Felicia-Amalia Langer ist für viele in Deutschland eine Reizperson, und entsprechend unerträglich war die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse für einige wie Ralph Giordano und Arno Lustiger. Langer erhielt die Auszeichnung als Anerkennung für ihr Lebenswerkund ihr Engagement „für Frieden und Gerechtigkeit sowie für die Wahrung der Menschenrechte“. Darauf droht nun Ralph Giordano, seine Auszeichnungen – ebenfalls Bundesverdienstkreuz, außerdem das Große Verdienstkreuz – zurückzugeben. Er schrieb an den Bundespräsidenten, Langer sei „eine Feindin Israels, die in einem Land mit verbreiteter Gesinnung, sich vom eigenen Schulddruck durch Kritik an Israel zu entlasten, nur von verheerender Wirkung sein kann“. Erpressung, oder? Langer sieht sich als Opfer einer Verleumdungskampagne. Sie glaube „tief, dass ich auch etwas Gutes für das israelische Volk tue, nicht nur für die Palästinenser“.
Arno Widmann hat im FR-Feuilleton dazu Stellung bezogen: Er hält die Verleihung für einen Fehler. Das Bundespräsidialamt habe sich ohne Zwang in eine diplomatische Bredouille begeben, denn aberkennen könne es die Auszeichnung natürlich nicht, ohne sein eigenes Ansehen zu beschädigen – und natürlich auch das von Frau Langer. Er schreibt weiter:
„Wer bereit ist, über der Gründung des Staates Israel die Vertreibung der Palästinenser zu vergessen, wer die Ausbreitung des Staates Israel in den letzten 60 Jahren als notwendig zu dessen Selbsterhaltung oder gar als Rückkehr ins angestammte Gebiet betrachtet, der wird die aktuelle Lage anders beurteilen als jemand, für den die Entstehung des Staates Israel ein Stück europäischer Kolonialgeschichte ist und dessen Ausbreitung – durch alle israelischen Regierungen hindurch – nichts ist als nahöstliche Machtpolitik.
Felicia Langer das Bundesverdienstkreuz zu geben, heißt: diesem zweiten Blick auf die israelische Geschichte einen Preis zu geben. Und das in einer Öffentlichkeit, die größte Schwierigkeiten hat, ihn auch nur zuzulassen. Zulassen wird sie ihn freilich müssen. Ohne ihn zu akzeptieren, gibt es keine Verhandlungen. Nicht in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit und schon gar nicht in der israelischen.
Wir täten aber gut daran, dieses Argument nicht nur rein taktisch, sondern auch ernst zu nehmen. Was spricht dafür, dass die Juden, die 1949 den jüdischen Staat gründeten, die Kindeskindeskinder derjenigen waren, die im Jahre 49 das Heilige Land verließen. Und selbst wenn? Gibt einem das das Recht, 1900 Jahre später zu sagen: Hier bin ich wieder. Das ist mein Land. Wer bisher hier gewohnt hat, hat zu gehen? Und selbst wenn – gibt einem das das Recht, dieses Land Jahr um Jahr zu erweitern? Immer neue Bewohner zu vertreiben?“
Dazu meint Gerold Hefele aus Staufen:
„Man muss die seelischen Verletzungen und Traumata verstehen und respektieren, die Juden wie Giordano, Lustiger, Graumann – letztlich alle Menschen jüdischen Glaubens bzw. jüdischer Identität – durch die unsäglichen Nazi-Verbrechen an ihren Familien und am ‚jüdischen Volk‘ erlitten haben. Dass viele – so auch Ralph Giordano, aber glücklicherweise nicht alle – Juden daraus die Neigung ableiten, die Politik des Staates Israel weitgehend unkritisch zu sehen oder dessen völker- und menschenrechtswidrige Politik zu verteidigen, ist eine andere Sache, die man nicht verstehen und respektieren muss. Ehrenwerte jüdische Verteidiger des Völkerrechts und der Menschenrechte auch der Palästinenser wie Felicia Langer oder Uri Avneri und andere werden dann traurigerweise gerne vom israelisch-jüdischen Mainstream als Nestbeschmutzer diffamiert.
Die Ausgrenzungen und Verfolgungen von Juden durch die Jahrhunderte, die in der Nazizeit ihren schrecklichen Kulminationspunkt fanden, machen das ’nie wieder‘ – nie wieder lassen wir uns demütigen und einfach umbringen – im Bewusstsein aller Israelis verständlich, können aber das Unrecht, das der Staat Israel den Palästinensern zumutet, nicht rechtfertigen.
