Der Frust, dem Kind nicht gerecht werden zu können

Ist das nicht sonderbar? Die DDR ersteht wieder auf. Seit einer Woche gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder zwischen ein und zwei Jahren. Da darf dann endlich auch die ebenso farb- wie glücklose Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eine Erfolgsmeldung raushauen: „Deutschland hat bei dem Thema Kinderbetreuung lange anderen Ländern hinterher gehinkt, aber nun in einem echten Kraftakt ganz enorm zugelegt.“ Zugelegt. Gewiss. Dass es Schwierigkeiten geben könnte mit der Erfüllung des Rechtsanspruchs, das zeigt sich beispielsweise in Frankfurt: Was die Kommune auch anstellt – es gibt nur Kita-Plätze für 8000 Kinder, doch genau 21 474 Kinder unter drei Jahren hätten Anspruch. Mal sehen, wie das ausgeht.

Nun können junge Eltern, die möglichst rasch wieder arbeiten gehen wollen, die kleinen Krabbler also tagsüber abgeben. Damit kehrt die DDR zurück, wo flächendeckend Kinderkrippen und Kindertagesstätten zur Verfügung standen, damit die werktätigen Eltern am Aufbau des sozialistischen Vaterlandes mitwirken konnten. Der ideologische Hintergrund aber ist natürlich nicht derselbe. Heute geht es darum, Wahlfreiheit herzustellen, damit dem Arbeitsmarkt möglichst viele Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden. Der Rechtsanspruch ist ein Wirtschaftsförderungsprogramm. Ein Konjunkturprogramm a la Schwarz-Gelb. Es ist ja auch wirklich nicht einzusehen, dass junge Leute, in deren Studium der Staat schließlich große Summen investiert hat, nach der Geburt einfach Eltern sind und ihr Kleines selbst aufziehen wollen, nicht wahr? Und wer sieht hier noch die Kinder?

Diese Frage stellt sich Manuela Melchior aus Frankfurt:

„Wer sieht hier noch die Kinder? Warum werden zahlreiche handfeste, wissenschaftliche Forschungsergebnisse über die frühkindliche Entwicklung nicht berücksichtigt?
Kinder unter drei Jahren haben bereits bei einer Gruppengröße von zehn Kindern einen erheblichen Stress, der sich im Tagesablauf noch steigern kann. Hinzu kommt, dass es zu wenig Personal gibt, um wirklich den Bedürfnissen des noch so kleinen Kindes gerecht zu werden. Auch ist der Personalwechsel für Kinder immer wieder eine Belastung. Nach dem Mittagsschlaf ist keine Zeit für das einzelne Kind.
Das neue Kifög bedeutet zwölf Kinder in einer Gruppe mit angeblich mehr Personal. Wo denn? Mehr Kinder, mehr Personal, woher das Personal? Da hat sich doch dann nichts verbessert. Ich sehe keinen Vorteil, im Gegenteil: Mehr Kinder, mehr Lärm, mehr Konflikte, mehr Stress. Hat dann jedes Kind einen Sitzplatz, gibt es zwölf Betten und Platz dafür? Sind die Gruppenräume groß genug? Auch hier fallen wieder Kosten an. Weiterhin wird uns die Vorbereitungszeit gestrichen und kollegiale Beratung fällt weg. Wie können dann zum Beispiel die wichtigen Elterngespräche vorbereitet, geführt werden?
Und das Versprechen der Politiker „jedes Kind unter drei ein Krabbelgruppenplatz“ hat zur Folge, dass der Beruf der Erzieher/-innen weiter abgewertet wird. Wir Erzieher/-innen sollen jetzt ein Versprechen einlösen, das so nicht erfüllt werden kann, das wir gar nicht gegeben haben. Hier müssen die Politiker zur Verantwortung gezogen werden und nicht wir. Für dieses Versprechen sollen jetzt Einrichtungen Notplätze für Kinder von prozessierenden Eltern zur Verfügung stellen und die eigenen auf den Wartelisten stehenden Notfälle interessieren dann nicht. Es wurde ein Versprechen gegeben, ohne vorab zu klären: Wo gibt es Möglichkeiten zu bauen und wo kommt das Personal her?
Erschreckend finde ich, dass zurzeit Einrichtungen aus dem Boden gestampft werden. So werden in ehemaligen Läden an Hauptverkehrsstraßen ohne Außengelände Einrichtungen eröffnet. Die Wertigkeit/Wertschätzung des Kindes gibt es nicht mehr. Kann ja den ganzen Tag in Abgasen spielen. Was ist mit der Qualität, Wertschätzung meiner Arbeit? Wie kann noch gut und angemessen individuelle Förderung des Kindes stattfinden? Es ist uns allen bekannt, wie wichtig eine gute intensive Fremdbetreuung gerade in den ersten Jahren ist, um eine einigermaßen gute, gesunde Entwicklung ohne die wichtigsten Bezugspersonen – die Eltern – zu gewährleisten.
Ich arbeite nun seit 27 Jahren mit Kindern und muss feststellen, dass sich nicht nach vorne, sondern eher zurück entwickelt wird. Das neue Kifög lässt überlegen, diesen Beruf überhaupt noch auszuüben, auch bei uns Erziehern steigt der Stresspegel und der Frust, dem Kind nicht gerecht werden zu können. Auch ist unsere schlechte Bezahlung nach wie vor ein großes Thema, und die Anforderungen steigen weiter. Hier sieht keiner mehr die Kinder und ihre Erzieher.“

