Postfach: Eher Sensationslust als ernsthaftes Interesse

Willkommen zum Postfach
vom 26. April 2017

Wieder sind Leserbriefe liegen geblieben, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Also ab mit ihnen ins „Postfach“ hier im FR-Blog. (Mehr über die Hintergründe –> HIER.) Zuerst wie immer ein kleiner Überblick.

  • „Dass Leute in den sozialen Medien begeistert über Neuigkeiten wie die Gravitationswellen lesen, ist m.E. eher Sensationslust als ernsthaftes Interesse an Physik“, meint Igor Fodor aus München als Reaktion auf unser Interview mit dem Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft – auch interessant im Zusammenhang mit dem „March for Science“.
  • Klaus Philipp Mertens hat Kritik an der Tatsache, dass die TV-Moderatorin Dunja Hayali der „Jungen Freiheit“ ein Interview gegeben hat: „Das Spektrum der ‚JF‘-Säulenheiligen ist zwar umfangreich, aber durchgehend braun eingefärbt.“
  • Manfred Kirsch findet es „nicht hinnehmbar, wenn der Holocaust-Relativierer und AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg als Alterspräsident den neuen Bundestag eröffnen würde“.
  • Sigurd Schmidt horcht auf, weil „eine Marburger Burschenschaft sich immer mehr zur Kaderschmiede für AfD und Neue Rechte entwickele“.
  • Robert Maxeiner fand die FR-Titelseite vom 21. März „originell und witzig“: „Hier werden Fakten frisiert“, lautete die Schlagzeile. Es geht um Donald Trump. „Er hat wenig gelernt im Leben“, glaubt Herr Maxeiner.
  • „Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?“, fragt sich hingegen Jochen Ickert aus Frankfurt, bezogen auf den RMV: Der „Tarif-Wirrwarr hat entscheidenden Einfluss auf das negative Image des RMV.“

Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!

Ihr Bronski

fr-balkenEher Sensationslust als ernsthaftes Interesse

Interview mit Martin Stratmann u.a. zu sozialen Medien: „Es ist schwer, Gehör zu finden“ , FR vom 30. März

„Dass Leute in den sozialen Medien begeistert über Neuigkeiten wie die Gravitationswellen lesen, wie Herr Stratmann als Beispiel erwähnte, ist m.E. eher Sensationslust als ernsthaftes Interesse in Physik. Sie wissen bestimmt nicht, dass sie gar nicht in Deutschland oder Europa entdeckt wurden, sondern in den USA. Sie wurden mit dem LIGO-Detektor in den USA gefunden. Kip Thorne, Ronald Drever und Rainer Weiss haben das LIGO-Experiment 1992 entworfen, der Bau fing 1994 an. Das LIGO hat den amerikanischen Steuerzahler etwa $1,1 Mrd. gekostet. Das ist so viel wie die National Science Foundation für das Projekt ausgegeben hat, laut der britischen Tageszeitung „Times“. Solche Experimente brauchen sehr lange Zeitspannen, um sie vorzubereiten und durchzuführen und kosten viel Geld, wie man sehen kann. Herr Stratmann erwähnte nicht, dass es ein EGO – European Gravitation Observatory bei Pisa in Italien gibt, mit VIRGO, einem 3km langen Interferometer, ähnlich wie LIGO in den USA. Dort wurden aber bis jetzt keine Gravitationswellen gefunden.
Es werden aber nicht nur Gravitationswellen untersucht. Es wird auch ein Radioteleskopverbund SKA – Square Kilometer Array, geplant. Deutschland ist aus diesem Projekt ausgestiegen. Dafür wird aber auch Tscherenkow-Teleskop-Array geplant, wo Deutschland dabei ist.
In der Industrie läuft viel mehr kurzfristigere und praxis-orientierte Forschung. Die Entdeckung des gigantischen Magnetwiderstands (Physik-Nobelpreis 2007) wurde z.B. für Entwicklung von Computer-Festplatten im IBMs Almaden Forschungslabor in San Jose, USA verwendet. Aber die Zeiten haben sich geändert: Mit den Festplatten in jedem PC hat diese Tatsache sich mittlerweile überholt, da wir kostengünstige Halbleiterspeicher haben. Wie vor 50 Jahren IBM die Festplatten entwickelte, so entwickelt die Firma heutzutage nichtflüchtige Speicher, sog. PCM – Phase Change Memory. IBM entwickelt auch neuartige Bauelemente, Memristoren, in ihrem Züricher Labor, mit der Hilfe von Prof. Jennifer Rupp von der Eidgenössischen Tech. Hochschule.
Intel investierte $45 Mio. zusammen mit der TU Delft in die Entwicklung von Quantencomputer. Microsofts Station-Q ist unter der Leitung des Mathematikers Michael Freedman (er bekam 1986 die Fields-Medaille). Microsoft forscht an einem speziellen Typ, an dem topologischen Quantencomputer, nach der Idee des Physikers Alexej Kitajew (Professor am Caltech), der 2012 den Fundamental Physics Prize gewonnen hat.
Microsoft arbeitet auch zusammen mit der TU Delft und zwei Spezialisten werden bei Microsoft forschen, Charles Marcus aus Kopenhagen und Leo Koewenhoven aus Delft. Mittlerweile gibt es keine deutschen noch europäischen Firmen, die fundamentale Forschung betreiben würden.
Herr Stratmann erwähnt gar nicht, dass ein neuer Quantenzustand der Materie in Heusler-Legierungen entdeckt wurde. Die Forscher von der Uni Mainz machen den Weg frei für Spintronik, Quantencomputer und völlig neue physikalische Effekte. Die TU Delft wird mit der Uni. Kopenhagen einen Quantencomputer erforschen und entwickeln.“