Das Bundesverdienstkreuz jemanden zu verleihen, der für die Wahrung der Menschenrechte, wo auch immer, eintritt und sich für einen gerechten Frieden einsetzt, ist ehrenwert und kann nicht falsch sein, auch wenn es im konkreten Fall Felicia Langer diplomatisch heikel sein mag. Ob die Entscheidung dazu seitens der deutschen zuständigen Stellen eine indirekte Kritik an der Politik Israels darstellt oder ein diplomatisches Versehen war, sei dahingestellt. Wünschenswert wäre, wenn sowohl der Bundespräsident, aber vor allem die Bundesregierung und vorab die Kanzlerin trotz aller „besonderen Beziehungen“ sich dazu aufraffen könnten, in angemessener Weise von Israel die Bereitschaft zu einem gerechten Ausgleich und Frieden mit den Palästinensern (übrigens in Übereinstimmung mit dem amerikanischen Präsidenten) vernehmlich einzufordern, anstatt zu dem friedensverhindernden Verhalten auch der jetzigen israelischen Regierung – zumindest öffentlich – zu schweigen. In Wahrheit würde das dem Andenken der ermordeten Juden mehr gerecht werden, als in Yad Vashem einen Kranz niederzulegen.
Eine solche israelische Bereitschaft, so wenig man sie derzeit erhoffen kann und trotzdem fordern muss, würde auch den islamistischen und anderen israelfeindlichen Scharfmachern den Wind aus den Segeln nehmen und wäre ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum Weltfrieden.“
Andrea Lauser aus Freiburg:
„Jeder hat auf Grund der geltenden Meinungsfreiheit natürlich das Recht, falsche ‚Tatsachen‘ in die Welt zu setzen, ob derjenige nun Felicia Langer oder Arno Widmann oder sonst wie heißt. Es gilt jedoch auch das Recht, diese falschen ‚Tatsachen‘ zu korrigieren. Dies möchte ich hiermit tun, denn Herr Widmann hat in seinem Artikel einige Unwahrheiten gesagt:
1. Der Staat Israel wurde nicht 1949, sondern 1948 gegründet.
2. Was war im Jahr 49 n. d. Z. als die Juden lt. Herrn Widmann das Heilige Land verließen? Mir ist nichts Besonderes bekannt. Doch vielleicht meint der Autor ja das Jahr 70 n. d. Z., in dem die Römer Jerusalem zerstörten und einen Großteil der dort lebenden Juden ins Exil abführten.
3. Es ist ja nun nicht richtig, dass die Juden einfach wieder ins Land gekommen sind, sich alles genommen und die Araber rausgeworfen haben. Fakt ist, dass es von 1922 bis 1948 ein britisches Mandat für Palästina gab, das vom Völkerbund zugewiesen worden war; dass in diesem Mandat festgehalten war, für die Juden solle im Bereich des Mandatsgebiets eine Heimstätte gegründet werden; dass nicht nur Juden, sondern auch viele Araber infolge der vergleichsweise guten wirtschaftlichen Situation ins Mandatsgebiet zogen; dass – nachdem 1946 ein Teil des Mandatsgebietes bereits in das arabische Königreich Jordanien umgewandelt worden war – 1947 die UNO die Empfehlung erließ, den Rest des Mandatsgebietes in einen jüdischen und einen weiteren arabischen Staat zu teilen; dass die Juden diesen UNO-Beschluss akzeptiert und dadurch ihren Staat erhalten, die Araber jedoch abgelehnt und stattdessen einen Krieg gegen das 1948 neu gegründete Israel angezettelt haben.
4. Es stimmt auch nicht, dass Israel das Land Jahr um Jahr erweitert und Bewohner vertreibt. Im Gegenteil, seit der Eroberung großer Gebiete im Sechs-Tage-Krieg gibt Israel Land zurück, zuerst die Sinai-Halbinsel infolge des Friedensvertrags mit Ägypten im Jahr 1979 und im Jahr 2005 den Gazastreifen und Teile des Westjordanlandes. Und nachdem es nach dem Libanonkrieg 1982 im Südlibanon eine Sicherheitszone eingerichtet hatte, hat sich Israel aus dieser im Jahr 2000 ebenfalls zurückgezogen. Wenn man darüber hinaus die rapide steigenden Bevölkerungszahlen im Gazastreifen und im Westjordanland betrachtet, kann man wahrlich nicht davon sprechen, dass Israel dort die Bevölkerung vertreibe!