Almut Rosebrock aus Wachtberg meint:

„Die Hatz auf Kinderbetreuungsplätze ist in vollem Gange. Zur Erinnerung: Kinder mit einem Jahr essen gerade anfänglich mit dem Löffel (mehr füttern und kleckern), beginnen die ersten Schritte (mit ständigem „Training“, Fallen und Wiederaufstehen), machen in die Windel, und das „Sprechen“ beginnt mit etwa zwei Jahren, bei einem früher, beim anderen später.
Gerade ist eine Studie herausgekommen, dass gestillte Kinder bessere Aussichten für die Zukunft hätten (die Fragestellung der Studie ist zu hinterfragen). Stillen kann nur die Mutter des jeweiligen Kindes – die es neun Monate in ihrem Leib getragen und unter Schmerzen geboren hat. Sie ist von der Natur mit allem ausgerüstet, um für ein unbeschadetes Großwerden zu sorgen – es hat Zehntausende von Jahren funktioniert.
Wirtschaft und Politik brauchen Geld – und Geld entsteht durch Produktion. Kinder sind zunächst eine riesige Investition in die Zukunft – und sie sind die Zukunft. Kinder sollen rationell „verwahrt“ und „gebildet“ werden, während die Mütter „wichtigere Dinge“ tun – Erwerbsarbeit! (Wenn es denn Arbeitsplätze gäbe.) Dafür redet man ihnen ein, sie seien nicht (mehr) gut genug, ihre Kleinstkinder selbst zu betreuen, zu erziehen und zu „bilden“. Dafür brauche es Professionelle – die Mutter sei entbehrlich.
Dass ein menschliches Wesen in seinen Entwicklungsgängen ein äußerst komplexes Wesen ist, das sich sehr stark am Gegenüber spiegelt, Nähe braucht, Liebe, Ermutigung, Trost, Geborgenheit, Spaß am Miteinander und Aufeinander-Eingehen erfahren darf – und das in einem sehr überschaubaren persönlichen Rahmen –, wird in dieser „modernen Zeit“, die „perfektionieren“ will und andere Ziele hat, zurückgedrängt. Die spannendste und verantwortlichste Aufgabe der Welt, nämlich eigenverantwortlich und aufmerksam für seine Kinder da zu sein, wird von den „Emanzipatoren“ permanent entwertet. Abtreibung ist das „Gebot der Stunde“, Kinder nur „nach Plan“ – und natürlich locker neben der „Karriere“.
Nur: Der Mensch nach „Wirtschaftsplan“ verliert seine Menschlichkeit! Er / sie muss seine Seele „abgeben“, um zu funktionieren. Geld regiert die Welt – und das Handeln der Menschen.
Man könnte auch Mütter (aus)bilden zum verantwortlichen Miteinander mit den Kleinsten der Gesellschaft. Aktuell redet man ihnen ihren Schutzinstinkt für die Kleinen aus – und lässt sie ohne Geld und Anerkennung stehen.
Was braucht der Mensch, um dauerhaft gesund, kreativ, leistungsfähig, motiviert und stressresistent zu sein bzw. zu werden? Um die Tiefschläge und Probleme des Lebens verarbeiten und letztlich in etwas Positives umwandeln zu können? Wie bekommt ein Mensch Wurzeln – und Persönlichkeit? Mutterliebe und Nestwärme sind unverzichtbar! Die Hetze der heutigen Zeit ist nicht gut für das Leben – auch nicht für das der Frauen.
Mütter, Eltern, habt Mut zur Lücke – wenn das Herz es Euch sagt! Lasst Euch nicht drängen – das Leben ist noch so lang.“

