Postfach vom 6.10.2016: Üble Demagogie

Postfach — 6. Oktober 2016

„Mit seiner üblen Demagogie hat CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wohl sogar die AfD übertreffen wollen“, schreibt FR-Leserin Doris Fürbeth aus Zornheim in einer Mail, die im Leserbrief-Postfach gelandet ist. Der CSU-Generalsekretär hat sich „unfreundlich“ über Senegalesen ausgelassen. Der Leserinbrief folgt unten. Was meinen Sie dazu? Besorgt Scheuer das Geschäft der AfD?

Dieser Leserinbrief eröffnet die neue Rubrik Postfach, die heute erstmals erscheint (Hintergrund –> HIER). Aus den Leserbriefen, für die ich im Print-Leserforum der Frankfurter Rundschau keinen Platz gefunden habe, treffe ich einmal pro Woche eine Auswahl von bis zu zehn Zuschriften und veröffentliche sie hier im FR-Blog. Eine kleine Anmoderation soll Ihnen einen Überblick darüber verschaffen, welche Themen besprochen werden. Dazu finden Sie unten auch die Links zu Artikeln auf FR-online.de, auf die sich die Leserbriefe beziehen.

Andreas Scheuer macht also den Auftakt, Angela Merkel den Schluss. Dazu gleich mehr. Zwischendurch gibt es nämlich andere Themen. Etwa dieses: Internetsucht. FR-Kolumnistin Katja Thorwarth hat dazu einen — natürlich! — provokanten Text geschrieben. Dafür kriegt sie eingeschenkt. Jürgen Malyssek aus Wiesbaden erwidert: „Mir ist das zu einfach, die Kritiker der digitalen Entwicklung als Kulturpessimisten oder gar Zombies abzuwerten.“ Und Christel Sumerauer aus Eschborn empfiehlt unserer Autorin sogar, „ihr Smartphone zur Seite zu legen“.

Switch. Wir kommen zur OECD und ihrem Bildungsbericht. Es gab zwar gute Noten für Deutschland, aber FR-Leserin Regina Neumann aus Marburg wundert sich trotzdem: Manchmal habe sie „den Eindruck, dass es den OECD-Vertretern mehr auf den bildungspolitischen Aufreger der Woche ankommt als auf eine durchdachte Gesamtschau.“

Außerdem im Postfach: Robert Maxeiner aus Frankfurt sagt den Behörden, was er von ihnen hält – Stichwort: Gemeinnützigkeit von Attac. Michael Schönemann aus Maintal denkt über die Beziehungen zwischen „Raumschiff Enterprise“ und der deutschen Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“ nach. Auch Torben Waschke und Günter Steinke kommen zu Wort. Torben Waschke schreibt zur unübersichtlichen Gemengelage im Syrien-Krieg, Günter Steinke hat Anmerkungen zur Schaffenskraft von Kanzlerin Angela Merkel.

Und nun geht’s los mit dem ersten Leserinbrief.

fr-balkenÜble Demagogie

Zu: Seehofer hält an Scheuer fest, FR-online vom 20. September 2016

rahmen-scheuer-2„Mit seiner üblen Demagogie gegen Flüchtlinge und Asylbewerber hat CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wohl sogar die AfD übertreffen wollen. Zitat: „Das schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier – als Wirtschaftsflüchtling. Den kriegen wir nie wieder los.“ Dagegen haben einige katholische Würdenträge – u.a. Kardinal Reinhard Marx (Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz) eine „rote Linie“ im Umgang mit Flüchtlingen angemahnt. Auf Facebook hatte Generalvikar Fuchs hinzugefügt: „Na dann liebe Pfarreien und Sportvereine lasst das mal mit eurer Integrationsarbeit. Herr Scheuer übernimmt.“ Kardinal Marx hat Herrn Scheuer empfohlen, doch mal in seine Doktorarbeit zum Thema „katholische Ethik“ zu schauen.
Diese Kaltschäuzigkeit ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die Flüchtlinge unterstützen und ihnen helfen, sich bei uns im Alltag zurechtzufinden. Immerhin tun das 10 % aller Deutschen; auch in Zornheim. Herr Scheuer und seinesgleichen schüren Fremdenhaß und schwafeln von „christlich-abendländischer Tradition“.
Ach ja, und dann gibt es noch den schönen Politiker(innen)-Satz: „Wir müssen Fluchtursachen bekämpfen“. Wie das geht, macht die EU einschl. Deutschland seit Jahren vor. So werden Nahrungsmittel weit über den Eigenbedarf hinaus erzeugt. Was man in der EU und auf den sonstigen Märkten im Westen bzw. Asien nicht los wird, geht in afrikanische Länder. Die afrikanischen Bauern haben gegen diese hochsubventionierten Lebensmittel-Einfuhren mit ihren Erzeugnissen keine Chance. So werden die Märkte in etlichen afrikanischen Ländern (auch im Senegal) kaputt gemacht, denn so konkurrenzlos billig kann kein afrikanischer Landwirt Nahrungsmittel erzeugen.
Und dann gibt es noch die z.T. kriminellen Handelsabkommen, die es den Bauern unmöglich machen, sich dagegen zu wehren. So schafft man Fluchtursachen. Was zuvor in den Aufbau und die Weiterentwicklung landwirtschaftlicher Strukturen (oftmals durch Entwicklungshilfe) investiert wurde, verrottet. Das Ergebnis ? Landflucht.
Also kommen kommen u.a. auch Flüchtlinge aus diesen afrikanischen Ländern als sog. „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu uns, nachdem ihre Lebensgrundlagen durch EU-Agrarüberschüsse bzw. Handelspolitik kaputt gemacht wurden. Gerade in Deutschland werden die Ackerflächen und das Grundwasser durch Überproduktion und Massentierhaltung verseucht. Herr Scheuer sollte sich bei seinem CSU-Parteifreund und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sachkundig machen. Sein Einfluss in der EU hat Gewicht und gerade Herr Minister Schmidt macht sich hier mitschuldig. Politik „aus einem Guss“? Kann man vergessen.
Was Jahre zuvor in den Aufbau landwirtschaftlicher Strukturen (oftmals mit EU-Entwicklungshilfe) in Afrika investiert wurde, verrottet. Das Ergebnis ist Landflucht in Megastädte und Slums. Alle Menschen wollen ein besseres Leben. Das ist legitim. Aber bitte nicht auf Kosten Anderer.“