Wie gesagt, jeder hat das Recht, Unwahrheiten und Blödsinn zu verbreiten. Der Fairness halber sollten aber auch die korrekten Tatsachen erwähnt werden dürfen!“
Alex Müller aus München:
„Wofür hat denn Herr Giordano das Bundesverdienstkreuz bekommen? Freundliche Unterstützung interreligiöser Dialoge durch Moscheenbau?“
Andi-Julian Leta aus Frankfurt:
„Bravo Arno! Für die Bewältigung jedes Konfliktes ist es unabdingbar, die Standpunkte aller Parteien zu akzeptieren. Ganz egal wie schrill diese vorgetragen werden. Dieser elementare Schritt muss im Nahost-Konflikt noch erfolgen, und wenn die Herren Giordano oder Graumann auch nur im geringsten daran interessiert wären, eine Lösung herbeizuführen, müssten sie vorweg gehen.“
Bernhard Russ aus Ravensburg:
„Dieser Kommentar ist einfach super! Hier wird die zentrale Frage gestellt: Ist es legal nach 1900 Jahren zu sagen, wir haben hier gewohnt – und die jetzt ansässigen Bewohner brutal zu vertreiben.
Mit der jetztigen Politik wird Israel eines Tages von der Landkarte verschwunden sein. 2040 werden wir in Deutschland soviel Muslime wie Restbevölkerung haben, die USA 90 Mio. Der Weg der Moslems nach Jerusalem führt über Europa und Amerika. Wenn in 70 Jahren die Unterstützung aus diesen Ländern vorbei ist, ist es auch vorbei mit Israel.“
Andreas Wenzel aus Berlin:
„Das Bundesverdienstkreuz für Felicia Langer gehört zu den selten positiven Eingebungen der hiesigen Politiker. Denn dieser Schritt widerspricht einer langjährigen (west)deutschen Politik der bedingungslosen Unterstützung Israels und dessen Besatzungspolitik. Wirtschaftshilfe, Rüstungszusammenarbeit und vor allem: kein Hauch von Kritik an Vertreibung und Unterdrückung der palästinensischen Araber. Die israelische Führung weiß das zu schätzen. Felicia Langers Arbeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, wenn einem das Elend der Palästinenser nicht gleichgültig ist. Diesen wird von Israel nicht nur das Land geraubt, sondern auch das Wasser und das letzte bißchen Bewegungsfreiheit.
Von der aktuellen israelischen Regierung ist in puncto Friedensprozess noch weniger zu erwarten als von den Vorgängern. Ein deutscher Bundespräsident, der ein Bundesverdienstkreuz für Frau Langer übrig hat, sollte auch so konsequent sein und die verhängnisvolle israelische Politik vernehmbar kritisieren und auf Änderungen hinwirken. Andernfalls wäre die Übergabe der genannten Auszeichnung nur eine der vielen Heucheleien des deutschen Politikbetriebs.“
Michael Dallapiazza aus Prato:
„Arno Widmanns Artikel beginnt mit differenzierter und der Frage angemessener Argumentation. Dann aber glaubt man seinen Augen nicht zu trauen: Was er als, immerhin ’schwierige‘, Sicht auf die Anfänge des israelischen Staates suggeriert, klingt zunächst nur skurril, abenteuerlich: Die Gründung Isarels als Beispiel imperialistischer ‚europäischer Kolonialgeschichte … und deren Ausbreitung‘? Wie bitte? Arno Widmann muss sich doch klar sein, wie gefährlich er sich mit solchen Argumenten der alten Verschwörungstheorie vom internationalen Finanzjudentum nähert. Ebenso unverständlich ist seine abschließende Frage, ob einer (die Juden) das Recht hat, nach 1900 Jahren Anspruch auf das vermeintlich angestammte Land zu erheben. Stellt das nicht ein wenig die Geschichte auf den Kopf? Nicht Israel will die Palästinenser ins Meer treiben. Dies ist dagegen das erklärte und bisher nur wenig überzeugend und selten widersprochene Ziel der palästinensischen Politik.“
Hans Bauer aus Stuttgart:
„Mit Entsetzen habe ich Ihren Artikel gelesen. Herr idmann stellt in aller Deutlichkeit das Recht des jüdischen Volkes für eine Heimat in Frage. Außerdem stimmen einige seiner Aussagen nicht mit der üblichen Allgemeinbildung überein. Israel wurde 1948 und nicht 1949 gegründet. Die Juden haben nicht im Jahre 49 das, wie er schreibt, heilige Land verlassen, das es noch nicht gab: es sollte heißen „Königreich Juda“. Es gab immer Juden dort. Wie sonst konnten die Altvorderen der heutigen Europäer, die Kreuzritter, als sie Jerusalem eroberten, tausende Juden und Moslems abschlachten? Aber dies Fakten stören Ihre Redaktion wohl nicht. Hauptsache feste drauf.“
Fakt ist, und festzuhalten bleibt, dass die degoutante Kampagne gegen Langer, die von einem Publizisten namens Broder und seinem (publizistisch zweifelhaften)Umfeld (aus antideutschen Kommunisten und Bush treuen, deutschen Neokonservativen) losgetreten wurde, nicht gezündet hat und nun, nach wenigen Tagen schon, in den Tiefen versandet.
