Österreich entwickelt sich nach rechts. Vermutlich wird demnächst die rechtspopulistische bis -extreme FPÖ den Bundeskanzler stellen: Herbert Kickl soll eine Regierung bilden. Die konservative Volkspartei (ÖVP) zeigt sich bereit, ihm dazu zu verhelfen. Der bisherige Kanzler Nehammer (ÖVP) spielt dabei nicht mit und verschwindet von der politischen Bildfläche.
So kann es gehen. Von wegen Brandmauer! Allerdings hat Österreich schon lange ein Problem mit einer gewissen Rechtslastigkeit. Während rechte Parteien in anderen Ländern noch kaum eine Rolle gespielt haben, war Jörg Haiders FPÖ schon früh ein politischer Faktor in der Alpenrepublik. Nach Ungarn, Italien, der Slowakei und den Niederlanden rutscht also nun auch Österreich in die Arme der rechten Rattenfänger.
Es gibt Zeitgenossen, die diese Entwicklung (auch bei uns mit dem Erstarken der AfD) mit sozialpolitischen Problemlagen erklären. Auch in Leserbriefen taucht diese Position immer wieder auf, um so der SPD und anderen linken Parteien eine Verantwortung für die Entwicklung zu geben, weil diese Parteien die sozial benachteiligten Menschen aus den Augen verloren hätten. Dann wäre es allerdings ziemlich einfach, das Problem zu beseitigen. Es ist zwar unbestreitbar, dass es auch in Deutschland eine zunehmende soziale Schieflage gibt. Mindestens ebenso wichtig dafür, die rechten Parteien derart leichtes Spiel bei uns und in anderen Ländern Europas haben, dürften aber zwei andere Faktoren sein, die in dieser Perspektive unter den Tisch fallen: eine Politik, die untätig wirkt und/oder zerstritten ist (das gilt für Österreich ebenso wie für Italien oder Frankreich), und die Globalisierung.
Jahrelang wurde uns gepredigt: Wandel durch Handel. Diese griffige Parole hat nie gestimmt, denn die Wirtschaft hat die ungleichen Verhältnisse auf diesem Erdball vor allem dazu genutzt, Profite einzufahren. Viele Güter ließen und lassen sich in anderen Ländern wesentlich günstiger produzieren als bei uns. Also wurde Arbeit in diese Länder umgesiedelt, was dort oft zu Ausbeutung geführt hat – und bei uns zu einem unterschwelligen Misstrauen in die Politik, die sich in den Ruch begab, zwar die Interessen der Wirtschaft zu vertreten, nicht aber die des Volkes. Vielleicht folgt die aktuelle Entwicklung – weg vom Freihandel, hin zu Zöllen und Protektionismus à la Donald Trump – ganz einfach einem ungeschriebenen Gesetz: Jedes Pendel schwingt irgendwann auch wieder in die andere Richtung. Wenn es also einmal in Richtung Globalisierung geschwungen ist, dann ist es möglicherweise nur eine Frage der Zeit, dass es sich wieder auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung macht. Das bedeutet: Unsere Wirtschaftseliten und die Politik, die diese Ideen umgesetzt hat, haben es übertrieben.
Jetzt werden die Menschen weltweit erleben, wie ganze Staaten ihr Wohl in Abschottung suchen, wo früher das Credo des Freihandels galt. Das wird Folgen haben, denn diese Entwicklung hat erstarkenden Nationalismus im Gepäck. Daher wäre es zwingend erforderlich, dass in Gestalt der Europäischen Union ein Leuchtturm für das Gegenteil zu leuchten begänne, doch die EU ist leider uneins. Sie müsste auf Mittel und Wege sinnen, um selbstbewusst und werteorientiert in der Welt auftreten zu können, doch das wird mit einer wachsenden Zahl von nationalistischen Regierungen in der EU nicht gelingen. Also keine guten Aussichten für die nächsten Jahre. Auch wenn Marine le Pen in Frankreich von der nächsten Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werden sollte (das werden wir in wenigen Tagen erfahren) und auch wenn die AfD in Deutschland zumindest bei der unmittelbar bevorstehenden Bundestagswahl noch keine entscheidende Rolle spielen dürfte. Doch wie wird das bei der nächsten Wahl sein, die regulär 2029 stattfinden wird? Da hilft eigentlich nur eines: Die beginnende Legislaturperiode muss dazu genutzt werden, ein Verbot der AfD zu erwirken.
Zu: „Wiens hochgefährliches Experiment“ und „Klima für rechte Gewalt“, FR-Politik vom 7. Januar
Schwere Zeiten für Linke
Die Tatsache, dass in Österreich die FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt wurde und in Deutschland die horrenden Zahlen der rechtsextremen Kriminalität in die Höhe schnellen, muss Demokratinnen und Demokraten auf den Plan rufen. Nach der Entwicklung der vergangenen Monate und Jahre können diese Tatsachen ja nicht mehr verwundern. Wir erleben in der Bundesrepublik derzeit die exorbitante Steigerung der brutalen Gewalt von rechts und stellen fest, dass in Österreich die ÖVP bereit ist, einer Nazipartei, nämlich der FPÖ, den Weg für eine Regierung zu ebnen. Bei CSU und CDU ist festzustellen, dass ihre Machtgier keine Rücksicht mehr auf Minderheiten nimmt und damit demokratische Prinzipien mit Füßen getreten werden. Und in Wien sind die Strukturkonservativen dabei, die politische Verantwortung an alte und neue Nazis zu übergeben. Diese Tatsachen bedeuten für die Linke, dass auf sie schwere Zeiten zukommen. Wieder einmal in der Geschichte zeigen sich Konservative und Rechtsradikale vereint im Kampf gegen die liberale Demokratie. Und hierzulande wird das Remigrationsgeschwätz von großen Teilen der Union wiederholt und so der schwarz-braune Mob mit seinem sogenannten gesunden deutschen Volksempfinden in fragwürdiger Art und Weise befriedigt. Der uns in der Bundesrepublik bevorstehende kurze Winterwahlkampf muss von Demokratinnen und Demokraten dazu genutzt werden, darzustellen, wie die illiberale Republik unter CDU/CSU und FDP aussehen würde und wie groß die Gefahr ist, dass ein Großteil der Unionsparteien die Brandmauer gegen rechts, sprich gegen die AfD, einreißen wird. Je näher der Wahltag, der 23. Februar, rückt, desto deutlicher wird die Gefahr in der Bundesrepublik auf zumindest eines Versuchs eines kalten Putsches von rechts. Die bekannte Kumpanei von rechts bedroht mal wieder wie so oft in der Geschichte die Demokratie.
Manfred Kirsch, Neuwied
Ich werde Österreich jetzt meiden
Mit meinem Tesla bin ich jetzt gerne gesehener Gast, aber unter einer FPÖ-Regierung werde ich Österreich natürlich meiden.