Reservierte Einstellungen

Geht es nach Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, dann sollen Homosexuelle, die ihre Lebenspartnerschaft haben eintragen lassen, das volle Adoptionsrecht erhalten. Bisher ist es bei Lesbenpaaren so, dass die leibliche Mutter natürlich das volle Sorgerecht besitzt, die miterziehende Partnerin aber nur das kleine Sorgerecht. Das reicht, um das Kind vom Kindergarten abzuholen oder mit ihm zum Arzt zu gehen; mehr ist es nicht. Nach den neuen Plänen könnte sie das Kind adoptieren und bekäme ebenfalls das volle Sorgerecht. Darüber streitet sich die Politik seit langem, doch diese Auseinandersetzung ist stark an weltanschaulichen Standpunkten orientiert. So wie sich die CDU einst gegen die eingetragene Lebenspartnerschaft quergelegt hatte, um eine Gleichstellung mit der Hetero-Ehe zu verhindern, so stellt sie sich jetzt auch gegen die Vorlage von Zypries. Fraktionsvize Wolfgang Bosbach und Bayerns Sozialministerin Christiane Haderthauer (CSU) lehnten den Vorstoß klar ab: Kinder wüchsen am besten in Beziehungen von Mann und Frau auf.

Nun gibt es aber eine Studie der Universität Bamberg, die 16000 Kinder aus so genannten „Regenbogenfamilien“ erfasst. Sie kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis: Kinder aus Regenbogenfamilien zeigten sogar ausgeprägtere Rollenmuster als die Sprösslinge aus heterosexuellen Ehen. Die Gründe für diesen überraschenden Befund sieht Marina Rupp, Leiterin der Studie, unter anderem darin, dass die „Eltern“ sich des Problems des fehlenden Rollenvorbilds sehr bewusst seien und gegensteuerten. Soll heißen: Diese Eltern versuchen nicht, ihre Kinder zur Homosexualität zu erziehen – dass dies möglich sein könnte, ist eine der Ängste der Konservativen, an denen sie offenbar hartnäckig festzuhalten entschlossen sind -, sondern sie versuchen, ihnen, den Kindern, den größtmöglichen Entfaltungsraum zu geben.

Doch auch in der CDU bewegt sich was, denn nicht nur die SPD hat ihre innerparteiliche Schwulenorganisation (Schwusos), sondern auch in der CDU gibt es sie, die Lesben und Schwulen. Und sie haben sich zu einem Verband zusammengetan. Als dessen Sprecher sagte Dirk Braitschink: „Diese Reaktionen haben Bosbach und Haderthauer sicherlich spontan und in Unkenntnis der neuen Studie des Bundesjustizministeriums geäußert.“ Schließlich habe die Untersuchung klar belegt, dass nicht die sexuelle Orientierung der Eltern für das Kindswohl entscheidend sei, sondern die Beziehung zwischen Eltern und Kind.

Zu diesem Thema wendet sich FR-Leser Felix Benninger direkt an Wolfgang Bosbach:

„Sehr geehrter Herr Bosbach,
nachdem Frau Zypries eine neue Studie über das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vorgestellt hatte, ließ Ihre Reaktion und die Ihrer Partei nicht lange auf sich warten. Gerne würde ich über Ihre Beweggründe mehr erfahren.
Generell ist es natürlich jedem freigestellt, seine persönlichen Einstellungen zu gleichgeschlechtlichen Paaren und natürlich Eltern selbst zu definieren. Solange diese reservierte Einstellung, wie Ihre, gegenüber homosexuellen Eltern durch Ängste getrieben wird, die auf Grund fehlender wissenschaftlicher Daten und Erkenntnisse nicht zu widerlegen waren, ist es auch für mich verständlich, dass Sie und andere auf Grund dieses Mangels an Fakten erst einmal vorsichtig sind und eher traditionelle Konzepte unverändert beibehalten wollen. Sobald jedoch, der Hauptgrund Ihrer Befürchtungen, nämlich Kinder von gleichgeschlechtlichen Eltern würden nicht aufwachsen wie Kinder von heterosexuellen Eltern, von einer wie hier vorgestellten wissenschaftlichen Studie widerlegt werden, erwarte ich von Ihnen, Konsequenzen zu ziehen.
Entweder Sie bestreiten den Wert der Studie, kritisieren diese inhaltlich oder finanzieren eine weitere Studie, oder Sie akzeptieren wissenschaftliche Ergebnisse und handeln entsprechend, indem Sie zunächst Ihre eigenen Ängste hinterfragen und dem neuen Wissen anpassen.
Mit Ihrer Aussage ‚Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass Kinder am besten in einer Beziehung von Mann und Frau aufwachsen‘ ignorieren Sie argumentationsarm die vorliegende Situation. Wie gesagt würde ich mich sehr freuen, mehr über Ihre Beweggründe und Rechtfertigung Ihrer negativen Haltung gegenüber der Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare zu erfahren.“

