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vom 15. Februar 2018
Kulturelle Kraft
Wieder sind Leserbriefe liegen geblieben, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Also ab mit ihnen ins „Postfach“ hier im FR-Blog. (Mehr über die Hintergründe –> HIER.) Diesmal zum Thema „Kulturelle Kraft“ – im weitesten Sinne. Hier zuerst ein kleiner Überblick.
- Dem Kulturbeauftragten der evangelischen Kirche, Johann Hinrich Claussen, geht es nicht nur um Heimatpflege, sondern darum, die Gesellschaft zu gestalten. Darum schwebt ihm ein ökonumenisches Glockenprojekt vor. „In unserer heutigen, bunten und vielfältigen Umwelt“ könne man jedoch „deutlich sehen, dass überholte Sitten und Gebräuche nicht dazu taugen, um die Gesellschaft neu zu gestalten“, meint Heinz E. Weber aus Sagone.
- Der AfD ist es angst und bange um unsere deutsche Kultur. Darum wurde Noah Becker auf dem Twitter-Account des AfD-Abgeordneten Jens Maier als „kleiner Halbneger“ bezeichnet. Gerd Heinzerling aus Bonn kommentiert das so: „Es müssten Millionen mutige Menschen in unserem Land auf die Straße gehen, um die AfD aus allen Parlamenten, um es mit ihren eigenen Jargon zu sagen, zu jagen und zu entsorgen“.
- Wie weit ist es her mit Deutschlands kultureller Kraft, wenn zu beobachten ist, dass Antisemitismus bei uns Alltag ist? Steht uns ein Rechtsruck bevor wie in Österreich? Jörg Sternberg aus Hanau meint: „Die CSU versucht schon Annäherungen an die AfD. Auch Gabriel fällt, getrieben von den Wahlergebnissen der AfD, zur Erneuerung der SPD nichts anderes ein als die Evokation von ‚Heimat und deutsche Leitkultur‘.“ Ein bisschen wenig im Kampf gegen Antisemitismus, oder?
- Da ist es nicht weit zur „konservativen Revolution“ von Alexander Dobrindt (CSU). In einem TV-Interview konnte der CSU-Politiker nicht erklären, was er damit meint. Das veranlasst Hans-Hermann Büchsel aus Heidelberg zu dem Schluss, Dobrindt sei offensichtlich geistig überfordert: „Klar wird nur, dass er hinter „68“ zurück will, vorwärts in die miefige Adenauerzeit“. Wollen wir da wirklich hin?
- Alfred Kastner aus Weiden meint, hoffnungsvoll registrieren zu dürfen, „dass traditionelle Werte wie Anstand, Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Verantwortung der jungen Generation wieder zunehmend ins Bewusstsein rücken. (…) Wir haben, getrieben von der technischen Entwicklung und von der Nötigung zur ständigen Selbstdarstellung in vieler Hinsicht das Gefühl dafür verloren, was es bedeutet, eine Gesellschaft zu sein und zusammenzugehören.“
- Wo wir gerade bei Zusammenhalt sind: Zu solchem hat die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache aufgerufen. Daher soll das Schlusswort hier heute Otfried Schrot aus Ronnenberg gehören, der die – kulturelle? politische? – Kraft der Kanzlerin erlahmen sieht: „Ich rege an, mit einem Blick einerseits auf Ihre Verdienste und andererseits auf Ihre sinkenden Umfragewerte den richtigen Zeitpunkt für Ihren Rückzug aus der Politik nunmehr entschlossen zu bestimmen.“ Dem schließen wir uns an.
Und was meinen Sie?
Überholte Sitten und Gebräuche
Religion: „Eine kulturelle Kraft“, FR-Feiilleton vom 3. Januar
Der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen meint, dass die Gesellschaft neu gestaltet werden muss und die Religion sich für Zukunftsaufgaben nützlich machen müsse. Er will auch im Europäischen Kulturerbe-Jahr „ein ökumenisches Glockenprojekt“ initiieren mit dem er auf „die traditionelle akustische Rhythmisierung des Alltages“ aufmerksam machen wolle. Es ist ein bundesweites Geläut geplant!