Beispielhaft für den Rohrkrepierer: Auf Spiegel Online wurden gleich drei Artikel gestellt, zuletzt einer von Meister Broder selbst, die allesamt in den Forumskommentaren nicht das gewünschte Ergebnis „Empörung gegen Langer“ zeitigten, sondern die Bundesverdienstkreuzverleihung an Langer differenziert betrachteten und eher solche Leute wie Giordano kritisierten, die versuchten, den Bundespräsidenten zu erpressen: Die Erfolglosigkeit zeigte sich in der schnellen Schließung der jeweiligen Kommentarsektionen.
Insofern kann man froh sein über „webzwonull“: Die Meinungsherrschaft und Deutungshoheit solcher Leute wie Giordano und Broder ist – zumindest über deutschen PCs – gebrochen.
Und das ist gut so!
Ich schließe mich der Sichtweise des israelischen Historikers Moshe Zuckermann an,
der die emotionale Aufgerührtheit und das Gezeter um die Person Felicia Langers als Farce bezeichnet, die lediglich vom Wesentlichen ablenken soll: Nämlich auf die unsägliche Besatzungspolitik Israels zu verweisen und die mit ihr einhergehenden Verbrechen. Den Antisemitismus zu bekämpfen wenn Juden als Juden angegangen werden ist unser aller BürgerInnenpflicht. Ebenso, der Opfer im Stande ihres Opferseins zu gedenken und sie nicht für eigene Interessen zu mißbrauchen!
Gegen die Verräterin, Frau Langer und ihre Sympathisantinnen, kann man ein paar wenige Sprichwörter anwenden:
1) G’ttes Mühlen mahlen langsam aber fein…
2) Wohl dem, dem die Wahrheit FÜR ihn ist, wehe dem, dem die Wahrheit GEGEN ihn ist!
3)1 Mose 12:3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.
4) Sprüche 7:2 Behalte meine Gebote, so wirst du leben, und mein Gesetz wie deinen Augapfel.
5) Sacharja 2:8 Denn so spricht der HERR Zebaoth: Er hat mich gesandt nach Ehre zu den Heiden, die euch beraubt haben; denn wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an.
Laut diesen Aussagen kann ich Faru Langer KEINE gut Zukunft diagnostizieren.
Denn der HERR, HERR, lässt Lästerungen gegen SEIN Volk NICHT auf lange Zeit gewähren…
Ach wenn die Leute meinen, sie würden vom Volk Israel abstammen. Das traurigste Beispiel findet man in der Tragödie von König Saul…
Galater 6:7 Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.
