprochen erhalten. Während meiner Reporterarbeit empfand ich Gegensätzliches so tröstlich wie die kaum für möglich gehaltene aktive Hilfsbereitschaft und Spendenaufkommen zur größten Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Der mit seinem Bagger gegen die Gefahr des Talsperren-Einbruchs der Ahr sein Leben riskierende 65-jährige H. Billes erhält von unserem Komitee (KFSV e.V.) den Ehrenpreis für 2021, so wie andere Organisationen die Kapitänin Rackete und Greta Thunberg zu den Frauen des Jahres erklären sollten. Aber: Solange Gedanken und Gefühle über Gerechtigkeit geweckt werden und vieles danach aktiv umgesetzt wird, ist unsere abendländische Kultur nicht gänzlich gefährdet.
Das mit dem Querdenken ist ja so eine Sache. Vor dem Querdenkern gab es Vordenker*innen und Nachdenker*innen, was eine prinzipielle Eingebundenheit des Denken in der Zeit und somit einer unwiderruflichen Bewegung nach vorne bedeutet. Wer „quer-denkt“, geht demnach in die Breite, aber nicht nach vorne, er oder sie bleibt im Moment gefangen. Da aber beim „querdenken“ weder die Zeit an sich, noch gesellschaftliche Bewegungen stehen bleiben, sind es Andere, die mit ihren Gedanken für die Bewegung sorgen.
Wenn ich mich richtig erinnere, gab es in den Neunzigern den Ruf nach mehr Querdenkern und zwar in der Wirtschaft. Die vordenkenden Beweger aus der Wirtschaft hatten herausgefunden, dass sich Unternehmen anders organisieren müssen, um im veränderten Wettbewerb bestehen zu können. Man hatte u.a. erkannt, dass steile Hierarchien bei der Lösung eines komplexen Problems eher behindern. Wer als Querdenker in einem Unternehmen eingestellt wurde um Arbeitsprozesse zu verändern, war nicht Initiator dieser Entwicklung.
Ähnlich verhält es sich bei den bürgerlichen Mitläufer*innen in der „Querdenkerbewegung“. Für die Bewegung sorgen Andere die scheinbar simple Lösungen für komplexe Probleme haben, was ihrer rechtsradikalen oder rechtsextremistischen Persönlichkeit entspricht. Diese Menschen mit ihre autoritären Charakter haben garantiert nichts gegen steile Hierarchien und zwar überall, sollten sie sich durchsetzen. Das sollten die Menschen die Regenbogenfahnen auf diesen Demos und Spaziergänge mitlaufen vorher bedenken.
Freiheit ohne Verantwortung ist keine Erfindung der Impfgegner (und der unvorsichtigen Geimpften!), sondern das zentrale Merkmal des neoliberalen Kapitalismus. Keine Verantwortung gegenüber der Natur, den Lebensumständen der Menschen, dem Klima, den Ressourcen … Das Credo der Verantwortung – die Sozialbindung des Eigentums, das Klima Ziel der Begrenzung auf 1,5 Grad – ist nur das Deckelchen auf der Büchse der Pandora, in der die Rücksichtslosigkeit des profitorientierten Wachstums herrscht.
Was Wunder, dass es Menschen gibt, die ausrasten, wenn ihnen in diesem System eine vermeintlich letzte Freiheit bestritten wird. Es herrscht da eine Verbindung der Anspruchshaltung, die aus diesem Versprechen auf Freiheit erwächst, und dem Misstrauen gegenüber einer Politik, die das Versprechen der Freiheit nicht einlöst, sondern auch noch vor hat, mit der Impfpflicht die kleinen Freiheiten des Konsums weiter einzuschränken.
Ein Symptom unserer Wirtschaftsordnung eignet sich hier, um menschliche Sündenböcke auszumachen, anstatt die treibende Logik zu benennen. Ohne die Ablösung von Profitorientierung und Konkurrenz durch Gemeinwohl-Orientierung und Kooperation als richtungsgebende Struktur für unser Verhalten sind alle Ermahnungen Schall und Rauch, idealistisches Geplänkel.