Offensichtlich übersieht er, dass Sonne und Mond den Tages- und Nachtrhythmus bestimmen und alle Welt mit Uhren und Handy die Zeit erkennt. Er braucht sich nicht zu sorgen. Unser Grundgesetz hat eindeutig eine Trennung zwischen Staat und Kirche. In unserer Verfassung gibt es mit voller Absicht keinen Bezug zur Religion. Sinn der Kirche ist die Gottesverehrung und die Verkündung des Evangeliums. Man betrachtet das Sein der Kirche als Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen. Das genügt vollauf.
Herr Claussen übersieht auch, dass Muslime in unserer Gesellschaft nach unserer Religionsfreiheit ebenso ein Recht haben, regelmäßig den Ruf des Muezzin, zu hören. Wer jemals Gelegenheit hatte, an einem Freitagabend in Kairo den Ruf des Muezzin mittels Lautsprecher zu hören und der Klang der den Straßenverkehr überdeckt, der kann die ausgestrahlte magischen Kraft des Gebetsrufes spüren. Man kann Vergleichbares mit dem Geläut erkennen.
Obwohl ich weder Christ noch Muslim bin, erkenne ich die fordernde Kraft des Glockengeläuts, als auch den eindringlichen Ruf zum Gebet vom Minarett. Gleichzeitig muss man frei genug sein, um in unserer heutigen, bunten und vielfältigen Umwelt, (in einer Stadt wie Offenbach leben Menschen aus über 100 Nationen!) deutlich sehen, dass überholte Sitten und Gebräuche nicht dazu taugen, um die Gesellschaft neu zu gestalten.
Heinz E. Weber, Sagone (Korsika)
Die AfD jagen und entsorgen
Rassismus: „Noah Becker erstattet Anzeige gegen AfD-Abgeordneten Maier„, FR.de vom 7.1., und aktuell: „Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AfD-Abgeordneten„, FR.de vom 14.2.
Sehr geehrter Herr Maier,
bezüglich der im Betreff genannten Zeile möchte ich Ihnen folgendes mitteilen. Es ist eine Katastrophe und eine unsägliche Schande für die Bundesrepublik Deutschland, dass 73 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, immer noch solches Gedankengut in Wirrköpfen wie dem Ihren und Ihresgleichen, umhergeistert. Aber noch viel schlimmer für mich ist die Tatsache, dass dieses, über alle Maßen schändliche, menschenverachtende, rechtsradikale und rassistische Gedankengut, jetzt auch noch im Deutschen Bundestag vertreten ist. Dafür schäme ich mich in Grund und Boden. So etwas wie die AfD hat unser Land definitiv nicht verdient,
An dieser Tatsache sind aber nicht nur die vielen, verblendeten Wähler schuld, sondern diese Schuld liegt ganz eindeutig bei den geistigen Brandstiftern, wie Ihnen und allen ihren Mitgliedern der AfD.
Der gute, alte Franz-Josef Strauß hat es seinerzeit auf den Punkt gebracht: Rechts neben der Union darf es in der Bundesrepublik Deutschland keine andere legitimierte Partei geben. Ich kann nur hoffen und wünsche unserem Land und auch unseren Mitbürgerrinnen und Mitbürgern, dass sich dieser braune Spuk bis zur nächsten Bundestagswahl oder den nächsten Landtagswahlen, wann immer sie auch statt finden werden, wie seinerzeit die Republikaner oder die Schill Partei, in Schall und Rauch auflösen werden.
Ich bin weder Sozialist noch Kommunist. Ganz bestimmt bin ich aber kein Deutschnationaler, kein Neonazi, kein Rassist und erst recht nicht ein Anhänger der Parolen und des Gedankenguts einer Partei wie der AfD. Ich bin einfach nur ein deutscher Patriot, der ein humanistisches, auf christlichen Werten basierendes, liberales Weltbild vertritt, und auf sein Land stolz ist. Denn unser Land hat in der Vergangenheit weitaus besseres hervorgebracht als nur eine Partei wie die AfD, sowie zwischen dem was von 1914 bis 1918 und von 1933 bis 1945 geschehen ist. Und dieses, unser aller Land und seine Menschen, ganz gleich welcher Hautfarbe, Rasse oder Religion, wird auch in der Zukunft für die Menschen in unserem Land, in Europa und der ganzen Welt, positive und lebenswerte Dinge hervorbringen.
