Herzlich willkommen zum
Postfach vom 19. Januar 2017
Wieder sind Leserbriefe liegen geblieben, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Also ab mit ihnen ins „Postfach“. (Mehr über die Hintergründe –> HIER.)
Anfangs wie immer ein kleiner Überblick.
- „Mein Gott“, entfährt es Jürgen Malyssek aus Wiesbaden im neuen Postfach, „hat denn Sigmar Gabriel keine anderen Probleme, als mit der Kürzung des Kindergeldes für EU-Ausländer ein altes Fass aufzumachen?“ Das sind so Fragen!
- Auch Manfred Kirsch aus Neuwied stellt sie sich und attestiert dem Minister „eine nur noch schwer zu verarbeitende Sprunghaftigkeit, gepaart mit Opportunismus und einer Brise Populismus“.
- Noch mehr Fragen? Hier: „Was bitte soll man mit einem solchen Artikel anfangen?“, fragt Armin Deußer aus Hadamar anlässlich von Berichterstattung über ein Handyverbot an Schulen. Man weiß es nicht.
- Keine Fragen, dafür aber Ahnung hat Franz Heimrich aus Bad Homburg, und zwar von künstlicher Intelligenz und Computern. Weitere Fragen?
- „Lassen sich Lügen verbieten?“, fragte Christian Bommarius im FR-Leitartikel. Klaus Philipp Mertens gibt die Antwort im Postfach: Nein, aber man kann es ihnen schwermachen. „Es ist darum höchste Zeit, die sozialen Netzwerke zu entwaffnen“, fordert er.
- Doch Vorsicht: „Falschnachrichten findet man nicht nur im Internet“, behauptet Christian Karsten aus Andernach, der sich über unsere Polen-Berichterstattung ärgert.
- Könnte das hier so eine Falschnachricht sein? „Es gibt keine deutsche, sondern nur eine europäische Leitkultur – nämlich den Humanismus.“ Das fehlte noch! Urheber dieses Satzes, der natürlich Fragen aufwirft, ist Sigurd Schmidt aus Bad Homburg, der im Postfach nicht fehlen darf.
- Und auch hieran sei erinnert: „Wie heißt es so schön im Amtseid der Minister?“, fragt Horst Weitzel aus Frankfurt im Casus einer hessischen Ministerin, die keinen Schadenersatz zahlen muss. Noch Fragen?
Dann fragen Sie mit.
Gabriel macht ein altes Fass auf
Zu: „Gabriel knöpft sich EU-Ausländer vor“, FR-online vom 18. Dezember
„Mein Gott, hat denn unser Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel keine anderen Probleme, als mit der Kürzung des Kindergeldes für EU-Ausländer ein altes Fass aufzumachen, das des Politikers Lieblingsthema, nämlich den Sozialmissbrauch wieder öffentlichkeitswirksam zu machen?
Unter seiner Ressortleitung werden ganz andere Gelder verpulvert (z.B. Waffenexporte), wo er besser daran täte, ein klares Stopp-Signal zu setzen, statt mit seinem Aktionismus den Rechten erneut in die Karten zu spielen. So schreibt Markus Decker: „Wenn auch der Vorsitzende der zweigrößten deutschen Partei den Eindruck erweckt, als sei die EU etwas, aus dem vor allem andere ihre Vorteile ziehen, dann ist das heikel.“ Die SPD ist einfach lernunfähig.
Und dann haben wir wieder diese kleinbürgerliche und gleichzeitig abgehobene Moral, mit der permanenten Berufung auf das Recht „kein Recht auf Zuwanderung in Sozialsysteme ohne Arbeit“, wo nur den Fleißigen sozialstaatliche Förderung zuzustehen hat, was wir zu Genüge aus dem Geiste der Agenda 2010 kennen! Es greifen wie gehabt die Strafmechanismen und die Androhung von Sanktionen. Nichts, aber auch nichts haben Gabriel und Konsorten begriffen.
