Leserforum vom 13. bis 20. August 2019

Alle Leserbriefe der Woche im Überblick und im Detail. Scrollen und lesen Sie in Ruhe oder suchen Sie Ihren Leserbrief gezielt mit der Tastenkombination STRG und F sowie dem Namen als Suchbegriff. Niemand muss alles lesen! Doch lesen Sie, was Sie interessiert.

Zunächst folgt eine Übersicht nach Erscheinungstagen. Hier erfahren Sie, wo welcher Leserbrief im FR-Blog zu finden ist. Hinter den rot eingefärbten Wörtern verbergen sich Links. Klicken Sie einfach drauf und lassen Sie sich zum gesuchten Leserbrief führen. Über die Links in den Überschriften (z.B. „eine Seite“) kommen Sie zu pdf-Dokumenten von den Leserforum-Zeitungsseiten mit Ihren Leserbriefen.

Alle Themen, die im Folgenden angesprochen werden, können auch diskutiert werden. Stellen Sie am besten ein Stichwort oder Betreff an den Anfang Ihres Kommentars, damit alle gleich erfahren, zu welchem Thema Sie sich äußern. Es gelten die Blog-Regeln. Es ist keine Registrierung o.Ä. notwendig.

Balken 4Leserforum vom 13. August (Seite eins, Seite zwei)
  • Weitere Leserbriefe zu Überlegungen aus der CDU, Kinder nicht einzuschulen, die kein Deutsch können, wurden im Thread „Eintauchen ins sprachliche Umfeld“ veröffentlicht.
  • Axel Stolzenwaldt schickt einen Leserbrief zur Vermittlung von Medienkompetenz anstelle von Überwachungsmethoden – siehe unten.
  • Die Zuschrift „Weg von der Verbrennung“ von Helmut Lindner wurde als Kommentar in der Klimadebatte veröffentlicht.
  • Dorothea Gräbner reagiert auf den Leserbrief von Eberhard Bacher zur „Post. Ihre Zuschrift wurde im Thread „Leserforum vom 6. bis 12. August“ veröffentlicht.
  • Fritz Brehms Zuschrift zu Trump wurde im Thread „Zwei Atombomben und ein neues Zeitalter“ zur Kündigung des INF-Vertrages als Kommentar veröffentlicht.
  • Die Leserbriefe zum Thema SPD vpon Axel Raue und Manfred Herrmann finden Sie als Kommentare im Thread „Was bleibt noch für die SPD?“
  • Michael Brands Leserbrief zum „Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz“ finden Sie hier – siehe unten.
Leserforum vom 14. August (Seite eins, Seite zwei)
Leserforum vom 15. August (Seite eins, Seite zwei)
Leserforum vom 16. August (Seite eins, Seite zwei)
  • Die Leserbriefe von Detlef Klöckner, Bärbel Neuwirth und Andrea Wellenger zum Thema HR2 wurden als Kommentare dort in der Diskussion veröffentlicht.
  • Manfred Kirsch widerspricht FR-Kommentator Andreas Niesmann in der Frage der Orientierung der SPD – veröffentlicht als Kommentar in der SPD-Diskussion.
  • Die Leserbriefe von Otto Gebhardt, Hans-Jürgen Schröder und Klaus Schwerdtfeger zur Frage, ob Clemens Tönnies von Schalke 04 ein Rassist ist, wurden in einer eigenen Diskussion veröffentlicht.
  • Roswitha Seubert hat eine Idee zur Förderung des Deutschlernens in Grundschulen, veröffentlicht in der Einleitung zu dieser Diskussion.
  • Alfred Kastner hat eine andere Meinung zu Militäreinsätzen als die Mehrheit der Kommentatoren hier im FR-Blog. Seine Perspektive steuert er in einem Kommentar zur Debatte über die Kriegsgefahr in der Straße von Hormus bei.
  • Noch einmal Eberhard Bacher zum Thema Deutsche Post – siehe unten.
Leserforum vom 17. August (Seite eins, Seite zwei)
  • Der Beitrag von Michael Wackermann zur Serie „Mein 1968“ hat natürlich einen eigenen Thread bekommen: „Unsere liberale Demokratie ist ohne den Anschub durch 68 nicht denkbar„. Online ab 17.8., 6 Uhr.
  • Georg Dovermanns Leserbrief zur Entwicklung in Italien folgt hier – siehe unten.
  • Gerhard Kern hat einen Leserbrief zu den Atomwaffen in Büchel geschrieben, den ich im Thread über die Aufrüstung als Kommentar platziert habe.
  • Die Zuschrift von Ursula Arnold zum HR2 ist veröffentlicht als Kommentar in der Debatte über die Senderreform.
  • Zum Thema Rassismus hat Alessandro Linossi einen Bericht beigesteuert, der in der Debatte über Clemens Tönnies‘ rassistische Äußerungen veröffentlicht wurde.
  • Den Leserbrief von Christian Palmke zu den Chimären in Japan finden Sie hier – siehe unten.
Leserforum vom 19. August (Seite eins, Seite zwei)
  • Die Leserbriefe von Kay-Martin Hanschmann, Jürgen Koenig, Riggi Schwarz und Willi Loose wurden als Kommentare in der Debatte über die Warnung des Weltklimarates veröffentlicht, beginnend mit der Zuschrift von Kay-Martin Hanschmann.
  • Der Leserbrief von Robert Maxeiner zur Frage, warum Kliniken immer weniger ausbilden, wurde als Kommentar in der Debatte über eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Situation der Krankenhäuser in Deutschland veröffentlicht.
  • Zum Thema Organspende/Widerspruchregelung schrieb Ralf te Heesen einer Leserbrief, die hier folgt – siehe unten.
  • Hanspeter Harries äußert sich zur Frage, wie Immobilien besteuert werden sollten – siehe unten.
  • Werner Leucht hat einen Vorschlag zur Klimapolitik, der daher als Kommentar in die Debatte zum Weltklimarat gepackt wurde.
  • Ebenso die Zuschrift von Kurt Kolodziejczyk, der beklagt, dass der Ausbau der Windkraft in Deutschland zum Stocken kommt.
  • Thomas Ewald-Wehner hat einen Leserbrief zur Debatte über die HR-Reform geschrieben, der als Kommentar im betreffenden Thread veröffentlicht wurde.
  • Und Annkatrin Hoeck steuert Aspekte zum Thema „Integration durch Arbeit“ – siehe hier unten.