Ich werde bei jeder mir bietenden Gelegenheit und auf der Basis des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, dafür eintreten und kämpfen, dass die AfD und Ihr rechtes Gedankengut, so bald als möglich, von der politischen Bildfläche in Deutschland verschwinden. Wie bereits erwähnt, unser Land hat wirklich weitaus besseres verdient und auch zu bieten, als die AfD. Es müssten hunderttausende oder vielleicht sogar Millionen mutige Menschen in unserem Land auf die Straße und in die Wahllokale gehen, und die AfD aus allen Parlamenten, um es mit Ihren eigenen Jargon zu sagen, zu jagen und zu entsorgen. In diesem Sinne und in Erwartung einer möglichen Antwort verbleibe ich.
Gerd Heinzerling, Bonn
„Und wem gehört die Wall Street?“
Antisemitismus: „Judenhass ist Alltag„, FR.de vom 21. Dezember
„Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen“ – diese auf de ersten Blick völlig unvernünftige These eines israelischen Psychiaters, also die Vertauschung der Rollen der Opfer und der Täter, erschließt sich erst beim zweiten Blick als hellsichtig. So haben ja nicht nur Rechtsextremisten, sondern auch Bürgerliche bis hin zu Intellektuellen wie Martin Walser von der ‚Auschwitzkeule‘ gesprochen, mit der angeblich die Wiederentdeckung einer nationalen Identität verbaut wurde, die Berufung auf eine deutsche Kultur der Aufklärung und Humanität.
Nun ist der heute immer offener und hemmungsloser sich inszenierende Antisemitismus bis hinein auch in- leider- gewisse linke Kreise (Querfront, Verschwörungstheoretiker) nicht erst nach Auschwitz ein deutsches, ein abendländisches Phänomen, ja ein weltweites. Das deutsche allerdings ein einzigartiges, nämlich die industrielle Vernichtung einer Ethnie, übrigens auch die der Roma und Sinti. Während der völkische, rechtsnationale Antisemitismus eine besondere Form des Rassismus‘ und der Rassenlehre ist, dumpf und sozialdarwinistisch, folgt der Antisemitismus einiger Linker der Systemkritik am Kapitalismus, als dessen Inbegriff die Wallstreet gilt. Und dann die Frage ‚und wem gehört die Wallstreet?‘ Habe ich leider auch von einigen Gewerkschaftern gehört. Als hätte das Kapital und die Logik der Herstellung seiner gesellschaftlichen Beziehungen (Lohnarbeit und Kapital) eine nationale oder religiöse Zuordnung. Im Augenblick erleben wir als Ausdruck großer Krisen innerhalb der Gesellschaft und der internationalen Beziehungen das Hochkommen eines zwar nie ganz schlummernden, aber immer latenten Antisemitismus, gepaart mit rassistischen und völkischen Komponenten bis hinein in bürgerliche Mitte. Wir sehen das am Beispiel Östereichs, wo Konservative mit ehemaligen Nazis paktierend eine Koalitionsregierung gezimmert haben.
Zu befürchten, dass sich in Deutschland ähnliches entwickelt, die CSU versucht schon Annäherungen an die AfD. Auch Gabriel fällt, getrieben von den Wahlergebnissen der AfD zur’Erneuerung der SPD, nichts anderes ein als die Evokation von ‚Heimat und deutscher Leitkultur‘. Eine schändliche Wiederholung opportunistischer und populistischer Stammtischparolen der Rechtsnationalen. Traditionelle Heimat der SPD ist -historisch gesehen- die internationale Solidarität mit den Entrechteten und Ausgebeuteten. Leider lange her. Shame on you, Sigmar! Ist es deshalb notwendig, Palästinenser auf Demonstrationen gegen eine israelische repressive und annektionistische (z.B. Siedlungsbau, Westjordanland, Golanhöen) Regierungspolitik allein zu lassen? Um dem Vorwurf des Antisemitismus zu entgehen. Oder gar solche Proteste zu verbieten? Ich denke nicht, solange es in Israel ebenfalls Friedensgruppen gibt wie Gusch Schalom und Peace Now, die die Zwei-Staaten-Lösung favorisieren. Die Trump und sein Team gerade in weite Ferne gerückt haben. Die rote Linie sollte dort gezogen werden, wo Israel ein Recht auf Existenz abgesprochen wird.