Igor Fodor, München

fr-balkenBraun eingefärbtes Spektrum an Säulenheiligen

Zu: „Hayali verteidigt ihr ‚Junge Freiheit‘-Interview“ , FR.de vom 24.3.

Die Journalistin Dunja Hayali rechtfertigt das Interview, das sie der Zeitung „Junge Freiheit“ gab, so: „Wer für den Dialog plädiert, muss eben auch an Grenzen gehen.“ Da frage ich mich, ob diese Grenzgespräche nicht völlig inakzeptable Grenzüberschreitungen darstellen.
Das Spektrum der „JF“-Säulenheiligen ist zwar umfangreich, aber durchgehend braun eingefärbt. Da wäre beispielsweise der Staatsrechtler Carl Schmitt zu nennen, der als einer der geistigen Vorbereiter des NS-Staats und als dessen Kronanwalt gilt. In seinen Schriften stößt man auf Schlagworte wie „nationale Identität“ und „kulturelle Hegemonie“ oder auf diverse Plädoyers für den Ständestaat.
Wäre Frau Hayali mit der Kunst der investigativen Recherche vertraut, hätte sie ebenfalls auf einen „JF“-Slogan aus dem Jahr 1993 stoßen können: „Jedes Abo eine konservative Revolution“.
Dieses Schlagwort unterstreicht die geistige Verwandtschaft der Zeitung mit jener Bewegung, die in den 20er Jahren die neue Demokratie zu Fall bringen wollte und schließlich damit auch Erfolg hatte. Neben dem erwähnten Carl Schmitt gehörten der „Konservativen Revolution“ u.a. der Kultur- und Staatstheoretiker Arthur Moeller van den Bruck (sein Hauptwerk trug den Titel „Das dritte Reich“), der Schriftsteller Ernst Jünger („In Stahlgewittern“) oder der Kulturphilosoph Oswald Spengler („Der Untergang des Abendlands“) an. Ab den 60er Jahren wurde diese Gruppe von dem Schweizer Publizisten Armin Mohler wieder salonfähig zu machen versucht. Mohler, der auch das Programm der rechten „Republikaner“ mit entworfen und sich gegen ein Verbot der Holocaust-Leugnung ausgesprochen hatte, war auch regelmäßig mit Beiträgen in der „JF“ vertreten.
In der „JF“ wird entsprechend den erwähnten Vorbildern die Nation nach völkisch-rassistischen Kriterien definiert. Sie fordert einen „starken Staat“, diesen aber als Instrument der Herrschenden und Besitzenden. Dem gegenüber entwirft sie Bilder vom inneren Feind, der als Unangepasster, vor allem als Fremder, in Erscheinung tritt und als Sündenbock für alles herhalten muss. In diesem Zusammenhang sieht sie in der angeblichen Überfremdung ein Indiz für das Aussterben des deutschen Volks.
Proklamiert wird das auch in der so genannten „JF-Sommeruniversität“, wo man sich als rechtsintellektueller Vordenker ausgibt und die Deutungshoheit für sich beansprucht. Unverhohlen wird zugegeben: „Nach dem Vorbild des Politischen Kollegs der zwanziger Jahre bieten Repräsentanten verschiedener konservativer Richtungen Material für künftige Führungskräfte in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.“
Folglich findet das Blatt seine Leser vorrangig in der AfD, bei „Identitären“ und „Querfront“. Kaum eine Neonazi-Aktion kommt ohne den „JF“-Aufkleber aus: „Achtung. Sie verlassen jetzt den politisch korrekten Sektor“. Dunja Hayali scheint diesen Sektor verlassen zu haben; ob aus Unkenntnis oder aus Überzeugung, ist dabei unerheblich.“

Klaus Philipp Mertens, Frankfurt

fr-balkenVon Gottberg ist als Alterspräsident nicht hinnehmbar

Zu: „Demokratie geht ohne Tricks“ , FR.de vom 24.3.