Zwangsläufig muss ich an den Erzengel Gabriel denken, in seiner biblischen Rolle als Botschafter „Gottes“ und als der Schutzpatron vieler Berufsgruppen, u.a. der Post, der Zusteller, Müllmänner oder Diplomaten. Weder ist Gabriel in der Lage gute Botschaften zu überbringen, noch eignet er sich als Beschützer der arbeitenden Menschen. Keine Haltung. Keine Überzeugung. Nur Stimmungsmacher.“
Jürgen Malyssek, Wiesbaden
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Eine Prise Populismus
„Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel legt mal wieder eine nur noch schwer zu verarbeitende Sprunghaftigkeit, gepaart mit Opportunismus und einer Prise Populismus, an den Tag, wenn er vorschlägt, das Kindergeld für EU-Ausländer in bestimmten Fällen zu kürzen. Gabriel ist zwar bisher noch nicht allzu oft durch das Anbiedern bei rechten Wählerschichten bekannt geworden, sondern hatte immer gegenüber AfD und Pegida eine klare Spreche gesprochen. Umso erschütternder und empörender ist sein jetziger Vorschlag, der offensichtlich die in unserer Republik weit verbreiteten Vorurteile und Ressentiments gegen Ausländer bedienen soll. Ob die Akteure nun in der SPD oder bei den Linken etwa in der Person Sahra Wagenknechts zu finden sind, ist vollkommen gleich. Es ist einfach unanständig und unsolidarisch, wenn sich Vertreter von SPD, Linken oder auch der Grünen, siehe Winfried Kretschmann, bei Rechten als die besseren Vollstrecker des so genannten „gesunden deutschen Volksempfindens“ darstellen wollen. Leider gibt es ja in diesen drei Parteien, die eigentlich eine linke Reformalternative sein könnten, in jüngster Zeit immer mehr Politiker, die nichts dabei finden, für Wählerstimmen ihre Prinzipien aufzugeben. Wie will die Sozialdemokratie eigentlich glaubwürdig gegen den rechten Mob vorgehen, wenn sie Politiker in ihren Reihen hat, die dem gefährlichen antiliberalen und nationalistischen Zeitgeist hinterherzulaufen scheinen. Gerade in einer Phase, in der das gemeinsame Europa so gefährdet ist wie nie in seiner Geschichte, ist eine klare und kompromisslose Haltung gegen Rechts bitter notwendig. Doch man besiegt den rechten Spuk nicht dadurch, dass man seine kruden Thesen nachbetet oder auch nur hinnimmt.
Manfred Kirsch, Neuwied
Keine Fakten, nur Meinungen
Zu: „Handyverbot an Schulen in der Kritik“, FR-Regional vom 14.12.2016, online nicht erhältlich. Screenshot wird nachgereicht.
„Was bitte soll man mit einem solchen Artikel anfangen? Bewegt sich inzwischen auch die FR auf dem Gebiet des Postfaktischen? Während die Zwischenüberschrift behauptet, dass es umstritten sei, ob das ständige Ablenken durch Smartphones den Erfolg der Schüler gefährde, werden im Artikel keine Fakten genannt, die solche Behauptungen belegen oder widerlegen würden. Stattdessen werden nur Meinungen wiedergegeben.
Man muss ja mit der Seniorenunion nicht immer einer Meinung sein. Der einzige, der in diesem Artikel seine Haltung klar und deutlich begründet, ist aber Herr Wulff von der Seniorenunion. Mit seinen Argumenten wird sich aber noch nicht einmal befasst, nein, man hat höchstens noch „ein müdes Lächeln“ dafür übrig. Warum? Weil angeblich 69 Prozent der Älteren kein Smartphone nutzen würden, während 72 Prozent der Kinder und Jugendlichen in der Schule ihr Handy oder Smartphone gebrauchen. Eine in der Tat überzeugende Argumentation. Und woher hat man diese beiden Zahlen? Keine Ahnung, wird nicht belegt.
Auch das Argument: „Verbote bringen nix, weil sie sowieso unterlaufen werden“ ist nicht gerade stichhaltig. Damit könnte man alle Regeln und Verbote in den Schulen in Frage stellen. Die Gleichsetzung des aus dem Fenster blickenden unaufmerksamen Schülers mit dem Smartphone-User ist an Naivität nun wirklich nicht mehr zu überbieten.