fr-debatte

Vermittlung von Medienkompetenz

Cybergrooming: „Die Gefahr der Worte“, FR-Magazin vom 5. August

Nicht nur Geheimdienste und große Internetfirmen verbessern ständig die digitale Beobachtung der BürgerInnen, jetzt wird auch die Überwachung von Kindern optimiert. Die empfohlene App wird (leider) nur unwesentlich den Missbrauch von Kindern verringern können, denn Missbrauch findet vor allem im persönlichen Umfeld der Kinder statt. Stattdessen werden Eltern und Kinder immer weiter an den grassierenden Überwachungswahn gewöhnt.
Schutz von Kindern vor gefährlichen Kontakten über digitale Kanäle wird nicht durch weitere Überwachung gewährleistet, das können derartige Systeme entgegen der vollmundigen Versprechungen nur eingeschränkt leisten. Viel wirkungsvoller wäre die Entwicklung der Medienkompetenz bei Kindern,  Eltern und Lehrer. Man kann einen Teich (das Netz) nur bedingt kindersicher machen, man sollte die Kinder teichsicher machen.  Hier aber versagt der Staat. Die Vermittlung von Medienkompetenz findet in den Schulen nur marginal  statt. Den LehrerInnen ist dabei kein Vorwurf zu machen, es fehlt zumindest in Hessen an ernsthaftem Willen seitens der Bildungspolitik, digitale Kompetenz und informationstechnische Grundbildung zu vermitteln. Stattdessen werden die hessischen Schulen, die ein vom Digitalpakt gefordertes Konzept zur Medienbildung erstellen wollen, vom Kultusministerium alleingelassen, eine strukturierte Fortbildung für LehrerInnen findet faktisch nicht statt.

