Der frühere Limburger Bischof Frank-Peter Tebartz-van Elst hat der Diözese Limburg ein schwieriges Erbe hinterlassen, das die Gestalt einer Bischofsresidenz hat, die 31 Millionen Euro gekostet hat und nun leer steht. Kürzlich wurden Journalisten auch in die Privatgemächer vorgelassen. FR-Redakteur Peter Hanack war dabei und konnte einen eigenen Blick auf die wohl berühmteste Badewanne Deutschlands werfen. Dazu hat mir Peter Scheuermann aus Hofheim einen langen Leserbrief geschrieben, den ich im Print nur stark gekürzt veröffentlichen konnte. Doch solche langen Zuschrift, das hat in der FR schon Tradition, können dann ungekürzt hier im FR-Blog stehen – als Gastbeitrag. So machen wir es auch diesmal.
Tebartz-van Elst: Der letzte Kirchenfürst?
von Peter Scheuermann
Ihr Artikel erwähnt die Begründung für die Führungen durch das neue Bischofshaus: Nichts mehr soll verborgen bleiben, durch Öffentlichkeit soll ein Prozess der Entmystifizierung stattfinden. Gut und schön. Es wird sichtbar, für was 30 Millionen Euro alles verbraten werden kann. Zurückgeschreckt wird allerdings vor der Entzifferung all dieser Bauwerke und Einrichtungen, dem eigentlichen Mythos dieses Bischofspalastes, die dieser Bischof zu verantworten hat, einschließlich der übrigen Leitungen der Amtskirche dieser Diözese. Sie haben ihn gewähren lassen, abgenickt, die Lügen akzeptiert.
Die katholische Kirche liebt die Mythologie ihrer Bauwerke. Jede neue Dorfkirche aus den Sechziger und siebziger Jahren, jede Stadtteilkirche neuerer Art hat ihre Mythologie, das Schiff Gottes, die Stadt Gottes, das Zelt in der Wüste usw. Die Mythologie des Limburger Bauwerkes sind nicht nur die 30 Millionen, die ausgegeben wurden (so mystisch ist das ja nun auch nicht, und mytisch schon gar nicht) sondern das, was ausgesagt werden soll, was die Botschaft dieses Hauses ist. Davor drückt sich die jetzige Kirchenleitung, als wenn das nicht öffentlich werden soll. Es ist ein Bischofspalais, eine Bischofsburg, eine bischöfliche Residenz, wie sie in Europa bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gebaut wurden. Dahinter steckt das Bild des Kirchenfürsten, der gleichberechtigt neben den weltlichen Fürsten residierte, je nach finanziellen Möglichkeiten des Bischofs oder der Diözese mehr oder weniger aufwendig. Typisch für all diese Residenzen, auch den weltlichen, lassen sich in diesem Bauwerk wiederfinden.
Es ist eimmal die Abgeschlossenheit: undurchdringliche Mauern schirmen den Herrscher vor den Augen des gemeinen Volkes. Was in Klöstern der Frömmigkeit und der Einkehr dienen sollte, erhöht in einem Bischofspalast die Exclusivität des Bewohners. Der einzige Teil der jetzigen Anlage, der einmal öffentlich zugänglich war, ist der abschließende Garten, der der Exclusivität zugeschlagen wurde und für die Öffentlichkeit gesperrt wurde.
Im Bauwerk selbst gibt es die klassische Aufteilung solcher Residenzen in öffentliche Repräsentationsräume und Privaträume, letztere nicht einfacher oder weniger kostbar eingerichtet. Die Öffentlichen Räume dienen der öffentlichen Kommunikation mit dem Bischof, sprich dem Fürsten: Kabinettsaal, Auditorium, Besprechungszimmer, vielleicht ein oder zwei Büros für Ministeriale, das offizielle Arbeitszimmer des Bischofs, früher Audienzzimmer. Wie in all diesen Audienzzimmern steht der Thron, in diesem Fall der Schreibtisch, möglichst weit weg vom Eingang mit Licht von hinten, damit der Besucher im vollen Licht steht, das Gesicht des Empfangenden in halbdunklem Schatten. Möglichst weit weg vom Eingang, damit der Weg zum Bischof, Fürst, Chef möglichst lang und anspannend ist. Früher war so Platz für die mehreren zeremoniellen Verbeugungen auf dem Weg zum Thron.
