Man sollte Frauke Petry nicht unterschätzen, so wie einst Bernd Lucke es tat, der die AfD als europakritische Partei gegründet hatte und der von Petry auf dem Bundesparteitag 2015 ausgebootet wurde. Seitdem ist die sogenannte „Alternative für Deutschland“ nach rechts gerutscht, in ihrem Parteiprogramm finden sich offen rassistische Aussagen. Auf diesem Kurs möchte Petry die AfD nun offenkundig halten. Noch weiter nach rechts, wo Bernd Höcke, Alexander Gauland und noch ein paar andere warten, soll es nicht mehr gehen. Der Antisemitismus markiert quasi die Grenze: Keine Antisemiten in der AfD!
Vor diesem Hintergrund muss man das Stuttgarter Gezerre um den AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon verstehen, der wegen antisemitischer Äußerungen in seinen Büchern in die Kritik geriet. Unter anderem soll er den Holocaust als „gewisse Schandtaten“ verharmlost haben. Da hätte die AfD mal besser vor der Landtagswahl genauer hingeguckt, wen sie da als Kandidaten aufstellt: Unter dem Pseudonym W.G. Meister hatte Gedeon ein dreibändige Schrift namens „Christlich-europäische Leitkultur. Die Herausforderung Europas durch Säkularismus, Zionismus und Islam“ veröffentlicht, in der er den Juden die Schuld am Antisemitismus geben gebe, wie die Amadeu Antonio Stiftung herausgefunden hat. Dies ist tatsächlich eine klassisch antisemitische Argumentationsweise.
Zwei AfD-Fraktionen in einem Landtag?
Doch bei der AfD hatte man eben nicht genau hingesehen, und was dann mit Hilfe der „Lügenpresse“ ans Licht der Öffentlichkeit kam, hat nun zur Spaltung der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag geführt. Es müssen dramatische Tage gewesen sein. Ein AfD-Fraktionsvorsitzender Jörg Meuthen, der seiner Parteichefin Hausverbot im Landtag erteilen will, als sie anreist, um die Sache zu klären. Eine AfD-Fraktion, die den Ausschluss des Abgeordneten Gedeon mit Zweidrittelmehrheit beschließen soll, denn so will es eben jener Fraktionsvorsitzender Meuthen, und die ihm zwar mehrheitlich folgt, die Zweidrittelmehrheit aber nicht zustande bringt. Daraufhin Spaltung der AfD-Fraktion, 13 Abgeordnete folgen Meuthen und verlassen die Fraktion. Aber Achtung: Sie sind natürlich weiterhin AfD-Mitglieder, Meuthen sogar Bundessprecher. Aber sie gründen eine Parallel-Fraktion, die sie AFB nennen, wobei das B wohl für Baden-Württemberg steht. Woraufhin Petry erklärt, dass die Rest-AfD die wahre AfD sei. Und zu guter Letzt: Wolfgang Gedeon ging dann doch noch. Nach der Spaltung verließ er die Rest-AfD-Fraktion.
Zu guter Letzt? Von wegen. Der Hamburger AfD-Fraktionsvorsitzende Jörn Kruse erzählt der Öffentlichkeit ebenfalls via „Lügenpresse“ — wozu die doch alles gut ist –, wie es wirklich gewesen sein soll: Frauke Petry, die in der AfD zurzeit alles andere als unangefochten dasteht, soll Gedeon gestützt haben, um Meuthen in Bedrängnis zu bringen und sich selbst als Retterin in der Not zu präsentieren. Aber dabei hat Meuthen nur teilweise mitgespielt. Es hat ein Vier-Augen-Gespräch der beiden Parteispitzen gegeben, über das nichts Inhaltliches bekannt ist; doch Besserung im Verhältnis der beiden hat es anscheinend nicht gebracht. Diese Parteispitze ist offenbar intern komplett zerstritten. Einen neuen Bundesparteitag, auf dem eine neue Spitze gewählt werden könnte, soll es dennoch nicht geben. Schade, denn auf einem solchen Parteitag würden die Konflikte vermutlich offen ausbrechen, so dass die Öffentlichkeit die Kräfte in der AfD studieren könnte, die sich offenbar gnadenlos spinnefeind sind.
Anders als die „Etablierten“?
Damit ist die AfD übers Ziel hinausgeschossen. Sie war einmal angetreten, um alles anders zu machen als die etablierten Parteien. Die Abläufe und Intrigen, wie sie jetzt vor den Augen der Öffentlichkeit ausgebreitet wurden, zeigen, dass sie in Wirklichkeit schon jetzt, nur wenige Jahre nach ihrer Gründung, fast genau so ist wie die etablierten Parteien. Weil sie überwiegend aus Politik-Neulingen besteht, verfügt die Partei jedoch nicht über die Mittel, solche Konflikte zu ritualisieren. Also werden die Internas offen ausgetragen; anders geht es ja nicht. Nur selten gewinnt man sonst solche unverbauten Einsichten in die Politikabläufe. Dabei geht es natürlich immer um Posten und Personen, so wie weiland bei Späth vs. Kohl oder Merkel vs. Kohl, aber auch bei Lafontaine vs. Scharping. Es geht um Macht und Richtlinienkompetenz innerhalb der Partei. Der Begriff „Parteifreund“ ist häufig nur ein Synonym für „erbitterter Feind“.