Axel Stolzenwaldt, Königstein

fr-debatteVerlogenes Wortungetümgesetz

Zu: „Iraker, Iraner und Somalier ausgegrenzt“, FR-Politik vom 3. August

Wieder ein neues Gesetz, vom Namen her ein typische deutsches: „Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz“. Man könnte es auch ein ‚Teillügengesetz‘ nennen, wenn das Wort Lügengesetz nicht sofort an „Lügenpresse“ aus der falschen Ecke erinnern würde. Denn es fördert nicht, sondern verhindert in direkter Weise die Integration von Asylsuchenden und Migranten. Worum geht es? Um Einschätzungen und Bewertungen des Bundesinnenministeriums, also Herrn Seehofers Behörde, zu einer einfachen Statistik (die man bekanntlich nur glauben soll, wenn man sie selbst gefälscht hat), nämlich darüber, ob Menschen aus einem bestimmten Herkunftsland – hier Irak, Iran, Somalia – eine „Bleibeperspektive“ haben, was sich dem Innenministerium dadurch anzeige, wie hoch die sog. „Schutzquoten“ dieser Bürger in den letzten Jahren aussahen. In dieser Hinsicht stand es um Iraker, Iraner und Somalier – Pech für diese – nun mal schlecht. So hatten bspw. die Iraker in Deutschland jahrelang zu ca. 73 % einen anerkannten Schutzstatus, aber 2018 wurden nur noch ca. 36 % der neu eingereisten ein solcher (Anerkennung als Asylberechtigter) zugesprochen und das bedeutet: Es existiere „keine gute Bleibeperspektive“ für diese Menschen, deren Bleibeperspektive erst ab 50 % „gut“ sei, und dieser Mangel bedeutet laut o. g. neuen Wortungetümgesetz, es gibt für diese Menschen keinen geförderten Zugang zu Integrationsangeboten wie Sprachkursen und beruflichen Förderungen und so weiter.
Das Innenministerium (Herr Seehofer) sorgt mit restriktiven Gesetzen, Ankerzentren für die Retraumatisierung der in aller Regel traumatisiert hier herkommenden Flüchtlinge, lässt keine gesetzlichen Möglichkeit aus, ihnen einen anerkannten Asylstatus zu erschweren, setzt auf Misstrauen und Abschiebung mit einer inzwischen von Kritikern zurecht schon „Hau ab-Gesetze“ titulierten Gesetzesverschärfungen, zu denen nun dazu kommt, dass den Menschen die Integrationsperspektive schlicht abgeschnitten wird. Und das nennt sich deshalb „Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz“,! – In der Tat, weil die Förderung für Geduldete und Asylsuchende, die vor dem 01.08.2019 gekommen waren, nun auch noch gelte, auch wenn sie eine schlechte Bleibeperspektive haben, also im falschen Prozentsatz der Schutzquoten liegen, jedoch nicht aus einem sicher geltendem Herkunftsland stammen. Da diese „Verbesserung“ aber der CDU in der Groko die „Gefahr einer Sogwirkung“ impliziere, wurde der zeitliche Schnitt zum 01.08.2019 gesetzt und damit allen danach, also jetzt noch kommenden Einwanderern Integrationsmaßnahmen gesetzlich verwehrt. „Eine integrationspolitische Katastrophe…Integration wird verhindert und schwierige und auch teure Folgeprobleme entstehen“ so der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes Rolf Rosenbrock ganz zurecht (siehe auch FR vom 01.08.2019 S. 5).