Herr Kaspar, Sie möchten mich als Leser der Frankfurter Rundschau also wachrütteln. Das nehme ich persönlich, und so ist es ja wohl auch gemeint. Schlafe ich denn? Was verleitet Sie zu dieser Annahme? Und wer sollte Ihnen das Recht geben, mich wachzurütteln, wenn ich tatsächlich schliefe? Ich glaube, es sind die wenigsten Leserinnen und Leser der Frankfurter Rundschau, die Sie wachrütteln, und die sich von Ihnen wachrütteln lassen möchten. Und Diejenigen, welche Sie so gerne rütteln möchtern, lesen wahrscheinlich nicht die FR. Seit Beginn der Corona-Krise gibt es jede Menge Leute, die meinen, uns Bürgerinnen und Bürger wachrütteln, uns ständig Empfehlungen geben zu müssen, was wir besser tun oder lassen sollten. Häufig geht es Vielen von uns so, dass wir uns darüber informiert haben, was wir besser tun oder lassen, zum Beispiel, einen Mundschutz tragen, Abstand halten, uns impfen lassen, Menschenmassen meiden usw. Wenn uns etwas transparent gemacht wird, zeigen Einsicht. Trotzdem wird uns nicht vertraut und kurze Zeit später Selbiges empfohlen, nicht selten mit Nachdruck und pädagogischem Impetus. Aber zurück zu Ihnen und Ihrem Ansinnen: Es sind nicht Sie, der mich informiert oder Ihre Zeitung, ich bin es selbst, der sich informiert, indem ich zum Beispiel die Frankfurter Rundschau lese. Mein Einwand mag kleinlich klingen, aber in diesen Zeiten, in denen wir von allen Seiten mit Empfehlungen, nicht selten auch mit Ratschlägen oder Weisungen bombardiert werden, lege ich großen Wert darauf, mich auch mal selbst zu entscheiden, wie und worüber ich mich informiere. Um nicht missverstanden zu werden: Wir leben in einer Demokratie und selbstverständlich herrscht Meinungs- und Pressfreiheit. Dieses Hin und Her von Entscheidungen kann ich besser akzeptieren als diesen pädogischen Impetus und dieses selbstgefällige Wachrüttelgehabe, das allmählich nervt.
Ich könnte manchmal auch schreien über all das Unrecht, das in der Welt geschieht. Da geht es mir wie Ihnen. Zum Beispiel wenn ich an die vielen Geflüchteten denke, die im Mittelmeer ertrinken. Die Liste, worüber ich schreien könnte, würde sehr lang, deshalb spare ich sie mir hier. Ich versuche, mich zu engagieren, zum Beispiel bei Fridays for Future, obwohl ich schon zur älteren Generation gehöre. Wenn ich Glück habe, kann ich den einen oder anderen Affekt ob der vielen Misstände im privaten Umfeld los werden, indem wir gemeinsam Haltung und Meinung reflektieren oder über strittige Punkte debattieren, denn unsere Meinung als Bürgerinnen und Bürger wird zwar ständig eingefordert, seit neuerem auch mal wieder unsere Zivilcourage, aber zumeist sollen wir stumme Masse bilden, oder Gegenmasse gegen rechts draußen, so wirklich zuhören will uns als Individuen selten Jemand. Mir im Internet das Mütchen zu kühlen, liegt mir fern. Was ich noch nicht verstanden habe: Welche Unterstützung meinerseits, Sie sprechen Leserinnen und Leser ja direkt an, meinen Sie denn? Dass ich mich ab und zu in Leserbriefen kritisch äußere? Oder dass ich mich, wie Sie meinen, informieren und Sie damit in dem Glauben lasse, Sie rüttelten mich wach?
@ Joachim Reinhard,
sie haben meine uneingeschränkte Zustimmung. Ich würde noch ein wenig weiter gehen, diese Leute nehmen sich keine Freiheit heraus, sie begehen Raubbau an Natur und Umwelt, unterstützt von der gegenwärtigen Politik, die alle entstehenden Kosten schlicht ignorieren und dann noch stolz sind auf ihre Nullnummer. Es ist schlicht Dummheit.
Da sich die Gesellschaft in einer instabilen Lage befindet, werden die Vermutungen und Befürchtungen von Pia Lamberty mit großer Sicherheit auch eintreffen: Psychische Erkrankungen, Vereinsamung, Aggression, Kurzschlusshandlungen, Kontrollverluste und hinzugefügt: die Sehnsucht nach der starken Hand!
Es ist davon auszugehen, dass es eine Illusin bleibt, dass alle zusammenhalten. Das Unbehagen in der (postmodernen) Gesellschaft (siehe Alain Ehrenberg) wächst aus zu dem, wie wir es jetzt erleben. „Das erschöpfte Selbst“ (ebs.) ist schon länger existent. Über Fluch und Segen der rasanten Entwicklung des Internets keine weiteren Kommentare!