Doris Fürbeth, Zornheim

fr-balkenFluch und Segen untrennbar verbunden

Thema Internetsucht: Teufelsdroge Internet, FR-online vom 15. September 2016

„Es ist immer in Ordnung, Debatten nicht eskalieren lassen zu wollen. Auch im Falle des digitalen Zeitgeschehens. Kritisieren muss ich aber, wenn im Meinungsbeitrag von Katja Thorwarth zu lesen ist, eine Debatte werde dann hysterisch, wenn Smartphones mit Heroin gleichgesetzt werden. Von einer Gleichsetzung kann keine Rede sein. Aber Sucht ist Sucht (ob stofflich gebunden oder nicht). Die Aussage von Harald Welzer zur rasanten Veränderung unserer Lebenswelt kann ich nur unterstreichen. Sie, Frau Thorwarth, stimmen dem auch zu.
Es geht nicht darum, die kulturelle Vergangenheit zu glorifizieren (zu allen Zeiten sollte Kritik und Widerspruch Teil der öffentlichen Debatte sein). Was heißt übrigens schon Vergangenheit, mit Blick auf 1988? Das ist kein langer Blick zurück.
Man sollte auch nicht die Hardware mit den Symptomen verwechseln. Einverstanden. Aber mir ist das zu einfach, die Kritiker der digitalen Entwicklung und der überdeutlichen Folgen für das gesellschaftliche Leben, als auch der neuen Süchte, als Kulturpessimisten oder gar Zombies abzuwerten. Immer wieder eine gerne benutzte Rhetorik, um jegliche lohnenswerte Debatte im Keim zu ersticken. Es geht darum, aufmerksam die Zeit und ihre fragwürdigen Produkte und Ergebnisse für die Menschen kritisch und mit entschiedener Wachheit wahrzunehmen. Das musste man auch in den 1980er Jahren. Zu keiner Zeit waren Fluch und Segen von angeblichen Fortschrittsentwicklungen voneinander zu trennen.
Bitte keine Totschlagargumente, wie da kommen wieder die Alten, die sowieso alles besser wissen. Oder der gesellschaftliche Schock als der Buchdruck erfunden wurde oder als die erste Eisenbahn über die Schienen fuhr, usw.
Wir haben allen Grund mit Skepsis und großer Wachsamkeit auf die heutige Zeit zu schauen, mit einer neuen Dimension der technologischen Entwicklungen, gepaart mit den grenzenlosen ökonomischen Machtkonzentrationen. Und: Erfahrungen und Erkenntnisse der Zombies dürfen durchaus eine Rolle spielen. Sie sind nicht per se altmodisch und auch nicht hinter dem Mond.
Gesund ist das alles nicht, was die sozialen Netzwerke und die Endloskommunikationen im öffentlichen Leben (privat ist es schon lange nicht mehr) mit den Nutzern machen. Das neue mediale Zeitalter hat Abhängigkeiten geschaffen, die es in dieser Form vor 30 Jahren nicht gab. Was heißt schon Gesellschaft und Verantwortung? Wer will wo noch den Hebel der Verantwortung ansetzen. Was ist die Gesellschaft heute noch?