Jörg Sternberg, Hanau
Vorwärts zurück hinter 1968
Dobrindt: „Überflüssige Revolte„, FR.de vom 4.1.
Eigentlich ist es ja überflüssig, sich mit intellektuellen Null-Nummern wie Alexander Dobrindt auseinanderzusetzen. Man muss sich nur an seine „Leistungen“ als Verkehrsminister erinnern. Oder das Interview im Heute-Journal vom 4.1. anhören, wo er auf berechtigte Fragen von Marietta Slomka nach seinen vollmundigen Begriffen wie „die konservative Revolution der Bürger“ (sein Beitrag in der Welt) nichts Inhaltliches antworten konnte, sondern sich in nichtssagenden Phrasen erging. Seine vollmundigen Parolen („Linke Ideologien, sozialdemokratischer Etatismus und grüner Verbotismus“) mit politischen Inhalten zu füllen, überfordert ihn offensichtlich geistig. Klar wird nur, dass er hinter „68“ zurück will, vorwärts in die miefige Adenauerzeit.
Nun hat uns Seehofer diesen Ausländermautfan als Wadenbeißer in Richtung Öffentlichkeit und SPD (was macht jetzt Scheurer?) präsentiert, und gleich profiliert er sich mit hohlen Sprüchen als künftige Sollbruchstelle für die Koalitionsverhandlungen, indem er der SPD vorwirft, sich auf ihre stolze Tradition als Partei der sozialen Gerechtigkeit zu besinnen. Außerdem betreibt er mit anderen in der CSU ein übles Geschäft, wenn er Brexit-Befürworter aus England und Ungarns Orban (wiederholt) zur CSU-Klausur einlädt. Was soll die CSU von denen lernen? Dazu sei an die große Begeisterung in der CSU über die österreichische Koalition mit der FPÖ erinnert – offensichtlich ein Vorbild in diesen Kreisen.
Nun muss in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass der größte Verlierer der Bundestagswahl mit minus 10,5 Prozent eben diese CSU war, die im Wahlkampf mit ihrem Thema „Obergrenze“ und weiteren Forderungen zur Verschärfung der Flüchtlingspolitik viele Forderungen der AFD übernommen hatte. Aber genau das hat ihr offensichtlich mehr geschadet als der Merkel-CDU, mit der zusammen sie fast 1 Million Wähler an die AfD abgeben musste. Aber da die CSU sich offensichtlich nicht irren kann, schlägt sie weiter in diese Kerbe aus Angst vor einem Machtverlust bei den Landtagswahlen in Bayern.
Und Seehofer? Verhält sich zu Dobrindt wie der klassische Hundebesitzer, wenn sein Liebling allzu offensiv auf Andere zugeht: „Der will nur spielen!“
Hans-Hermann Büchsel, Heidelberg
Das verlorene Gefühl für Gesellschaft und Gemeinschaft
Hoffnungsvoll kann man registrieren, dass traditionelle Werte wie Anstand, Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Verantwortung der jungen Generation wieder zunehmend ins Bewusstsein rücken. In unserer individualisierten Gesellschaft, in der es vielen nur um die maximale Ausnutzung persönlicher Vorteile geht, hat die Wertegemeinschaft leider häufig das Nachsehen. Der Zusammenhalt einer Gesellschaft steht und fällt jedoch damit, dass sich Menschen miteinander arrangieren und aufeinander einlassen.
Seit Jahren bläst in unserem Land nicht nur eine steife Brise der Respekt- und Anstandslosigkeit, es tobt ein regelrechter Orkan. Das ist mehr als ein moralisches Problem. Auf dem Spiel steht das Funktionieren unserer humanen Gesellschaft. Denn Anstand und Respekt sind der soziale Schmierstoff, der jede Gesellschaft am Funktionieren hält. Zu- statt Abwendung, Teilnahme anstelle von Ablehnung sind Grundlagen menschlichen Zusammenlebens.
Wir haben, getrieben von der technischen Entwicklung und von der Nötigung zur ständigen Selbstdarstellung in vieler Hinsicht das Gefühl dafür verloren, was es bedeutet, eine Gesellschaft zu sein und zusammenzugehören.