Der Rechtsradikalismus, Gewalt und der Aufstand des Pöbels werden so bald nicht verschwinden. Wir können heilfroh sein, dass wir in einer institutionell doch gefestigten Demokratie leben. Das bewahrt uns vor Schlimmerem (1933).
Politik hat in der Pandemie Fehler gemacht. Aber sie hat nicht versagt! Nur wenn ich ans Schulwesen denke, ist mir nicht wohl. Es wird auf die Bürger und Verantwortungsträger noch viel Arbeit zukommen, d.h., die Menschen, die verstanden haben, in dieser noch währenden Krise, klaren Kopf zu bewahren und dazu gelernt haben, die wirklichen Bedrohungen und kommenden Gefahren wahrzunehmen.
Schließlich noch eine Interview-Stelle, in der Lamberty richtigerweise sagt: „Diese Debatte um Polarisierung oder Spaltung kommt immer dann auf, wenn rechtspopulistische Bewegungen erstarken. Die Corona-Pandemie hat sicherlich Grenzlinien sichtbarer gemacht – aber die waren auch schon vorher da.“
Die sozialen Schieflagen und die neoliberalen Auswüchse sind schließlich schon lange Thema und schier unlösbar.
Millionen sind in Deutschland noch nicht geimpft. Wollen sich vielleicht auch gar nicht impfen lassen. Sie zwingen, als gefährdende Minderheit, der großen (geimpften) Mehrheit immer wiederkehrende Einschränkungen auf. Und fühlen sich auch noch als Freiheitskämpfer – nicht unwesentlich „befeuert“ durch libertäre Äußerungen aus den Reihen des gelben Ampellichtes. Merken die „Spaziergänger“ eigentlich nicht, dass sie Freiheitskämpfer sind, die die Freiheit für alle verhindern? Eine Impfpflicht ist da schon eher der solidarische Weg aus der Corona-Abhängigkeit, auch wenn sie, zeitlich limitiert, individuelle persönliche Freiheiten einschränkt. Sie ist der schnellste Weg zurück in die Normalität, die die „Spaziergänger“ ja fordern. Bis dahin – und dann nicht weiter – sollte die Pflicht verpflichtend sein. Aber wieder zögert die Politik und ein Kanzlerwort wackelt. Der Zeitplan des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens wird sich wohl hinziehen, lese ich in Magazinen und auch hier in der Rundschau. Wegen Karnevals kann das Parlament im Februar nur 1x tagen, lese ich dort auch. Unglaublich! Ist dieses Event nicht weitgehend abgesagt? Die Rund-Um-die-Uhr-Tätigen in Krankenhäusern und anderswo werden für diese „jecke“ Auszeit sicher Verständnis haben … Mag ja sein, dass Omikron-Infektionen nicht so schwer verlaufen. Mag sein. Aber eins ist klar – ohne den Piks wird es nicht gehen. Die Alternative ist die „schmutzige Impfung“ – wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Durchseuchung der Bevölkerung nennt. Wollen wir uns wirklich so in die befreiende Endemie retten?
Bei aller Beunruhigung über die rasante Verbreitung der Omikron-Variante scheinen sich die Lichtblicke zu verdichten. Viren passen sich nach dem Muster Mutation – Selektion – Evolution zu ihrem eigenen Nutzen an. Eigentlich will ein Virus seinen Wirt dauerhaft oder immer wieder nutzen. Bei den angestammten Wirten des Virus funktioniert das und es besteht Aussicht, dass der neue Wirt Mensch mehr in die Rolle der Heimstätte gerät und weniger zum Opfer wird. Bringt das Virus seinen Wirt um, so ist das ein biologischer Betriebsunfall. Bei dem Überangebot an menschlichen Wirten ist der Evolutionsdruck auf das Virus, also die Notwendigkeit, mit den Wirten schonend umzugehen, leider gering. Nur durch Impfen wird das Angebot an Gastgebern geringer und zwingt so das Virus, mit den verbliebenen Wirten sorgsaner umzugehen. Es wird die Zeit kommen, dass das weiter angepasste Virus uns als neue Wirte gerade so benutzt wie die unausrottbaren Schnupfen- oder Grippe- oder Herpes- oder Papilloamaviren. Dass es auch mal Verluste gibt, ist für die robuste Funktionalität der Natur nicht mehr als ein Ausrutscher.