Verwandte Themen

4 Kommentare zu “Der Frust, dem Kind nicht gerecht werden zu können

  1. In dem Haus meiner Arbeitsstelle befindet sich seit etwa zwei Jahren auch eine Kita. Natürlich freue ich mich, dass es das gibt, doch in einem Punkt bekomme ich immer wieder extreme Bauchschmerzen, nämlich wenn ich sehe, wie klein die Kinder noch sind, die dort jeden Tag abgegeben werden: Ich schätze, so ein knappes Jahr bis vielleicht drei Jahre, also mit Schnuller, Fläschchen, Windeln, das heißt die können so gerade mal laufen und „Mama“ sagen, wenn es hoch kommt sogar „Papa“.
    Im ersten Semester Pädagogik lernte ich, dass die wichtigste Bezugsperson in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes in jedem Falle die Mutter ist, nur die Mutter und nichts als die Mutter, denn dort lernt das Kind, überhaupt erst mal Vertrauen aufzubauen. Unter ihrer Aufsicht kann es auch mit anderen spielen, ja auch mit verwandten und bekannten Erwachsenen sein, doch braucht es die Mutter unbedingt als lebensnotwendige Stütze. Ab etwa drei Jahren kommt, besonders bei Jungs, vermehrt der Vater ins Spiel und mit vier Jahren darf dann die Lebenserfahrung auch im Kindergarten gemacht werden.
    Ich weiß nicht im Einzelnen, was heutige Eltern, insbesondere Mütter (die Väter dürften/sollten ja vor allem berufstätig sein und sich um den Lebensunterhalt der Familie kümmern) dazu veranlasst, sich den ganzen Tag dem Wichtigsten, das es gibt, ihrem/-n Kind/-ern und damit ihrer ureigentlichen Lebensaufgabe zu entziehen (und wir leben hier nicht in einem Kriegs-, Katastrophen- oder sonstigen Gefahrengebiet). Wenn es aber, was ich leider nicht glaube, wirklich finanzielle Gründe sind (die Unterbringung in einer Kita dürfte auch nicht kostenlos sein), dann hätte ich die eine oder andere Idee, woher das Geld kommen könnte, allen – und zwar wirklich allen – Müttern zu ermöglichen, ihren Kindern bis zum Eintritt in den Kindergarten mit vier Jahren Mutter zu sein:
    1. Stopp aller unsinnigen Finanzierungen madroder Staatshaushalte anderer Länder – das Geld kommt sowieso nicht bei der Bevölkerung an.
    2. Völliger Stopp der „Entwicklungshilfe“ für Länder, die damit ihre Armeen hochrüsten, um sich gegenseitig umzubringen. Dasselbe gilt auch für solche, die Minderheiten diskriminieren und verfolgen.
    3. Verzicht auf immer mehr unsinnige Großbauten wie Riesenflughäfen, Monsterbahnhöfe, Bürohochhäuser, die nie fertig werden und am Ende dann noch leer stehen, weil sie eh niemand benötigt! Schafft lieber bezahlbaren menschenwürdigen Wohnraum für alle, damit auch die Väter wieder mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können.
    4. Umleitung des „Soli“ in die richtigen Kanäle.
    5. Schickt von mir aus gebrauchte Panzer in die Wüste, wo sie eh hingehören, wenn es sie denn schon gibt. (Tipp: Vorher die Kanonen ausbauen.)
    Diese Liste kann und soll natürlich nach Belieben fort-/umgesetzt werden. Zum Schluss ein Hoch auf meine Mutter, die mich mit vier Monaten adoptiert und nach allen Regeln mütterlicher Liebe und Kunst großgezogen hat und die ich auch heute noch, mit meinen 47 Jahren, mit dem höchsten und ehrenvollsten Titel ehre, der einer Frau gegeben werden kann: Mama.

  2. „Im ersten Semester Pädagogik lernte ich, dass die wichtigste Bezugsperson in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes in jedem Falle die Mutter ist, nur die Mutter und nichts als die Mutter, denn dort lernt das Kind, überhaupt erst mal Vertrauen aufzubauen. Unter ihrer Aufsicht kann es auch mit anderen spielen, ja auch mit verwandten und bekannten Erwachsenen sein, doch braucht es die Mutter unbedingt als lebensnotwendige Stütze.“ (Jochen Engels)

    Ansatzweise klang das auch bei den anderen beiden Briefen an, was Engels hier schreibt. Ist das wirklich wahr, dass Kinder das brauchen, oder hat die Pädagogik hier nur den deutschen Ist-Stand beschrieben, ordentlich romantisiert und implizit zum Soll erklärt? Ich glaube, letzteres ist der Fall. Was Kinder zu Beginn brauchen, ist weniger „die Mutter“ als eine Verlässlichkeit innerhalb weniger Bezugspersonen. Es gibt dementsprechend auch keine Ergebnisse, dass die Persönlichkeitsentwicklung in Ländern, in denen der Mutterkult nicht so hoch gehalten wird wie bei uns, schlechter verlaufen würde – Frankreich wäre so ein Kandidat.

