Es war klar, dass die Landtagswahl im Saarland im Vorfeld zur ersten Testwahl für den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz erklärt werden würde, und es war klar, dass im Nachhinein genau hingesehen würde, ob der Kandidat den Test bestanden hat. So hat der politisch-mediale Zirkus schon immer funktioniert. Natürlich schauen die Medien hin: Wie wirkt sich das neue Gesicht aus? Setzt sich der „Schulz-Hype“ fort?
Auf den ersten Blick will sich eine klare Antwort aufdrängen: Nein. Überraschend klar wurde im Saarland die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrer CDU zur Wahlsiegerin. Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis kam sie auf 40,7 Prozent, ein Plus von 5,5 Prozent. Die SPD erzielte 29,6 Prozent und verlor leicht, die Linke verlor gut drei Prozent und kam auf 12,9 Prozent, die AfD zog mit 6,2 Prozent erstmals in den Landtag ein. Grüne, Piraten und FPD scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei erfreulichen 69,7 Prozent; vor fünf Jahren hatte sie bei nur 61,6 Prozent gelegen. In absoluten Zahlen: 540.091 Wahlberechtigte gaben ihre Stimme ab im Vergleich zu 491.591 Wahlberechtigten im Jahr 2012; knapp 50.000 Menschen drängte es also zusätzlich an die Wahlurnen. Ein Teil dieses Zuwachses geht vermutlich auf das Konto der AfD, die erstmals im Saarland antrat. Sie bekam 32.935 Stimmen, doch die stammen nicht alle aus dem Bereich der früheren Nichtwähler. Die Wahlanalysten haben die Wählerwanderungen untersucht und geben an, dass die AfD je 4000 Stimmen von früheren WählerInnen von CDU und Linken bekamen und 3000 von solchen der SPD.
Die AfD ist neben der CDU Gewinnerin der Wahl. Verlierer hingegen gibt es viele — eigentlich alle anderen Parteien (mit Ausnahme der SPD), denn entweder scheiterten sie an der Fünf-Prozent-Hürde oder verloren merklich, so wie die Linke, die mit dem früheren saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine als Spitzenkandidat angetreten war. Doch Lafontaine scheint seine Strahlkraft verloren zu haben; sein Projekt „Rot-Rot im Saarland“ überzeugte die WählerInnen offenkundig nicht, auch wenn es knapp wurde: Zusammen erzielten SPD und Linke genauso viele Mandate im Landtag wie die CDU, nämlich 24. Aber es gab keine Wechselstimmung im Land. Die Menschen waren mit der Arbeit der bisherigen großen Koalition mehrheitlich zufrieden, und die Ministerpräsidentin genoss im Vergleich zu ihrer Herausfordererin Anke Rehlinger deutlich höhere Sympathiewerte. So bleibt über diese Wahl zu sagen: Es handelte sich eben um eine Landtagswahl. Daraus lassen sich kaum Erkenntnisse über die kommende Bundestagswahl gewinnen.
Aber vielleicht Erkenntnisse über den „Schulz-Effekt“? Denn auch wenn es keinen Regierungswechsel an der Saar geben wird und obwohl der Kandidat persönlich dort nicht zur Wahl stand, lässt sich sein Einfluss auf den Wahlausgang durchaus erfassen. Man muss sich nur ansehen, wo die SPD in den Vorwahlumfragen noch im Januar stand: bei 24 Prozent. Dass sie dennoch das Ergebnis von 2012 ungefähr halten konnte (minus ein Prozent, in absoluten Zahlen ein Plus von rund 10.600 Stimmen gegenüber 2012), kann nur mit Martin Schulz zusammenhängen; ein anderer plausibler Grund für den Sprung auf 29,6 Prozent binnen weniger Wochen ist weit und breit nicht in Sicht. Darüber hinaus hat Schulz anscheinend die Nichtwähler mobilisiert — allerdings nicht für die SPD. Denn von jenen knapp 50.000 Menschen gaben nur 13.000 der SPD ihre Stimme, aber 28.000 der CDU (und 8000 der AfD). Möglicherweise wollten diese WählerInnen Rot-Rot verhindern. Also ein negativer „Schulz-Effekt“.
Was bedeutet das für die Bundestagswahl?
