Kopftuch: Beamte haben sich religiöser Parteinahme zu enthalten

In Hessen dürfen Lehrerinnen und andere Beamtinnen keine Kopftücher tragen, Referendarinnen hingegen schon. In der Praxis stoßen sie allerdings auf Vorbehalte. Die SPD fordert, das Kopftuch-Verbot nach zehn Jahren auf den Prüfstand zu stellen. Und das bedeutet, dass wir die Kopftuchdebatte, die wir vor Jahren schon für Baden-Württemberg hatten, nun auch in Hessen haben. Es war ja nur eine Frage der Zeit.

An den Unis zeichne sich bereits ab, dass viele angehende Lehrerinnen ein Kopftuch werden tragen wollen. Im islamischen Religionsunterricht dürfen sie das auch nach ihrer Referendarinnenzeit, in allen anderen Fächern nicht. Der Vorsitzende des Frankfurter Rats der Religionen, Khushwant Singh, weist darauf hin, dass die Zahl der Fälle wachsen werde. Der Rat der Religionen fordert die Abschaffung des Kopftuchverbots. Singh gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an, für die das Tragen eines Turban obligatorisch ist, und macht darauf aufmerksam, dass auch ein Sikh als Lehrer diese Kopfbedeckung abnehmen müsste. Sikhs schneiden sich die Haare nicht. Aus ihrer Perspektive drücken sie damit Weltzugewandtheit, Nobilität und Respekt vor der Schöpfung aus.

Kopftuchstreit reloaded: Das Bundesverfassungsgericht hatte im September 2003 entschieden, dass ein etwaiges Kopftuchverbot per Landesgesetz geregelt werden müsse. In Hessen gilt seit 2004 ein strenges Gesetz, welches das Tragen eines Kopftuchs für Lehrkräfte nicht nur im Unterricht und an den Universitäten, sondern für alle Beamtinnen. Das Gesetz wurde 2007 vom Hessischen Staatsgerichtshof mit der knappsten aller möglichen Mehrheiten (6 zu 5 Stimmen) bestätigt. Es verbietet übrigens nicht nur das Tragen des Kopftuchs, sondern auch das Tragen aller Kleidungsstücke, die den politischen Frieden gefährden können.

Die hessische SPD fordert nun, das Gesetz nach diesen ersten zehn Jahren zu überprüfen. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung findet sich dazu keinerlei Vereinbarung; die Koalitionäre hatten das Thema offenbar nicht auf dem Radar. CDU und Grüne vertreten dazu gegensätzliche Positionen. Könnte sein, dass uns damit der erste Koalitionsstreit ins Haus steht.

Die FR-Leser vertreten dazu in den bisher eingeschickten Leserbriefen eine klare Meinung, so etwa Stephan Ganss aus Offenbach:

„In dem Artikel ist schon die Unterzeilte „Muslimische Referendarinnen stoßen auf Probleme“ schlicht falsch. Muslimische Referendarinnen stoßen an Hessischen Schulen und Studienseminaren nicht auf Probleme! Warum sollten Sie auch? Auf Probleme stoßen nur Personen, denen es an den grundlegenden Kompetenzen für das Berufsbeamtentum und im besonderen für den Lehrerberuf mangelt, und das mit Recht.
Die Hessische Verfassung und damit der hessische Staat garantiert seinen Bürgern aus guten Gründen politische und religiöse Neutralität. Daraus folgt, dass sich Beamte/innen des Landes Hessen im Dienst politisch und religiös jeglicher Parteinahme zu enthalten haben. Dies gilt in noch verstärktem Maß für alle Lehrer, da sie es als Beamte mit minderjährigen Kindern und Jugendlichen zu tun haben.Wenn also Referendare/innen es nicht lassen können, für ihre Partei, ihre Gewerkschaft, für ihre Essgewohnheiten, ihre Religion, ihre sexuelle Orientierung oder ihren Fußballclub öffentlich, für alle Schüler/innen sichtbar Werbung zu machen, dann sind sie zwar keine schlechten Menschen, aber für den Umgang mit Schülern nicht geeignet. Die Religionsfreiheit der öffentlichen Schulen ist eine Errungenschaft der Nachkriegszeit, auf die wir Stolz sein können. Das Abhängen der Kreuze in bayrischen Schulen wurde auch von der Redaktion der FR begrüßt.
Da Referendare/innen in Hessen vereidigte Beamte mit Beihilfeanspruch sind, kann ich die Aussage, dass das Kopftuch erlaubt sei nicht nachvollziehen. Was der Rat der Religionen für eine Lobbyistengruppe ist, weiß ich nicht, aber außer den zwei genannten Religionen wüsste ich keine, die mit der religiösen Neutralität Probleme hätte. Pfarrer und Pastoren/innen kommen schon seit Jahren in ziviler Kleidung zu ihren Unterrichtsverpflichtungen. Was auch den Hinweis des Genossen Merz auf eine angebliche Sondererlaubnis für den Islamunterricht in den Bereich des Wunschdenkens verweist. Weshalb das Kopftuchverbot „immer fadenscheiniger“ werde, wird in dem politisch sehr einseitigen zweiten Teil des Artikels nicht begründet. Es sei denn man glaubt, die Zunahme von Rotlichtverstößen im Straßenverkehr rechtfertige einen Verzicht auf Ampeln.“

Dr. Günther Braun aus Koblenz spricht Minister Tarek al-Wazir direkt an, der gesagt hatte, für ihn komme es nicht darauf an, was um den Kopf herum ist, sondern wie die Frau denke und handle.

„Sehr geehrter Herr Minister,
Sie halten es für richtig, ich für falsch, muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuchs im Unterricht zu gestattet. Die gebildete Lehrerin weiß, dass es sich bei diesem Kleidungsstück nicht nur um ein religiös gleichgültiges Accessoire handelt, sondern um die Zustimmung zur Interpretation des Koran, demnach es der Frau, wie schon die Paradiesgeschichte eindeutig erzählt, von Natur aus an Urteilskraft fehlt und von Natur aus an Verführungsgaben nicht mangelt, wobei die schönen Haare dafür Zeichen und Wirklichkeit sind. Sie in der Öffentlichkeit zu bedecken, schützt die immer kindlich, nicht voll verantwortliche, weil urteilsschwache Frau vor sich selbst und die Männer vor ihr. So sagt es die Scharia z.B. in Bezug auf die defizitäre Fähigkeit der Frau zur Zeugenschaft vor Gericht.
Eine akademisch gebildete Lehrerin soll und will Vorbild ihrer Schülerinnen und Schüler sein. Mit Kopftuch vo der Klasse macht sie ihre Unterwerfung unter die oben erklärte kindliche Minderwertigkeit für die Mädchen aus islamischen Familien zum Vorbild und zugleich zum Vorwurf für alle die Mädchen, die ein anderes Selbstbild haben und entfalten wollen.
Eine indische Journalistin, Jill Tweedy, schrieb schon vor Jahrzehnten, dass die Männer im Umbruchder Modernisierung befindlicher Gesellschaften den Frauen die ganze Last der Tradition und dern Weitergabe aufhalsen, aber häufig selbst für sich das Leben ohne strenge Bindung an die Religion bevorzugen und in modernen Formen das Leben genießen. Das gilt auch für muslimische Männer in westlichen Gesellschaften während ihres Kampfes um Anpassung und Widerstand. So sahen es auch viele muslimische Frauen, mit denen ich beruflich zu tun hatte, beginnende Studentinnen, damals ganz wenige mit Kopftuchgläubigkeit. Und nun ist es wieder ein hochgestellter Mann von Bildung und Ansehen mit Kenntnis der und Herkunft aus der islamischen Welt, der keine Bedenken hat, dass die Unterwerfung der Frau (Lehrerin) unter männliche Forderungen an ihre Rechtgläubigkeit in der Schule ihren Platz haben soll – womöglich unter Berufung auf die durch unsere Verfassung verbriefte Religionsfreiheit.“