    Auch dass gestillte Kinder es während der Entwicklung ihres Immunsystems einfacher haben und sich körperlich entsprechend besser entwickeln als Kinder nur mit industrieller Ersatznahrung, ist bekannt, doch wie lang sollte diese Stillperiode andauern? Die WHO empfiehlt mindestens 6 Monate, was sich durchaus mit den ca. 12 Monaten, die Engels mit gerade laufen und ersten Wörtern stammeln ganz treffend beschreibt, nicht beißt.

    Hier wird zwar heftig „die Wissenschaft“ bemüht, aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Wissenschaft mit dieser Art der Bemühung wirklich einverstanden wäre. Ich halte es eher für bezeichnend, dass das in der Praxis wohl am wenigsten kinderfreundliche Land in Europa zumindest in seinen konservativen Kreisen gleichzeitig den größten Trara um die Mutterrolle veranstaltet.

    Und an noch einer Stelle möchte ich (durchaus auch im Auftrag meine Frau 😉 widersprechen: Es geht genauso nicht nur um die Wahlfreiheit, wie es nicht nur um Arbeitskräfte oder eben auch nicht nur um die Kinder geht – es geht auch um die Männer oder Frauen, die diese Aufgabe der Aufzucht übernommen haben. Und da ist festzustellen, dass wenn ich weder ein Problemkind habe, noch an dem interessiert bin, was dann auf neudeutsch overprotected Child genannt wird, dann sind zwei Kinder (immerhin etwas mehr als der Durchschnitt in Deutschland) ab einem gewissen Alter nicht mehr tagesfüllend. Früher hat man die, die durch ihre Kinder nicht mehr ausgelastet waren, zu Hobbies wie Töpfern und Häkeln verbannt. Warum soll man da nicht mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen und sowohl denen die Möglichkeit geben, sich in einer weiteren Aufgabe zu erleben als auch den Kindern die Möglichkeit geben, sich mit etwas größerem Abstand zu den Eltern zu selbständigeren Personen zu entwickeln?

    Denn im Gegensatz zur Klage um die armen, vernachlässigten Kinder, steht das Phänomen des Mobbing bereits im Kindergarten: Und Mobber wie Gemobbte sind häufig Kinder die am Anfang ihrer Entwicklung zu lange und zu stark im Mittelpunkt gestanden haben. Auch das Peter-Pan-Syndrom wie die Tatsache der längeren Wohndauer der Kinder bei ihren Eltern gehören wahrscheinlich in diesen Zusammenhang.

    Es ist zwar so, dass jeder kulturelle Umbruch auch Eigenschaften eines Großversuchs in sich trägt, doch gibt es bei dem, was zu diesen momentanen „Änderungen“ als möglich Auswirkungen zu erkennen ist, keinen Grund, von einer Bedrohung der Kinder auszugehen – eher das Gegenteil ist der fall. Die geringe Anzahl der Kinder in dieser Gesellschaft gibt ihnen im Gefühl der Eltern eine besondere Wichtigkeit, die ihrer Entwicklung eher abträglich ist; sie wird auf der Kinderseite auch weniger als Liebe empfunden als als Last.

  3. Da spart die Wirtschaft gleich mehrfach.

    Unterbezahlte Menschen gehen arbeiten, geben ihre Kinder an unterbezahlte Hüter ab, weil ihre unterbezahlten Partner nicht fürs Familienleben aufkommen können.