Der Bahn-Mitarbeiter, der für die Zugkatastrophe in Bad Aibling verantwortlich ist, hat diese nicht dadurch ausgelöst, dass er durch dauerndes verträumtes „Aus-dem-Fenster-blicken“ von seiner Arbeit abgelenkt war. Es war das Spiel auf seinem Smartphone, das ihn als erfahrenen Fahrdienstleiter grob fahrlässig von seinen Verpflichtungen abgelenkt hat.“
Armin Deußer, Hadamar
Unwissenheit führt zu Mystifizierungen
Internet: „Gute Umgangsformen auch im Digitalen“, FR-Wissen vom 17.12. 2016, Link wird nachgereicht
„Wir dürfen es in den Medien immer wieder erleben, vor allem bei den Talkshows im Fernsehen, aber auch in der Zeitung, dass sich Leute zu Themen äußern dürfen, von denen sie keine Ahnung haben. Da kommt es immer wieder zu peinlichen Äußerungen, vor allem wenn es um Computer geht, besonders wenn z.B. Psychiater und Philosophen zu diesem Thema als Gesprächspartner ausgewählt werden, die offensichtlich über Computer erstaunlich wenig wissen. Die Unwissenheit führt dann zu Mystifizierungen. Da wird ein Computer zum menschenfressenden Ungeheuer. Dabei werden auch banale Widersprüche übersehen.
Wenn in diesem Artikel von künstlicher Intelligenz die Rede ist, dann ist es unmöglich, dass ein Computer aus Menschen Büroklammern produziert. Wenn er das tun würde, wäre er nicht intelligent, sondern ein dummer Roboter. Ein Computer, der über (künstliche) Intelligenz verfügt, würde genau das nicht tun. Er würde sich nämlich für die Herstellung von Büroklammern geeignete Materialien und Rohstoffe auswählen und auch unethische Handlungen ausschließen. Für viele Menschen, auch gebildete, ist der Computer eben noch „Neuland“.“
Franz Heimrich, Bad Homburg
Waffen zum Schaden der Demokratie
Zu: „Lassen sich Lügen verbieten?“ FR-Meinung vom 24.12.2016, wird nachgereicht
„Lügen lassen sich nicht verbieten. Aber die Wege, auf denen sie übermittelt werden, ließen sich zumindest transparent machen. So transparent, dass ihre Urheber und Verbreiter nicht mehr anonym blieben. Dazu müssten die sozialen Netzwerke auf die ethischen Standards einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet werden.
Facebook beispielsweise würde sich darauf nicht einlassen können, denn dann wäre das Geschäftsmodell (Adressenhandel und Zielgruppenwerbung) nicht mehr aufrecht zu erhalten. Als Alternative böte sich ein Modell nach dem Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an. Die technischen Voraussetzungen sind dort vorhanden, die vorzunehmenden Anpassungen wären vergleichsweise marginal. Die Finanzierung könnte über eine geringe jährliche Pauschale erfolgen (24 Euro pro Nutzer; Parteien, Verbände und Firmen nach einem Mitglieder- bzw. Mitarbeiterschlüssel). Die Teilnehmer müssten sich registrieren, könnten aber persönliche Nutzernamen definieren, die zurück verfolgbar wären, um Straftaten entweder vorzubeugen oder sie ermittelbar zu machen. Lediglich Parteien, Interessensverbände und Firmen wären zur Nennung ihres Klarnamens verpflichtet.
Eine solche Regelung würde dazu führen, dass jede ins Netz gestellte Information, die durch ihre Verbreitung einen quasi öffentlichen Charakter annimmt, auch einer öffentlichen Kontrolle unterzogen werden kann. Denn ein Netz aus uneingeschränkt verfügbaren Meinungen und Nachrichten ist seinem Wesen nach nicht dazu geeignet, es kommerziellen Interessen zu unterwerfen, so wie das bei Facebook der Fall ist. Entsprechend könnten auch Suchmaschinen vergesellschaftet werden, indem sie von öffentlichen Rechenzentren, die Universitäten angegliedert wären, betrieben würden.
