Sorgen um den Generalstaatsanwalt

Wem verdankt Deutschland eigentlich seine derzeitige wirtschaftliche Stärke und damit sein politisches Gewicht in der Welt? Einer Kanzlerin Merkel und ihrer schwarz-gelben Regierung? Schwerlich, denn die hat in der bisherigen Legislaturperiode kaum etwas auf die Reihe gebracht außer einem Milliardengeschenk für die Hoteliers, Symbolpolitik in der Kleinkindförderung, einer chaotischen Energiewende und der – vorläufigen – Euro-Rettung. Aber um welchen Preis! Wem also sonst? Unseren Wirtschaftseliten?

Man schaue sich an, was bei ThyssenKrupp gelaufen ist – Missmanagement führt zu Verlusten von fünf Milliarden im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr. Siemens? Der Konzern ist nicht in der Lage, Lieferverträge einzuhalten. Die Deutsche Bahn? Hat sich bei Stuttgart 21 (erwartbar) verkalkuliert; der Tiefbahnhof wird deutlich teurer, dafür müssen nun andere Ausbauprojekte wie der seit langem benötigte und auch in internationalen Verträgen zugesicherte Ausbau der Oberrheinstrecke warten. Und die Deutsche Bank – mit zwei Billionen Euro Bilanzsumme gehöre sie zum gefährlichsten, was Europa derzeit zu bieten hat, schrieb Robert von Heusinger in seinem jüngsten Leitartikel – hat gerade mit einem Ermittlungsverfahren wegen Umsatzsteuerbetrugs in dreistelliger Millionenhöhe zu tun. Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen, erst jüngst angetreten, um den Ruf des Bankhauses zu retten, ist tief in eine Steuer- und jetzt auch noch eine Telefonaffäre verstrickt. Er hat nämlich den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier angerufen und sich persönlich beklagt, dass der massive Polizeieinsatz bei der Razzia dem Image des Instituts erheblich schade.

Nein, unsere Wirtschaftseliten können schwerlich der Grund dafür sein, dass es Deutschland gut geht. Sie sind eher Missmanager – so auch die Print-Überschrift eines anderen FR-Leitartikels von Holger Schmale. Gerade Fitschens Telefon-Affäre scheint ein Schlaglicht darauf zu werfen, wie diese Leute Unternehmenspolitik betreiben: in enger „Kooperation“ mit der Politik. Wenn es Deutschland wirtschaftlich gut geht, denn nicht wegen solchen Leuten, sondern trotz ihnen. Suchen wir die Gründe lieber bei den innovationsfreudigen mittelständischen Unternehmen und in der unpopulären Schröder’schen Agenda-Politik, die Arbeit in Deutschland so sehr verbilligt hat, dass der deutsche Standort plötzlich sogar mit China konkurrieren kann. Die Kehrseite der Medaille ist die Entstehung des sogenannten „Prekariats“: Der Erfolg der Wirtschaftsnation Deutschland wird nicht zuletzt von Millionen Schultern prekär Beschäftigter getragen. Die Früchte dieses wirtschaftspolitischen Erfolges, der sozialpolitisch ein einziges Desaster ist, werden derzeit von der schwarz-gelben Bundesregierung eingefahren. Sie hat damals über den Bundesrat zwar kräftig mitverhandelt, aber die Agenda 2010 ist natürlich trotzdem ein Schröder-Baby.

Das also sind die wahren Leistungsträger – und nicht die Crommes, Löschers, Grubes und Fitschens dieser Republik, die mal eben schnell zum Telefon greifen und bei ihren politischen Freunden anrufen, wenn ihnen was quersteht. Im Fall Fitschen waren das 500 Fahnder, die am 12.12.12 die Zentrale der Deutschen Bank durchsucht hatten. Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft wirft 25 Mitarbeitern der Bank Steuerhinterziehung, Geldwäsche und versuchte Strafvereitelung im Zusammenhang mit millionenschwerem Handel mit Luftverschmutzungsrechten (CO2-Zertifikate) vor. Fünf Mitarbeiter wurden verhaftet, vier davon sitzen noch in Untersuchungshaft. Welche Anmaßung seitens der Behörden, dem Zwei-Billionen-Euro-Institut solche Vorhaltungen zu machen!

