Einreise in die USA: Ich sollte unbedingt eine Zieladresse angeben

Der Fall Aimée Schneider ist kein Einzelfall. Die 19-Jährige aus Hessen wollte ihre Verwandten in den USA besuchen, doch amerikanische Grenzbeamte glaubten es ihr nicht – und wiesen sie nach langem Verhör ab. Die Begründung ist skurril, und der Artikel von FR-Autor Oliver Teutsch ist lesenswert. Sicherheit wird groß geschrieben bei unseren Verbündeten jenseits des Großen Teichs. So groß, dass praktisch jeder verdächtig ist. Das ist, wie gesagt, nicht erst seit heute so, sondern das ist der Fall, seitdem der „Patriot-Act“ US-Gesetz wurde. Vor den Augen des Patriot-Acts ist jeder verdächtig, und diese Einstellung hat sich bei den Einreisebehörden inzwischen anscheinend verfestigt. God’s own country befindet sich in einem Zustand permanenter Belagerung durch alle möglichen Terroristen, so dass selbst eine junge Erwachsene, die ihre Cousine besuchen will, verdächtig wird, sich irgendetwas in den USA erschleichen zu wollen. Aimee Schneider wurde am Flughafen von Philadelphia auf die Rückreise geschickt, weil sich Aimee in einem Facebook-Chat, über den die Einreisebehörden verfügten, erboten hatte, auch mal die Kinder zu hüten, also: sich nützlich zu machen und sich dafür erkenntlich zu zeigen, dass sie vier Monate bei ihren Verwandten wohnen durfte. Aus Sicht der Behördern wurde daraus ein Au-pair-Job, und damit hatte Aimee Schneider kein gültiges Visum.

So kann es jedem gehen, auch Prominenten. Dem Schriftsteller Ilija Trojanow ist 2013 die Einreise in die USA verweigert worden — mutmaßlich, weil er sich gegen die Sicherheitsgesetzgebung der USA engagierte. Und auch mir, vermute ich, würde die Einreise nicht gestattet werden, weil ich in meinem aktuellen Roman Virenkrieg klare US-kritische Positionen vertrete und in diesem Zusammenhang auf meinem Blog ybersinn.de beispielsweise das Buch „Der schmutzige Krieg“ des US-Journalisten Jeremy Scahill, der wesentlich dazu beigetragen hat, den US-Drohnenkrieg öffentlich zu machen, freundlich rezensiert habe. Offenbar haben die US-Sicherheitsbehörden ein Problem mit Andersdenkenden und Kritikern. Dass sie aber einer 19-jährigen Abiturientin mit dem fadenscheinigen Vorwand, niemand mache vier Monate Ferien, die Einreise verweigern, ist einfach nur grotesk.

Das sehen auch die FR-Leserinnen und -Leser so. Manfred Stibaner aus Dreieich steuert eigene Erfahrung bei:

„Eine, wie Sie zitieren, „computergesteuerte Überwachung“ greift als Ursache der paranoiden Grenzkontrollen in den USA zu kurz. Dahinter steht eine Fremdenphobie in den Köpfen der US-Amerikaner oder jedenfalls ihrer Volksvertreter und Behörden.
Wir wurden vor Jahren am geschilderten Flughafen von Philadelphia ebenfalls lange aufgehalten und in die Zange genommen. Ich sollte unbedingt eine Zieladresse angeben – ein blödsinniges Verlangen, wenn jemand eine Rundreise durchs Land geplant hat. Die Adresse meiner Tante in einer Kleinstadt nahe Philadelphia wußte und weiß ich nicht auswendig; ich brauch sie einmal im Jahr, wenn ich ihr noch eine altmodische Weihnachtskarte schicke. Wozu muß ich die unbedeutende Gasse im Kopf haben, wenn draußen hinter der Kontrolle meine Cousine wartet, um uns abzuholen?
Also ließ man uns nicht durch. Ich mußte unsre Koffer (bereits durch die Kontrolle und quasi im Land) zurückordern, um mein Adreßverzeichnis befragen zu können, das ich auf Reisen meist dabei habe. Nachdem die Home Security Fritzen die ihnen mit Sicherheit unbekannte kleine Straße in einer Kleinstadt 30 Meilen vom Flughafen entfernt zur Kenntnis genommen hatten, durften wir einreisen. Ohne daß die Kameraden eine
Ahnung hatten, ob diese Adresse echt oder gefaket ist …..
Weiter nach San Fransisco – ich hätt‘ es ahnen müssen: obwohl es sich um einen Inlandsflug handelte, gab’s wieder diese Befragung nach dem wohin. Immerhin war ich geistesgegenwärtig genug, das Holiday Inn als nächste Übernachtung anzugeben. Auf die Frage „welches Holiday Inn“ erklärte ich frech „Downtown“ – die Hotelkette gibt’s dort wohl überall in der Stadtmitte. Und ohne jede Verifizierung konnten wir einreisen und
wochenlang im Land rumreisen.
Wenn also schon ein irritierter und unvorbereiteter Tourist das unterlaufen kann, dann ist diese Art Überwachung also nicht nur fremdenfeindlich sondern auch offenkundig sinnlos.
Es fing übrigens schon beim Abflug in Frankfurt bescheuert an: Bei der Kofferkontrolle fiel ein Messer auf, das ich auf Reisen meist dabei habe. Ich mußte den Freunden langatmig erklären daß ich diese gefährliche Waffe auf Reisen benutze, um mal ein Stück Wurst oder Käse abzuschneiden. Und das in einem Land mit mehr Schußwaffen als Einwohnern …“

Edith Noll aus Langgöns ist etwas Ähnliches schon vor 35 Jahren passiert:

„Schon 1970 erlebte ich Ähnliches! Ich wollte damals für ein Jahr als Au-pair in die USA. Die Ausstellung des Visums wurde mir auf einem Konsulat in Deutschland verweigert, da ich ein Vermögen von nur etwa 400 DM hatte. Der Konsul vermutete, dass ich in Deutschland einen GI kennengelernt hätte – und seinetwegen in die USA reisen wollte. Und er wies darauf hin, dass sie in den USA genügend Frauen und Mädchen hätten. Dank des damaligen heimischen Bundestagsabgeordneten bekam ich dann doch ein Visum für ein Jahr.
Am Flughafen in NYC wurde ich jedoch von der Einwanderungsbehörde festgenommen. Sie wollten mich sofort wieder zurück schicken; mir wurden alle Papiere abgenommen. Ich bin, zusammen mit drei anderen Frauen, in der Nähe des Flughafens in einem Hotel untergebracht worden, allerdings unter permanenter Bewachung. Zuvor war es mir möglich gemacht worden, meine Gastfamilie kurz sehen zu können. Sie wollten mich ja eigentlich am Flughafen abholen!
Nach zwei Tagen wurde ich zu einer Behörde nach New Jersey gefahren. Dort konnte mich meine Gastfamilie abholen, nachdem sie eine Kaution hinterlegt hatte. Sechs Monate später bin ich von der Einwanderungsbehörde nochmals überprüft worden. Es gab keinerlei Beanstandungen mehr! Ich habe damals ein erlebnisreiches und prägendes Jahr, mit sehr vielen positiven und bleibenden Erinnerungen in den USA verbracht. Nach 9/11 bin ich auch öfters wieder ohne Beanstandungen in die USA eingereist. Nur einmal wurde ich gefragt „Was wollen Sie schon wieder in den USA?“; nach meiner Antwort ‚Ich werde Grandma!‘ gab es sogar Glückwünsche!“

Gunter Baumann aus Frankfurt bringt einen anderen Aspekt in die Debatte ein:

„Was für eine Heuchelei, diese Artikel! Deutsche Bundesbehörden schicken Flüchtlinge, die in vielen Fällen keinen kommoden Flug im Airbus hatten sondern unser Land unter Lebensgefahr erreicht haben, zu Tausenden mit ähnlich fadenscheinigen Argumenten in ihre Heimat oder sog. „sichere“ Drittländer zurück. Wo bleibt die Erregung in diesen Fällen?“