Da hat also die SPD in der Groko mal wieder mitgemacht – wie tief will die SPD in ihrer eigenen Geschichtsvergessenheit mit ihrer Pflichtbesessenheit für die Groko bis zur völligen Ununterscheidbarkeit mit der CDU noch sinken? Wie kann sie einen Kurs mitmachen, der gegenüber Flüchtlingen und Migranten inzwischen so vorgeht: Behandelt sie hart und unmenschlich, sonst hat das „Sogwirkung“ auf die Nachkommenden (was sich ja auch nahtlos in die Seenotrettungspraxis einfügt).
In einem Hundebuch aus früheren Zeiten (vor Hundekenner Rütters!) wird empfohlen, einem Hund z. B. im Zwinger (Ankerzentrum) zur Einübung von „Alleinsein will gelernt sein“ immer dann, wenn er bellt, mit einer kalten Dusche als Bestrafung zu antworten. Kommentar des sogenannten Hundeverstehers (Winfried Nouc: „Die Dogge“, Hamburg 1975/1997, S.59/60) von damals: „Auch der hartnäckigste Bursche (Hund) wird sich einprägen, dass er Sie (Hundebesitzer) mit seinem Bellen zurückholt, um ihn zu strafen.“
Diese Art von Erziehung wurde besonders für Welpen (Kinder) empfohlen: „Manche Welpen lernen nur durch schmerzhafte Erlebnisse.“
So kommt mir die deutsche Flüchtlingspolitik in dem sukzessiven systematischen Rückzug aus der humanen Entscheidung von Frau Merkel 2015 vor. Statt Willkommenskultur Merkels eine immer perfidere Abschreckungs- und Hau ab- (Un-)Kultur Seehoferscher Prägung, die aber nicht nur Frau Merkel sich immer wieder gefallen gelassen hat (oder dann selbst gewollt? aktiv mitgemacht).
Doch das weit Schlimmere für diesen demokratischen weltoffenen Staat Deutschland, der es sich nicht nehmen ließ, vor kurzem sein inzwischen 70 jähriges GG mit Art. 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ gehörig zu feiern, ist doch in diesem Kontext das Versagen und der Niedergang der geschichtsvergessenen SPD. Einer SPD, die all diese Entwicklungen in den Grokos unwidersprochen und regierungsverantwortlich mitvollzogen hat und vollzieht und sich z. B. immer noch nicht von den „unanständigen“ Hartz-IV-Gesetzen endgültig verabschiedet hat. Im Sinne des israelischen Philosophen Margalit geht es nicht nur um das Erreichen einer „gerechten Gesellschaft“ (offizielles Ziel der SPD), sondern auch als Bestandteil davon einer „anständigen Gesellschaft“: „Eine Gesellschaft ist dann anständig, wenn ihre Institutionen die Menschen nicht demütigen“, so Margalit. Das bezieht sich auf alle Menschen in der Gesellschaft, auch die, die zu uns kommen und hier leben.
Hier sei noch einmal erinnert an den Humanismus von Karl Marx (der der SPD offenbar auch nicht mehr bekannt ist), der darauf abzielt, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ Und Marx fügt eine interessante historische Ergänzung seiner Zeit hinzu, indem er kommentiert: „Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln!“