Jürgen Malyssek, Wiesbaden

Die Sphäre der Trivialkultur

Liebe Frau Thorwarth, ich habe Ihren Kommentar erwartungsvoll gelesen, konnte aber bis zum letzten Absatz keine weiterführenden Inhalte finden. Und der letzte Absatz ist leider konfus formuliert. Sie scheinen selbst in der Welt des Internet und der Smartphones gefangen zu sein und wenig Zugang zur Realität zu besitzen. „Best Ager“ – was für ein dummer Ausdruck – arbeiten durchaus mit dem Internet, auch wenn Sie meinen, dass diese Entwicklung an ihnen vorbeigegangen ist. Das Internet gibt es schon seit Ende der Achtzigerjahre und es kann wohl kaum sein, dass „Best Ager“ sich nie dafür interessiert haben. Ihre Formulierung: Der Griff zum Drogentransmitter gilt quasi schon als Kick; doch wie intensiv ist erst der Rausch, wenn die Hardware in die Welt der sozialen Netzwerke, Online-Spiele, Shopping-Portale oder Sexseiten einlädt: eben in die Sphäre der Trivialkultur, der schnellen Chats und oberflächlichen Beziehungen. Schön zitiert, aber wie lautet Ihr Kommentar? Was stimmt daran nicht? Natürlich ist es Trivialkultur, man muss nicht mehr nachdenken, sondern konsumiert einfach. Was bringt es, wenn ich mit 38 „Freunden“ parallel chatte? Wenn ich wirklich einmal Unterstützung brauche, dann finde ich kaum jemanden, der sich in den sozialen Netzwerken die Mühe macht, sich mit meinen Problemen auseinanderzusetzen. außer man kann es gut vermarkten.
„Man muss ja nur einmal S-Bahn fahren oder in irgendeinem Warteraum sitzen, um zu sehen, wie sich unsere Welt verändert hat“, konstatiert der Soziologe Harald Welzer, womit er natürlich völlig richtig liegt. Aber? Wieso liegt er richtig, wenn Ihre Einschätzung eine völlig andere ist? Wie lautet sie? Ihre Zynik ist leider nicht nachvollziehbar. Freiwillig sind sie paralysiert, in die Isolation entrückt, das Handy dient als Ersatz für zwischenmenschliche Kommunikation, die Freundin macht es nicht anders, als hätten sie nichts zu bequatschen. Ja, auch das ist so. Die zwischenmenschliche Kommunikation wird auf des Nötigste beschränkt. Wer kann schon in das Smartphone so viel und so schnell etwas eingeben, wie es in einer Unterhaltung möglich wäre. Aber da muss man länger nachdenken und vielleicht zu sinnvollen Ergebnissen kommen, nicht nur zu gängigen Redewendungen (die mir vielleicht schon das Smartphone vorformuliert hat). Vielleicht aber bequatschen sie auch nichts anderes als die Teenies 1988: Das Angebot an Boys und Girls ist natürlich größer, sie glotzen in ihr „Heroin“ anstatt in die Bravo, gechattet wird mit 38 Friends parallel auf welchen-Kanälen-auch-immer, und um ein Video von „Haftbefehl“ zu sehen, müssen sie nicht warten, bis Viva erfunden ist. Doch ist das jetzt die Entwicklung, die die Welt der Hochkultur entledigt? Sie scheinen 1988 noch nicht auf der Welt gewesen zu sein. Die BRAVO hatte max. 30 Seiten und erschien einmal pro Woche. Dazu brauche ich nicht täglich 5 Stunden oder mehr, um sie zu lesen und durchzuarbeiten. Man hatte genug Zeit, sich mit seinen Freunden und der Familie zu treffen und zu unterhalten. Das brachte einen durchaus weiter. Man wurde nicht von den Medien besetzt und gestaltet. Die Bestätigung des Kulturpessimisten, der ein neues mediales Zeitalter zu einem Problem herunterschrumpft, so als habe es sämtliche Abhängigkeiten, die aktuell unter „Internetsucht“ firmieren, nicht schon vor 30 Jahren gegeben? Nein, die gab es so nicht. Kein Medium hat so viel Zeit in Anspruch genommen und jemanden so dumm gehalten wie das Internet und die sozialen Netzwerke. Wenn man z.B. etwas für die Uni vorbereiten musste, dann hat man das nicht aus dem Internet zusammen kopiert, sondern sich Literatur besorgt, nachgedacht und ist selbst zu Ergebnissen gekommen. Eigentlich ist es doch ganz praktisch, traditionelle Süchte wie Spielsucht unter einem Medium zu subsumieren, dessen allgegenwärtige Zugänglichkeit zwar auf allen Kanälen beworben wird, die Gesellschaft aber von der Verantwortung freizusprechen scheint. Wie bitte? Was wollen Sie damit sagen? Da fehlt es doch an jeglicher Logik! Die sitzt schmollend in ihrem Schaukelstuhl und beharrt darauf, die Symptome mit der Hardware zu verwechseln, und die kulturelle Vergangenheit zu glorifizieren. Gegen einen 80er-Jahre-Porno vorm Röhren-TV, konsumiert mit einem guten Weinbrand in der Linken, ist nichts einzuwenden. Die Zombies von gestern beharren halt auf Tradition. An dieser Formulierung merkt man sehr deutlich, dass Sie keinen Zugang zur Geschichte, Kultur, zum Leben und dem Leben der Erwachsenen haben. Ich empfehle Ihnen dringend, ihr Smartphone zur Seite zu legen und sich mit der Realität und der Vergangenheit zu beschäftigen.

Christel Sumerauer, Eschborn

fr-balkenDer bildungspolitische Aufreger der Woche

OECD: Kleine Klassen allein helfen nicht, FR-online vom 15. September

Manchmal wundere ich mich über die OECD: Da wird das duale System der Berufsausbildung gelobt, dann wird gefordert, dass mehr junge Menschen studieren. Soll also das System, das erfolgreich junge Menschen in Lohn und Brot bringt, durch eins ersetzt werden, das in anderen Ländern zu hoher Jugendarbeitslosigkeit führt? Und es wird eifrig für frühkindliche Bildung geworben. Nun kann man aber leicht feststellen, dass z. B. in Bayern nur 27,5 % der Kinder unter drei Jahren eine KiTa besuchen, in Sachsen-Anhalt aber 57,9 %. Dafür erreichen in Bayern nur 6,5 % keinen Schulabschluss, in Sachsen-Anhalt aber 12,1 %. Warum wird daraus nicht geschlossen, dass eine familiäre Betreuung der unter Dreijährigen den schulischen Erfolg fördert? Zudem möchte ich endlich einmal wissen, was die OECD unter einer „kleinen“ bzw. „großen“ Klasse versteht. Man will doch wohl nicht im Ernst behaupten, dass es egal ist, ob in einer Klasse 25 oder 38 Schüler sitzen, es nur auf den Lehrer, die Lehrerin ankommt! Auch wenn Lehrer wegen kleiner Klassen mehr unterrichten müssen, doch dürften sie doch mehr Zeit für den einzelnen Schüler haben.
Das Problem der geforderten Ganztagsschule: Immer unter Aufsicht. Ob man damit 14-Jährige, die vom Leben à la Tschick träumen, hinterm Ofen hervorlocken kann, wage ich doch zu bezweifeln.
Schließlich zum kostenfreien Studium: Es wird immer wieder betont, dass Abiturienten aus bildungsfernen Schichten deshalb nicht studieren, weil sie die Kosten fürchten. Diese Befürchtungen würden Studiengebühren noch unterstützen!
Das alles verstärkt bei mir den Eindruck, dass es den OECD-Vertretern mehr auf „Der bildungspolitische Aufreger der Woche“ ankommt als auf eine durchdachte Gesamtschau.