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6 Kommentare zu “Einreise in die USA: Ich sollte unbedingt eine Zieladresse angeben

  1. Bei allem Erschrecken über die Erkenntnis, dass offenbar die E-Mails all derer kontrolliert werden, die vor ihrer USA-Reise die vorgeschriebene Esta-Registrierung vornehmen, habe auch ich wie Gunter Baumann ein negatives Beispiel aus Deutschland beizusteuern:
    Eine kolumbianische Freundin meines Sohnes, die uns vor etwa 6 Jahren für zwei Wochen in Deutschland besuchen wollte, bekam ihr Visum erst ausgestellt, nachdem ich der deutschen Botschaft in Bogotà einen Brief geschrieben hatte, in dem ich versicherte, dass sie mir seit Jahren bekannt sei und ich sie zu diesem Besuch eingeladen hatte. Ohne diese Bestätigung wäre ihr die Einreise verweigert worden.
    Wir Deutsche sind es gewöhnt, normalerweise überall in der Welt mit offenen Armen empfangen zu werden und keinen Einreisebeschränkungen zu unterliegen. Es gibt aber viele Länder, deren Bürger immer wieder, auch bei der Einreise nach Deutschland, ganz andere Erfahrungen machen.

  2. …auch wir haben mehrmals ähnliche Erfahrungen gemacht und längst beschlossen, nicht noch einmal den Versuch einer Reise in die USA zu machen. Und zu „Mauerzeiten“ hatte ich etliche vergleichbare „Kontrollen“ in Berlin. Ebenso fragwürdigere Erfahrungen haben allerdings afrikanische Freunde von uns gemacht, die ganz legal von uns eingeladen waren. Die unwürdige Behandlung begann bereits bei der entsprechenden deutschen Botschaft und setzte sich bis zur Ankunft am Flughafen in Frankfurt fort…. lange vor der sogenannten Flüchtlingswelle… Weiteren Einladungen wurde schon im Ansatz nicht mehr stattgegeben.
    Gunter Baumann und Brigitte Ernst: Ich stimme Ihnen zu. Dennoch finde ich es angebracht, dieses Beispiel der jungen Abiturientin aufzugreifen und nicht nur zu berichten, wenn etwa ein prominenter Schriftsteller wie Ilija Trojanow betroffen ist.

  3. Bisher gehörte ich zu den Glücklichen, die kein Problem mit USA-Einreisen hatten. Es ist mir aber ein Bedürfnis zu schreiben dass nicht alle Beamte der Einreisebehörde wie beschrieben sind. Folgendes Erlebnis bezeugt dies – seltsamerweise genau in Philadelphia passiert.

    Meine Kinder – zu dem Zeitpunkt 14 und 16 Jahre – und ich stehen in der Schlange zur Einreise. Der Officer am Schalter sah aus wie man sich einen amerikanischen Beamten vorstellt – gross, weiss, mit Riesenschnäutzer. Was dem Klischee aber nicht entsprach war sein nettes Lachen. Wir warten und beobachten. Eine indische Familie – offensichtlich stimmt etwas mit den Visa nicht, der Officer nimmt sich Zeit und bemüht erfolgreich das Problem zu lösen. Derweil beobachten wir eine Schweizerin aus dem französischen Teil des Landes – offensichtlich des englischen nicht mächtig – wie sie sich mit dem Einreiseformular rumschlägt, das man eigentlich schon im Flieger ausfüllen musste. „Unser“ Officer verlässt seinen Schalter und geht in der riesigen Halle auf Suche nach einem französischen Formular. Leider findet er keines, sieht dann aber in meiner Hand in der Schlange ebenfalls einen Schweizer Pass. Er bittet mich der Dame doch behilflich zu sein. Mittlerweile sind alle anderen Schalter leer und bereits geschlossen, nur „unser“ Officer arbeitet noch, wir sind die letzten in der Schlange. Als wir endlich dran sind das übliche Prozedere. Seine freundlichen Frage nach meinem Beruf beantworte ich mit desperate Houswife, was einen Heiterkeitsausbruch zur Folge hat. Freundlich fragt er die Kinder nach der Schule. Und ob wir auch von hier wieder ausreisen. Nein – von New York. Oh, er sei New Yorker – wir müssen unbedingt in dieses oder jenes Restaurant zum Essen! Als wir zum Gepäckband kommen sind unsere drei Koffer die letzten die noch die Runde drehen – aber dieser Mann ist uns wirklich unvergessen!