Selbst einige der Privaträume sind Schauräume, um die Würde des Bewohners zu unterstreichen: Die Bibliothek ist eindeutig zum Staunen bestimmt, selbst die jetzigen Besucher und kritischen Reporter sind beeindruckt von den möglichen Lichtspielen. Das Bad (Bild: dpa) erinnert mich an die Prunkschlafzimmer in fürstlichen Barockresidenzen. Sie dienten vorwiegend nicht zum Schlafen, sondern auf ihnen liegend wurde empfangen und Staatsgeschäfte getätigt. Ein solches Bad braucht kein Mensch zur Reinigung etc. (mehr Tätigkeiten sind ja bei einem katholischen Bischof nicht angesagt), sondern nur ein Fürst zum – ja doch – Angeben. Im Weilburger Schloss kann man so ein Prunkbadezimmer bewundern. Mehrere Stufen führen hinauf zum Marmorbecken, umgeben von allerlei barockem Schmuckwerk.
Das Zentrum der Anlage: die Hauskapelle mit Direktzugang vom Arbeitszimmer. Auch dies Element jeder katholischen Residenz. Sie diente der Privatandacht oder dem Gottesdienst für die Hausgemeinschaft und Privatmessen der Bischöfe. Diese Privatmessen, die jeder Priester, nicht nur ein Bischof, für sich ganz alleine früher feierte, wurden vom Zweiten Vatikanum abgeschafft. Die Hausgemeinschaft sollte lediglich aus zwei oder drei Nonnen zur Versorgung des Bischofs bestehen. Der Sinn für diese Ausgabe ergibt sich nur aus dem Mythos des Bischofs als Fürsten.
Ich könnte weitermachen mit dieser Mythologie. Aber ich will das Gesagte in einen Gegensatz bringen zur heutigen Realität. Bischöfe (schon gar nicht aus der kleinen unscheinbaren Diözese Limburg) sollten keine Fürsten mehr sein wollen. Dem wiederspricht das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Aufforderung zu Kollegialität und zum dienenden Charakter dieses Amtes. Die gesamten Synodalordnungen einer Diözese, Gemeindevertretungen, Priestergremien und Laienmitspracherechte, die die Demokratisierung der Kirche ausmachen sollen, kann sich selbige sparen, wenn Geistliche wie Tebartz van Elst Bischof werden, die ein Selbstbild als Bischof haben, das diametral dem entgegensteht. Hut ab vor seinem Vorgänger, Franz Kamphausen, der konsequent die Demokratisierung der Kirche und damit auch ihrer Hierarchie (in Deutsch: Heilige Ordnung) in seinem Privatleben umgesetzt hat. Er ist nicht ins vorhandene Bischofshaus gezogen (in der Stadt gibt es nämlich eines), sondern hat die bischöfl. Wohnung an Familien vermieten lassen und ist ins Priesterseminar gezogen, weil da
noch Platz und Versorgungsmöglichkeit war.
Da scheint doch wieder (mit wenigen Ausnahmen) das Domkapitel und die anderen Mitentscheidungsebenen auf die Fürstlichkeit des Bischofs reingefallen zu sein.
Mich haben die Vorgänge um Tebartz-van Elst dazu gebracht, keiner kirchlichen Institution mehr zu vertrauen und das bißchen Geld, das ich für Spenden erübrigen kann, lieber direkt an Bedürftige zu verteilen.
Nicht so sehr die Verfehlungen des Tebartz-van Elst waren dabei releveant, sondern der allzu nachsichtige Umgang mit diesem. Ich habe alle katholischen Institutionen, die mich um Spenden angehen, angewiesen, mir zunächst einen Ausgleich für die verschwendeten 32 Millionen nachzuweisen. Bis dahin verteile ich mein Geld lieber selbst.
„Kirchenfürst“? In freier Assoziation nach der Methode Sigmund Freuds fällt mir da zuallererst „Fürst der Finsternis“ ein.
Fürst der Finsternis – Franz-Peter Tebartz-van Elst? Ist an seinem lächerlichen Habitus etwas Diabolisches? Kein guter Katholik würde bei aller Ungeheuerlichkeit gerade an diese Ungeheuerlichkeit nur denken wollen. Und das ist der Trick des Allmächtigen!
Früher, als Gott noch allgegenwärtiger war, hat er Satan damit beauftragt, die Loyalität besonders auffälliger Frömmler zu testen. Satan wandte äußerst unfeine Methoden an; man könnte sie mit christlichen vergleichen. Der Fall Hiob sei hier das herausragende Beispiel. Irgendwie fällt mir zu Gott der Vergleich mit amerikanischen Präsidenten ein; aber das führt zu weit weg vom eigentlichen Thema.