Die Fehl-Entwicklung der sozialen Netzwerke zeigt, dass sie als Waffen zum Schaden der Demokratie missbraucht werden können (und bereits in großem Umfang geworden sind). Es ist darum höchste Zeit, sie zu entwaffnen. Das wäre das beste, weil wirkungsvollste „Abwehrzentrum gegen Desinformation“ und es hülfe zudem gegen einen öffentlichen Pranger. Man muss es nur wollen; machbar wäre es rasch.“
Klaus Philipp Mertens, Frankfurt
Zweierlei Maß gegenüber Polnischen Regierungen
Verfassungsstreit: „EU-Kommission setzt Polen neue Frist„, FR-online vom 21.12.2016
„Bei der Lektüre des Artikels „Aufschub für Polen“ habe ich mich nicht zum ersten Mal über eine tendenziöse, unsachliche Berichterstattung von dpa geärgert. Mit dem Vorwurf allein an die neue polnische Regierung, durch politische Nominierungen der Verfassungsrichter die Unabhängigkeit der Justiz immer mehr zu untergraben, zeigt diese Agentur, dass sie zu einer ausgewogenen Berichterstattung nicht fähig oder nicht willig ist.
Politisch nominiert sind alle Richter des Verfassungsgerichthofes. Einen Konstruktionsfehler der Verfassung ausnutzend, hat die PO in den beiden vergangenen Legislaturperioden systematisch den Verfassungsgerichtshof durch politisch motivierte Ernennungen unter ihre Kontrolle gebracht, den Präsidenten Andrzej Rzeplinski eingeschlossen. So machen sich die EU-Kommission und Herr Timmermanns unglaubwürdig angesichts der Tatsache, dass man die PO acht Jahre lang mit einem Vorgehen hat gewähren lassen, da jetzt bei der PiS angeprangert wird.
Eine naheliegende Erklärung ist, dass die vom Virus des Neoliberalismus befallene EU-Kommission ihre neoliberalen Erfüllungsgehilfen von der PO schonen wollte und jetzt, da eine ihr nicht genehme Partei regiert, mit voller Härte zuschlägt. Eine von PO-Sympathisanten beherrschte Presse tat das Ihrige dazu, um die entsprechende Stimmung herbeizuführen. Falschnachrichten findet man eben nicht nur im Internet.“
Christian Karsten, Andernach
Die Leitkultur ist der Humanismus
Zu: „Saar-Regierungschefin: Neue Debatte über «Leitkultur» nötig„, FR-online vom 26. Dezember 2016
„Der Begriff „Leitkultur“ ist einmal von Friedrich Merz und Bassam Tibi in die politische Debatte in Deutschland eingeführt worden. Der Begriff ist ein Kampfbegriff, denn wer ihn benutzt, meint, seine eigene Weltanschauung anderen Mitbürgern aufpfropfen zu müssen. Leitkultur kann durchaus sein: die Beherrschung der deutschen Sprache, die Verbundenheit mit der deutschen Kultur und deren Lebensweise in ihren landsmannschaftlichen Vielfältigkeiten, auch ein besonderer Bezug zu dem, was man im Deutschen Heimat nennt.
Im Rubrum, also im Oberfeld früherer Schulzeugnisse, waren Verhaltensbewertungen zu lesen wie: Aufmerksamkeit, Fleiß, Pünktlichkeit und ähnliches. Im Mittelpunkt einer wie auch immer verbindlichen deutschen Leitkultur steht aber zweifellos heute der Arbeitsethos. Prof. Julian Nida-Rümelin, Universität München, hat einmal formuliert: Es gibt keine deutsche sondern nur eine europäische Leitkultur: nämlich den Humanismus!
Es gab einmal in bürgerlichen und adligen Kreisen eine spezifische Bildungsbeflissenheit: die Liebe und Zuneigung zum Hellenismus und zur Latinität gehören zweifellos zu früheren Erscheinungsformen deutscher geistiger Leitkultur. Aber für die Franzosen ist Descartes, für die Italiener Petrarca und für die Deutschen sind eben nun einmal Kant und Hegel wichtiger.
Die Mentalität der Deutschen hat sich durch den gewaltigen US-amerikanischen Einfluß nach 1945/49 erheblich verändert. Pragmatismus und Utilitarismus sind jetzt „klingende“ Geistes-Münze. Wenn man es auf die Spitze formuliert, ist die heutige deutsche Leitkultur die Normativität des (vernünftigen!) Faktischen. Auf der Ebene der deutschen Stammtische, nicht nur in Bayern, ist Leitkultur einfach der Umgang mit einem bestimmten „Benimm-Prinzip“.