„In der Tat ist es unerträglich und nicht hinnehmbar, wenn der Holocaust-Relativierer und AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg als möglicher Alterspräsident den neuen Bundestag im Herbst eröffnen würde. Und um dieses Ziel zu erreichen, sollten alle legalen Möglichkeiten genutzt werden, also auch eine Änderung der Geschäftsordnung durch den Ältestenrat. Doch es gäbe noch eine andere Möglichkeit, die vielleicht noch deutlicher den demokratischen Willen der meisten Volksvertreterinnen und Vertreter ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen würde. Erinnern wir uns, als der Schriftsteller und Demokrat Stefan Heym seinerzeit als Alterspräsident den Bundestag eröffnen sollte, verließen die Unionsvertreter den Bundestag. Wie wäre es, wenn alle demokratischen Parteien angesichts der zu erwartenden bräunlich gefärbten Rede von Gottbergs den Plenarsaal verlassen würden, um deutlich zu machen, dass 72 Jahre nach der Befreiung von der Nazi-Tyrannei Demokraten das braune Gesülze, welches zu erwarten wäre, nicht mehr hören wollen? Doch die Wehrhaftigkeit dieser Demokratie muss sich auch durch entsprechende Verhaltensweisen mit symbolischem Charakter manifestieren. Eine Eröffnungsrede des AfD-Politikers Wilhelm von Gottberg wäre jedenfalls eine Schande und sollte wie auch immer verhindert oder durch Auszug geächtet werden.“

Manfred Kirsch, Neuwied

fr-balkenKaderschmiede für AfD und neue Rechte?

Burschenschafter: „Petrys Mitstreiter von der Germania“ , FR.de vom 31. März

„Aufgrund der unrühmlichen Rolle, die deutsche Burschenschaften in den Zusammenhängen des ersten und zweiten Weltkrieges gespielt haben, können diese studentischen Vereine heute keine öffentliche Wirksamkeit mehr für sich beanspruchen. Zu vermuten ist, daß die früher so dominanten „schlagenden Korporationen“ inzwischen weitgehend durch die nicht schlagenden Korporationen abgelöst worden sind. Vielleicht hält sich an einigen traditionellen Universitätsstädten immer noch ein fester Kern der Burschenschaft? Aber dieser entfaltet keine Außenwirkung mehr.
Wenn jetzt FR-Redakteur Danijel Majic berichtet, dass eine Marburger Burschenschaft sich immer mehr zur Kaderschmiede für AfD und Neue Rechte entwickele, lässt dies aufhorschen. Interessant ist, dass es inzwischen hier und da auch Burschenschaften mit weiblicher Besetzung gibt. Die Wiener Burschenschaft „Hysteria“ nimmt nur Frauen auf und fordert eine drastische Beschneidung der Rechte von Männern. Also auch Emanzipation des Burschenschaftwesens?“

Sigurd Schmidt, Bad Homburg

fr-balkenTrump hat im Leben wenig gelernt

Zu: „Atemberaubende Inflationierung der Lüge“ , FR.de vom 21. März, und „So entlarven Sie Fake News“ , FR.de vom 21. März

„Großes Kompliment – diese Titelgestaltung finde ich originell und witzig. Was den Präsidenten der USA angeht und seine Art der Wahrnehmung, bin ich auf einen interessanten Essay von Elias Canetti gestoßen, der sich mit Macht und Wahn befasst (in: Das Gewissen der  Worte.) Er beschreibt, dass Menschen, die ihren Mitmenschen fast ausschließlich begegnen, indem sie ihnen gegenüber Macht ausüben, Gefahr laufen, ihre Umwelt nicht mehr richtig wahrnehmen zu können, vor allem dann, wenn sie wenig selbstkritische oder selbstreflexive Fähigkeiten mitbringen und Kritik schwer annehmen können. Möglicherweise hat Herr Trump als Unternehmer und Sohn eines Unternehmers es niemals für notwendig erachtet, Kritik anzunehmen, falls sich Menschen in seiner Umgebung getraut haben, ihn zu kritisieren. Anders gesagt: Er hat wenig gelernt im Leben. Um dies zu kaschieren, wirkt er etwas aufgeblasen. Mittlerweile haben dies nicht nur seine politischen Gegner bemerkt. Es bleibt zu hoffen, dass Leute wie FBI-Chef James Comey nicht von ihm geschasst werden. Zur Zeit stellen sich die Demokratie, bzw. ihre Vertreter in den USA als recht wehrhaft. Für die nächsten Wahlen kann uns dies eine Lehre sein.“