Regina Neumann, Marburg

fr-balkenDie umfangreichste Erzählung der Literaturgeschichte

Zu: Inspiration durch Star Trek, FR-Online vom 8. September 2016

star-trekIst es ein Zufall, dass genau 5 Jahre früher, am 8. Sept. 1961 der, meiner Meinung nach, eigentliche Urvater dieser Story veröffentlicht wurde: Heft 1 der deutschen SF-Serie „Perry Rhodan“?
Sofern man dieses Genre der Science Fiction Literatur von Anfang an mit verfolgt hat, fallen die Ähnlichkeiten der Personen, der Handlung und der Dramaturgie unzweifelhaft ins Auge. Der Held, ein deutschstämmiger US-Astronaut freundet sich mit einem Außerirdischen an, hier ein Arkonide, mit dessen Hilfe und überlegener Technik er ein US-Raumfahrer-Imperium erschafft und im Sinne intergalaktischer Völkerverständigung und Toleranz jedwede phantastischen Abenteuer besteht. Mir scheint, Gene Rodenberry hat sich seine Ideen zu Raumschiff Enterprise in meiner Wahrnehmung unzweifelhaft von den deutschen Autoren von „Perry Rhodan“ , in den Anfängen K.H.Scheer und Walter Ernsting alias Clark Dalton geholt und in teilweise nahezu identischer Form als Drehbücher umformulieren lassen. Sehr viele Episoden von „R E“ finden sich auch in den Romanen der Serie „P R“ handlungsidentisch wieder, mit geringen Veränderung der Beteiligten und Orte. Ich habe mich schon damals gefragt, ob die Autoren von „PR“ keine ausreichenden Copyrights auf ihre Ideen haben eintragen lassen oder ob man das damals einfach nicht so genau genommen hat. Die Autoren konnten ja auch nicht annehmen, daß ihre Geschichten zur umfangreichsten und am längsten fortlaufenden Erzählung der Literaturgeschichte werden würde; mittlerweile bis zum Jahre 5050 weitererzählt. Ob die Macher von „RE“ in Ermangelung eigener Ideen solange durchgehalten hätten, möchte ich allerdings bezweifeln.

Michael Schönemann, Maintal

fr-balkenDas Finanzamt hat einen Politskandal heraufbeschworen

Gemeinnützigkeit: Attac blitzt ab, FR-online vom 9. September 2016

Entweder steht das Rechtssystem auf dem Kopf oder das Frankfurter Finanzamt macht in Sachen Attac Politik. Attac war ja als gemeinnützig anerkannt. Folglich hätte die Behörde belegen müssen, dass sie selbst nicht politisch motiviert handelt. Sollte ihr dies wider Erwarten gelingen, hätte sie als nächsten Schritt beweisen müssen, dass Attac nicht in den Katalog gemeinnütziger Zwecke passt. Andernfalls hätte die übergeordnete Behörde ihr Urteil einkassieren müssen. In der Flüchtlingspolitik fordert Merkel zu Recht, wieder auf den Boden der Sachpolitik zurück zu kommen. Diese hat das Finanzamt Frankfurt skrupellos verlassen und damit ohne Not einen Politskandal herauf beschworen. Mit Ceta und TTIP, erst einmal eingeführt, würde es uns ähnlich ergehen, indem die Betrogenen und Geprellten vor politisch voreingenommenen Schiedsgerichten gegen mächtige Konzerne antreten müssten. Hier wird die Demokratie brutalstmöglich ausgebeutet.