Zunächst ein Leserbriefe zum Leitartikel „Die Missmanager“. Autor des Briefes ist Jürgen Heck aus Rheinbach.

„Der Leitartikel trifft den Nagel auf den Kopf: Nicht berechtigte Wut des Bürgers über politische Entscheidungen oder dessen Rückzug oder Resignation gefährden unsere Zukunftsfähigkeit, sondern das Versagen und Verweigern der (aktuellen) Führungskräfte in Politik (schwarz-gelbe Koalition) und Wirtschaft bei der Gestaltung und Entwicklung unserer Gesellschaft, um deren Zukunftsfähigkeit sicherzustellen. Der Kommentator, Herr Schmale, spricht es einerseits erfrischend deutlich aus und führt mit Stuttgart 21, der Deutschen Bahn, Thyssen und der Deutschen Bank überzeugende Beispiele an. Ich finde allerdings, dass die Kritik nicht weit genug geht.
Die Bundeskanzlerin schaut bei all dem eher zu, als dass sie ihre Richtlinienkompetenz und ihren Gestaltungsauftrag für die Zukunft der Gesellschaft wahr nimmt. Die Dreiecksbildung ihrer Fingerspitzen ist zum Symbol einer als bedachtsam und als gesellschaftsdienlich inszenierten, letztlich jedoch selbstgefälligen und auf ihre eigene Zukunftssicherung ausgerichteten Selbsterhaltungspolitik geworden. Dabei nutzt sie den ihr zugute gehaltenen „Frauen- und Ostbonus“ („Frauen sind in der Elite unterrepräsentiert“ und „Frauen in der Politik machen die Welt besser“, „Integration der neuen Bundesländer“) geschickt aus, um „sich selbst zu erhalten“. Ich hätte gerne gesehen, wenn der Kommentator Frau Merkel noch deutlicher in die persönliche politische Haftung genommen hätte. Denn da liegt im Sinne des Tenors des Leitartikels auch ganz wesentlich der Hase im Pfeffer.
Es hilft der Gesellschaft nicht weiter, wenn man die Spitze der Deutschen Bank (Ackermann) im Kanzleramt Geburtstag feiern lässt und ihr damit den Segen für – wie sich jetzt zeigt – wirtschaftliches Handeln am Rande der Legalität und darüber hinaus erteilt. Die Bundeskanzlerin weiß ganz sicher was sie tut und welche Folgen ihr Tun und insbesondere ihr Nichttun haben. Sie duldet aus Gründen der Opportunität die reine, unter dem Deckmantel des Liberalismus und angeblich für Bürgerrechte eintretende Klientelpolitik ihres Koalitionspartners FDP und fördert damit die Selbstgefälligkeit, Überheblichkeit und Abgehobenheit der wirtschaftlichen Spitzenkräfte, deren Wünsche im „Selbstbedienungsladen“ der Republik erfüllt werden und denen sich z. Zt. keine politische Gestaltungskraft zum Wohle der Gesellschaft insgesamt entgegenstellt.
Patientenrechte werden in einem „Kaschierungsgesetz“ nicht wirklich gestärkt, die Energiewende wird verschleppt, der Leitungsausbau zur Förderung der Erneuerbaren Energien wird dazu genutzt, bisherige Interessenpolitik (z. B. Energieerzeugung mit Braunkohle) fortzuführen, es wird nichts dagegen getan, dass sich Ärzte von Pharmaunternehmen legal korrumpieren lassen können, bei der unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten organisierten Altenpflege verkommt der pflegebedürftige Mensch zum reinen Kostenfaktor und die Finanzwirtschaft treibt weiter ungehemmt ihre schamlose und gierige Ausbeutung der Gesellschaft, um ihre „Leistungsträger“ abgeschottet und ungestört die schönste Plätze der Welt in Besitz zu nehmen und dort ihre Luxuswellness betreiben zu lassen.
Das alles verkauft uns die Kanzlerin als notwendige Rettung des Euro (der sie sich ganz und ausschließlich widmet) und wäscht – begleitet und gestützt durch wohlwollende Kommentare in den Medien, die der Wirtschaftselite zugeneigt sind (Bild, FAZ, Welt) – mit den Fingerspitzen Dreiecke bildend ihre Hände in Unschuld. Das würde ich als jahrelanger Abonnent und Leser der FR künftig gerne und gerne noch deutlicher als in dem sehr guten Leitartikel von Herrn Schmale lesen.“