Mit freundlichen Grüssen
Zur Diskussion um Frau Langer kann ich nur auf den Kommentar „Empörungen und Eitelkeiten“ Günther Bernd Ginzel im SWR2 Journal am Morgen vom 21.7.2009 verweisen:
„Christen empfinden es oft als ihr Altes Testament, die Hebräische Bibel. Vieles kann man dort finden, das von bleibender Aktualität ist. Denn als der Herr sein Volk Israel vor langer Zeit aus der Knechtschaft der Ägypter befreite und mit ihm in der Wüste Sinai einen Bund schloss, gab er den Seinen viele kluge Ratschläge, Weisungen, die von Israel fleißig gesammelt, die Grundlage der Heiligen Schrift bilden: „Und bedrücke den Fremdling nicht; denn ihr wisst, wie es den Fremdlingen zumute ist; denn ihr seid Fremdlinge gewesen im Land Ägypten.“
Ja, Israel weiß, wie es dem Fremdling zumute ist, zumal 3000 Jahre später in der Zeit der Schoa aus stolzen Deutschen oder patriotischen Polen quasi über Nacht Fremdlinge wurden, rechtlos, gedemütigt, verfolgt. Eine von ihnen war die junge Jüdin Felicia-Amalia, Jahrgang 1930, aus Tarnow. Mit ihrer Familie flüchtete sie 1939 in die UdSSR, heiratete nach dem Krieg eine Überlebenden der Lager, Mieciu Langer, und wanderte mit ihm in das soeben gegründete Israel aus. Spät nahm sie dort ein Studium auf, wurde 1965 Rechtsanwältin, war Mitglied der Kommunistischen Partei Israels und konzentrierte ihre Arbeit nach dem Sechs-Tage-Krieg auf die Verteidigung von Palästinensern. Politisch und juristisch stand sie in heftiger Opposition zu den Herrschenden und auf der Seite der Schwachen. Getreu dem alten Gebot, das da lautet:„Der Fremdling, der sich bei euch aufhält, soll euch gelten, als wäre er bei euch geboren, und du sollst ihn lieben wie dich selbst.“
Felicia Langer wurde eine kämpferische Menschenrechtlerin. Als Israelin nahm sie Partei für die Palästinenser, wurde gehasst und verehrt. Sie wollte provozieren, nahm sich das Recht, als Israelin in Israel die Regierung Israels zu kritisieren, einseitig, unausgewogen, voller Wut. Doch dann verließ sie Israel, wanderte nach Deutschland aus.
Und fern der Heimat wurde ihre Kritik schal, die einst beißende Einseitigkeit gegenüber dem „Apartheidsstaat Israel“, für die sie in Israel so viele bewunderten, jetzt wirkte sie eher peinlich. Felicia Langer, so ihre Kritiker, hat die Israelkritik zum Beruf gemacht, eine Stimme aus dem idyllischen Tübingen, die im fernen Israel und Palästina nicht mehr gehört wird, nichts mehr bewirken kann, die aber deutsche Bewunderer um sich zu scharen vermag. Und sie rieb sich genüsslich an den Israel freundlichen jüdischen Gemeinden, die in ihr wiederum den Leibhaftigen zu bekämpfen schienen – bis es ruhig wurde um sie – bis der Bundespräsident im fernen Berlin beschloss, ihr das Bundesverdienstkreuz zu verleihen.
Die linke Israelkritik feiert die Auszeichnung als späte Anerkennung und die Junge Welt giftet in alter DDR-Rhetorik: „Die Ehrung entspricht vor allem nicht der Einstellung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, welche die Komplizenschaft mit dem zionistischen Staat als Teil der deutschen Staatsräson bezeichnet, was von Frau Langer übrigens als »skandalös« empfunden wird.“ Ende des Zitats. Und aus Köln meldet sich, wie stets bei solchen Anlässen, der greise Ralph Giordano: Langers Lebensleistung, so erklärt der Auch-Bundesverdientskreuzträger, bestehe in einer „notorischen Täuschung ihres Publikums über Totalität und Kausalität des Nahostkonfliktes“.
Und munter schlagen sie jetzt alle auf einander ein, rhetorisch hochgerüstet: „Militanter und fanatischer Israelhass,“ so einer der Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Bedeutungslos, wie die gefärbten Haare von Frau Knobloch“ antwortet ein Sympathisant von Frau Langer in der Zeitschrift Die Linke. Das Niveau lässt sich kaum noch steigern! Ach ja, es soll den Kombattanten um Frieden und Gerechtigkeit gehen – nun ja: Eine deutsche Prügelei, die Israelis und Palästinensern den Weg zu Dialog und zum Miteinander öffnen soll? Nebbich.“
In Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt irrt Arno Widmann in seiner im Einleitungstext von Bronski zitierten „Stellungnahme“ gleich mehrfach. Einer friedlichen Lösung kommt man nur näher, wenn die Rechte beider Seiten anerkannt werden. Einseitige Schuldzuweisungen helfen nicht weiter, die Kette der Gewalt und Gegengewalt durchzubrechen.
Wenn Widmann die Gründung des Staates Israel als ein Stück europäischer Kolonialgeschichte bezeichnet, so vereinfacht er grob einen weit komplexer abgelaufenen geschichtlichen Prozess, bei dem die Flucht und Vertreibung der Palästinenser keineswegs vorprogrammiert war.