Könnte der Herr im Himmel den Franz-Peter nicht gesandt haben, um die katholischen Schäfchen zu prüfen? Wer da aufschreiet, der falle der ewigen Verdammnis anheim! Im Moment herrscht noch Ratlosigkeit. Warten wir auf das Jüngste Gericht!
Peter Scheuermann hat Tebartz-van Elsts Verhalten treffend beschrieben. Da die Überschrift als Frage formuliert ist, darf darüber nachgedacht werden, ob sein Auftreten in der Kirche ein Einzelfall ist.
Dass es anders geht, hat der Autor am Beispiel Franz Kamphaus’ gezeigt. Das Amtsverständnis des früheren Bischofs von Limburg ist der krasse Gegenentwurf zu jenem seines Nachfolgers.
Fürstliche Selbstdarstellung zeigt sich, wenn auch nicht derart ausgeprägt, fraglos ebenso bei anderen Bischöfen. Der Skandal um Tebartz-van Elsts Handeln offenbart sich jedoch vor dem Hintergrund der Wahl von Papst Franziskus als ein Extrem. Der Jesuit aus Argentinien wurde ohne eigenes Zutun „Fürst“, verachtet jedoch fürstliches Gehabe; der Bischof aus Limburg war kein Fürst, hat sich aber als solcher dargestellt.
Bei vielen seiner bischöflichen Kollegen in Deutschland ist dieses Denken durchaus auch aktuell noch vorhanden, wie es das Beispiel des gewesenen Erzbischofs von Köln, Meisner, zeigt, der Fragen zum Fall Limburg als unanständig abkanzelte.
Dass diese Art fürstlichen Denkens und Auftretens Tradition hat, kann man einer Predigt Kardinal Faulhabers zum Papstsonntag 1937 entnehmen:
„[…]Durch diese [Lateran-]Verträge wurde in Italien die Souveränität des Papstes anerkannt und ein Attentat gegen den Papst wie ein Majestätsverbrechen bestraft […]. Bei uns durfte bis in die letzte Zeit der Papst in Wort und Bild beschimpft und die Papstgeschichte nach Skandalen durchwühlt werden.[…]“.
Auch wenn sich Faulhabers Predigt auf den Bruch des Reichskonkordates und Kritik an Pius XI. durch die Nationalsozialisten bezieht, ist wohl kaum zu überlesen, dass sein Denken und das seiner Mitbischöfe darauf abzielten zu unterstreichen, einer fürstlichen Elite anzugehören, die außerhalb jeder Kritik steht.
Meisners Reaktion vom November 2013 auf die Frage der ARD-Korrespondentin zum Fall des Limburger Bischofs wurzelt in diesem elitären Selbstverständnis.
Franz-Peter Tebartz-van Elsts Denken und Agieren lassen atavistische Veränderungen seines Charakters vermuten. Überwunden geglaubte Handlungsmuster feudaler Zeiten scheinen bei ihm wieder aufzubrechen.
Wir sollten Bischof Tebartz-van Elst dankbar sein für die Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft. Er hat 30 Mio. Euro in Umlauf gebracht und dadurch Arbeitsplätze und Wohlstand kreiert. Dieser Bischof versteht vermutlich mehr von Wirtschaft als unsere Kanzlerin, die anscheinend noch auf dem Wissensstand des Reichkanzlers Brüning ist und die schwäbische Hausfrau für ein Vorbild in wirtschaftlichen Krisenzeiten hält. Wenn EZB-Bank-Chef Draghi mehr solche Mitstreiter hätte, könnte er ruhiger schlafen. Was hat dagegen sein Vorgänger gemacht für die Ankurbelung der Wirtschaft? Wohl nur das, was sich absolut nicht vermeiden lies.
Jetzt werden einige einwenden, das man das Geld auch besser hätte verwenden können. Aber dass die sonntägliche Predigt nicht ganz so ernst gemeint ist, ist durch doch fast 2000jährige wochentägliche Praxis ausreichend belegt.
@ 4
So habe ich das ja noch nie nicht gesehen, daß dieser Bischof ein begnadeter Satiriker war und deshalb den Indern einen unausgeruhten Spitzensatiriker nicht zumuten wollte, denn die haben ja auch alle sehr viel Geld bezahlt für diese erstklassige Performance eines solchen hochkarätigen Spitzensatirikers.
Asche auf unser Haupt…..
@ 4, Henning Flessner
Während ich halbherzig versucht habe, dem Fall Tebartz-van Elst unter dem theologischen Aspekt etwas Positives abzugewinnen, ist es Ihnen im Hinblick auf das Profane voll gelungen.