Auf die Telefonaffäre des Jürgen Fitschen reagiert zum Beispiel Udo Schäfer aus Stuttgart:

„Der Anruf von Jürgen Fitchen (Chef der Deutschen Bank) beim hessischen Ministerpräsidenten Bouffier ist ein Hilferuf.
Von außen betrachtet fing das Ungemach an, als der frühere Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann vor einigen Jahren laut darüber nachdachte, ob nicht London ein besserer Standort für Bankgeschäfte als Frankfurt sei. Warum verlegte Ackermann nicht den Sitz der Deutschen Bank nach London, um dieser Bank die ihr gebührenden Entwicklungsmöglichkeiten in der Finanzwelt zu erschließen und die ihr gemäße Form des Seins zu finden? Hatte Ackermann etwa Angst vor der Ablehnung durch die feine Gesellschaft in der Londoner City? Ein Kulturwandel wird der Deutschen Bank nur gelingen, wenn sie die von Josef Ackermann aufgeworfenen Fragen ehrlich beantwortet. Zuerst muss der Vorstand seinen Mitarbeitern erklären, wo die Bank überhaupt hin will. Sonst kann sich die Deutsche Bank die hohen Zusatzkosten für noch mehr Compliance sparen. Eine Rückbesinnung auf die aristotelischen Tugenden lohnt sich. Also Corporate Virtues statt der neoliberalen Corporate Social Responsibility (CSR). Vielleicht findet der Vorstand über die Feiertage Zeit für eine aufmerksame Lektüre. Auf Wunsch helfe ich gerne mit einer Literaturliste. Denn Deutschland kann es sich nicht leisten, dass der Leitsatz der Deutschen Bank von „A Passion to Perform“ zu „A Passion to Suffer“ geändert werden muss.“

Hans Schinke aus Offenbach meint:

„Skandalös ist nicht so sehr, daß ein vom staatsanwaltschaftlichen Verfahren Betroffener, hier Herr Fitschen, beim hessischen Ministerpräsidenten Bouffier anruft und glaubt, die verfassungsmäßige Gewaltenteilung unterlaufen zu können. Herr Fitschen rief ganz offensichtlich in dem guten Glauben an, es gehe noch zu wie unter Herrn Koch, wo ein Anruf beim Ministerpräsidenten genügte, um eine Steuerfahndermannschaft, die kurz davor war, ihren Verdacht auf Steuerbetrug durch eine Hausdurchsuchung abzusichern, zu psychiatrisieren und damit aus dem Verkehr zu ziehen. In dieser Fehlannahme von Herrn Fitschen, darin liegt der eigentliche Skandal des Anrufs.“

Dr. Ulrich-Dieter Standt aus Meine-Wedelheine:

„Heute standen einige interessante Artikel in der FR. Berichtet wurde erstens über einen weiteren Akt im Frankfurter Steuerfahnder-Mobbing-Drama: dass die vier wegen „paranoidquerulatorischer Störungen“ zwangspensionierten Steuerfahnder, die sich gegen Weisungen zur Wehr gesetzt hatten, die ihre Arbeit lahmlegen sollten, nun doch kerngesund waren und noch sind. Zweitens hat sich der Vorstand der Deutschen Bank, Fitschen, beim hessischen Ministerpräsidenten gegen die Strafverfolgungsmaßnahmen beschwert, die der hessische Generalstaatsanwalt und die Steuerfahndung wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Vernichtung von Beweismitteln, ergo Strafvereitelung, angestrengt hatte.
Ich mache mir nun Sorgen um den hessischen Generalstaatsanwalt. Erleben wir es jetzt vielleicht, dass auch er wegen „paranoid-querulatorischer Störungen“ zwangspensioniert wird? Und vergessen wir nicht die Steuerfahndung: Sie wurde schon einmal umorganisiert und einige ihren fähigsten Köpfe wurden abgeschlagen, weil sie gegen hessische Banken vorgegangen war!! So etwas ist sehr gefährlich und wird von der hessischen Landesregierung meist schlecht belohnt!“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Wenn einer der absoluten Champions einer Volkswirtschaft in schwerstes Wasser gerät, wie dies gegenwärtig in Deutschland zu beobachten ist, dann ist dies nicht nur ein Desaster für das Unternehmen oder den Konzern. Es mag ja durchaus sein, daß in diesem Falle die Staatsanwaltschaft durch ihr Vorgehen über das Ziel irgendwie hinaus geschossen ist. Es bleibt aber nun auch an der gesamten deutschen Wirtschaft wirklicher Schaden hängen. Im Ausland – insbesondere dort, wo die Wirtschaftsstärke Deutschlands mit Argwohn betrachtet wird – wird man sich einer gewissen Häme nicht enthalten wollen. Es handelt sich in diesem Fall nicht – um mit Schumpeter zu sprechen – um „schöpferische Zerstörung“. Allerdings muß man berücksichtigen, daß die Finanzbranche weltweit in Verruf geraten ist. Daran hat die Politik leider maßgeblichen Anteil, weil man seit Bretton Woods eine hemmungslose Geld- und Kreditschöpfung zugelassen hat. Im Übrigen zeigt der vorliegende Fall, daß das Wirtschafts- und Finanzministerium in Berlin – nicht zuletzt an der Spitze – personell ungenügend besetzt sind. Hier haben eindeutig Kontrollmechanismen versagt.“

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4 Kommentare zu “Sorgen um den Generalstaatsanwalt

  1. Wie wir aus den letzten (nicht von Rössler & Co. überarheiteten) Armuts- und Reichtums-Berichten wissen, klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Die Mittelschicht schrumpft stetig. Doch was macht diese Mittelschicht: aus Angst vor dem Tod begeht sie Selbstmord, indem sie weiterhin bei Wahlen fleißig ihr Kreuz bei den Parteien macht, welche in (Personal-)Union für den Schlamassel verantwortlich sind. Man hat Angst vor dem Abstieg, schimpft auf die Schmarotzer und Faulpelze unten und klemmert sich an die – vergebliche – Hoffnung, irgendwann zu denen oben aufzusteigen. Die oben haben sich jedoch äußerst komfortabel in ihren Reservaten eingerichtet, beten jeden Abend zum Gott Mammon und seinen Leistungsträger-Heiligen, und empfinden jedwedes Ansinnen an Abgaben, Steuern oder Solidarität als Unverschämtheit. Ansonsten gibt es genug Willige in den Medien, Lobbyisten rund um den Bundestag, sogar eine eigene Partei, die FDP, über deren Schwächeln man sich jedoch keine Sorgen macht. Es gibt in den anderen Partein, außer der Linken, ja genügend Wasserträger, Armleuchter und (pardon) Arschkriecher, die dafür sorgen, daß niemand aus diesen Kreisen demnächst in Suppenküchen oder Aufwärmstuben weilen muß. Und all die, welche mittlerweile dort zum Stammpublikum zählen, sind schon längst in die Resignation und somit in die Wahlenthaltung abgetaucht.