Michael Brand, Wächtersbach

fr-debatteGefahr für die Balance

Zu: „155 Millionen Euro für Berater“, FR-Politik vom 9. August

Meines Erachtens muss die Kritik an dem Engagement von Unternehmensberatern und anderen Experten für die Bundesregierung noch wesentlich stärker werden.
Es geht nämlich über den zu großen Einfluss auf die Regierungsarbeit hinaus um eine hochgradige Gefahr für die Balance von Legislative, Exekutive und Judikative in unserer Gesellschaft. Je mehr die Bundesregierung sich extern beraten lässt, desto auftragsloser und arbeitsloser werden Tausende von gut- bis hochbezahlten Mitarbeitern in den Ministerien. Die nicht mehr abgeforderten Ressourcen in der Exekutive werden die externen Auftragnehmer der Privatwirtschaft mit ihrem Appetit auf Großaufträge gerne übernehmen. Bleibt die Exekutive noch balancefähig?
Muss diesem Trend nicht ein Ende gesetzt werden? Es wird höchste Zeit, die akute Gefahr für die Gewaltenteilung mit einem Rechtsgutachten zu bewerten. Ggf. ist das Bundesverfassungsgericht die richtige Instanz.

Wilhelm Meister, Braunschweig

fr-debatteBitte auf Augenhöhe

Niederlande: „Den Schleier werde ich nicht ablegen“, FR-Politik vom 2.8.

Ein Aspekt wird bei der Diskussion über ein Verbot der Vollverschleierung außer Acht gelassen: Mimik und Gestik sind wesentliche Bestandteile bei der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Wenn jemand mit mir spricht, der sein Gesicht (fast) vollständig (bei Nikab oder Burka) oder teilweise verdeckt, akzeptiert mich nicht als gleichberechtigten Gesprächspartner.
Es geht bei diesem Thema nicht nur um die Religionsfreiheit, sondern auch um deren Grenzen. An erster Stelle im Grundgesetz steht „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wenn jemand mit mir kommunizieren möchte, dann bitte auf Augenhöhe. Das teilweise oder komplette Verdecken des Gesichts ist ein Affront gegenüber jedem Gesprächspartner und dem Ausetzen einer Sonnenbrille in einem geschlossenen Raum bzw. bei Burka und Nikab der Kommunikation mit augesetztem Integralhelm vergleichbar.
Ich halte nichts von einem generellen Verbot, werde aber nicht mit jemandem kommunizieren, der/die mich nicht als gleichberechtigten Gesprächspartner akzeptiert (außer natürlich in Notfällen). Das heißt z.B., dass ich mich als Lehrer weigern würde, eine Schülerin mit Gesichtsschleier zu unterrichten.

Klaus Cezanne, Mörfelden-Walldorf

fr-debatteDie Erde wird geplündert

Zu: „Gesucht: Gemeinsinn“ und „Im Prinzip gespalten“, FR-Tagesthema vom 12.8.

Es ist verdienstvoll und sehr zu begrüßen, wenn die FR mit ihren beiden Veröffentlichungen vom 12. August „Gesucht: Gemeinsinn“ und „Im Prinzip gespalten“ die Diskussion über Alternativen zum kapitalistischen Wirtschaftssystem weiterführt.
„Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet.“
Diesen von Karl Marx im Kommunistischen Manifest beschriebenen Prozess hat der Ökonom Joseph Schumpeter später als „Schöpferische Zerstörung“ bezeichnet.
Wir reden heute von der Globalisierung des Kapitals. Diese beeindruckende Dynamik des Kapitalismus ist aber nur die eine Seite der Medaille. Sie dient nämlich nicht dazu, die Menschen satt zu machen, sondern in erster Linie der Kapitalvermehrung. Mit beeindruckender technologischer Rationalität stellt das kapitalistische System Waren her, die man eigentlich für ein gutes Leben nicht braucht. Das System kann keine Lösung liefern für die drängendsten Probleme unserer Zeit: Beendigung des Hungers, Beseitigung der Ungleichverteilung des von vielen Händen erwirtschafteten Reichtums und ganz aktuell keine Lösung für die Klimafrage. Denn so grenzenlos wie seine Dynamik, so grenzenlos sind auch seine Ausbeutung von Mensch, Natur und Wissenschaft, seine Rücksichts- und seine Verantwortungslosigkeit gegenüber der Umwelt.
Das kapitalistische System ist vermutlich erst dann zu seiner höchsten Vollendung und damit zu seinem Ende gelangt, wenn die Erde ausgeplündert ist. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, genügten dem Zonenausschuss der CDU für die britische Zone im Februar 1947 in Ahlen zwölf Jahre Erfahrung mit dem Hitler-Faschismus.
„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.“
Das Ahlener Programm hat an Aktualität nichts verloren. An diese Erfahrung von 1947 gilt es anzuknüpfen, wenn nach neuen Wegen in der Ausbildung von Ökonomen gesucht wird, die Wirtschaft in Zukunft gemeinwohlorientiert zu gestalten.

Hans Schinke, Offenbach

fr-debatteAmtliche Narretei

Post: Erwiderung auf „Beschwerden helfen nicht“, Leserforum vom 13.8.