Robert Maxeiner, Frankfurt

fr-balkenDie hegemoniale Vernunft der USA

Syrien: USA brechen Dialog mit Russland ab, FR-online vom 4. Oktober 2016

Als wäre das allein nicht Unglück genug, wurde aus dem syrischen Bürgerkrieg spätestens 2012 ein Stellvertreterkrieg, in dem sich, vereinfacht gesagt, zwei Lager gegenüberstehen. Auf der einen Seite die westlichen Staaten, die Türkei und die Golfstaaten und auf der anderen Seite Russland und der Iran, die den Sturz Assads zu verhindern suchen. „Die syrische Tragödie hat das Potential zum Weltbrand, weil sich hier globale, machtpolitische Interessen kreuzen. Der Grund ist Geopolitik“, so Michael Lüders. Ebenfalls Michail Gorbatschow und Henry Kissinger konstatieren, dass „die Interessen für uns wichtiger sein müssen als alles andere“ bzw., dass „Amerika […] keine dauerhaften Freunde oder Feinde [hat], nur Interessen“. Im umkämpften Mikrokosmos Syrien sind Kräfte von lokalen Veränderungen zu spüren, die eine Verschiebung der gesamten geopolitischen Tektonik implizieren, die Kissinger als „neue Weltordnung“ definiert. Eine Zeit neuer Unübersichtlichkeiten erwächst, die nicht länger von einem Machtzentrum allein bestimmt wird. Der Kreml hält so lange an Assad fest, bis der Preis stimmt, d. h., wenn sie ihre Interessen gewahrt sehen. Umso mehr nach den Erfahrungen in Libyen, wo Russland der große Verlierer war. Diametral folgt die Politik der USA einer hegemonialen Vernunft, die nicht auf ein Gleichgewicht der Kräfte abzielt, sondern versucht ihre politische und wirtschaftliche Vorherrschaft zu sichern. Nicht ohne Grund hat sich der Aktienkurs des größten US-Rüstungskonzerns, Lockheed Martin, zwischen Mitte 2010 und Mitte 2016 verdreifacht. Regierungsbeamte sagen es ganz offen: Der Terminus „endloser Krieg“ ist keine rhetorische Floskel, sondern eine präzise Zustandsbeschreibung amerikanischer Außenpolitik. Liberal war diese Weltordnung immer nur für ihre Nutznießer. Die geopolitische und auf völlig falschen Prämissen beruhende Haltung westlicher Politik trägt mindestens ebenso ein hohes Maß an Mitverantwortung für die Schicksale einer gesamten verlorenen Generation. Fehlende Diplomatie und Kompromissbereitschaft haben den Weg geebnet für den weiteren Staatszerfall und den Vormarsch des „Islamischen Staates“. Eine Kursänderung aus Einsicht in gegebene Realitäten, hätte den Syrern viel Leid erspart, wäre der Westen – allen voran Washington– auf Moskau zugegangen. Die Politik war lange Zeit darauf fokussiert, Russland immer wieder zu geißeln. Bereits Egon Bahr erkannte: „Die russische Bereitschaft zur Kooperation nicht auszunützen wäre töricht und ein historischer Fehler.“ In der instabilen Region ist die politische Lage so verfahren, dass die zukünftigen Folgen unabsehbar sein werden. Für Syrien bedeutet das, dass es keine einfachen Lösungen geben wird. Westliche Regierungen müssen auf Augenhöhe mit allen Akteuren reden und verhandeln. Das schließt Russland ausdrücklich mit ein. Es müssen mehr diplomatische Großmachtkompromisse eingegangen werden. „Nationale Interessen und Geopolitik heißen heute die neuen alten Schlüsselbegriffe“, so formuliert es der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Hans-Peter Bartels bzw. offenbarte sich diese veritable Quintessenz schon in Bahrs Aphorismus: „Geografie und Interessen sind konstanter als kurzlebige Legislaturperioden und ihre Repräsentanten.

Torben Waschke, Sulzbach

fr-balkenNirgends sind wirkungsvolle Vorschläge zu erkennen

„Wir schaffen das“: Kanzlerin Merkel rudert halb zurück, FR-online vom 20. September 2016

In diesem Ausspruch der Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sie offensichtlich das falsche Personalpronomen verwandt. Richtig hätte sie sagen müssen: „Sie schaffen das!“ Denn ohne die Unterstützung unheimlich vieler hilfsbreiter Mitbürgerinnen und Mitbürger unseres Landes wären die hierher gekommenden Kriegsflüchtlinge und Asylsuchenden dem immer noch vorherrschenden Behördenchaos weitgehend hilflos ausgesetzt gewesen – und sind dies leider zu oft immer noch.
Bleibt man jedoch beim Originalausspruch der Kanzlerin, so müsste das Wörtchen „nicht“ ans Satzende gesetzt werden. Schaut man nämlich auf die Hauptverantwortlichen in dieser Frage, so kann man mit Fug und Recht konstatieren: „Wir schaffen das nicht!“ Mit „Wir“ sind insbesondere der Leiter des Kanzleramtes Altmaier sowie der Leiter des BAMF Weise gemeint. Beide sind von der Kanzlerin mit Zusatzaufgaben zur Bewältigung der „Flüchlingsflut“ betraut worden, dabei hätte sie bemerkt haben sollen, dass Herr Altmaier bereits mit der Leitung des Kanzleramtes ebenso heillos überfordert zu sein scheint, wie Herr Weise als Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit. Gleiches gilt wohl auch für den Bundesinnenminister, der bis heute nicht in der Lage zu sein scheint, die Zahl der im Jahr 2015 eingereisten Flüchtlinge / Asylsuchenden bis auf etwa 10.000 genau anzugeben, sich stattdessen immer wieder in blumige Ausreden flüchtet.
Die Decke qualifizierten Führungspersonals scheint auf Bundesebene dermaßen dünn zu sein, dass bereits auf mit ihren originären Aufgaben überforderte Politiker bzw. politische Beamte zurückgegriffen wird, um ihnen zusätzliche Aufgaben zu übertragen, die sie dann folgerichtig ebenso wenig zu lösen in der Lage sind, wie ihre eigentlichen.
Wirkungsvolle Vorschläge oder Taten der Kanzlerin zur Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern kann ich nirgendwo erkennen. Dass sie sich stattdessen der Erpressung des türkischen Despoten Erdogan ausliefert, zeugt von großer Ideen- und Hilfslosigkeit zur Lösung eines der größten Probleme der Gegenwart, das Millionen Menschen existenziell bedroht.
Ich vermisse von ihr auch bei ihren Besuchen in Ungarn, Tschechien oder Polen die dort aktuell Regierenden auf die Freundlichkeit der Aufnahme von Flüchtlingen aus diesen Ländern im Westen, insbesondere in Deutschland, zu Zeiten des Ungarnaufstands 1956, der Okkupation der Tschechoslowakei 1968 durch die Armeen der „befreundeten“ Staaten des Warschauer Pakts oder auch der Solidarnosc-Bewegung in Polen ab etwa 1980 hinzuweisen – und heute die gleiche Menschlichkeit von ihnen einzufordern.
Der in den Vorstand der Deutschen Bahn aus dem Bundeskanzleramt entflohene Herr Pofalla wird schmerzlich vermisst: Bei ihm wären diese „Problemchen“ mit Flüchtlingen / Asylsuchenden analog zur von ihm seinerzeit behandelten NSA-Affäre sicherlich längst “… vom Tisch!