    Wer wählt Merkel? Bei wem hat diese Frau alle Steine im Brett? Und warum halten soviele, die andere SPD-Zeiten kennen lernen durften, jetzt Steinbrück für den Retter des Abendlandes, oder eine Kirchentags-Christin wie Göring-Eckardt für das grüne Nonplusultra. Kann gut mit Merkel, eben Pfarrerstochter und EKD-Präses unter sich. Läßt sich bestimmt gut fachsimpeln über die Vorteile der Hartz-Reformen und darüber, wie doch der wunderbare Aufschwung so wunderbar bei den Menschen ankommt.

    Wer zahlt für all die Reformen, die diesen Namen (Wende zum Besseren) nicht verdienen? Wer zahlt für die Einflüsse und Einflüsterungen der Lobbyisten, z.B. im Gesundheitswesen? Wer zahlt für all die in den Sand gesetzten Prestige-Projekte, wie Stuttgart 21, Elbphilharmonie, BER Berlin, Nürburgring etc. pp, nicht zu vergessen die „Energiewende“, bei welcher wir Verbraucher jetzt indirekt die großen Stromverbraucher quersubventionieren und damit für Riesen-Konzerngewinne sorgen?

    Liegt es in unserer Nationalität, in unserer speziellen Auffassung von Deutschsein, daß wir uns so bereitwillig verarschen und über den Tisch ziehen lassen? Oder ist es einfach Schizophrenie, gepaart mit Masochismus?

    Vielleicht weiß ein Blogger eine Antwort.

  2. Die von Frau Merkel im Zusammenhang mit Stuttgart 21 beschworene Zukunftsfähigkeit Deutschlands charakterisiert Herr Schmale in seinem Kommentar mit Aussagen wie: ökonomisches und moralisches Versagen, Bestechung, Korruption, Schönen von Berechnungen, Betrug, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Zinsmanipulation, Agieren von Unternehmen am Rande der Legalität, arrogante Haltung der Führungseliten usw.
    Wenn man dem Artikel von Herrn Schmale noch die Erkenntnisse der Lindholm-Tatorte zur Prostituiertenszene und der anschließenden Talkrunde bei Herrn Jauch hinzufügt, sind Vergleiche mit Sodom und Gomorra naheliegend. Auch die Dekadenztheorie zum Fall des römischen Reiches erscheint fatalerweise für die heutige Situation zutreffend. Ein Element dieser Theorie war übrigens ein gravierender Rückgang in der Bildung.
    Der Fisch stinkt wie immer vom Kopf. Wenn die führende europäische Wirtschaftsmacht Zerfallserscheinungen zeigt, ist der Rest dann noch zu retten? Europa wird im nächsten Jahrzehnt wohl einen lange nicht gekannten Abstieg erleben! Und die Jugend Europas „feiert“ derweil seit einigen Wochen sog. Weltuntergangspartys! Na, dann eine frohe Zukunft „made in Germany“!

  3. Der Hinweis auf die Mittelschicht ( Wolfgang Fladung ) deutet darauf hin , wie diese „Eliten“ überhaupt entstehen konnten.
    Es ist die sattsam bekannte Unterwürfigkeit der Arbeitnehmerschaft selber , die diese Sorte Chefs erst durchkommen läßt .
    Ständig belauern sie sich gegenseitig , ob der Andere auch schön mitmacht beim Rattenrennen um die Gunst der Oberen, und wehe , Einer schert aus , dann lernt er zuerst nicht die Chefs , sondern die Kollegen kennen.

    Nicht alle , aber viele Arbeitnehmer identifizieren sich in einer Weise mit ihrem Job , daß man sich nur verwundert die Augen reiben kann , die glauben allen Ernstes , Arbeit und Leben sei das Gleiche .

    Sie glauben tatsächlich an diesen Quatsch , daß man sofort seinen ganzen Selbstwert verliert , wenn man den Job verliert.
    Da stehen sie dann da und zittern , und jammern Einem die Ohren voll , wenn sie ihren Job verloren haben , als ob es nicht viel Schlimmeres gäbe.