Politik ist eben ein schmutziges Geschäft. Das war sie schon immer. Man kann es daher erfrischend finden, was da gerade bei der AfD vorgeht, weil es dabei so unverblümt zugeht. Ich für mein Teil ziehe das Modell der etablierten Parteien vor, die ihre Machtfragen mehr oder weniger intern regeln und mich nicht allzu sehr mit den Details und persönlichen Befindlichkeiten behelligen. Für die AfD bedeutet dieser Konflikt indes nichts Gutes. Wenn sie keinen Weg findet, ihre innerparteilichen Gräben auf andere Weise zu überbrücken, wird sie sich selbst zerlegen. Dann war’s das mit der „Alternative für Deutschland“. Dann ginge die Partei schlicht den Weg ihrer Vorgänger wie DVU, Republikaner oder Schill-Partei. Letztere hat sieben Jahre existiert.
Jürgen Malyssek aus Wiesbaden meint:
„Wäre die Rechtsentwicklung in Deutschland nicht so ernst, man würde gerne auf diese Schaubühne der Petrys, Meuthens, Gaulands & Co. verzichten. Diese aufgemotzten Machtmenschen verschaffen sich ein Forum, welches sie auch bekommen, das man ihnen eigentlich verwehren müsste. Wir haben es mit einer blamablen grottenschlechten Selbstinszenierung geltungssüchtiger bornierter Politfiguren zu tun, die eigentlich ihre Auftritte in einem Provinztheater verdient hätten. Und selbst da kann man in der Regel von Niveau sprechen. So bestimmen die AfDler seit geraumer Zeit mit ihren grauenhaften Politpossen tagtäglich unser Medienprogramm. Ob sich die AfD nun zerlegt oder nicht, denn so schreibt Stephan Hebel wohl treffend, „der Mist auf dem sie gewachsen ist, verschwindet nicht“.“
Jürgen Hempel aus Lüneburg
„Antisemitismus und rechtes Denken mit Nazi- Parolen ist in keiner demokratischen Partei zu dulden. Energisch hat die AfD das Gedankengut zu bekämpfen, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Denn: Verschiedene Journalisten und auch die Alt- Parteien werfen der neuen jungen Partei AfD genau diese Zielrichtung vor. Wer das Partei- Programm gelesen hat, denkt anders darüber.
Keine neue Partei ist von den Altparteien gewünscht. Schließlich besteht die Gefahr der Mehrheitsveränderung in den Parlamenten und Räten. Dass war schon bei den Grünen so und auch bei den Linken. Der Linken hingegen kommt besondere Bedeutung zu. Sie ist eine Fusion aus der ostdeutschen Partei PDS (Partei des demokratischen Sozialismus ) und der westdeutschen Partei WASG. Auch sollte nicht unverborgen bleiben, dass die PDS die Nachfolgepartei der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) der ehemaligen DDR ist. Weiter links kann es in einer Partei gar nicht gehen. Aber der Kommunismus ist tot und begraben. Und da sollte er auch bleiben.