  4. Die moderne Kitadiskussion (s.o.)halte ich grundsätzlich für überfällig. Warum haben Psychologen u.a. Experten nicht schon bei der Planung des Kitagesetzes (Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplätze für Kleinkinder im Vorkindergartenalter)energisch wiedersprochen? Warum hat man so lang stillgehalten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist (sprich: Das Gesetz inkraft tritt)?
    Es ist seit vielen vielen Jahrzehnten(siehe: Geschichte der Kindergartenbewegung) bekannte Tatsache, dass Kindern mit dem abgeschlossenen 3. Lebensjahr das tägliche stundenweise Zusammensein in Gruppen Gleichaltriger guttut, sofern beeignete (professionelle) Betreuer/innen sie anleiten und unterstützen. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse sind völlig unabhängig von Nazi-Deutschlands Mutterkult und DDR-Frauenideologie zum Wohl der Kinder zur Grundlage von flächendeckenden Kindergartenangeboten bis hin zu einem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz eingesetzt und umgesetzt worden. D.h. es ist wichtig Kindergartenplätze bereitzustellen und die Betreuung von Kindern dort zu optimieren, gerade auch um Nachteile einzelner Kinder ggf. durch Herkunft, Migrationshintergrund usw. auszugleichen. D.h. Die Gesellschaft hat die Möglichkeit, bzw. auch die Aufgabe, sich um die Betreuung von Kindern über 3 Jahren zu kümmern.
    Diese Aufgabe hat jedoch nichts damit zu tun, dass sie sich im Regelfall auch um die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren kümmen sollte, dürfte. Sicherlich muss der Staat (Jugendamt) die Augen offen halten und Problemkonstellationen erkennen, beobachten, sich ggf. einschalten, das bedeutet jedoch nicht, dass der Staat im Regelfall in irgend einer Weise dazu beitragen darf Kinder aus der liebevollen und kompetenten, für sie zwingend notwendigen Betreuung durch ihre Eltern zu nehmen und in flächendeckend eingeführte pädagogische Einrichtungen zu bringen. Ich betrachte die derzeitigen Aktivitäten der Politiker (aller Parteien) schon fast als Nötigung, denn die Eltern werden beschwatzt, ihre Kleinkinder im noch nicht gruppenfähigen Alter (unter 3 J.) irgendwo abzugeben und auch noch zu meinen, das sei fortschrittlich und gut für das Kind.
    Entwicklungspsychologen haben seit Jahrzehnten auf die Probleme hingewiesen, die durch Wechsel der Bezugspersonen in den ersten 3 Lebensjahren entstehen können, die Auswirkungen auf Bindungsfähigkeit usw. (alles gut in der Fachliteratur nachzulesen, für jeden den`s interessiert und eigentlich für alle Entscheidungsträger eine nötige Pflichtlektüre). Jeder, der ein Kleinkind im 2. LJ beobachtet, einer Zeit, in der es abgestillt wird, Laufen lernt, Sprache passiv versteht, aktiv benutzt, Trennungen bewusst erlebt usw. wird auch ohne genaue Fachliteratur die Wichtigkeit der Eltern in dieser Phase spüren. Es ist vom Standpunkt des Kindes her unbedingt nötig, die Gesellschaft dafür zu sensibilisieren, dass Kinder in dieser Zeit für Betreuung in der Gruppe und mit wechselnden Bezugspersonen einfach noch nicht geeignet sind, mag die Wirtschaft nun Bedarf an den gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen haben oder nicht.
    Man sollte sich, statt den Fokus auf Kitaplätze für Kinder unter 3 Jahren zu lenken, darum kümmern, Müttern den Wiedereinstieg ins Berufsleben (zeitweise ab Kindergartenalter des Kindes)zu erleichtern (z.B.Betriebskindergärten, Prämien und Zuschüsse für Firmen, die Müttern den Wiedereinstieg möglich machen), Teilzeitregelungen zu fördern, damit Väter und Mütter durch Reduzierung der Arbeitszeit Erziehungsarbeit leisten können, nicht nur am Abend, Wochenend und im Urlaub. Rentenversicherungsmäßig Regelungen zum Ausgleich von erwerbsffreien Zeiten (durch Kindererziehung) usw. Ein Schritt in die richtige Richtung ist die Elternzeit (auszudehnen auf 3 Jahre). Diese Schritte werden durch das Kitagesetz langfristig ausgehebelt, denn wenn Kitaplätze für unter 3-Jährige vorhanden sind, wird man bei allen anderen Maßnahmen zum Schutz der Kindererziehung in der Familie auf diese Plätze verweisen. Ein Trend, dessen Folgen für die Entwicklung einer ganzen Generation (danach wird der Pegel wahrscheinlich wieder umschlagen) m.E. fatal sein könnte.
    Ich muss sagen, hier versteh ich die Kurzsichtigkeit und Uninformiertheit unserer Politiker aller Parteien nicht, die in ihrem Tun lediglich dem Bruttosozialprodukt verpflichtet scheinen Gefallen tun (Frauen als qualifizierte Arbeitskräfte möglichst gut auszubeuten, selbst wenn sie Kinder haben).

Kommentarfunktion geschlossen