    Und daher ist es mir ein Anliegen dies zu schreiben – es gibt durchaus nette und hilfsbereite Menschen, auch an den Schaltern der US-Einwanderungsbehörde. Auch wenn sie wohl selten sind!

  4. Da ist zunächst der Aspekt des im Völkerrecht geltenden Prinzips der Gegenseitigkeit: Hier drängt sich die Frage auf, weswegen EU-Bürger für die Einreise in die USA ein Visum benötigen (nebst Beantwortung skurriler Fragebögen und der Übermittlung sensibler persönlicher Daten), wohingegen US-Bürger visafrei für 90 Tage in den Schengen-Raum einreisen dürfen.
    Daher läge es nahe, für US-Bürger ähnliche Einreiseformalitäten zu schaffen, wenn sie nach Europa kommen wollen. Man kann sicher sein, dass die schikanöse Behandlung des ersten US-Bürgers an der europäischen Außengrenze zu massiven Protesten in den USA führen würde – an deren Ende dann vielleicht sogar die Aufhebung dieser unsäglichen Regelungen auf beiden Seiten stehen könnte.
    Ein weiterer Aspekt ist die Annahme, dass wir uns gemeinsam mit den USA in einer Wertegemeinschaft befinden. Die wichtigsten dieser westlichen Werte sind – davon dürfte die Mehrheit der Deutschen nach wie vor überzeugt sein – die Beachtung der Menschenwürde und das Willkürverbot bei staatlichem Handeln (resultierend aus dem Rechtsstaatsprinzip). Weswegen diese Prinzipien für nach Europa einreisende US-Bürger gelten, für in die USA einreisende EU-Bürger hingegen nicht, bleibt schlechterdings rätselhaft.
    Im Übrigen sollte ein dritter Aspekt nicht unerwähnt bleiben – der der Selbstachtung eines jeden Einzelnen: Die Älteren unter uns werden sich erinnern, dass viele Bundesbürger während der Teilung Deutschlands nicht in die DDR gefahren sind, um ein Zeichen zu setzen, weil sie die Schikanen an der Grenze für unvereinbar mit der Menschenwürde und entsprechende Reisen daher für unzumutbar gehalten haben – und das, obwohl dort die „Brüder und Schwestern“ gewohnt haben. Weswegen heutzutage gleichwohl jährlich zwischen einer und zwei Millionen Deutsche in die USA reisen (so Ihr Bericht „Zahlen fehlen“ vom 3.8.), erscheint vor diesem Hintergrund völlig unerklärlich – es sei denn, dass wir zwischenzeitlich zu einer Gesellschaft von Gartenzwergen mutiert sind, die nichts dabei finden, ihre Würde bei amerikanischen Grenzbeamten abgeben.

  5. Wenn alles Gute von Amerika kommt, so kann es nur das Böse sein, das nach Amerika strebt.

  6. @ Haro Brecht #4
    Oh weh! Dass ich zur Spezies der würdelosen Gartenzwerge gehöre, war mir bisher entgangen! Shame on me, aber ich habe meine Besuche bei Freunden und Verwandten auf der anderen Seite des Teichs immer noch nicht eingestellt!

    Hier übrigens eine kleine Ergänzung zu meiner Anekdote in #1: Besagte junge Kolumbianerin, die nur mit meiner Bürgschaft ein Touristenvisum für Deutschland erhielt, bekam in den USA anstandslos eine Arbeitserlaubnis und lebte dort mehrere Jahre.

    Tja, die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß.

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