In der Ausgabe vom 06.08. und vom 13.08.2019 haben Leser der FR über die skandalösen Verhältnisse im Brief- und Paketzustelldienst berichtet. Die Aufzählung der gravierenden Mängel waren nur beispielhaft. Folgender Vorfall ist kaum zu glauben aber amtlich. Der Zusteller wirft die Postsendung in den falschen Briefkasten. Also an den falschen Empfänger. Da dem Empfänger der richtige Adressat nicht bekannt war, bittet er den verantwortlichen Zusteller die Sendung zurückzunehmen. Der Zusteller weigert sich mit der Begründung,
dass er das nicht dürfe. Zusteller dürften auch falsch zugestellte Sendungen nicht mehr zurücknehmen. Ich hielt das für eine faule Ausrede und kritisierte dieses Verhalten bei der zentralen Beschwerdestelle der Post. Und die bestätigte die Antwort des Zustellers. Das nenne ich eine amtliche Narretei. Und was macht der falsche Empfänger, entweder er lässt die Sendung liegen bis er gelegentlich zu einem Postamt oder zu einem Briefkasten kommt. Beide sind weit von der Wohnung entfernt. Oder er wirft die Sendung einfach in den Briefkasten des Nachbarn, dann ist für ihn der Fall erledigt. Und der richtige Empfänger wartet auf ein wichtiges ärztliches Rezept. Auch das ist der Post offenbar scheißegal.

Eberhard Bacher, Frankfurt

fr-debatteTiere als „Organfabriken“

Mischwesen: „Jenseits der Grenzen“, FR-Tagesthema vom 6. August

Die japanische Regierung hat mit der Entscheidung für Aufsehen gesorgt, die wissenschaftliche Züchtung von Mischwesen aus Tier und Mensch zu erlauben. Erstmals soll dies bis kurz vor der Geburt möglich sein. Ziel ist es langfristig, grob gesagt, menschliche Organe in Tieren „anzupflanzen“.
Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, zeigte sich erstaunlich offen gegenüber dieser Entwicklung. Es müsse eben über Lösungen nachgedacht werden, wie wir an die fehlenden Organe für Menschen kommen, die diese dringend benötigen. Tiere würden für ein gutes Ziel „geopfert“. Somit schloss er mögliche Mischwesen und Forschungen in diese Richtung nicht aus. Dagegen gab es scharfe Kritik an den japanischen Entwicklungen unter anderem von SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Tierschützern.
Knapp 10 000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Ihnen muss natürlich geholfen werden. Die Entwicklungen in Japan sind dennoch falsch und kein Vorbild für Deutschland! Denn: Tiere haben ein eigenes Existenzrecht. Dass wir im Alltag von „Nutztieren“ sprechen, lässt uns dies vergessen. Doch ein Mischwesen wäre nichts anderes als ein Nutztier namens „Organfabrik“, das halt für den Menschen „geopfert“ wird. Es wäre eine weitere Stufe der Ausbeutung von Lebewesen, die der Mensch als nicht zu seiner Art zugehörig einstuft. Dabei ist vorhersehbar, dass die Zahl an Tieren, die weltweit für menschliche Organe gezüchtet würden, unermesslich wäre. Und mal ehrlich, damit macht es sich der Mensch wieder sehr einfach. Es gibt in Deutschland über 80 Millionen Einwohner. Wir schaffen es jedoch nicht 10 000 Menschen mit wichtigen Organen zu versorgen. Bundesweit gab es 2018 nur 955 Organspender. Die Verantwortung für unsere Mitmenschen darf deshalb aber nicht an andere Lebewesen „ausgesourct“ werden.
Die Initiative des Gesundheitsministers Jens Spahn zur Neuregelung der Organspende in Deutschland, bekommt mit den Entwicklungen in Japan zusätzliche Brisanz. Sein Ansatz der Widerspruchslösung wird befürwortet und kritisiert. Verständlich bei diesem hochsensiblen Thema. Aber: Es ist zumindest ein Ansatz der darauf zielt, dass der Mensch Verantwortung für sich und seine Mitmenschen übernimmt. Dagegen müssen Entwicklungen wie in Japan verhindert werden. Sie würden das durch Menschen verursachte Leid der Tiere weiter vergrößern. Doch Tiere haben ein Recht auf ein Leben ohne Leid und das Recht, einfach das zu sein, was sie sind. Mit ganz eigenen Organen. Daher müssen wir das Wort „Nutz“ vor dem Wort „Tier“ endlich streichen. Und die Wörter „Mischwesen“ und „Organfabrik“ ganz. Zum Wohl der Tiere und der Menschen.