Unakzeptabel ist aber Widmanns Versuch, das Existenzrecht Israels dadurch in Frage zu stellen, in dem er eine historische Kontinuität des jüdischen Volkes bestreitet. Ob es biologische Verbindungen zwischen den nach dem Bar-Kochba-Aufstand aus der römischen Provinz Palästina im 2. Jahrhundert vertriebenen Juden und den heutigen Juden gibt, ist dabei unwesentlich, obwohl genetische Untersuchungen auf einen gemeinsamen Ursprung hindeuten. Das jüdische Volk (Am Jisrael) definiert sich in der rabbinischen Tradition – deren Kontinuität von der Talmudzeit über das Mittelalter bis in unsere Zeit unbestreitbar reicht – ohnehin nicht biologisch, sondern durch den Bund Gottes. Daher sind auch Konvertiten gehalten, sich als Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs (sowie Sarahs, Rebeccas, Rachels und Leas) zu betrachten. Die Bindung an das Land Israel ist ein Teil dieser religiösen Tradition, die der politische Zionismus unter dem Eindruck von Judenpogromen in Osteuropa und des zunehmenden Antisemitismus in Westeuropa in die Begriffswelt nationaler Bewegungen des 19. Jahrhunderts übersetzt hat.
Gerold Hefele fordert von der Bundesregierung und insbesondere von der Kanzlerin deutliche Worte an die Adresse Israels, eine konstruktivere Haltung im Ausgleich mit den Palästinensern einzunehmen. Dieser Appell ist gut gemeint, verfehlt aber die Sachlage. Die Staatsräson Israels schließt nämlich einen „Vergleich“ mit den Palästinensern aus, wie sich aus dem unverändert fort gehenden Siedlungsprozeß der Israelis im Westjordanland zwingend ergibt. Israel würde einem autonomen palästinensischen Staat auch niemals die vollen Souveränitätsrechte zugestehen, so daß sich schon allein daraus eine Perpetuierung des Konfliktes ergäbe. Dennoch kann Deutschland unmöglich Israel irgendwelche Ratschläge erteilen. Allein Washington ist legitimiert und als alleinige echte Schutzmacht in der Lage, auf Israel mäßigend einzuwirken. Dieses von Berlin zu erwarten ist nicht nur unklug sondern reicht an Hybris heran, wenn man die deutsch-jüdische Geschichte vor Augen hat.
Ein paar nützliche Links zum Thema. „H!W“ ist durch den bekannten Ausdruck „http :// www“ zu ersetzen (sonst bleibt der Beitrag wg. URL-Prüfung hängen).
H!W.israel-palaestina.de/Nahostkonflikt-Artikel/Felicia-Langer-Verdienstkreuz.htm == Offizielle Texte vom 16.07.2009, Laudatio und Dankensrede
H!W.spiegel.de/media/0,4906,21247,00.pdf == Ralph Giordanos Fax an den Bundespräsidenten vom 21.07.2009 14:03
H!W.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,637579,00.html == Spiegel-Interview mit Micha Brumlik vom 22.07.2009
H!W.freitag.de/kultur/0930-felicia-langer-ralph-giordano-bundesverdienstkreuz == Offener Brief der Freitag-Redaktion an Ralph Giordano vom 23.07.2009 14:15, mit über 100 Kommentaren
@ # 7 Sigurd Schmidt
Ihr Behauptung, „die Staatsräson Israels schließt … einen „Vergleich“ mit den Palästinensern aus“, ist nachweislich falsch. Die Auffassungen der Regierung Netanjahu sind nicht identisch mit einer „Staatsräson Israels“, und selbst in der in der jetzigen israelischen Regierungskoalition ist die Siedlungspolitik umstritten. Die Kadima unter Zipi Livny ist mit ihrem ausdrücklichen Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung und zum Rückzug aus den besetzten Gebieten die stärkste Knesetfraktion geworden. Aus Umfragen ist bekannt, dass beide Positionen eine deutliche Mehrheit der Israelis teilt.
Warum regt sich Welt wieder so auf? Dieses Kreuz – das Kreuz mit dem Kreuz – ist doch nix weltbewegendes mehr, bekommen sogar Schauspieler. Eine Auszeichnung ist das doch nicht mehr, mehr so eine Art Massenflohmarktartikel. Die Vorgehensweise der Verleihung wie in den Talkshows: Ich interviewe dich, du dann mich.
Ich wollte das Ding net abgemalt haben, irgendwo hört der Spaß in und mit DE auf.