Edi Schubert aus Frankfurt:

„Ich möchte hier ausnahmsweise der CDU Mut machen, ihre Linie beizubehalten. Ich akzeptiere inzwischen die Realität, dass es Homo- und Lesbenpaare gibt, aber es ist nicht die von Gott gewollte (ja, ich glaube an Gott) Realität, dass Kinder von zwei Frauen oder zwei Männern großgezogen werden. Die Wissenschaft sagt … und schon glauben wir es. Was wird denn während des jugendlichen Lebens im Kopf manifestiert? Dass es normal ist, keine Mutter und Vater gleichzeitig zu haben? Und wenn ich Schwierigkeiten habe, als Mädchen einen Freund oder als Junge eine Freundin zu finden, halt mal schauen ob ich dann mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zurechtkomme. Ist doch ganz normal!? Nein ist es eben nicht! Hier kann man das schlecht ausdiskutieren. Aber es auch noch gesetzlich zu manifestieren, geht einfach zu weit. Kinder haben ein Recht auf Vater und Mutter! Sonst gäbe es sie ja nicht, die Kinder. Außer die Wissenschaft pfuscht der Natur mal wieder ins Handwerk!“

Joachim Ziegenhorn aus Rülzheim:

„Deshalb – unter anderem –, so denke ich, kann man eben nicht CDU wählen, Frau Zypries ist der (die) beste Justizminister(in) seit langer Zeit, nachdenklich, dem Recht verpflichtet, ausgewogen, behutsam. Eine wahre Rarität in unserer Welt der Destruktion, der Macht und der egomanen Gier.“

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6 Kommentare zu “Reservierte Einstellungen

  1. @ Edi Schubert aus Frankfurt

    Es ist ja schon etwas, wenn Sie Homo- und Lesbenpaare als „Realität“ akzeptieren (bleibt Ihnen ja auch nichts anderes übrig). Es gibt schlimmere Aussagen dazu in der katholischen Kirche (Düba u.a.). Allerdings: Wissenschaft und Glauben zu vermengen und Menschen, die anderer Ansicht sind als Sie, „Wissenschaftsgläubigkeit“ zu unterstellen, halte ich für ziemlich infam. Sind Sie etwa für Glauben an Unwissenschaftlichkeit – etwa nach dem Modell 400jähriger Verfemung eines Galilei durch die Kirche? Woher wissen Sie, was Gott wollte? Hat er das zu wollen, was die Herren Düba u.a. vorschreiben? Das heißt also: Es war wohl ein Fehler von ihm, dass er Menschen schuf, die einfach nicht in das Schema eines katholischen (u.a.) Dogmatismus hineinpassen wollen. – Das nenne ich Blasphemie.
    Zu Ihrem Begriff von „normal“ und „Natur“:
    Der „Natur“begriff etwa der Aufklärung hat mit der „Natur“ außer uns und mit unserer eigenen „Natur“ herzlich wenig zu tun. Es ist ein politischer Kampfbegriff, der – aus der politischen Schwäche des Bürgertums im 18. Jahrhundert resultierend – die höfische Gesellschaft als „unnatürlich“ bekämpft, indem es für sich selbst „Natürlichkeit“ beansprucht und somit politische Schwäche mit vermeintlicher „moralischer“ Überlegenheit kompensiert.
    Das macht die katholische Kirche im Sinne eines Düba oder (schlimmer noch) der Pius-Brüder heute nicht anders. Nur dass es nicht um Macht im politischen Sinn geht, sondern um Verketzerung von Menschen, die anders – in ihrem Sprachgebrauch „anormal“ – sind.
    Wer so argumentiert, demonstriert damit – bewusst oder unbewusst – , dass er/ sie einen „inneren“ Feind braucht, um sich ihm gegenüber als „moralisch besser“ abzugrenzen. Das sind Ansätze zu totalitärem Denken. Wohin das führen kann, das kann man bei den Taliban studieren.
    Dass ausgerechnet eine Institution wie die katholische Kirche mit solchen Begriffen operiert, welche – so in den Mariendogmen – Übernatürlichkeit (hier also die „Jungfrauengeburt“) wörtlich versteht und zum biologischen (!) Faktum erklärt, ist schon mehr als abstrus. Dass die Kirche eine solche „heidnische“ Vorstellung von den Ägyptern übernimmt, wo „Jungfrauengeburt“ den ungeheueren Abstand des „göttlichen“ Pharao von den Menschen symbolisiert, spricht Bände, wie es mit dem Menschenbild (und auch Gottesbild) einer solchen Kirche tatsächlich bestellt ist. (Hierzu u.a.: Hans Küng, Credo)
    Zu Toleranz führt das ganz sicher nicht. Tolerant sein kann eben nur, wer in der Lage ist, sein eigenes kategorisches Denkgebäude, das nach „gut“ und „böse“, „normal“ und „anormal“, „natürlich“ und „unnatürlich“ sortiert, in Frage stellt.
    Werner Engelmann, Luxemburg