Christian Pälmke, Berlin

fr-debatteMündige Bürger?

Zu: „Ist Salvini noch zu stoppen?“, FR-Politik vom 13. August

Die Tagespolitik in den USA, in Brasilien, nun auch in Guatemala, in Ungarn, in der Türkei und anbahnend in Italien sind dahingehend unverständlich, als dass es sich dort um Länder handelt, wo man in der Schulbildung auf ein Leben als mündiger Bürger vorbereitet wurde. Die Wahlergebnisse zu solchen Systemen erlauben durchaus das Urteil, dass man sich einen Mantel der Unmündigkeit umhängt und dass man sich mit einem erheblichen Maß an Führerkult umgibt. Alle Systeme sind demokratisch gewählt und breite Teile der Weltbevölkerung meinen anscheinend, dass nur ein Führerkult Frieden und Stabilität erbringen, was sich in der Geschichte schon mehr als einmal als unwahr erwiesen hat. Ansätze dafür beobachtet man auch in der AfD mit deren Innen- und Außenwirkung. Bedauerlich dabei ist es auch, dass Regierungen dieser Länder ein erhebliches Maß an nationaler Polarisation mit sich bringen und dafür sorgen, dass sie einen erheblichen Teil der Welt in die Zeit von 1914 zurückversetzen, was unweigerlich Konfrontations- und Reibungspunkte  mit sich bringen wird.
Nun bereitet ein italienischer Minister einen neuen „Marsch auf Rom“ vor und es ist wohl sein Ansinnen, in einem Triumphwagen in Rom einzufahren. Diesen Marsch haben wir gerade im letzten Jahrhundert schon einmal erlebt, die Folgen sind hinlänglich bekannt. Auch ein amerikanischer Präsident, der sich gerne als Weltpolizist aufspielt und meint, die Welt auf amerikanische Linie zurechtstutzen zu können, hat schon einmal amerikanische Soldaten in einen ausweglosen Krieg gestürzt und verbrannte Erde hinterlassen, welche bis heute nicht geheilt ist. Wenn nun ein Herr Salvini der Meinung ist, mit solchen Herrschern partizipieren zu können, sollte er wissen, dass es sich bei Italien weder um das römische Imperium von vor 2000 Jahren noch um das großrömische Reich der 30er Jahre handelt, sondern um ein einfach gleichberechtigtes Mitglied in Europa, welches recht hoch verschuldet ist. Weiter sollte Salvini nicht vergessen, dass Italien auch auf internationalen Handel und auf Tourismus angewiesen ist.

Georg Dovermann, Bonn

fr-debatteWiderruf ist jederzeit möglich

Zu: „Der enteignete Körper„, FR-Meinung vom 9. August

Die Meinung von Karin Dalka kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Was ist so schlimm daran, sich für oder gegen ein Organspende festzulegen. Ich habe mich mit der Problematik beschäftigt und für mich eine Entscheidung getroffen und gebe eine Erklärung für oder gegen die Entnahme von Organen aus meinem Körper ab, die ich sogar später auch noch widerrufen kann! Ärzte sind nun sofort informiert und können dementsprechend handeln! Das kann man doch nicht mit dem Recht auf Abtreibung oder Sterbehilfe gleichsetzen. Hierbei entscheide ich über fremdes Leben, bei der Organspende geht es um meinen Körper und dabei fühle ich mich gar nicht enteignet, ganz im Gegenteil! Nichts für ungut

Ralf te Heesen, Altenberge

fr-debatteSchlupflöcher beseitigen

Immobilien:„Besteuern statt enteignen“, FR-Wirtschaft vom 8.8.