So einfach, wie AfD-Landeschef Meuthen es sich für Baden-Würtemberg vorstellt, geht es auch nicht. Er und seine 22 Mitstreiter sind über die AfD-Landesliste zu den Landtagswahlen im Parlament eingezogen. Sie sind gewählt von AfD-Wählern. Eine Abspaltung wäre nur möglich, wenn sie neben dem Parteibuch auch das Mandat zurückgeben. Aber da scheinen Meuthen u.a. am Landtagssessel zu kleben.“
Verena Gräfin zu Wolffenstein aus Wuppertal:
„Zu dem Artikel und dem „aufrechten Demokraten“ Ronald Schill ist noch hinzuzufügen, dass letzterer während seiner Zeit als hamburgischer Amtsrichter auch wegen Rechtsbeugung verurteilt wurde, weil er schuldhaft ein Eilverfahren in die Länge zog, wobei mir völlig unverständlich ist, wie es der Mann schaffte, bei dieser Tatbestandsverwirklichung lediglich mit einer Geldstrafe davonzukommen. Nach seinem unrühmlichen Abgang von der hamburgischen Szene setzte er sich nach Südamerika ab. Das also war einer dieser scheinbaren Biedermänner, die den Wähler glauben machten, nur durch Leute ihres zweifelhaften Formats werde der „Wille des Bürgers“ auch umgesetzt. Es ist lobenswert – wie in Ihrem Bericht auch geschehen – immer wieder auf die „Qualitäten“ solcher Rattenfänger hinzuweisen, um ihnen vor den Augen der Öffentlichkeit die Maske der gespielten Wohlanständigkeit vom Gesicht zu reißen.“
Manfred Kirsch aus Neuwied:
„Es gibt für Demokraten keinen Anlass, sich angesichts des Krachs und des Intrigenspiels bei der AfD zurückzulehnen und abzuwarten, bis sich die braunen Demokratiefeinde, um die es sich zweifellos bei dieser sogenannten Partei handelt, selbst zerlegen. Zu tief sitzt der antidemokratische Geist bei sehr vielen Deutschen nach wie vor, als dass man Entwarnung geben könnte. Der Hass in dieser Gesellschaft auf alles, was irgendwie anders ist und nicht dem so genannten „gesunden deutschen Volksempfinden“ entspricht, ist nämlich stärker verbreitet als oftmals angenommen wird. Ja es ist so, der Mist, auf dem die AfD gewachsen ist, verschwindet nicht auf Grund der Tatsache, dass bei der AfD die Kloake aus Postenschacher und Intrigen sich jetzt der Öffentlichkeit präsentiert. Leider ist und bleibt die AfD und alle anderen Parteien im rechten Spektrum eine Gefahr für die demokratische Kultur und erfordern den Widerspruch der Zivilgesellschaft. Rechtem Denken und Handeln müsste schon im frühen Kindesalter entgegen gewirkt werden. Doch in punkto Demokratievermittlung muss in vielen hiesigen Haushalten noch immer Fehlanzeige gemeldet werden. Die Tatsache, dass bei dem AfD-Streit in Baden-Württemberg in erster Linie über das AfD-Postengerangel und nicht über die widerlichen antisemitischen und volksverhetzerischen Aussagen des Wolfgang Gedeon berichtet und die generell judenfeindliche Attitüde der AfD-Kumpanei problematisiert wird stellt einem Teil der Medien hierzulande auch nicht gerade ein gute Zeugnis aus.“
Vor allen Dingen sollte auch Meuthen nicht als der große Biedermann angesehen werden; er hat im Wahlkampf in Baden-Württemberg zwar nicht offiziell die Parolen von Petry, Gauland u.a. verbreitet, aber er hat sich auch nie eindeutig davon distanziert. Und nun will er sogar auf Petry zugehen, ebenso hat er in seiner neuen Fraktion einen Anhänger Gedeons.
Insofern sollte Verfassungsschutzpräsident Maaßen endlich die Blindheit auf seinem rechten Auge deutlich gemacht werden, wenn er alle, die links von der CDU sind, beobachten lassen will, die AfD aber nicht. Seine Aussage im NSA-Untersuchungsausschuss, Snowden sei ein russischer Spion, die er nicht beweisen konnte, belegt seine Einstellung, während im NSU-Untersuchungsausschuss das Versagen seiner Behörde täglich offenkundiger wird.
Wenn sogar Strobl die Beobachtung der AfD fordert, sagt dies alles.
@Manfred Kirsch
„Zu tief sitzt der antidemokratische Geist bei sehr vielen Deutschen nach wie vor, als dass man Entwarnung geben könnte. “
Immer wieder provoziert mich dieses Scheinargument zu deutlichem Widerspruch.
Immer dann, wenn die Gesellschaft ein Problem, das von Unrechts oder Unlinks kommt, gelöst zu haben scheint, wird von „LinksRechts“ angeführt, daß das Problem ja viel tiefer, allgemeiner und sowieso unentdeckbar ist (Ausser natürlich von den LinksRechten).
Das erinnert sehr an S.Freud, der auch immer neue Tiefen erfunden hat, um das Problem zu behalten, das er zu lösen vorgab…
Mir hat der Satz, „Die Psychoanalyse ist die Krankheit, die sie vorgibt, zu heilen.“ immer sehr gefallen.
Ich habe ja hier schon umfangreich diesbezüglich argumentiert, nun mal ganz einfach gesagt:
Wenn der aufgeklärte Bürger es dem „Linken“ niemals recht machen kann, dann wird er es dem „Unrechten“ bequem machen.
Es hat sehr stark und immer stärker den Anschein, daß die „Linken“ ihre „Rechten“ sehr pflegen…et vice versa.
Man möchte halt gerne das Problem behalten, durch das man sich lebendig fühlt. Auch wenn es Tote kostet.
Im übrigen, Herr Kirsch, verwahre ich mich gegen solche rechtslastigen Vermutungen, die Sie äussern, wegen meiner auch linkslastigen, das unterscheidet sich heutzutage kaum noch.
In mir und keinem anderen Bürger Deutschlands liegt etwas verborgen, von dem sie besser wüßten, als der Bürger selbst.