  2. ich akzeptiere inzwischen die realität, dass es leute gibt, die an gott glauben, aber ich halte sowas weiter für eine fehlgeburt, und ich finde den gedanken schwierig dass es heterosexuelle familien gibt, in denen kinder von solchen gläubigen großgezogen werden. der herr (beziehungsweise seine verkündigungsgehilfen von der kanzel) befielt … und schon folgen wir. was wird denn während des jugendlichen lebens im Kopf manifestiert? dass es normal ist, mutter und vater zu haben? und wenn ich schwierigkeiten habe, als mädchen ein mädchen zu finden oder als junge einen junge, halt mal schauen, ob ich dann mit einem andersgeschlechtlichen Partner zurechtkomme. ist doch ganz normal!? nein ist es eben nicht! hier kann man das aber mal ganz wunderbar ausdiskutieren. und es muss auf jeden fall gesetzlich manifestiert werden, dass das adoptionsrecht sich am wohl der kinder zu orientieren hat und nichts anderes. die bisherige blockade geht einfach zu weit. kinder haben ein recht auf liebende eltern, egal ob vater und mutter, vater und vater oder mutter und mutter! weil es sie nun mal gibt, die kinder. außer das christentum pfuscht der natur mal wieder ins handwerk!

  3. Ach ja, der arme liebe Gott, was der so alles über sich lesen muß:

    “Ich möchte hier ausnahmsweise der CDU Mut machen, ihre Linie beizubehalten. Ich akzeptiere inzwischen die Realität, dass es Homo- und Lesbenpaare gibt, aber es ist nicht die von Gott gewollte (ja, ich glaube an Gott) Realität, dass Kinder von zwei Frauen oder zwei Männern großgezogen werden.

    Festgehalten werden muß, was der liebe Gott angeblich will, ist das was Mensch erzählt. Vornehmlich steht dieser, oder stand er, unter Drogen. Diese Erzählungen richten sich nach dem aus, was denn Mensch gerne will. Und so erfährt die Chronologie der Plauderstunden mit Gott hin und wieder ein Update. Früher konnte das besser gemacht werden, war das viel einfacher, da ist jemand auf einen Berg geklettert, kam dann runter und alles ist wahr, oder aber er stieg in geheime Gemäcjher, verschwand für ein paaar Tage und kam mit Visionen wieder aus der Dunkelheit. Die „Schäfchen“ glaubten alles, weil sie dumm gehalten worden sind bzw. sie in absoluten Gehorsam gegenüber ihrer Führungsperson standen. Diese Querbalkenideologie – der Volksmund nennt das auch Brett vorm Kopf – ist dermaßen ausgeprägt, daß heute noch viele Teile der Märchenstunden als das einzig Wahre in der Geschichte der Menschheit gelehrt werden. Deswegen auch mehr als 2000 Jahre Mord und Totschlag im Namen Gottes, weil Mensch den lieben Gott nicht versteht. Dabei haben Geschichten/Erzählungen verschiedene Lehren. Eine Lehre die so alt ist, wie die älteste Geschichte selbst.