Betriebe erzielen Einnahmen (Umsatz) und haben Ausgaben (Betriebskosten). Die Differenz wird besteuert. Das betrifft alle Betriebe, eigentlich auch weltweit. Ab einer bestimmten Höhe unterliegen Mietgewinne auch der Gewerbesteuer. Nimmt man dem Vermieter dieMöglichkeit, Betriebskosten von den Mieteinnahmen abzusetzen, dann ist dies eine besondere Umsatzsteuer zum Tarif der Gewinnsteuern. Wer soll dann noch Wohnungenbauen und bewirtschaften? Solche Beiträge irritieren. Etwas ganz anderes wäre es, Schlupflöcher zu beseitigen, die es erlauben, sich legal „arm“ zu rechnen.

Hanspeter Harries, Neu-Isenburg

fr-debatteEhrenamtliche Idealisten

Integration durch Arbeit: „Chance mit Hindernissen“, FR-Tagesthemavom 13.8.

Als ehrenamtliche (Ausbildungs-) Begleiterin eines jungen Syrers, der im Juni seinen Gesellenbrief überreicht bekommen hat, fehlt mir in Ihrem Artikel ein wesentlicher Aspekt: die Ausbildungsbegleitung.
Es gibt in Deutschland zahlreiche Angebote der Ausbildungsbegleitung, nicht nur für Flüchtlinge. In Hessen z. B. das QuABB (Qualifizierte Ausbildungsbegleitung in Betrieb und Berufsschule) oder bundesweit das VerA-Programm, das beim Senior-Expert-Service (SES) in Bonn angesiedelt ist. Die Ausbildungsbegleitungen beziehen die Innungen, die Kreishandwerkerschaften, die Agenturen für Arbeit, die SGB-II-Träger, die Jugendberufshilfe und alle Beratungs- und Unterstützungsanbieter vor Ort in ihre Arbeit ein. Für den Erfolg der teils sehr akademisch aufgestellten Programme sind allerdings die Personen substanziell, die die Auszubildenden begleiten. Menschen wie Herr Peter, der auf sein Herz hörte und Herr Sack, der im Betrieb Ansprechpartner für die Auszubildenden ist.
Auch ich gehöre zu diesen ehrenamtlichen Idealisten, die an das gute Ende glauben. Die vierjährige „Zusammenarbeit“ zwischen dem jungen Syrer und mir begann damit, dass wir einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Ab diesem Zeitpunkt war ich Ansprechperson für seinen Ausbilder und die Kolleginnen, die Berufsschule und Ämter. Die aufwendigen Formalitäten (z. B. für die Bundesausbildungsbeihilfe) habe ich ihm abgenommen und mit ihm mehrmals wöchentlich das mir unbekannte Wissen des Friseurberufes gepaukt. Da der junge Mann nur den Status der Duldung hat, kamen noch unvorhersehbare Erschwernisse und damit Krisen hinzu, die es aufzufangen galt. Sein Vokabular und somit das Textverständnis der Fachsprache verbesserte sich schnell. Durch den Beruf, die Bindung an unsere Familie und durch den Respekt, der ihm entgegengebracht wurde, hat er so gute Fortschritte gemacht, dass er jetzt ein gutes Zeugnis vorzeigen kann.
Meine Meinung zu den offenen Fragen in diesem Artikel und daraus resultierende Forderungen sind: Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens um das Ehrenamt attraktiver zu machen; Paten für hilfsbedürftige Auszubildende, SchülerInnen, StudentInnen, Familien als Normalfall; Vergabe von Rentenpunkten für umfangreiche Ehrenamtsarbeit; Entlassung von Herrn Seehofer, damit er über die christlichen und sozialen Versprechen im Namenszug seiner Partei nachdenken kann.

Annkatrin Hoeck, Egelsbach

 

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