    Solche Leute kann man prima ausbeuten ,über den Tisch ziehen und ihnen auch das Märchen vom faulen Griechen und von der Krise der Staatshaushalte erzählen.

    Keineswegs für alle , aber für sehr viele Arbeitnehmer gilt „selber schuld“. Nicht im neoliberalen Sinne , sondern im Sinne des Ausbleibens eines Minimums an intellektueller Selbstverantwortung.

  4. Was die kürzliche Razzia bei der Deutschen Bank angeht, so fühle ich mich überraschenderweise an den Fall Kachelmann erinnert. Kachelmann schildert ja eindrücklich ein bestimmtes Handlungsmuster von Strafverfolgungsbehörden: Zunächst können die eine totale Überzeugung entwickeln, einen Verbrecher am Wickel zu haben… warum auch nicht. Dann kann es sich aber im weiteren Verlauf der Ermittlungen erweisen, daß die gerichtsfeste Beweisführung doch nicht so einfach ist, wie man sich das zunächst ausmalte. Dann entstehen Frust und Wut bei den Strafverfolgern, und zwar erheblich… für mich auch nachvollziehbar. Dann bedient man sich der einzigen Mittel, die man überhaupt hat, um den Frust abzulassen, d.h. setzt die Polizei wie Sturmtruppen ein, bestellt Journalisten ausdrücklich zur Ablichtung des Ganzen, oder gebärdet sich sonstwie mit dem klaren Ziel, der Welt zu zeigen, daß es sich hier um Verbrecher handelt… der Nachweis ist aber etwas, das man leider erst für später in sichere Aussicht stellen kann… im Fall Kachelmann weiß man ja, wann der Nachweis kam… nämlich nie.

    Das ist natürlich hart am Rande der Legalität. Wenn Einzelpersonen wie Kachelmann Opfer eines solchen brachialen Vorgehens sind, so ist das zu kritisieren. Eine ganz andere Dimension hat aber solches Vorgehen, wenn es gegenüber einer großen Firma inszeniert wird, wenn man waffenstarrend in großer Zahl auffährt, als wäre man gewärtig, jederzeit aus einem der vielen Fenster des Firmengebäudes beschossen zu werden… nachdem man 2 Jahre lang über den vorliegenden Akten brütete und nichts gehaltvolleres finden konnte an Beweisen wie: „Aber der Billigpreis dieses Papiers hätte Sie doch stutzig machen müssen“, oder „Warum haben Sie nicht das Konto ihres Geschäftspartners überwacht, das ist doch merkwürdig“.

    Es ist ja in diesem Fall so, daß mehr als 99,9% der Mitarbeiter der Firma, die der Welt hier als Hort der Kriminalität vorgeführt wurde, nicht etwa mögliche Verbrecher sind, deren Überführung noch aussteht, sondern mehr als 99,9% der Mitarbeiter wirft man von Seiten der Staatsverfolgungsbehörden ja überhaupt nicht das Geringste vor. Die Forderung wäre also zu stellen, daß hier die Strafverfolgungsbehörden im Interesse dieser großen Anzahl nicht Beschuldigter eine gewisse Zurückhaltung im äußeren, d.h. außen sichtbaren Gebaren an den Tag legt, wenn z.B. Razzien in ihrer Firma durchgeführt werden, wobei ansonsten die totale Sicherstellung der Effektivität ihrer Tätigkeit im Hinblick auf die Aufklärung natürlich Priorität haben muß.

    Ausgesprochen blöde aber ist es natürlich vom Chef der Firma, wenn er (auch noch als einer der Verdächtigten) diese ansonsten vernünftige Forderung ausgerechnet an den Innenminister adressiert, in einem privaten Telefongespräch. Daß es sich hier um einen eindeutigen Strafvereitelungsversuch handelt, ist ja jenen dann sofort ohne weitere Kenntnis oder Berücksichtigung des Gesprächsinhalts glasklar, die sowieso schon der felsenfesten Meinung sind, bei der Deutschen Bank, mindestens aber bei ihrer Führung, handele es sich um eine Horde von Banditen… und Fitschen weiß ja ganz sicher, das eine solche Pauschalmeinung nicht zuletzt infolge der Finanzkrise eine große Verbreitung gefunden hat.