Dies dürften auch schon die einzigen sinnvollen Aussagen über die Wirkung dieses Effekts auf die Saarwahl sein. Und was bedeutet das nun für die Bundestagswahl? Gar nichts. Es ist viel zu früh, zumal der Kandidat ja bisher nur ein paar Testballons mit programmatischen Ansagen gestartet hat. Noch immer rätselt das Land, was er eigentlich will. Es wird noch bis zum Juni warten müssen; da wird die SPD einen Programmparteitag abhalten. Die Ausgangssituation im Bund ist jedenfalls eine völlig andere. Im Saarland genoss die Ministerpräsidentin einen Amtsbonus, über den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin nicht mehr verfügt. Man könnte auch sagen: Der Lack ist ab. Bei den Sympathiewerten sind Merkel und Schulz ungefähr gleichauf. Auch die Parteien liegen auf Augenhöhe. Die kleinen Parteien — das war auch im Saarland zu besichtigen — leiden unter der Aufmerksamkeit für die großen. Das kann für beide, Merkel wie Schulz, zum Problem werden, denn eine absolute Mehrheit wird keiner von ihnen hinbekommen. Also brauchen sie Koalitionspartner. Koalitionsaussagen hat bisher noch niemand getroffen.
Erst hier, bei den Bundestagswahlen und auf dem Weg dahin, wird sich zeigen, wie der „Schulz-Effekt“ die Menschen mobilisiert. Lassen sie sich überzeugen? Ein Unterschied zwischen SPD und CDU/CSU liegt dabei auf der Hand: Die SPD ist in Hochstimmung und verzeichnet einen fünfstelligen Mitgliederzuwachs. Sie wird einen schwungvollen, engagierten Wahlkampf fahren. CDU/CSU hingegen haben ein Problem. Das Quasi-Zerwürfnis zwischen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wirkt nach, insbesondere in Bayern, wo viele CSU-Mitglieder nicht einsehen, dass sie sich mit vollem Schwung für eine Angela Merkel in den Wahlkampf werfen sollen, die von Seehofer bis vor kurzem noch bekämpft wurde, als sei sie der eigentliche politische Gegner. Doch wer weiß, vielleicht gelingt das Motivationswunder?
So lässt sich über den beginnenden Wahlkampf bisher nur eines sagen: Er verspricht, spannend zu werden. Für alles andere ist es, wie gesagt, noch zu früh.
Leserbriefe
Bertram Münzer aus Gütersloh:
„Bange machen gilt nicht. Eher das Resümee des Leitartikels: Die SPD muss für eine Machtoption kämpfen. Und die kann ja nun nicht GroKo heißen. Also Rot gegen Schwarz – im alten Sinne. Und bitte endlich weniger Sozi-Nostalgie und stattdessen: Klare Kante. Weiter so wie bisher – mit ein wenig Weichspüler -oder harte Schnitte bei denen, die bisher – oft auch maßlos – profitierten und mehr für den großen Rest? Warum zahlt jemand, der ohne Arbeit sein Vermögen mehrt, weniger Steuern, als der, der mit harter Arbeit seinen Beitrag für das Gemeinwohl leistet? Warum muss der, der seine Arbeit verliert und schnell den Schutz durch das Arbeitslosengeld, seine fortdauernde Arbeitslosigkeit mit seinen (falls vorhanden) Ersparnissen mitfinanzieren? Warum reicht die Rente nicht, auch wenn jemand jahrzehntelang eingezahlt hat? Wir haben uns daran gewöhnt, keine befriedigenden Antworten auf diese Fragen zu bekommen, geschweige denn Maßnahmen gesehen, die diesem Übel abhelfen. Mehr Gerechtigkeit, mehr Würde – Martin Schulz hat große Worte gewählt. Sie weisen in die richtige Richtung. Es ist jetzt an der Zeit, die kleinen Schritte zu benennen, die zum großen Ziel führen. Denn interne SPD-Euphorie reicht wohl doch nicht, um draußen Wahlen zu gewinnen. Da muss man schon klipp und klar wissen, was der Mann und seine Partei wollen. Und mit wem sie es machen wollen. Dann mag der „Effekt“ effektiv werden.“
Thomas Ewald-Wehner aus Nidderau:
„Es werden für die SPD weitere herbe Enttäuschungen zu erwarten sein. Die SPD heißt nicht „sozialdemoskopische“ Partei oder „demokratische“ Partei, sondern „sozialdemokratische“ Partei. Das ist ein programmatischer Name, der heute – mehr denn je – zukunftsweisend ist.