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6 Kommentare zu “Kopftuch: Beamte haben sich religiöser Parteinahme zu enthalten

  1. „Die SPD fordert, das Kopftuch-Verbot nach zehn Jahren auf den Prüfstand zu stellen.“

    Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die Sozialdemokraten religiöse Symbole in den Schulalltag einführen wollen. Das ist das Gegenteil von gesellschaftlichem Fortschritt. Mir fallen keine Argumente ein, die die Position der SPD unterstützen würden.

  2. @ Rudi,

    weil es keine Argumente dafür gibt!

    Es handelt sich um einen parteiüblichen Versuch durch Anbiederung „neue Wählerschichten“ zu erschließen.

    Der von Beamten geforderten Wohlverhaltenspflicht und Treue zur FDGO widerspricht eine solchs Ansinnen zu 100%.

    Wer in den Staatsdienst will, muss auch nachweisen in der Lage zu sein das jeweilige „Bekenntnis“ im Rahmen dienstlicher Obliegenheiten hintanzustellen.

    Wer das schon formal nicht leisten will, dem darf auch angezweifelt werden die Dienstgeschäfte mit dem notwendigen Willen zur Neutralität zu versehen!

    Was sich der Herr Minister hier zusammmenfantasiert, wirkt ein wenig als wolle man ihn erstmal gründlich „auflaufen lassen“. Schade, ursprünglich hätte ich den Herrn Minister etwas fester auf dem Boden der FDGO stehend vermutet.

    KM

  3. Wie so oft, so auch immer wieder:
    Es ist pubertär und albern, Kleidungsstücke mit Symbolkraft zu versehen.
    Wer es für nötig hält, seine „Überzeugung“ oder „Bedeutung“ nach aussen sichtbar zu machen, ist prinzipiell unaufgeklärt; wer es nötig hat, andere an ihrer Kleidung zu „erkennen“ und nur deshalb zu respektieren, auch.

    „…Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt…“

  4. @ BvG,

    grundsätzlich ist die Kritik gegenüber Oberflächlichkeiten beechtigt.

    Nur, stehe ich auf dem Standpunkt das es in der Verantwortung eines jeden Amtsträgers liegt, sich beim Dienst versehen neutral zu verhalten, das sollte der Büger auch problemlos erkennen und erwarten können!

    Mit Beliebigkeiten oder einem „flexiblen“ Umgang ist das gerade nicht zu lösen!

    KM

  5. Gleiches Recht für alle: Entweder akzeptiere ich die kopftuchtragende Muslima genauso wie die burka-ähnlich gekleidete katholische Nonne, oder keinen von Beiden.
    Warum werden diese Unterschiede gemacht?
    Meiner Meinung nach hat Religion in der Schule nichts verloren; die Kinder sollten aber neutral über die Religionen informiert werden. Darum Schluss mit allen religiösen Symbolen.

  6. Das hier noch augenfällige, rechtswidrige Unterschiede gemacht werden liegt primär an unseren Politikerdarstellern und fderen Hofschranzen. Buhlen um Wählergruppen eben, mehr nicht!

    Es sind oft genug in allen Strukturen von Bund und Ländern Lobbygruppn und Freundskreise in Stellvrtrtung von Parteiinteressen, welche eine „neutrale Information“ eher als Gift für Wählerhirne betrachten.

    Früher gabs den „Freundeskreis Himmler“ heute gibts z.B. den Freundeskreis ÖR um den formal begrenzten Parteieinfluss zu umgehen…die Methode ist also altbekannt.

    Und bei den Religionsvertretern geht e doch weniger um Akzeptanz, sondern darum weshalb Partikularinteressen hier vereinzelt, eben nicht für alle Gruppen gleichartig, eine Vorzugsbehandlung zu teil wird! Das ist eigentlich weder rechtlich noch moralisch tragbar!

    KM

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