Günter Steinke, Wiesbaden

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7 Kommentare zu “Postfach vom 6.10.2016: Üble Demagogie

  1. Zu: Teufelsdroge Internet

    Wie es scheint, haben sowohl Herr Malyssek als auch Frau Sumerauer die satirische Zuspitzung bei Katja Thorwardt völlig übersehen. Was besonders bei Frau Sumerauer komisch wirkt, wenn sie ihr emphatisch und mit einer gehörigen Portion Hochmut und einigen Unterstellungen eben das zum Vorwurf macht, was diese gerade satirisch aufs Korn genommen hat.
    Höchst kurios, wenn Frau Sumerauer meint, Frau Thorwardt als geschichts-, kultur und lebensfernes jungsches Smartphone-„Zombie“ einordnen und ihr einen Realitäts-Kurs meint empfehlen zu müssen, während Herr Malyssek glaubt, hier eine der „Alten“ vor sich zu haben, „die sowieso alles besser wissen“. – Und dabei haben doch beide den gleichen Text gelesen – oder meinen, ihn gelesen zu haben!
    Ist die Untugend, statt auf eine Sache, ein Problem einzugehen, sich lieber die sich äußernde Person vorzunehmen und an ihr all seine aufgestaute Wut auszulassen, also wirklich erst dem Online-Zeitalter mit seinen – sicherlich höchst problematischen – Erscheinungen entwachsen? Sicherlich wäre die Wirkung der „Lügenpresse“-Krakeeler ohne deren medialen Möglichkeiten nicht die gleiche. Doch wer den Ursachen solcher Verhaltensweisen auf den Grund gehen will, sollte auch nicht das Medium zum Beelzebub erklären, um von der eigenen Verantwortlichkeit abzulenken.

  2. Mir ist da einiges unklar geblieben, was Herr Engelmann mit seiner Erwiderung an Frau Sumerauer und mich auf unsere Meinungen zur Kolumne von Katja Thorwarth zur Internetsucht bezweckt? Vorab: Ich meine nicht, den Text von Katja Thorwarth gelesen zu haben – ich habe ihn gelesen! Ich weiß auch nicht, was Herr Engelmann unter Satire versteht. Keineswegs kann ich erkennen, dass die Kolumnistin das Thema satirisch aufs Korn genommen hat. Ich habe guten Grund anzunehmen, dass Frau Sumerauer auch keine satirischen Zuspitzungen übersehen hat.
    Und wenn ich von den „Alten“ spreche, „die sowieso alles besser wissen“, dann meine ich nicht die Kolumnistin, sondern „unsereins“, die mit den von mir genannten Totschlagargumenten der Fortschrittsanhänger für jedwede Zeitkritik sehr schnell disqualifiziert werden. Und was heißt hier „Untugend, sich äußernde Personen vorzunehmen und an ihr all seine aufgestaute Wut auszulassen, statt auf ein Problem einzugehen“? Natürlich beziehe ich mich bei meiner Kritik zunächst auf die sich geäußerte Person. Aber ansonsten ist meine Problematisierung auf die Sache Internet und Sucht sowie die überbordende Kommunikationstechnologie bezogen. Na ja, sicher kommt auch etwas Ärger zum Vorschein, gerade weil ich die digitalen Auswüchse nicht dem MEDIUM alleine zuschreibe, sondern der Willfährigkeit und Anpassungsfähigkeit der Menschen an den scheinbar unaufhaltsamen technologischen Fortschritt und damit eine kritische Distanz zu den Entwicklungen kaum noch ermöglicht. Ganz zu schweigen vom Nachdenken über die menschlichen und sozialen Fragen dieser Zeiten. Aber deshalb lasse ich noch lange nicht all meine angeblich aufgestaute Wut an Meinungsäußerin wie Katja Thorwarth aus.
    Was meint Herr Engelmann am Schluss eigentlich mit der „Ablenkung von der eigenen Verantwortlichkeit“? Das gebe ich gerne zurück.

  3. Lieber Herr Malyssek,
    zunächst klipp und klar eine Antwort auf die von Ihnen angesprochenen Punkte:

    (1) „Satirischen Zuspitzungen“
    Frau Thorwardt betitelt ihren Beitrag als „Kolumne“.
    Definition von „Kolumne“ lt. Wikipedia: Sie „bezeichnet in der Presse sowie im Online-Journalismus einen kurzen Meinungsbeitrag als journalistische Kleinform“. „Nicht immer klar von ihr zu unterscheiden“ ist „die Glosse, ein kurzer und pointierter, oft satirischer oder polemischer, journalistischer Meinungsbeitrag“.
    Aufgabe der Kolumne wie der Glosse ist, Leser über bestimmte Erscheinungen zum Denken anzuregen, z.T. auch eine Grundeinstellung der Zeitung zu politischen Fragen zu markieren. Das Mittel der satirischen Zuspitzung gehört selbstverständlich zu den wesentlichen Stilmitteln einer solchen journalistischen Form. Ihm dieses Recht zuzugestehen, als „Kolumne“ gekennzeichnete Beiträge in diesen Kontext einzuordnen, kann jeder Journalist von einem seriösen Leser erwarten.
    Als „Kolumne“ in diesem Sinne einzuordnen ist auch mein eigener Beitrag. Schließlich geht es in diesem Blog auch wesentlich darum, zum Denken anzuregen und sich anregen zu lassen.