Sollte die SPD mit ihrem Wahlprogramm erst im Juni 2017 kommen, wird nach Abzug einer sechswöchigen Sommerferien-Pause werden nur noch sechs Wochen bleiben, um ein linkes Wahlprogramm wählerwirksam zu popularisieren. Das wird schon zeitlich nicht reichen.
Schulz und seine Truppe haben sich z.B. bei der „Wiedererhebung der Vermögensteuer“ festgelegt: Sie wollen sie nicht. Diese konservativen SPD’ler halten die „Vermögensteuer“ für einen sozialistischen Kampfbegriff und nicht für eine im Grundgesetz verankerte Steuer, die noch immer in einem vollgültigen Bundesgesetz geregelt ist. Lediglich die Vermögensart „Grundbesitz“ ist grundgesetzkonform zu gestalten. Hier empfehle ich schlicht die Übernahme der erbschaftsteuerlichen Regelungen für das Grundvermögen.
Ohne ein ambitioniertes SPD-Wahlprogramm mit einer machtpolitischen Option wird die SPD nichts reißen können. Die SPD ist aber noch so „besoffen“, dass ich hier eher pessimistisch gestimmt in die Zukunft blicke.“
Hartmut Kuntze aus Windesheim:
„Das Ergebnis der Landtagswahl im Saarland folgt demselben Schema, das auch schon bei den Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im vergangenen Jahr zu beobachten war. In allen drei Ländern stellte sich eine Ministerpräsidentin bzw. ein Ministerpräsident mit hohen Sympathiewerten in der Bevölkerung zur Wahl. Dagegen kamen weder die CDU in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg noch die SPD im Saarland an. Auch der jeweilige Bundestrend am Wahltag änderte daran nichts. Noch weniger der im Vorfeld immer genannte „Schulz-Effekt“. Wobei die Reflexion auf bestimmte Personen im Saarland noch ausgeprägter erscheint, wenn man an die früheren SPD-Wahlerfolge mit Lafontaine denkt. Und hier wollten die Saarländer eben ihr „Annegretchen“ behalten. Dazu mussten bei allen drei genannten Wahlen die Juniorpartner in den Koalitionen (SPD bzw. Grüne) trotz guter Werte für die jeweilige Landesregierung teils erheblich Federn lassen. Dies zeigt dann auch, dass es den Wählern vor allem auf die zu wählenden Personen und weitaus weniger auf die Parteiprogramme der Parteien. Auf jeden Fall erscheint mir angesichts der Motive für den überraschenden CDU-Erfolg jede Reflexion auf die Landtagswahlen im Mai und die Bundestagswahl verfrüht und unseriös. Vor allem die jetzt jubelnden Christdemokraten sollten bedenken, dass sich in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein SPD-Amtsinhaber zur Wahl stellen. Und die Bundeskanzlerin weist nicht so hohe positiven Werte wie ihre saarländische Parteifreundin auf. Die SPD sollte außerdem auch eins aus dem Wahlergebnis lernen: Ein angestrebtes Bündnis mit der Linken bringt zumindest im Westen Der Republik immer Minuspunkte ein.“
Kurt Skrdlant aus Framkfurt:
„Ich staune über all die klugen Interpretationen zum Ausgang der Saarland-Wahl: Rot-rot-grün gescheitert; die Wähler wollen kein Linksbündnis; der Schulz-Hype war nur eine Umfrage-Blase usw. usw.
Die Fakten sehen anders aus: SPD (29,6%) und Linke (12,9%) haben zusammen mehr Stimmen als die CDU (40,7%). Zählt man dazu noch die Stimmen der Grünen (4%) beträgt ihr Vorsprung vor der CDU fast 6%. Die Stimmen der Grünen zählen wegen der Fünf-Prozent-Klausel im Saarland nicht. Bei der Bundestagswahl werden die Grünen nicht an dieser Klausel scheitern.