Robert Maxeiner, Frankfurt

fr-balkenDer Tarif-Wirrwarr und das negative Image des RMV

Unter anderem: „Debatte über 365-Euro-Ticket“ , FR.de vom 30. März

„Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Seit dem Start des Rhein-Main-Verkehrsverbundes vor gut 20 Jahren habe ich den Eindruck, dass das wahre Ziel unseres südhessischen Verbundes weder darin besteht, möglichst viele Fahrgäste zu fahren, noch dieses möglichst gewinnbringend zu tun. Nach meinem Eindruck besteht das wahre Ziel des RMV darin, der Welt kompliziertesten und für möglichst viele Nutzer unverständlichen Tarif für öffentliche Verkehrsmittel vorzuhalten. Diesem Ziel dürfte nach meinem Eindruck – und ich komme viel herum mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Welt – der RMV durchaus nahe kommen.
Nein, der RMV hat nicht den teuersten Nahverkehr Europas – Großbritannien und teilweise auch die Schweiz sind teurer. Drei Euro für eine Stadtfahrt sind in Deutschland durchaus Standard. Nur wird einem dafür unterschiedlich viel geboten: Im Harz gibt es dafür ein paar Buslinien, die immerhin trotz ländlichem Raum jede Stunde fahren. In Hamburg besteht die „Stadt“ aus dem „Großbereich Hamburg“ des HVV und reicht ins nähere Umland hinaus, etwa 20 bis 25 km vom Hamburger Rathausmarkt bis Pinneberg, Norderstedt oder Reinbek. In Frankfurt ist bereits nach etwa zwölf Kilometern an der Stadtgrenze das Ende der 2,90 Euro-Zone.
Allerdings die Vielzahl der komplizierten Regelungen ist wahrlich unübertroffen. Ich selbst bin sowohl Nutzer einer Jahreskarte für Frankfurt als Inhaber einer BahnCard50. Bei jeder Fahrt über die Stadtgrenze gibt es das Ausprobieren, ob DB-Tarif für Fernzüge, Anschlussticket oder einfaches Ticket bis zur Stadtgrenze günstiger sind. Soviel: Von der Hohemark ist die Oberurseler Kurzstrecke bis zur Stadtgrenze Niederursel günstiger als der Anschlussfahrschein. Der wiederum empfiehlt sich, wenn ich am Oberurseler Bahnhof in die S-Bahn umsteige und zum Westbahnhof fahre. Von weiter entfernten Startorten, wo auch ein Intercity hält, wie Bensheim, komme ich dagegen mit einem Fernverkehrsticket der Bahn günstiger nach Frankfurt. Und wenn ich das Fahrrad mithabe, nutze ich mit dem IC-Ticket den niederrangigen Regionalzug, in dem das Fahrrad kostenlos mitfährt.
Bei Hin- und Rückfahrt zu und vom gleichen Umlandziel ist immerhin seit einigen Jahren die Tageskarte die günstigste Lösung.
Noch komplizierter wird es, wenn ich mit einer Freundin und deren Sohn in den Taunus fahre. Dann teste ich schon mal am Vortag die verschiedenen Varianten, um nicht beim Start erst eine Viertelstunde lang am Automaten herumzuprobieren. Denn wie oben geschrieben, billig ist der RMV nicht, und mitunter nutzen wir bei ähnlichen Kosten Car-Sharing – was deutlich schneller und unkomplizierter ist.
Um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen: Wer einfache Fahrt von der Hauptwache nach Hanau Hbf oder Ober-Roden fährt, kommt billiger weg, wenn statt des durchgehenden Fahrscheins der Preisstufe 5 (8,35 €) zunächst ein Stadt-Fahrschein bis Offenbach-Kaiserlei (2,90€) gelöst wird und dort dann ein neues Ticket (3,15 €) gekauft wird. Für Hin- und Rückfahrt wiederum ist die durchgehende Tageskarte oder Gruppentageskarte deutlich günstiger.