    Was die Häufung von Pleiten und Pannen in Großunternehmen angeht, so stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine ist. Von einem älteren Unternehmer hörte ich den bedenkenswerten Satz: Das gabs doch früher auch, wurde nur nicht an die große Glocke gehängt. Wenn also Eliten angeblich das Land vor die Wand fahren, dann ist die Frage, ob das nicht schon immer so war, früher aber halt nur unter weitgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit. Wenn gesetzliche Berichtspflichten oder Interesse der Bevölkerung und damit auch Medienraum sich vergrößern, dann fällt auf einmal manches auf, was früher übersehen worden wäre. Da wir uns mehr und mehr zu einer Empörungsgesellschaft entwickeln, in der Menschen sich erst dann so richtig glücklich fühlen, wenn sie sich über etwas empören können, und der Vorratskeller manchmal geleert zu sein scheint, wird auch manches entsprechend hochgekocht, um den zahllosen Empörungssüchtigen dennoch die dringend benötigte tägliche Mahlzeit bieten zu können.

    Schmunzeln macht dabei der Vorwurf des „Mißmanagements“… zwar gibt es auch Fälle von unternehmerischer Weitsicht bei Journalisten, in denen Managemententscheidungen angeprangert werden, bevor nun wirklich jeder deutlich gesehen hat, daß sie von Mißerfolg gekrönt sind, aber die sind eher selten… das ist ja wie bei der Finanzkrise… vorher erkannte keiner, daß oder gar warum es sie einmal geben wird, aber hinterher schwadronieren alle wild herum, warum man schon vorher hätte sehen können, daß es unbedingt so kommen muß. Gut, heute sind es nicht Hypothekenpapiere, sondern halt Stahlwerke in Brasilien… ja, eindeutig Mißmanagement, ist doch klar.

    Der Punkt hier ist nicht, daß ich den zarten Seelen der betreffenden (Miß-)Manager die allgemein üblichen Spöttereien oder gar Verheißungen ersparen möchte, wenn sie Mist gebaut haben… sondern es besteht der dringende Verdacht, daß hier ja bei jenen, die über Mißmanagment jammern, eine völlig falsche Idee von Unternehmertum zugrunde liegt. Das Wort „Mißmanagement“ legt ja nahe, daß man es auch jederzeit richtig machen könnte, indem man einfach mit dem Mißmanagement aufhört, und dann klappt alles wie am Schnürchen. Nachdem es mir beim Thema „männliche Beschneidung“ beim besten Willen nicht gelungen war, „Linke“, „68er“ o.ä. unterzubringen, ist es sehr befreiend, endlich mal wieder folgendes zu sagen: Besonders in linken Kreisen herrscht ja die Vorstellung, man könne die Wirtschaft erfolgsoptimal organisieren, nämlich staatlich zentralisiert und bis ins letzte Detail durchgeplant, und dann eben fehlerfrei. Mißmanagement kann es da gar nicht geben, es müssen halt nur die Steuernden die richtige politische Meinung haben, also die linke, und die Planung nur entsprechend gründlich sein, und schon entwickelt sich alles bestens.

    Die bittere Wahrheit: In Anbetracht unvollständiger Informationslagen (und andere gibt es in der hochkomplexen Welt ja nicht) Entscheidungen zu treffen bedeutet, auch mal falsch zu liegen. Auch wenn man von guten Managern erwartet, daß sie natürlich möglichst selten falsch liegen, ist die gelegentliche falsche Entscheidung unvermeidbar, und auch eine Häufung mißlicher Umstände kann dem besten Manager auch mal in die Parade fahren.

    Wenn man denn falsche Entscheidungen also unbedingt Mißmanagement nennen möchte: Mißmanagement gehört einfach zum Wirtschaften dazu!

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