Nach den Worten von Christian Drosten gestern haben wir ein Impfproblem insofern als es 3 Mio ungeimpfte Bürger gibt bzw, 9 Mio ungeimpfte wenn man die ohne Auffrischungsimpfung dazu zählt. Wenn wir die nicht hätten bestünde kein Überlastungsproblem für die Krankenhäuser und man könnte alles so. laufen lassen, es gäbe wohl Krankheitsfälle, aber nicht sehr viel im Krankenhaus zu behandelnde. So jedenfalls soll der Endzustand, wieder nach Herrn Drosten sein, er rechnet gegen Ende des Jahres 22 damit. Warum gibt man diesen 9 Mio umgeimpften nicht einen Impftermin in den nächsten 3 Monaten, der nicht ohne plausible Erklärung abgesagt werden kann ? In 3 Monaten könnten wir damit durch sein so dass Ende Mai endlich Ruhe herrscht und man in Ruhe die 4. Impfung vorbereiten kann – und das wars dann. Falls dann jemand meint, den Impftermin nicht wahrnehmen zu wollen, wird es teuer. Nach einem zu ermittelnden Schlüssel werden die entstehenden Kosten für die Volkswirtschaft ermittelt und in Rechnung gestellt. mit einem erneuten Termin usw. Diese Kosten entstehen ja tatsächlich durch das Nichtimpfen und es ist doch nicht einzusehen, dass alle geimpften Bürger diese Kosten tragen. Dieses Rumgehampel des Staates ist jedenfalls unerträglich.
zu @ Jürgen H.Winter
Das Problem ist doch das niemand weiß wer geimpft ist oder nicht. Man muss die Leute fragen wenn sie ins Krankenhaus kommen. Ob die Gesellschaft gespalten ist wird man sehen wenn im Bundestag Orientierungsdebatten zur Impfpflicht geführt werden und in Ländern wie GB oder Spanien die Pandemie als beendet erklärt wird. Es ist bis dahin nicht mehr lange hin.
@ Hans
Stimmt. Das Problem ließe sich aber lösen, wenn man es denn wollte. Heute Abend, ARD extra Markus Gürne als Moderator, wie immer kompetent und klar. Beitrag von Frau Teutenberg/FDP. Ist gegen eine Impfpflicht, ohne ein vernünftiges Argument zu haben. Ihre Argumente: Man kann es nicht kontrollieren, man muss Verständnis haben, es ist noch nicht genug erklärt worden usw. Das sind keine Argumente, das sind Ausflüchte. Es gibt ein Problem, die Seuche hat nicht genug Durchschlagskraft. Ich will das gar nicht beschreiben, aber es gibt genügend mittelalterliche Beschreibungen, wie es aussieht, wenn die Plage zuschlägt. Das haben wir glücklicherweise nicht, aber das Verhalten der Nicht Impflinge kann so nicht toleriert werden und schon gar nicht die Instrumentalisierung durch Rechtsfanatische Kreise. Es gilt, ein Mittel zu finden, dass die Impfverweigerer zwingt, sich als solcher zu outen und gegebenenfalls mit Strafe/Bussgeld belegt zu werden. Es gilt im Prinzip diese Leute vor sich selbst und vor allem ihre Angehörigen zu
schützen.Man bedenke, selbst ein Trump hat sich impfen lassen und spricht jetzt für die Impfung !
Übrigens, ob das in GB und andernorts gut geht ist noch nicht gesichert, es kommt darauf an, wie das Virus sich weiterentwickelt. Es muss beobachtet werden, welche Erkenntnisse in Israel und Südafrika gewonnen werden. Davon unbenommen bleibt jedoch, dass mit Impfung für alle Beteiligten. das Leben leichter und besser wird und es kann nicht angehen, dass einige wenige der großen Mehrheit das Leben vermasseln und extreme >Kosten verursachen ohne dass es dafür einen gescheiten Grund gibt. Weiterhin muss natürlich auch China im Blickfeld bleiben, die Politik des Abschotten gegen das Virus wird nicht funktionieren und dann noch mit Olympia ! Das wird noch interessant.
Es muss doch alles verhältnismäßig sein. Nur mit einer Geldstrafe von ein paar hundert Euro ist die Diskussion über eine Impfpflicht Zeitverschwendung weil die Impfgegner das überhaupt nicht wahr nehmen werden. Israel hat ja letztes Wochenende ähnlich wie Spanien die Kontaktbeschränkungen weitgehend aufgehoben und GB wird das wohl noch diesen Monat tun. Wir können also auch nicht mehr einfach alles nachmachen was andere uns zeigen. Italien und Frankreich haben ca 2 Wochen Rückstand zu GB. Das wird wirklich noch spannend. Meine Geduld mit den Impfgegnern ist inzwischen auch überschaubar. Wenn diese Leute halt einfach nicht wollen muss man das was in Israel geschieht halt doch nach machen.