Dieses Tarif-Wirrwarr hat nach mach meiner Meinung entscheidenden Einfluss auf das negative Image des RMV insbesondere hinsichtlich der Preisgestaltung. Hier sind wir Fahrgäste nicht Kunden, sondern immer noch wie zu Kaisers Zeiten „Beförderungsfälle“, die sich aus dem bei längeren Strecken absolut schwer zu überschauenden Tarifsystem den richtigen Fahrschein heraussuchen müssen, sonst setzt es 60 € Strafe – wie für echtes „Schwarzfahren“. Auch der bislang vom RMV angedachte „Smart-Tarif“ ist keine Lösung: Mit etwa 8 € für eine Frankfurter Stadtfahrt zwischen Nieder-Eschbach und Sindlingen wird endlich auch Londoner Preisniveau erreicht.
Es geht deutlich einfacher:
Die erste Zone (Preisstufe 3) kostet einen festen Preis, z.B. 3,15 €. Jede weitere Zone kostet einheitlich 2,05 € mehr, und damit wir den Endpreis von etwa 15,50 € erreichen, gibt es noch zwei zusätzliche Preisstufen „8″ und „9″. Die geringfügigen Ermäßigungen der Preisstufe 3 für Stadtfahrten in Frankfurt und einigen anderen Großstädten fallen weg, statt 2,90 € kostet die Einzelfahrt wie in allen anderen Tarifgebieten 3,15 €. Dafür kostet dann die Tageskarte auch wie in allen anderen Tarifgebieten statt 7,20 € nur 6,15 € – lohnt also auch in Frankfurt immer bereits bei 2 Fahrten. Damit gleicht sich dann Frankfurt etwa Hamburg an, wo zumindest ab 9 Uhr die Tageskarte „lohnt“ – und das Hamburger Netz ist riesig und wird oft befahren.
Für kürzere Strecken über Tarifzonen-Grenzen gäbe es auch eine praktische Lösung: Im Hochtaunuskreis umfassen die „Kurzstrecken“ ganze Gemeindegebiete wie Oberursel. Auch Frankfurt ließe sich ähnlich in entsprechende größere Kurzstrecken-Zonen („Mini-Zone“) unterteilen, die einen oder mehrere Ortsbezirke umfassen und für den Fahrgast wesentlich sinnvoller sind als Kurzstrecken von nur 2 km, die eher typische Fußweg- oder Fahrradentfernung sind. Eine „Mini-Zone“ kostet genau den Preise eines „Zonensprungs“, nämlich 2,05 €. Zwei „Mini-Zonen“, z.B. vom Südbahnhof zum Offenbacher Marktplatz kosten dann den Preis eines großen Tarifgebiets (Preisstufe 3 = 3,15 €). Drei „Mini-Zonen“ durch 3 Tarifgebiete sind eher selten, gibt es aber, z.B. von Bad Vilbel über Bergen-Enkheim nach Offenbach. Dieses wäre dann die Preisstufe 4 (5,20 €).
Eine noch einfachere Lösung wäre ein abgaben-orientiertes „Bürger-Ticket“ nach dem Vorbild der Rundfunk- und Fernsehgebühr. Die Nahverkehrs-Abgabe könnte von der GEZ gleich mit eingezogen werden. Zusätzliche Abgaben wären vom Einzelhandel, von größeren Betrieben in den Kernstädten und vom Gastgewerbe zu entrichten. Die gibt es mitunter auf freiwilliger Basis auch schon: Als ich neulich im Intercity-Hotel in Wuppertal war, galt mein Zimmerausweis als verbundweiter Fahrschein im gesamten Rhein-Ruhr-Gebiet.

Jochen Ickert, Frankfurt

 

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2 Kommentare zu “Postfach: Eher Sensationslust als ernsthaftes Interesse

  1. Zu Klaus Philipp Mertens

    Es gibt hier unterschiedliche Standpunkte, die ich beide für akzeptabel halte.
    Die einen glauben, sie könnten rechtes Gedankengut mit Ausgrenzung und Tabuisierung bekämpfen, die anderen glauben, eher im Dialog aufklärend wirken zu können. Welche der beiden Haltungen eher zum Ziel führt, ist nicht erwiesen.

  2. „Der Tarif-Wirrwarr und das negative Image des RMV“
    Bei uns gibt es eine elektronische Fahrkarte, BOB genannt. Am Beginn der Fahrt wählt man die Anzahl der Personen und den Zielort und steckt die Karte in den Automaten. Die Rechnung kommt einmal pro Monat und die Software rechnet immer den billigsten Tarif aus.

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