    Man begebe sich zu dem Ursprung einer Erzählung, auf die ein klein karriertes Weltbild aufgebaut ist, zu Adam und Eva. Diese Konstellation hat ja wohl schon genug Unglück über die Menschheit gebracht. Es hat ganz ganz lange gedauert, bis wenige Menschen sich sagten, versuchen wir es mal anders. Und siehe da, ein Regenbogen spannte sich über diese Menschen und die Menschen wußten, der liebe Gott ist dieser Konstellation nicht abgeneigt. Der liebe Gott weiß ja viel, ist nicht so dumm wie Mensch, er wußte was dabei herauskam, was Wissenschaft erst mühsam zusammenzählen muß. Die Konstellation Mann/Mann und Frau/Frau ist jedenfalls viel weiter entwickelt, als das was Frau/Mann in der Geschichte der Menschheit bisher hinbekommen hat. Das Blickfeld des Menschen ist durch Mann/Mann und Frau/Frau erweitert worden, eine Chance für den Mensch in der Zukunft.

    Und der liebe Gott sitzt am Ende des Regenbogens (da liegt immer ein Schatz) und atmet auf: „Das ich das noch erleben darf… endlich haben sie es gemerkt“

  4. Welches Weltbild muss Edi Schubert haben, wenn sie/er glaubt, Homosexuelle hätten nur niemanden des anderen Geschlechts abbekommen?
    Es geht um nicht weniger als Liebe, und jedem Liebenden gehört der gleiche Respekt entgegen gebracht.
    Entscheidendes Kriterium einer Adoption muss die Liebe und Geborgenheit für das Kind sein, nicht das Geschlecht der potentiellen Eltern.

  5. @ Edi Schubert,

    ich bin immer wieder erstaunt, wieviele gebildete Menschen es doch gibt, die immer genau wissen, was Gott (?) gesagt hat, ja sogar was er meint.

    Ich vermute mal, er/sie wurde schon als Kleinkind in diese Richtung gedrängt und kann eben nicht mehr anders.

    Zum Thema selbst hatte ich „von Geburt aus“ auch eine feste Meinung mitbekommen, konnte mich aber im Laufe des Lebens davon befreien. Ein Reifeprozess eben.

  6. Was in der Natur richtig, normal bzw. gesund ist, kann zunächst Theorie bleiben. Es ist aber eine Tatsache, daß die traditionelle monogame (hetero-) Ehe bzw. Partnerschaft (z.B. „wilde Ehe“ usw.) von Mann & Frau — 1M+1F — die grundlegende Form & Norm in der (sog.?) westlichen Welt wurde. Auch darauf basiert unsere Entwicklung. Dem steht nicht entgegen, daß manchmal bzw. sehr häufig in der Ehe gestritten wird, oft wg. Einkommenslage, worunter die Erziehungsrolle dieser gesellschaftlichen Zelle auch leidet. Diese traditionelle Struktur sollte man m.E. nicht leichtfertig behandeln. Die „wissenschaftliche Forschung“ soll m.E. auch diskutieren, welche Rechte bzw. Privilegien nur dieser Form belassen werden könnten.

    In der modernen kultivierten aufgeklärten Zivilisation muß jedoch auch die gleichgeschlechtliche (homo-) Partnerschaft existieren können, einschl. einer Eheschließung. Während Jugendämter anscheinend ziemlich klare Vorstellungen haben, wie man Kindeswohl in einer Hetero-Ehe begutachten kann, scheint die Theorie im Falle der Homo-Ehe vielleicht noch nicht entwickelt worden zu sein.

    Im Zeichen der Aufklärung könnte man eigentlich auch eine gesittete Poligamie (1M+xF, 1F+xM) bzw. Kommune (xM+yF) anerkennen bzw. legalisieren. So etwas ist in manchen Gesellschaften nicht verkehrt. In der europäischen Geschichte haben sich die (regierenden) Fürsten auch das Recht auf „+xF“ vorbehalten. Wo die Vaterschaft unklar ist bzw. sein kann, muß die Ehe-Gemeinschaft der amtlichen Klärung & Beurkundung zustimmen, um Kinderzeugung unter (nahen) Blutsverwandten später doch verhindern zu können.

    😉

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