    (2) „Ablenkung von der eigenen Verantwortlichkeit“
    Kurz gesagt: Verantwortlich ist jeder für das, was er schreibt, vor allem, wenn es im öffentlichen Raum geschieht. Und dies gilt nicht nur für Journalisten, sondern für alle, die sich in einem öffentlichen Raum äußern und diesbezüglich eine Rolle einnehmen, die ursprünglich Journalisten vorbehalten war.

    (3) „Natürlich beziehe ich mich bei meiner Kritik zunächst auf die sich geäußerte Person.“ (Ihre Äußerung – Sie meinen vermutlich: „sich äußernde Person“)
    Eben da liegt der Hase im Pfeffer: Dies ist alles andere als „natürlich“. Dass dies bereits als „natürlich“ angesehen wird, resultiert vielmehr aus einer zunehmend sich steigernden Aggressivität im gesellschaftlichen Umgang und Diskurs, der elementarste zivilisatorische Regeln des Anstands, des Diskurses und des Umgangs miteinander außer Acht lässt. Eine Tendenz, die man mit Fug und Recht als „Verwilderung der Sitten“ bezeichnen kann.
    Der Philosoph Schopenhauer bezeichnet als „Scheinargument“ eine Äußerung, die „sich wie beim argumentum ad hominem auf die Person des Gegners richtet, dabei jedoch keinen Bezug mehr zum eigentlichen Streitthema enthält“. Und er fügt, satirisch zuspitzend hinzu: „Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“ (Wikipedia: ad hominem)

    Das ist nun das eigentliche Problem, auf das ich wenigstens in Ansätzen eingehen möchte. Denn es ist die Verantwortlichkeit eines jeden, sein eigenes Verhalten und seine Beiträge dahingehend zu prüfen, ob bzw. inwiefern sie solchen Tendenzen Vorschub leisten oder ihnen widerstehen.
    Das, was gegenwärtig im US-Präsidentschaftswahlkampf einer – hoffentlich überwiegend angeekelten – Weltöffentlichkeit vorgeführt und zugemutet wird, zeigt die Dimension dieser Tendenzen auf. Die längst schon über die Frage des Anstands hinaus die Frage aufwerfen, in welchem Maße bereits die Grundlagen einer Demokratie angetastet und beschädigt sind. Und dazu gehört eben der sachorientierte öffentliche Diskurs, der bei aller sachlichen Härte den Respekt vor der Person des anderen nicht verliert.

    Zurück zu Katja Thorwarth: Ich lese seit Jahren ihre Beiträge und schätze sie. Und ich habe sie u.a. zur Grundlage einer genaueren Untersuchung von Tendenzen in Online-Foren gemacht, auf die ich im Blogtalk „Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit in Online-Debatten“ (16.10.2014) näher eingegangen bin.
    Angefügt einige Auszüge aus meinem einleitenden Statement „Internetforen und kommunikatives Verhalten“, das nichts an seiner Aktualität verloren hat. Im Gegenteil. Die angesprochene Problematik stellt sich heute in noch deutlich verschärftem Ausmaß:
    „So etwa beklagt sich FR-Redakteurin Katja Thorwarth in einer Kolumne am 28.7.2014 über Hassmails und Medienbashing und nennt zahlreiche Beispiele für Verbalausfälle von Foristen (http://www.fr-online.de/medien/online-kommentare-im-land-der–gleichgeschalteten-medien-,1473342,27970158.html). Dies muss Betroffenheit und Empörung bei Lesern auslösen, sollte man meinen. – Doch stattdessen trifft Hohn und Häme die Kolumnistin. 60 % der Kommentatoren sieht die Gründe für Verbalausfälle in ‚Mediengleichschaltung‘ und ‚Zensur‘. Noch schlimmer trifft es Faz.net (Andrea Diener, ‚Meine Tage im Hass‘, Faz, 11.07.2014). Hier sind sogar 82 % dieser Meinung.“
    Als Beispiele zwei solcher Äußerungen: „Sie betreiben Konzernjournalismus, im eigentlichen haben Sie Ihr Recht auf Ihren Job verloren.“ „Jetzt heulen sie wieder rum.“
    Woher diese Aggressivität? – Die folgende Äußerung gibt einen Hinweis: „Wow, mein linksversifftes Geschwätz wird in einem Artikel erwähnt. Bin immer wieder stolz, wenn ich Fässer zum überlaufen bringe.“
    Meine Schlussfolgerung:
    „Hier wird deutlich: Die Erwartung einer hilflosen Reaktion auf die Provokation befriedigt aggressive Machtinstinkte. Journalisten sind zum Symbol einer vermeintlich meinungsunterdrückenden Macht geworden. Nun wird der Spieß umgekehrt. Und die ‚Manipulatoren‘ in der Opferrolle zu sehen bereitet diebisches Vergnügen.“

  4. @ Werner Engelmann

    „Dass dies bereits als „natürlich“ angesehen wird, resultiert vielmehr aus einer zunehmend sich steigernden Aggressivität im gesellschaftlichen Umgang und Diskurs, der elementarste zivilisatorische Regeln des Anstands, des Diskurses und des Umgangs miteinander außer Acht lässt. Eine Tendenz, die man mit Fug und Recht als „Verwilderung der Sitten“ bezeichnen kann.“

    Ich möchte darauf hinweisen, dass Herr Malyssek sich gerade gegen diese Verwilderung der Sitten ausspricht. Ich kann auch nicht erkennen, dass er sich unsere Autorin als Person vorgeknöpft hätte, sondern er setzt sich mit ihren Positionen auseinander. Ich denke, Du preschst mit Deiner Kritik weit übers Ziel hinaus.