Handys sind in unserer modernen Gesellschaft zu einem festen Bestandteil geworden. Sie sind jedoch Fluch und Segen zugleich. Viele Menschen scheinen ihre reale Welt um sie herum neben der digitalen Welt vollkommen zu vergessen.
Während man in der früheren analogen Welt genügend Zeit hatte, einen Brief zu beantworten, riskiert man heutzutage „Freundschaften“, wenn man unpersönliche WhatsApp-Videos nicht binnen weniger Minuten beantwortet. Früher war nicht alles schlecht. Die Menschen waren jedenfalls noch nicht von dieser allumfassenden Hektik getrieben.
Es ist schwer verständlich, wie es möglich ist, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sich selbst immer wieder als Menschenfreund und Visionär eines besseren Lebens feiert, während seine eigene Firma sich lange Zeit schamlos dazu benutzen ließ, die Grundlagen unseres Zusammenlebens durch Hassbeiträge der schlimmsten Form zu unterminieren. Mittlerweile versucht man dem mit Gesetzen zu begegnen. Man kann allerdings darüber streiten, ob dies richtig oder falsch ist. Letztendlich geht es um das Verhalten jedes Einzelnen.
Es geht, wenn wir vom Anstand reden, weniger um Moral. Moral dient heute vielen Menschen vielfach nur der Selbsterhöhung, dem „Sich-besser-als-andere-Fühlen“. Vielmehr geht es um Rücksicht und Sich-zurück-Nehmen, um ungeschriebene Regeln, die man sich selbst auferlegt. Dies sollte man als Anspruch an sich selbst empfinden. Ist die ständige Selbstinszenierung in den sozialen Medien, das immerwährende Ich-Ich-Ich, das ständige Performen, die dauerhafte Arbeit am eigenen öffentlichen Selbstporträt von größerer Bedeutung als die Frage, was die sozialen Medien leider allzu häufig anrichten?
Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass in unserer Gesellschaft jeder für sich selbst verantwortlich ist und sich nach Lust und Laune selbst verwirklichen kann. Diese Form der Gesellschaft bringt jedoch früher oder später seine eigenen Totengräber hervor.
Alfred Kastner, Weiden
Neujahrsansprache: „Merkel ruft zu Zusammenhalt auf“, FR.de vom 31.12
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Sie haben nunmehr in drei Legislaturperioden Ihre seelischen, geistigen und körperlichen Kräfte zum Wohle der Deutschen Nation eingesetzt. Politiker sollten danach streben, mit Augenmaß Steigen und Fallen ihres Sterns am politischen Himmel zu gestalten und dabei nicht überziehen, um zu vermeiden, dass die Bahn mit einem jähen Absturz endet. Ich rege an, mit einem Blick einerseits auf Ihre Verdienste und andererseits auf Ihre sinkenden Umfragewerte den richtigen Zeitpunkt für Ihren Rückzug aus der Politik nunmehr entschlossen zu bestimmen. Als ehemaliger Berufssoldat bitte ich Sie, aus Solidarität mit meinen aktiven Kameraden in Afghanistan den baldigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu veranlassen. Donald Trump verdient keine Solidarität nach seinem Ausspruch „Amerika zuerst!“In Afghanistan ist zudem kein Sieg zu erwarten, vielmehr wird das afghanische Volk mit einem ungeheuren Aufwand von Menschen, Gerät und Steuergeldern pulverisiert. Ich schlage vor, dass unter deutscher Führung eine Afghanistan – Konferenz mit allen Konfliktparteien und mit den Nachbarstaaten Afghanistans angesetzt wird, auf der gemeinsam eine Antwort auf die Frage gefunden wird: „Wie kommen wir zu einer politischen Ordnung in Afghanistan, welche das Überleben des afghanischen Volkes sicherstellt?“Präsident Trump, der, für die ganze Welt erkennbar, eine größere Begabung hat, Spannungen zu erzeugen als abzubauen, ist als Vorsitzender einer solchen Afghanistan – Konferenz ungeeignet. Ich rege an, dass sich Europa endlich aus seiner Hörigkeit gegenüber den USA befreit und unter der Führung Emmanuel Macrons entschlossen das Ziel der Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa anstrebt und damit nach eintausend Jahren leidvoller Kriegführung auf dem alten Kontinent dem Nationalismus eine endgültige Abfuhr erteilt.