Folgerung: Rot-rot-grün ist möglich! Eine zögerliche SPD, die sich nicht festlegen will – die vielleicht Frau Merkel wieder ins Amt verhilft – ist für viele nicht wählbar. Also: Klare Kante zeigen für Rot-rot-grün.
PS.: Viele Kritiker von Rot-rot-grün nennen die „mangelnde Politikfähigkeit“ der Linkspartei als entscheidendes Hindernis. War die mangelnde Politikfähigkeit von Seehofer und Dobrindt bisher ein Hindernis, mit der CSU eine Regierung zu bilden?“
Manfred Kirsch aus Neuwied:
„Keine Frage: Die CDU hat die saarländischen Landtagswahlen mit einem respektablen Ergebnis gewonnen. Doch das war in der Tat noch keine Vorentscheidung für die Bundestagswahl, sondern ist zum Großteil der speziellen Situation in diesem Bundesland geschuldet. Schon gar nicht kann der Urnengang als eine Absage an ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene gewertet werden. Für die Sozialdemokraten sollte das vor allen Dingen nochmals ein Hinweis sein, dass sich große Koalitionen für sie nicht auszahlen egal welche Erfolge sie in solchen Bündnissen erreichen werden. Es wäre geradezu besserwisserisch, der SPD in der jetzigen Situation Ratschläge zu geben. Doch die Erwartungen an Martin Schulz auf ein realistisches Maß zu reduzieren schützt vor Enttäuschungen. Der Kandidat wird gelegentlich schon mit geradezu übermenschlichen Erwartungen konfrontiert. Ein Lagerwahlkampf um die Macht, der polarisieren würde, scheint jedoch notwendig. Gewarnt werden muss auch davor, mit dem Dämpfer für die rechtsextreme AfD die Gefahr , die von den braunen Demokratiefeinden ausgeht, geringer zu schätzen. Jede Stimme für die Rechten ist eine zu viel und das politische Klima in der Republik hat sich schon so weit nach Rechts verschoben, dass dies etwa durch die rigide Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu einer Neuauflage der Abschottungsunkultur geführt hat.“
Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:
„Diejenigen „Promoter (en)“ für eine Rot/Rot/Grün Koalition im nächsten Bundestag ab Oktober 2017 sollten in sich gehen, die das Thema Rot/Rot/Grün gebetsmühlenhaft predigen. Mit MartinSchulz ist dies schon gar nicht zu machen. Da würde man diesen Mann unterschätzen. Die bundesdeutsche Bevölkerung wünscht keine Farben Rot/Rot/Grün im Bund. Es ist auch unsinnig die Farbe Rot für die LINKE wie zugleich die SPD zu wählen. Sozialdemokraten haben sich von kommunistischen Illusionen schon ur-lange getrennt. Daß die „Programmatik“ der LINKEN mit DDR-Nostalgie durchwebt ist, kann jeder begreifen, der lesen kann. Die LINKE steht weder in ihrer Gesamtheit auf dem Boden der Marktwirtschaft noch auf dem Boden realer Macht- und damit Sicherheitsverhältnisse in der Welt. ^Sarah Wagenknecht – so wie Gregor Gysi – sind intellektuelle Ausnahmeerscheinungen in der LINKEN. Auf ihre Weise leisten die beiden Politiker durchaus einen wertvollen Beitrag zur gegenwärtigen parlamentarischen Demokratie in Deutschland. So wie der Islam noch der Reformation bedarf, bedarf auch die LINKE noch der reflektiven Reformation.“
Josef Nesshold aus Frankfurt:
„Die SPD ist mit einem Schulz-Hype als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet, ein rot-rot-grünes Bündnis ist somit im Saarland gestrandet. Und die Moral von der Geschicht: Freund Martin, flieg bitte nicht so hoch, dort oben ist die Luft sehr dünn, das bekommt so manchem nicht!“
Robert Maxeiner aus Frankfurt:
„Die Menschen im Saarland haben zwecks Bildung einer Landesregierung gewählt. Martin Schulz stand nicht zur Wahl. Ich möchte nichts unterstellen, aber möglicherweise haben dies die Wählerinnen und Wähler im Saarland begriffen. Da wir Wähler ja nur ein Kreuz machen können, werden ständig irgendwelche Trends in uns hinein projiziert oder interpretiert. Ständig bekommen wir gesagt, warum wir was so und nicht anders gemacht haben. Auch wenn es für Nicht-Saarländer womöglich langweilig ist: Es geht um die Inhalte und die konkrete Politik im Saarland. Ich werde dauernd angerufen, weil Jemand vorgibt, etwas erforschen zu wollen. Entweder will man mir etwas verkaufen, oder ich soll einen Trend bestätigen (Meinungsforschungsinstitute). Tatsächlich interessiert meine Meinung Niemand. Ich darf mit ja, nein oder weiß nicht auf eine Frage antworten, die nur aus Konjunktiv (was wäre, wenn…) oder aus Fragen besteht, die ich nicht beantworten kann, weil sie in sich schon einen vorgefertigten Trend enthält, oder ich zwischen zwei Alternativen wählen soll, die ich Beide verabscheue. Ich erwarte mehr Respekt vor unserer Entscheidung als Wählerinnen und Wähler. Wer mehr wissen will, kann uns ja fragen, warum wir uns so oder anders entscheiden.“
Wie Robert Meixener richtig sagt. „Martin Schulz stand nicht zur Wahl.“ – Was also sollen die Spekulationen und ach so klugen Behauptungen über einen, der „als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“ sei (Josef Nesshold?
Um auf die positive Seite nicht nur der Saarwahl zu verweisen: Das Interesse an Wahlen nimmt zu, und es sind nicht die Rechtspopulisten, die davon in erster Linie profitieren. Und das ist ermutigend. Nachvollziehbar auch, wenn Menschen nach Brexit und Trump solide Politik honorieren (auch wenn dies hier der Konkurrenz nützte) und sich nicht mit Wut im Bauch besinnungslos zu Experimenten hinreißen lassen.
Die Frage also ist, wie diese Erkenntnis in eine erfolgversprechende Wahlkampfstrategie umzusetzen wäre.
Dumm wäre, sich von der Linkspartei und besonders von Frau Wagenknecht zu einer Festlegung auf Rot-Rot-Grün drängen zu lassen. Wo doch noch nicht einmal abzusehen ist, was das konkret bedeutet, während der Abschreckungseffekt unmittelbar greifen könnte. Die Rote-Socken-Kampagne lässt grüßen.
Ebenso verfehlt wäre, akribisch einen detaillierten Forderungskatalog aufzustellen, wobei das Versprechen auf dessen möglichst vollständige Erfüllung – ohne Kenntnis möglicher Entwicklungen – Bedingung für das Kreuz am Wahltag wäre.
Wenn die letzten Landtagswahlen etwas gelehrt haben , dann dies: Wie bedeutsam eine glaubwürdige Führungspersönlichkeit ist. Deren Erfolgsgeheimnis lautet: Authenzität. (Was sogar bei demagogischer Pervertierung gilt – siehe Trump.)
Interessant eine Phoenix-Dokumentation über Bemühungen von Medienschaffenden (so in Dänemark und Norwegen), gegen Vorwürfe der Meinungsmache, ja der Manipulation anzugehen. Als besonders erfolgreich erwiesen sich dabei nicht – wie oft gefordert – sachlich-informative Beiträge, sondern subjektive Reportagen, die als „authentisch“ empfunden wurden.
Nur scheinbar ein Widerspruch: Wer an anderen Menschen, den Medien oder Parteien zu zweifeln beginnt, sucht nicht nach umfassender Information, nach „Wahrheit“, sondern nach einfach formulierten Wertvorstellungen und Zielsetzungen, mit denen man sich identifizieren kann – eben „Authentizität“.
Unter dem Aspekt einer Gerechtigkeitsdebatte kann dabei z.B. die Forderung nach Begrenzung von Managergehältern bedeutsamer sein als etwa eine Anhebung des Mindestlohns – auch wenn sie vergeichsweise wenig einbringt. Sie entspricht aber einem fundamentalen Gerechtigkeitsbedürfnis.
Solche griffige Identifikationsmuster zu finden, die dann nicht Formeln bleiben, wenn sie an Menschenschicksalen aufgezeigt und auch persönlich repräsentiert werden – darauf scheint es mir für einen Kandidaten Schulz in den nächsten Monaten vor allem anzukommen.