  5. @ Bronski

    Ich habe mich bei der genannten Äußerung doch klar erkennbar auf die direkt vorangestellte Bemerkung von Herrn Malyssek bezogen, nach der er – nach eigener Einschätzung, nicht nach meiner – es für „natürlich“ hält, eine Kritik „zunächst auf die sich äußernde Person“ zu richten.
    Um eben diese Äußerung geht es, dass solches „alles andere als ’natürlich‘ ist“. Sowie um das Aufzeigen von gesellschaftlichen Zusammenhängen (z.B. US-Wahlkampf), durch die solche – m.E. eindeutig falsche – Vermischung von Kritik an der Sache und Kritik an der Person zustande kommt (erkennbar u.a. an der Passiv-Form).
    An keiner Stelle habe ich zudem die Kritik von Herrn Malyssek an Frau Thorwarth selbst thematisiert, noch viel weniger dessen allgemeines Verhalten, das zu bewerten mir nicht ansteht. Ganz im Gegenteil habe ich unter dem Punkt (2) „Verantwortlichkeit“ die genannten Anforderungen an sachliche Auseinandersetzung als allgemeingültig – und damit auch für mich selbst zutreffend – gekennzeichnet.
    Ich kann daher nicht erkennen, inwiefern ich „weit übers Ziel hinaus“ geprescht sein soll. Anmerkungen und Analysen über beunruhigende gesellschaftliche Tendenzen und Entwicklungen sind genau in diesem – und keinem anderen – Zusammenhang zu verstehen. Und ich möchte auch nicht, dass sie in einen Rahmen persönlicher Attacken gerückt werden, die mir völlig fern liegen. Das dürfte auch kaum im Interesse eines sachorientierten Meinungsaustauschs hier im Blog liegen.

  6. Lieber Bronski,
    danke für Ihren Einwurf. So sehe ich mich richtiger verstanden. Klar genug dürften meine Positionen zum Thema Meinungsäußerungen und Diskurs, zivilisatorischem Umgang mit dieser ganzen Aggressivität und diesem Hass im Netz wohl sein. als auch die Notwendigkeit, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, statt nur emotional auf alles zu springen, was zurzeit vor allen im Internet (aber nicht nur) in einer Form und in einem Ton eskaliert, dass man nun wirklich auf kritische Distanz gehen darf. Natürlich spreche ich zunächst die Autorin, Frau Thorwarth, an. Wen soll ich denn in diesem Zusammenhang sonst ansprechen? Aber dann geht es um die inhaltliche Auseinandersetzung. Das ist wohl so rübergekommen.

  7. Lieber Herr Engelmann,
    Sie haben mir ja auf meine Fragezeichen ausführlich geantwortet, aber weiterhin sehe ich mich in einigen Punkten nicht als den eigentlichen Adressaten ihrer Argumentationslinien zum Komplex „der zunehmenden Aggressivität im gesellschaftlichen Umgang und Diskurs, der elementarsten zivilisatorischen Regeln des Anstandes“ usw.
    Wenn Sie, nur weil ich „natürlich“ erst einmal die Kolumnistin Katja Thorwarth direkt anspreche (sie hat nun mal die Kolumne geschrieben), mir sozusagen unterstellen, ich würde mich an der Person abarbeiten, dann werde ich wirklich falsch verstanden. Denn desweiteren bin ich auf die Problematik des Umgangs mit den digitalen Medien eingegangen und sehe in der Tat eine große und langfristige Suchtgefahr, neben den anderen Fragen des Anstandes, der Kultur und des sozialen Lebens. Insofern fühle ich mich auch von dem von Ihnen eingestreuten Schopenhauer-Zitat nicht angesprochen.
    Ich möchte dabei auch nicht in eine quasi akademische Debatte kommen, wo wir uns mit gegenseitigen Belehrungen, mal so oder so profilieren. Insofern ist das, wie und was wir gerade miteinander debattieren, auch mit Bezug auf uns beide als „sich äußernde Personen“, auch nicht ’sachlich‘ clean. Wir sprechen uns ja jetzt auch direkt an und streiten dabei um die Standpunkte.
    Mir ist an dieser Stelle auch nicht so wichtig, ob wir bei Frau Thorwarths Beitrag von einer Kolumne, Glosse oder einem Essay sprechen. Weiterhin kann ich aber keine besondere satirische Zuspitzung herauslesen, und ich bin für die Satire durchaus empfänglich.
    Ansonsten messe ich mich auch nicht mit der Profession eines Journalisten. Hier bin ich Leserbriefschreiber und bin selbstverständlich vernatwortlich für das, was ich äußere und schreibe.
    Zum Schluss: Ich sehe keine eklatante Vermischung von Kritik an der Sache und der Kritik an der Person. Siehe oben. Das Wörtchen „natürlich“ ist mir dann ein bisschen zu hoch bewertet. Wenn zu mir jemand in einer Debatte sagen würde: „Da liegen Sie aber ganz falsch, Herr Malyssek!“, dann sehe ich mich doch auch nicht sogleich respektlos behandelt. Deswegen muss das Streitgespräch ja nicht unsachlich verlaufen.
    Ich akzeptiere, Herr Engelmann, dass Sie mit Ihren Einlassungen nicht in einem Rahmen von persönlichen Attacken gerückt werden wollen. Ich habe es auch nicht so empfunden. Aber unklar blieb mir unterdessen, wer nun eigentlich mit Ihren Thesen angesprochen sein sollte. Das war ein ziemlich großes Paket, das Sie da auf die Ablage gestellt haben.
    Wir könnten uns demnach zum Schluss im weitesten Sinne sachlich einig werden.

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