Auf jeden Fall sollte die Ministerpräsidentin Kramp-Karrenberger vorsichtig sein, die längst ermüdete Debatte um eine deutsche Leitkultur unnötig wieder anzufachen. Es gibt leider eine Normen-Huberei heutzutage. Jeder möchte gerne Repräsentant von Alleinstellungs-Merkmalen sein. Das Schicksal der christlichen Religion sollte zu denken geben. Denn das theologische Christentum einer unvermittelten, gar noch kosmologischen, Gläubigkeit hat längst seine Prägekraft verloren. Was heute zählt ist: Authentizität des Individuums!“
Sigurd Schmidt, Bad Homburg
Wie heißt es so schön im Amtseid der Minister?
Schadenersatz: „Minister müssen nicht haften„, FR-online vom 20. Dezember 2016
„Die im Artikel von Pitt von Bebenburg zu Worte gekommenen CDU-Politiker bedienen sich einer in der Sache subjektiven, unjuristischen und parteiischen Argumentation, weshalb sie zur Klärung der gewiss nicht einfachen Frage der Ministerhaftung nicht zuträglich ist. Die herangezogenen Beispiele der Verfehlungen sogenannter ‚kleiner Beamten‘ zeigt doch nur, dass im öffentlichen Dienst die gleichen Unterschiede zwischen ‚Kleinen‘ und ‚Großen‘ gemacht werden wie im tatsächlichen Leben. Im Fall Puttrich geht es aber nicht um Kleinigkeiten, sondern um eine mutmaßlich falsche Sachentscheidung mit millionenschwerem Schadenpotenzial für den Steuerzahler.
Zur Entscheidung über einen solchen Tatbestand muss ich als Wähler und Steuerzahler erwarten, dass die Begutachtung und Bewertung durch renommierte Staatsrechtler durchgeführt wird, die nicht im Verdacht stehen, einer politischen Partei nahezustehen oder gar anzugehören.
Dem Kommentar von PvB kann ich in zwei Punkten nicht folgen: Erstens: er unterstellt ein ‚nicht bewusst schädigendes‘ Handeln, heißt nach BGB fahrlässig. Bewusst schädigendes Handeln in der Politik kommt jedoch immer wieder vor, weil der Regierungswille durchgesetzt werden muss, z.B. Flughafenausbau und damit verbundene Lärmschädigung Zehntausender Anwohner mit noch nicht bezifferten Spätfolgen. Die Koch-Regierung hat dies billigend in Kauf genommen und somit ‚bewusst schädigend‘, nach BGB ‚grob fahrlässig‘ gehandelt (wie Frau Puttrichs Handeln zu bewerten ist, erschließt sich mir auch nach monatelangen Debatten nicht). Was schwerer wiegt, nämlich vermeintlich wirtschaftliche Notwendigkeit gegen Gesundheitsschädigung, muss nicht diskutiert werden. Wie heißt es so schön im Amtseid der Minister? ‚…und Schaden von der Bevölkerung abwenden.‘
Zweitens: Die politische Debatte als Lösung hilft nicht weiter (siehe erster Absatz). Bis zur nächsten Wahl, was ja durchaus drei oder vier Jahre dauern kann, ist ein Puttrich-Fall allein durch den Lauf der Zeit verwässert und kaum noch für eine Wahlentscheidung relevant, zumal Parteien gewählt werden und die künftig Regierenden die Entscheidung über neue Minister treffen.
Ich könnte mir als Nichtjurist vorstellen, das politische Mittel des Misstrauensvotums auf einzelne Personen einer Regierung auszuweiten. Hier muss dann der Wähler einbezogen werden, der damit unmittelbar und zeitnah eingreifen kann, denn allein im Parlament darüber zu entscheiden…nochmals: siehe erster Absatz.“
@Klaus Philipp Mertens
Bei Ihrem Vorschlag soziale Netzwerke (was zählt eigentlich alles dazu?) zu verbieten, erscheint vor meinem geistigen Auge die Silhouette einer Wahrheitsbehörde.
@ H. Flessner:
Wenn das Vorgehen gegen „Unwahrheiten“ wenigstens behördlich geplant wäre! Dann gäbe es ja wenigstens noch ein Minimum an Rechtsschutz.
Geplant ist ja eher eine außer-staarliche Stelle, gegen die folgerichtig keine Rechtsmittel eingelegt werden können. Wenn da nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet werden.