Möge das Neue Jahr 2018 Ihnen den Frieden Ihrer Seele bringen!
Mit meinem Dank für Ihre politische Leistung und mit freundlichen Grüßen bin ich Ihr
Otfried Schrot, Ronnenberg
Lieber Herr Weber, Sie schreiben, dass im Grundgesetz Staat und Religion strikt getrennt sind. Das ist leider Wunschdenken, denn durch die Aufnahme einiger Paragraphen aus der Weimarer Verfassung und der Garantie von Religionsunterricht durch Kirchenangehörige ist es damit nicht weit her.
Außerdem werden Sie vielleicht schon bemerkt haben, dass die Kirchenangestellten einige durchaus grundgesetzwidrige Klauseln in Arbeitsverträgen dulden müssen, weil die Kirchen von großen Teilen des Arbeitsrechts ausgenommen sind (z.B. die Kündigung von Ärzten in katholischen Krankenhäusern nach einer Scheidung bzw. Wiederheirat).
Zum Leserbrief von Hans-Hermann Büchsel: Man muss sich dies mal vorstellen: Solange die Herren Seehofer, Dobrindt und Scheuer leben, hat in Bayern immer die CSU regiert. Korruptionsskandale oder Amigo-Affären spiegelten sich in Wahlergebnissen kaum wider. Ich frage mich, welche Spuren dies im Bewußtsein, vor allem im demokratischen Verständnis dieser Herren hinterlassen hat. Zum anderen:Dass diese Herren mit Bayern, besser ihrer Vorstellung davon und mit bayrischer Politik identifiziert sind, ist mal klar, aber was haben diese Freistaatler mit Deutschland am Hut? Ihre Politik läßt eher darauf schließen – Herr Büchsel führt einige Beispiele an – dass sie mit Deutschland nicht identifiziert sind und sie dem Land eher schaden als nützen. Bei Wahlen haben wir Bürger zumindest mit der Zweitstimme indirekt auch die Möglichkeit, über die Partei auch Personen zu wählen oder abzuwählen. Als Nicht-Bayer habe ich diese Möglichkeit bezüglich CSU-Politiker nicht. Ich muss das an dieser Stelle noch einmal wiederholen:Ich halte es für ein demokratisches Grundprinzip, dass diese CSU entweder bundesweit antreten oder in Bayern bleiben soll. Und nun wird ein Herr Seehofer, den sie schon in Bayern nicht mehr wollen, und dies will was heißen, zumal für einen CSU-Mann – voraussichtlich auch noch Innenminister – und Heimatminister.Dieser Tage las ich ein kleines buch von Bernhard Schlink ‚Heimat als Utopie‘. Die utopischen Vorstellungen eines Herrn Seehofer zu diesem von Ambivalenzen bestimmten Thema werden wohl recht bockig, wenn er erst zum Gärtner gemacht ist.
@ Robert Maxeiner
Eine kleine Korrektur: Zumindest für Horst Seehofer (Jahrgang 1949) gilt nicht, dass so lange er lebt, in Bayern die CSU regiert habe. Von 1954 bis 1957 war Wilhelm Hoegner, SPD, bayerischer Ministerpräsident, wie schon von 1945 bis 1946. Von ihm stammt auch die Bezeichnung „Freistaat Bayern“.
Danke für die Information, das habe ich nicht gewußt. Dies grenzte doch an ein Wunder, wenn sich die Bayern daran erinnern würden, dass es noch Alternativen zur CSU als Regierungspartei gibt. Es muss ja nicht gerade die SPD in ihrem derzeitigen Zustand sein. Oh, was habe ich da verzapft? Die größte Angst besteht ja derzeit vor der AfD.
@ Robert Maxeiner
Bei der bayerischen Landtagswahl im Herbst 2018 geht es „nur“ darum, ob die CSU wieder die absolute Mehrheit der Sitze erreicht oder wie schon von 2008 bis 2013 auf einen Koalitionspartner angewiesen sein wird. Damals war es die FDP, die dann 2013 aus dem Landtag geflogen ist, diesmal es aber wieder über die 5-Prozent-Hürde schaffen könnte. Außerdem bieten sich die Freien Wähler als Koalitionspartner an. Die SPD wird wohl nicht in die Verlegenheit kommen, über eine Regierungsbeteiligung streiten zu müssen.